Beziehung als Antidepressivum?

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klappi
Beiträge: 34
Registriert: 30. Nov 2006, 14:56

Beziehung als Antidepressivum?

Beitrag von klappi »

Hallo zusammen,

ich lese und schreibe hier schon seit geraumer Zeit, doch jetzt habe ich selber ein Problem zu dem ich mir einen Rat von Euch erhoffe.

Auch wenn ich mich schon vorgestellt hab, noch mal kurz meine Basisdaten: Ich bin Student, männlich, 23 Jahre alt und seit 2001 ist bei mir eine rezidivierende Depression diagnostitziert (außerdem Panikstörung).

Vor einem Jahr trennte sich nach drei Jahren Beziehung meine damalige Freundin von mir, was zunächst mal ein Schock war, der mich runtergezogen hat.
Vor kurzem hatte ich eine einmonatige Romanze/Affäre. Wobei ich keine wirklichen Gefühle aufbauen konnte, weil ich zu sehr in meiner Depression gefangen war. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass sie nicht "die Richtige" war.
Jetzt hat es allerdings eine Entwicklung gegeben, die mich beeindruckt. Eine junge Frau, die ich durch mein soziales Engagement schon seit etlichen Jahren kenne, da wir in einem Team arbeiten, ist verstärkt in mein Leben getreten und ich kann zum ersten mal seit bestimmt zwei Jahren wieder tiefe Gefühle empfinden, was ich in einer depressiven Phase sonst nie kann.
Das zeigt mir, dass sie mir ungemein wichtig ist. Wir sind uns in den letzten Wochen immer näher gekommen, was im Prinzip ja sehr positiv ist.

ABER ich habe große Angst vor einer Beziehung! Ich habe Angst davor, dass es mir durch eine Beziehung besser gehen würde. Das hört sich bescheuert an, doch es geht darum, dass ich in diesem Falle die Besserung nicht aus eigener Kraft erreicht hätte, sondern sie nur eingetreten ist, weil ich eine neue Beziehung eingegangen bin. Ich bin mir nicht sicher, ob das so gut ist für meine weitere Entwicklung, da ich es für sehr wichtig halte aus depressiven Phasen aus eigener Kraft herauszukommen.
Bei meiner letzten Beziehung war es ähnlich. Durch die Beziehung habe ich mich stabilisiert, doch hatte ich ständig das Gefühl von jemand anderem bzw. von den Gefühlen eines anderen für mich abhängig zu sein.

Soll ich alleine weiterkämpfen und es aus eigener Kraft schaffen? Oder soll ich das Wagnis einer neuen Beziehung eingehen?

Natürlich weiß ich nocht nicht, ob aus uns beiden was wird, doch diese Frage interessiert mich auch grundsätzlich.

Ich hoffe, meine Gedankengänge sind verständlich ausgedrückt.

Liebe Grüße und danke schon mal für Euren Rat

klappi
BeAk

Re: Beziehung als Antidepressivum?

Beitrag von BeAk »

Lieber Klappspaten,

wenn Du wieder in der Lage bist tiefe Gefühle zu entwickeln, ist das ein Zeichen das die Depression nachläßt. Und es ist ein warscheinlich kein Zufall, das Dir genau jetzt diese junge Frau aufgefallen ist.
Sieh das ganze doch mal poitiv und nimm was Dir das Leben anbietet. Es wäre doch blöde, diese junge Frau in die Wüste zu schicken, nur weil Du eine Depression gehabt hast.

Allerdings besteht grundsätzlich das Gefahr sich abhängig zu machen, wenn man dafür anfällig ist. Gesunde Abgrenzung ist immer richtig. Und daran kannst Du in einer bestehende Beziehung arbeiten, Dein Therapeut wird Dir sicher gerne helfen.

Nimm das Leben wie es ist, denn es gibt kein anderes.
U2
Beiträge: 28
Registriert: 28. Jun 2007, 01:13

Re: Beziehung als Antidepressivum?

Beitrag von U2 »

Hallo,

nun, Deine Gedanken und Ängste kann ich soweit schon nachvollziehen, aber:

wie traurig ist das denn?

Wenn Du Dich aus diesen Gründen gegen eine Beziehung mit einer Person die Du offensichtlich magst und respektierst (und das bei Dir nicht alltäglich ist) entscheidest - DANN lässt Du Dich von der Krankheit beherrschen.

Du solltest Dich für alles Positive im Leben entscheiden, Chancen die sich bieten ergreifen und nicht die Krankheit in den Mittelpunkt stellen, das sollte nicht die oberste Priorität haben.

Es ist doch ganz normal, dass man in einer Beziehung Glück empfindet und es einem gut geht, wenn man verliebt ist. Das geht auch Gesunden so. Daran gibt es nichts falsches oder fragwürdiges. Das ist total ok.

Wenn es Dir dann besser geht ist das ein positiver Nebeneffekt.

Freu Dich doch, dass es endlich wieder jemanden gibt, der Gefühle bei Dir weckt!!!

Ich fände es traurig, wenn Du Dir das selbst verwehrst.


Liebe Grüße
The Edge
klappi
Beiträge: 34
Registriert: 30. Nov 2006, 14:56

Re: Beziehung als Antidepressivum?

Beitrag von klappi »

Hallo ihr beiden,

ich danke euch für eure aufschlussreichen Antworten!
Im Grunde habt ihr Recht. Ich würde mich wahrscheinlich schwarz ärgern, wenn ich wegen meiner Depression keine Beziehung eingehen würde.

Das Abgrenzung ungemein wichtig ist habe ich durch meine Therapie intensiv gelernt. Nur an der Umsetzung hapert es manchmal noch etwas.

Vielleicht habe ich auch einfach ein wenig Angst vor so viel Nähe, weil Nähe auch immer den Grad der Verletzlichkeit erhöht.

Bea, du schreibst: "Wenn Du wieder in der Lage bist tiefe Gefühle zu entwickeln, ist das ein Zeichen das die Depression nachläßt."

Und ich habe eben Angst davor, dass es genau umgekehrt ist! Mir geht es nur besser, WEIL ich Gefühle entwickle und nicht weil die Depression an sich besser geworden ist.

Liebe Grüße

klappi
BeAk

Re: Beziehung als Antidepressivum?

Beitrag von BeAk »

Lieber Klappspaten,

dann les mal im Angehörigenforum. Dort schreibt fast jeder neue Angehörige das sein depressiver Partner die Beziehung beenden will oder beendet hat, weil er keine Liebe für seinen Partner mehr empfinden kann.

So ist es mir auch oft mit meinem Mann ergangen, er will mich in jeder depressiven Episode verlassen. Er zieht sich dann in einen seperaten Raum zurück und ein Eheleben findet komplett nicht mehr statt.

Und mir persönlich sind solche Empfindungen, besser gefühllose Zeiten, auch bekannt. Auch wenn ich bisher deswegen noch nicht mit dem Ende der Ehe gedroht habe.

Und mit dem Nachlassen der Depression kehren alle Gefühle, die vorher vorhanden waren, wieder zurück. Sie sind wieder fühlbar.
Und wenn ich jetzt mal ganz ehrlich bin, sind dieses zurückkehren der Gefühle wie die zweiten Flitterwochen.

Also genieße es. Es ist doch wunderbar soetwas erleben zu dürfen.

Und all mit den psychologischen Kram, wie Abgrenzung und Angst vor Nähe usw, nervst Du am besten Deinen Therapeuten.
Onkel_Albert
Beiträge: 52
Registriert: 11. Nov 2005, 07:29

Re: Beziehung als Antidepressivum?

Beitrag von Onkel_Albert »

Lieber klappi,

deine Ängste kommen mir bekannt vor, und du beschreibst sie sehr logisch.
Du hast es sozusagen nicht "verdient", dass es dir besser geht, weil du es nicht selbst bewirkt hast.
Aber was willst du aus eigener Kraft schaffen? Du kannst dich nicht wie Münchhausen am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen.

Und in einer Beziehung geht es immer auch um ein Stück Hingabe, die verletzlich machen kann. Angst vor der Nähe, weil es eine Ent-Täuschung geben könnte. Kann es eine Beziehung ohne Ängste oder Zweifel überhaupt geben?

Ich sehe es auch so, dass deine Gefühle ein Zeichen für das Nachlassen der Depression sind. Mir geht es z.B. oft mit Musik so: wenn ich ganz unten bin, ist sie mir egal. Aber wenn es mir etwas besser geht, kann sie mich weiter beflügeln.

Nutze die Zeit der Flügel, es werden - leider- auch wieder andere Zeiten kommen.


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Ein jegliches hat seine Zeit,

und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde ...

(Prediger Salomo)
klappi
Beiträge: 34
Registriert: 30. Nov 2006, 14:56

Re: Beziehung als Antidepressivum?

Beitrag von klappi »

Hallo ihr,

erst mal danke für die tollen Antworten.

Insbesondere was Keinstein gesagt hat, trifft es auf den Punkt: Ich habe das Gefühl es nicht "verdient" zu haben, dass es mir besser geht.
So drastisch habe ich das bisher noch nicht gesehen, doch das ist sicher der Gedankengang der in meinem Unterbewusstsein dahinter steckt.

Wie heißt es so schön: "No Risk, No Fun". Ich werde jetzt einfach versuchen die Sache möglichst locker anzugehen und einfach mal schauen, wie sich das alles entwickelt OHNE ständig darüber zu grübeln. Ich hoffe, dass es mir gelingt.
Über Abgrenzung und Co. kann ich mir ja immer noch Gedanken machen, wenn ich in einer Beziehung drin stecke.

Liebe Grüße

klappi
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