Hilfe annehmen in Form von Psychotherapie?

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zerberos
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Hilfe annehmen in Form von Psychotherapie?

Beitrag von zerberos »

Conny_11
Beiträge: 291
Registriert: 22. Jul 2011, 00:03

Re: Hilfe annehmen in Form von Psychotherapie?

Beitrag von Conny_11 »

Hallo insomnio!

Willkommen im Forum!

Mit der double depression kenne ich mich nicht aus, ich leide "nur" an einer "normalen" Depression. Aber Ängste vor einer Therapie kenne ich!

Ich mache seit etwa 15 Monaten eine Verhaltenstherapie. Ich hatte wahnsinnig Angst davor. Aber ich konnte einfach nicht mehr. Die Depression war unaushaltbar. Alles in mir hat geschrien "Ich brauche Hilfe!"

Vor der ersten Stunde war ich wahnsinnig nervös. Einem Fremden von meinen inneren Gedanken und Gefühlen erzählen? Für mich unvorstellbar. Ich hab's aber gemacht, denn ich war am Ende meines Lateins.

Meine Therapeutin hat mir die erste Stunde leicht gemacht. Sie hat viele Fragen gestellt. Mir Behandlungswege aufgezeigt. Verständnis für meine Probleme gezeigt. Mich ernst genommen. Ich bin da raus und hatte das Gefühl, dass mich zum ersten Mal im Leben jemand mit meinen Gefühlen ernst nimmt. Nicht einmal hat sie mir gesagt "Reiss dich zusammen", sondern ganz einfach "Ich werde dir helfen, zusammen werden wir das hinkriegen." Ich war nicht mehr alleine mit dem ganzen Mist, konnte mich an jemanden anlehnen.

Volles Vertrauen zur Therapeutin aufzubauen fiel mir aber sehr schwer. Wir haben hart daran gearbeitet und ich würde sagen, dass es ein gutes Jahr gebraucht hat, bis ich ihr voll vertraut habe. Dass sie für mich da ist. Dass sie mir helfen kann. Dass ich ihr ALLES erzählen kann. Dass es ihr nicht egal ist, wie es mir geht, sondern dass ich ihr wichtig bin, dass sie mich als Person und nicht als "nur Kunde" wahrnimmt.

Lange Zeit habe ich ihr sehr gefiltert Sachen erzählt. Hatte Angst, unfähig oder jämmerlich zu wirken. Aber irgendwann fing ich dann an, mehr von mir zu erzählen. Länger zu reden. Ihr manchmal Tagebucheinträge zu zeigen, wenn ich meine Gefühle anders nicht ausdrücken konnte. Jetzt bin ich an dem Punkt angekommen, wo ich weiss, dass ich ihr alles erzählen kann und dass sie mich annimmt wie ich bin. Aber das war harte Arbeit. (Generell hab ich aber das Problem, dass ich andere Menschen nicht nah an mich ranlasse, emotional gesehen, und bisher ist sie auch die einzige, der ich bedingungslos vertraue. Ich hab also eine bestimmte Problematik in meinen sozialen Beziehungen, weiss nicht, ob das für dich ähnlich ist.)

Am Anfang der Therapie überwog für mich also die Erleichterung, dass ich endlich Hilfe hatte. Wir haben dann gute 6-8 Monate daran gearbeitet, mich zu stabilisieren und daran, dass ich mir wieder ein erfülltes Leben aufbaue. Vor ein paar Monaten haben wir angefangen, mehr in die Tiefe zu gehen, und da kamen bei mir in schöner Regelmässigkeit schmerzhafte Erinnerungen und Gefühle hoch. Das tut weh. Auch ich hatte das alles in mir weggeschlossen. Mauern hochgezogen. Jetzt bröckeln die Mauern und im Moment kämpfe ich sehr mit der Angst, dass mich die Gefühle dann fortschwemmen werden, wenn der Damm erstmal bricht.

Nichtsdestotrotz hatte ich nie den Gedanken, die Therapie abzubrechen. Letzten Endes weiss ich, dass ich meine schmerzvollen Gefühle anschauen muss, um heilen zu können und um mit ihnen Frieden zu schliessen bzw. sie mit neuen und besseren Gefühlen zu ersetzen. Denn ansonsten schwelen sie in mir weiter und vergiften mich von innen. Und das gibt der Depression den Nährboden. Eine Depression ist ja wortwörtlich das Unterdrücken von Gefühlen.

Ich würde dir also auf jeden Fall zu einer Therapie raten. Es macht Angst vorher und es macht Angst manchmal zwischendrin. Aber letzten Endes war meine Erfahrung, dass die Erleichterung, dass jemand mir hilft, grösser ist als alle Angst. Und die Dankbarkeit gegenüber meiner Therapeutin ist riesig. Ich bin noch längst nicht fertig mit der Therapie, aber mit ihrer Hilfe habe ich mir mein Leben zurück geholt. Neue Freunde gefunden, eine neue Karriere gewählt, angefangen mich kennen zu lernen. Und schon vieles gelernt, wie ich denn mit der Depression von Tag zu Tag leben kann. Soooo viele Techniken und Ideen gesammelt.

Wichtig ist, dass du einen Therapeuten/eine Therapeutin findest, die zu dir passt. In Deutschland gibt es 5 Probesitzungen, die von der Kasse bezahlt werden, da kannst du "ausprobieren". Du musst dich bei ihm/ihr wohl und akzeptiert fühlen.

Aus meiner Erfahrung würde ich auch darauf achten, dass du eine/n Therapeut/in findest, der/die (fast) ständig erreichbar ist. Meine Therapeutin kann ich immer anrufen, ich hinterlasse dann eine Nachricht auf dem AB und sie ruft am gleichen Tag noch zurück (ausser am Wochenende). Hab ich auch schon öfters gemacht, als ich das Gefühl hatte, ich brauche Hilfe jetzt sofort. Gerade wenn man, so wie wir, solche Sorgen hat vor den Gefühlen die hochkommen können, ist es unheimlich beruhigend zu wissen, dass man den/die Therapeut/in anrufen kann, wenn man eben von den Gefühlen überschwemmt wird.

So, jetzt hör ich mal auf zu schreiben, ich hoffe, ich hab dich nicht erschlagen mit der Masse meiner Gedanken. Wenn du noch Fragen hast, immer her damit!

LG
Conny
DarkRaven
Beiträge: 1135
Registriert: 14. Jul 2010, 16:27

Re: Hilfe annehmen in Form von Psychotherapie?

Beitrag von DarkRaven »

FSKF
Beiträge: 87
Registriert: 14. Feb 2011, 15:16

Re: Hilfe annehmen in Form von Psychotherapie?

Beitrag von FSKF »

Hallo Insomnio,

auch ich möchte dir raten, eine Therapie in Angriff zu nehmen. Allerdings ist es in der Regel ein Weg, der Kraft und Geduld erfordert, da Therapieplätze rar sind und nicht jeder Therapeut der passende ist.

Ich habe nach blöden Therapeutenerfahrungen eine kompetente Psychologin gefunden, die mich oft dadurch erstaunt, dass sie genau merkt, wie es mir geht und dementsprechend die Stunde gestaltet. Bin ich in einer Krise, geht es darum, den Tag, die Woche zu planen, Dinge zu finden, die mir jetzt gut tun.
Geht es mir gut, wird sie fordernder und belastende Erlebnisse werden zum Thema.

Nach meinen eigenen Erfahrungen kann ich nur empfehlen, gut zu prüfen ob die Chemie mit dem Therapeuten stimmt und wenn dies nicht der Fall ist weiterzusuchen, auch wenn es anstrengend ist.

Auch wenn man einen "guten" Therapeuten hat gehört es dazu, sich mal über ihn zu ärgern oder sich unverstanden zu fühlen, aber dann sollte es möglich sein, mit ihm darüber zu sprechen.

Liebe Grüße
Abendstern
Conny_11
Beiträge: 291
Registriert: 22. Jul 2011, 00:03

Re: Hilfe annehmen in Form von Psychotherapie?

Beitrag von Conny_11 »

@ Dark Raven

Oh, ich bin gerade richtig gerührt, dass ich jemandem Mut gemacht habe. Alleine dafür hat sich dann das Schreiben meines Beitrags gelohnt.

Weisst du was, ich glaube daran, dass wir es schaffen werden, irgendwann wieder Vertrauen in unsere Mitmenschen aufzubauen. Der Weg ist hart aber mit viel Mut und Hilfe und entsprechenden emotional korrigierenden Erfahrungen werden wir irgendwann ans Ziel kommen!!

Als ich das erste Mal wirklich gespürt habe, dass ich der Therapeutin nicht egal bin, dass sie mich mag und annimmt so wie ich bin, dass ich ihr vertrauen kann, dass sie immer für mich da ist - als ich das so wirklich wirklich in meinem Bauch gefühlt habe - das war für mich ein Schlüsselmoment. Das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich die Liebe eines anderen Menschen an mich ranlassen konnte. (Mit "Liebe" meine ich jetzt im Rahmen der therapeutischen Beziehung natürlich! Weiss grad nicht, welches andere Wort passen könnte.) Das war aber auch erst vor 4 Monaten (also nach 1 Jahr Therapie), aber seither trage ich dieses Gefühl wie einen Schatz in mir und es hilft mir, in den dunklen Phasen wo mich die Depression einhüllt, nicht die Hoffnung zu verlieren.
zerberos
Beiträge: 2
Registriert: 7. Aug 2012, 23:21

Antwort: Hilfe annehmen in Form von Psychotherapie?

Beitrag von zerberos »

Smaragd71
Beiträge: 469
Registriert: 25. Aug 2012, 17:40

Re: Hilfe annehmen in Form von Psychotherapie?

Beitrag von Smaragd71 »

Ich habe vielleicht eine dumme Frage,
ich habe am Freitag einen 1. Termin beim Psychiater. Ich leide an einer Depression. AD wurde mir letzte Woche nach einem Zusammenbruch schon verschrieben.
Was genau passiert in einer Verhaltenstherapie? Wie muss ich mir den Ablauf denn vorstellen? Ich weiß ja gar nicht, was ich da sagen soll...:-O
Danke.


Das Glück beruht oft nur auf dem Beschluss, glücklich zu sein.

Salvatore
Beiträge: 3868
Registriert: 10. Feb 2010, 18:35
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Re: Hilfe annehmen in Form von Psychotherapie?

Beitrag von Salvatore »

Hallo M.M,

erstmal willkommen im Forum!
Sich auf dem "Psycho-Markt" zu orientieren ist gar nicht so leicht, da trudeln alle möglichen Fachbezeichnungen herum und als "Neueinsteiger" weiß man gar nicht, was auf einen zukommt.

Ein Psychiater ist in erster Linie mal ein Arzt, d.h. du wartest zunächst im Wartezimmer und wirst irgendwann aufgerufen. Er hat Medizin studiert, kann Rezepte und Krankschreibungen ausstellen. Der Psychiater in seiner Funktion als Arzt fragt erstmal spezifische Dinge ab, die für eine Diagnose von Bedeutung sind.
Wenn er eine Weiterbildung als Psychotherapeut gemacht hat, ist er Ärztlicher Psychotherapeut - aber beim ersten Besuch wirst du keine Psychotherapiestunde haben! Eigentlich ist es wie bei jedem anderen Facharzt auch.

Psychotherapie, also neben anderen auch Verhaltenstherapie, wird in der Regel von Psychologischen Psychotherapeuten durchgeführt, d.h. neben einem Psychologiestudium (der sie zum Dipl.-Psychologien gemacht hat), haben sie eine weiterführende Ausbildung zum Psychotherapeuten durchlaufen.
Psychologische Psychotherapeuten dürfen keine Rezepte ausstellen und auch nicht krankschreiben.
Die Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz sind leider meistens lang, zwischen 3-6 Monaten für ein Erstgespräch, zwischen 6-12 Monaten für den Beginn der Therapie.
Psychologische Psychotherapeuten in eigener Praxis haben zwar ein kleines Wartezimmer, aber da sitzt man normalerweise allein und es gibt keine Sprechstundenhilfe oder Arzthelferin, sondern "nur" den Therapeuten.

Aaaaaaaaaaaalso: Auf dich wartet ein Arzttermin, nichts weiter und auch kein Grund, Angst zu haben. Natürlich ist es IMMER unangenehm, wenn man ausgefragt ist und gerade wenn es auch ins Persönliche geht ist es nicht leicht.
Aber der Psychiater lenkt das Gespräch und du musst "nur" (ehrlich und möglichst offen) antworten.


Weil du bestimmt noch tausend andere Fragen hast, empfehle ich dir zwei Internetseiten:
http://deprifahrplan.jimdo.com/ (Fahrplan für Neuerkrankte)


Und außerdem meine eigene Seite: http://www.deprilibri.fx7.de/doku.php?id=glossar
Hier kannst du alle möglichen Begriffe nachschlagen. Auf der Startseite findest du außerdem Lektüreempfehlungen und auch Links zu anderen Seiten.


Lg, Salvatore


EDIT: Sorry, habe natürlich deine eigentliche Frage gar nicht beantwortet. Was Verhaltenstherapie ist, kannst du hier nachschauen: http://www.deprilibri.fx7.de/doku.php?i ... nstherapie

Und noch ein Link zum Thema Psychotherapie: http://www.deprilibri.fx7.de/doku.php?id=psychotherapie
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
Smaragd71
Beiträge: 469
Registriert: 25. Aug 2012, 17:40

Re: Hilfe annehmen in Form von Psychotherapie?

Beitrag von Smaragd71 »

Vielen Dank Salvatore.

Da wusele ich mich morgen mal durch die Links.
Wenn man so lange auf einen Therapieplatz wartet, dann braucht man den ja fast nicht mehr. Ich denke so von mir.
Bin noch sehr verhalten dem Ganzen gegenüber. Ich warte nun mal den Freitag ab.

Eine Gute nacht dir.


Das Glück beruht oft nur auf dem Beschluss, glücklich zu sein.

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