Faulheit? Depression? Ich weiß nicht mehr, was davon zu halten ist...

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Alma21
Beiträge: 57
Registriert: 11. Aug 2010, 15:07

Faulheit? Depression? Ich weiß nicht mehr, was davon zu halten ist...

Beitrag von Alma21 »

Hallo Zusammen,
mir schwillt täglich immer etwas mehr der Kamm und ich muß jetzt einfach mal in die Runde fragen, wie das tatsächlich so ist.

Nach über 8 Jahren ist mein Gatte Ende des letzten Jahres von selbst auf die Idee gekommen, daß er unter Winterdepressionen leidet. Bis er selbst zu dieser Erkenntnis gekommen ist, war seine "Arbeitsfähigkeit" bzw. "Arbeitslust" in den Monaten von ca. Okt. bis März ziemlich eingeschränkt, was bei einem Selbständigen unweigerlich mit finanziellen Einbußen einhergeht. Hat er sich in den Jahren davor in den Frühjahrs- bzw. Sommermonaten wieder soweit gefangen, daß er finanziell aus dem Gröbsten rausgekommen ist, ist es dieses Jahr so ganz anders. Im Prinzip kann man sagen, daß er seit letzte Jahr Oktober nichts mehr auf die Reihe bringt, finanziell das Wasser mittlerweile bis Oberkante Unterlippe steht, zwei unterhaltspflichtige Kinder aus einer Vorehe da sind und nebenbei noch ein Haus, daß mit einer ordentlichen 4-stelligen monatlichen Rate bedient werden will, die normalen lfd. mtl. Kosten noch gar nicht mit eingerechnet.
Im Moment kriegt er noch ein mtl. Fixum - aber ohne Leistung wird dieses Fixum auch die längste Zeit gezahlt worden sein. Und er macht keinerlei Versuche, irgendwas zu arbeiten. Er argumentiert, daß er "antriebslos" wäre und keinen "Bock mehr auf seinen Job" hätte.

Mit Verlaub: wo bleibt sein Verantwortungsgefühl? Ich hänge mit dem Haus genauso drin, bin Vollzeit berufstätig, habe auch meine Verpflichtungen denen ich zu folgen habe und funktioniere im Moment mehr schlecht als recht - obwohl auch bei mir mittlerweile eine mittelgradige Depression diagnostiziert wurde.

Er bringt es tatsächlich fertig und jammert, wie schlecht es finanziell aussieht aber er tut nichts dagegen. Wie kann ich mich denn sehenden Auges hinstellen und darauf warten, daß das Wasser über meinem Kopf Wellen schlägt? Ich verstehe die Welt nicht mehr. Glaubt er denn wirklich, daß ich mit meinem Verdienst als kfm. Angestellte ihn, zwei (fremde) Kinder, das Haus, etc. unterhalten bzw. auf Dauer durchschleifen kann? Hallo? Ich gehe selbst auf dem Zahnfleisch. Noch kann ich arbeiten - aber wie lange noch? Es macht mich wahnsinnig wütend, daß er sich scheinbar überhaupt keine Gedanken macht und alles an mir hängen bleibt. Und um ganz ehrlich zu sein -ich weiß es nicht mehr einzuschätzen, ob es tatsächlich eine Depression ist oder ob er mit dieser Argumentation schlicht und ergreifend seine stinkende Faulheit "entschuldigt". Ich weiß es wirklich nicht mehr. Wie kann ich mich stundenlang mit Begeisterung zockender Weise vor’m PC aufhalten und kriege es nicht fertig, bei div. Jobbörsen nach einer neuen Arbeit zu schauen.

Wenn ich heute für mich feststelle, daß mir mein Job kein Spaß mehr macht, dann muß ich mich anders orientieren bzw. was anderes suchen. Oder ist das "normal", daß man sich dann jammernderweise hinstellt, untätig bleibt und überhaupt nichts gegen den unaufhaltsam zurollenden Untergang unternimmt?

Das absolut fatale an der Situation: geht er unter, gehe ich zwangsläufig mit unter. Ist das der Dank, dass ich jahrelang bei finanziellen Engpässen eingesprungen bin, ihm Geld geliehen habe (was ich bis dato noch nicht zurückerhalten habe und mir selbst fehlt). Vergißt man einfach, dass da noch eine weitere Person mit der eigenen Existenz dranhängt oder ist das schlicht und ergreifend Ignoranz? Ich drehe echt am Rad, hab meinen Kampf, mich selbst einigermaßen auf den Füßen und am Laufen zu halten. Ich habe das Gefühl, daß alle Verantwortung im Moment auf mir lastet und ich so langsam mit den Füßen immer tiefer im Sumpf versinke.

Er nimmt seit drei Wochen Medikamente, kann nachts (nach seiner Aussage) wieder gut schlafen und ist auch so tagsüber recht froh und gut gelaunt. Er kann lachen, Späßchen machen - eigentlich alles normal, nur wenn’s um die Arbeit geht, dann geht auf einmal nix mehr.

Morgen hat er sein Erstgespräch mit einem Therapeuten. Hat jemand Erfahrungswerte, wieviel Sitzungen notwendig sind, um vielleicht wieder "Lust auf's Arbeiten" zu bekommen?

Kann mir irgendjemand einen brauchbaren Rat geben? Ich fühle mich mit dieser ganzen Situation total überfordert und überlastet.

PS: Sollte ich mit meiner Ausdrucksweise irgendjemanden hier im Forum verletzt haben, dann bitte ich um Nachsicht. Ich versuche verzweifelt um's Überleben zu kämpfen und es gelingt mir immer weniger - er / es raubt mir die Kraft.
lucya
Beiträge: 1536
Registriert: 4. Aug 2010, 11:39

Re: Faulheit? Depression? Ich weiß nicht mehr, was davon zu halten ist...

Beitrag von lucya »

Hallo!!
Herzlich Willkommen im Forum... Vielleicht schreibst Du auch mal im Angehörigen Forum...
Ich will gar nicht viel zu Deinem Bericht schreiben, denn ich kann mir kein Urteil erlauben ob es nun Unlust ist oder etwas anderes was Dein Mann hat. Ich frage mich nur: Was ist mit Dir? Wie geht es Dir, wenn auch bei Dir eine Depression diagnostiziert worden ist? Was ist mit einer Therapie für Dich? Was ist mit einer Paartherapie?

Es gibt Menschen, die während einer akuten Phase arbeiten gehen können und es gibt Menschen, die können eben dies nicht. Wenn Du arbeiten gehen kannst, dann ist das toll, aber vielleicht kann Dein Mann das wirklich nicht, wie gesagt, ich will mir da kein Urteil erlauben.

Ich möchte bei Dir einfach anregen, daß Du Dich auch selbst um Dich kümmerst, wenn Du eine mittelgradige depressive Episode hast, dann ist das auch wichtig!

Ich kann übrigens momentan nicht arbeiten gehen. Und es hat auch finanzielle Folgen. Aber es geht nicht!
Die lucya

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Nicht weil es schwierig ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen ist es schwierig!
Maximiliane
Beiträge: 159
Registriert: 6. Aug 2010, 19:45

Re: Faulheit? Depression? Ich weiß nicht mehr, was davon zu halten ist...

Beitrag von Maximiliane »

Hallo Gizmo,

herzlich willkommen im Forum!

Wow, da kommt eine ganze Menge Energie an Ärger und Wut rüber, in dem, was du schreibst, und das ist gut so! Halte damit ihm gegenüber nicht hinterm Berg, denn da steckt Bewegung drin!
Hast du ihm das so, wie du es jetzt hier geschrieben hast, auch schon gesagt?
Falls nein, dann tu es, mit dem ganzen Ärger und der ganzen Wut, die da ist.
Falls ja, hat es etwas gebracht? Oder ist er noch mehr in seiner "Schutzhöhle" verschwunden?
Für mich sieht es so aus, als sei jeder von euch auf seine Weise total überfordert mit der Situation.
Ich kann auch nicht einschätzen, was bei deinem Mann los ist, wie auch?
Und eine Pauschalaussage über Therapie-Stundenzahlen, bis man wieder hergestellt ist, gibt es auch nicht.
Gut ist, dass er insofern Schritte gemacht hat, dass er in Therapie ist.
Wie sieht es bei dir aus? Hast du eine therapeutische Hilfe, die dir weiterhelfen könnte? Denn das alles alleine tragen und bewältigen wollen, und dann noch selbst mit einer mittelgradigen Depression, ...
Ich könnte mir auch vorstellen, dass es für die finanzielle Situation Möglichkeiten gibt, dich rechtlich abzusichern. An welche Stelle du dich da wenden könntest, das weiß ich nicht. Aber vilelleicht gibt es im ANGEHÖRIGENFORUM jemand, der so etwas ähnlich erlebt hat und dir weiterhlefen könnte.
Und ich habe auch noch nie gehört, dass der Ehepartner für die nicht eigenen Kinder finanziell belangt werden darf. Auch da wäre es sicherlich gut, dir eine rechtliche Beratung zu holen, um dir ein klares Bild zu machen, welche Rechte und Pflichten du hast und wo du für dich sorgen kannst und eben NICHT mit untergehst, sollte es denn soweit kommen.

Viel Kraft und Power, bewahre sie dir so gut es geht!

Häuptling
Liber
Beiträge: 1491
Registriert: 4. Jun 2006, 18:09

Re: Faulheit? Depression? Ich weiß nicht mehr, was davon zu halten ist...

Beitrag von Liber »

Hallo,

deine Verzweiflung, deine Hilflosigkeit und auch dein Ärger auf deinen Mann in dieser Situation sind nur zu gut verständlich!

Das Problem daran ist aber, dass dieser Ärger an der Situation selbst nichts ändert und dir noch Energien raubst, die du für dich selbst dringend brauchst.

So wie du es beschreibst, scheint dein Mann tatsächlich an einer Depression zu leiden, die ganz bestimmt keine Ausrede für "Faulheit" ist, auch wenn es nach außen manchmal so aussehen mag. Helfen können ihm Medikamente und Therapie. Beides hat er ja in Angriff genommen, wie du schreibst. Die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ist freilich eines der Ziele der Therapie, aber es ist nicht das einzige Ziel. Vielleicht muss er auch erst mit Hilfe der Therapie herausfinden, was er denn eigentlich will.

Wie Lucya glaube auch ich, dass es wichtig ist, dass du jetzt auf dich selbst achtest und dir in dieser schwierigen Situation ebenfalls Hilfe holst. Zu klären wäre hierbei, wo wirklich deine Verantwortung liegt und wo sie nicht liegt - auch im finanziellen Bereich.

Auch an eine Paartherapie wäre dabei zu denken.

Aber eines nach dem anderen.

Alles Gute!

Viele Grüße
Brittka
Alma21
Beiträge: 57
Registriert: 11. Aug 2010, 15:07

Re: Faulheit? Depression? Ich weiß nicht mehr, was davon zu halten ist...

Beitrag von Alma21 »

Hallo Häuptling,

nein, ich habe leider KEINE Möglichkeit, mit meinem Gatten Klartext zu reden, geschweige denn darf ich meine Wut ausleben oder sonstiges.
Sage ich etwas in einer falschen Tonlage (oder meine Gestik / Mimik ist nicht "normgerecht" - sprich manngerecht), dann macht er dicht - so, als würde ihn das alles nichts angehen. Er ist ja für die ganze Situation nicht verantwortlich - sind ja immer andere, die an seinem Elend Schuld sind. Und genau dieser Umstand macht mich zusätzlich wütend. Im wahrsten Sinne des Wortes stehe ich mit diesen Gefühlen und diesem Dampf alleine da - krampfhaft bemüht, nicht zu explodieren wie ein alter Kesselwagen.

Tja, und was meine Therapiemöglichkeit angeht - ich hatte bisher eine Sitzung, die nächste ist erst in zwei Wochen. Solange werde ich wohl schlucken müssen und hoffen, daß nicht irgendwas unvorhergesehenes passiert. Da fällt mir gerade ein: Heizöl bräuchten wir dann auch mal so langsam ziemlich dringend. Es ist einfach zum schreiend davonlaufen...

Danke, daß ich hier Dampf ablassen darf.
tomroerich
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Registriert: 13. Feb 2003, 09:52
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Re: Faulheit? Depression? Ich weiß nicht mehr, was davon zu halten ist...

Beitrag von tomroerich »

Hi Gizmo,

du bist echt nicht zu beneiden

Es ist verdammt schwer, Depressionen von charakterlichen Schwächen wie Faulheit zu unterscheiden. Wenn ich mich erinnere, wie es bei mir war während der Depression, dann lief das jedenfalls ganz anders ab. Ich habe mir riesige Sorgen gemacht, gerade wegen der Finanzen und war ganz unfähig, es mal laufen zu lassen. Man kann kaum sagen, das Verhalten deines Mannes sei typisch depressiv aber ausschließen kann man es auch nicht. Manche Menschen können wirklich nichts arbeiten, ansonsten geht es ihnen aber von außen gesehen nicht zwangsläufig furchtbar schlecht. Dennoch macht mich die Aussage "Kein Bock" stutzig. Weil das würde ein depressiver Mensch nicht unbedingt so formulieren - aber auch das ist spekulativ.

Was macht es für dich für einen Unterschied und, fast nocht wichtiger, fühlst du dich vor allem genervt oder ist die Not wirklich so groß? Wenn der Partner sich so aus der gemeinsamen Verantwortung zurückzieht, dann hat das ein ziemlich hohes Verletzungspotenzial so a la: Ich mühe mich hier ab und du sitzt im Sessel. Ich meine, daran kannst du was tun, denn wie Brittka schon sagte, ärgern hilft dir ja nicht. Oder würde dein mann sehenden Auges das Familienschiff untergehen lassen, ohne dass es ihn juckt?

Viele Grüße


Thomas
Betroffene für Betroffene

http://www.depressionsliga.de
lucya
Beiträge: 1536
Registriert: 4. Aug 2010, 11:39

Re: Faulheit? Depression? Ich weiß nicht mehr, was davon zu halten ist...

Beitrag von lucya »

Hallo nochmal!
Schlucken geht gar nicht...
Du mußt es ihm immer wieder sagen, was Du so denkst und fühlst auch wenn man sich vorkommt wie im Hamsterrad. Bei mir war es zwar ein bißchen anders, aber mein Mann hat nicht locker gelassen immer wieder zu sagen was ihn stört... es sind viele Tränen geflossen und oft haben wir uns angeschrien. Aber irgendwann hat es bei mir KLICK gemacht...
Die lucya

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