wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

imagine
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wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

Beitrag von imagine »

Meine Tochter, inzwischen erwachsen hat furchtbare Angst vor dem Tod, die sie auch schon als kleines Kind hatte.

Nicht direkt vorm Sterben, aber die Tatsache, dass sie endlich ist ängstigt sie entsetzlich.
Es kommt immer in Schüben und heute ist wieder so ein Abend.
Ich habe grade den Thread gelesen, wie wertvoll ist der Mensch und auch die Antworten.
Manchem stimme ich zu, anderes finde ich nicht so stimmig.
Aber was kann ich tun, damit meine Tochter nicht solch eine Angst hat.
Wo liegt der Sinn des Lebens, wenn wir doch wissen, dass wir sterben??

Ich weiß keine Antwort, ihr??

Ratlose Grüße
imagine
Schweigen ist die unerträglichste Art der Erwiderung (Chesterton)
BeAk

Re: wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

Beitrag von BeAk »

Liebe Imagine,

kann es sein, das Deine Tochter eine Angststörung hat?

Vielleicht kann Sie ja ein einer tiefenpsychlogisch fundierten Psychotherapie mal ihre Ängste bearbeiten und schaun was dahinter steckt.

Für mich liegt der Sinn des Lebens im Leben selber. Ich liebe es, so wie es ist und dadurch das eine eine schwere Episode erlebt habe, habe ich es noch mehr schätzen gelernt.
ils_pixent9
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Re: wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

Beitrag von ils_pixent9 »

Hallo imagine,
das Thema deiner Tochter war auch mein Thema. Als ich in ihrem Alter war,konnte ich überhaupt an nichts anderes denken, ich verstand nicht, wie die anderen Menschen, gerade die Älteren, einfach so ihren Geschäften nachgehen konnten. Bei mir kam es nicht nur in Schüben, der Gedanke war immer da.
Von mir gibt es aus der Zeit noch eine Geschichte in der ich schrieb wie der Ich-Erzähler der sich in seinem Zimmer befindet die Stühle dort haßt, weil sie ihn überleben würden, weil sie unsterblich sind.
Ich weiß noch wie ich, nach meiner Heirat, das Stammbuch in den Händen hielt und auf folgende die Seite starrte: Tod des Ehemanns Tod der Ehefrau und überlegte, was dort wohl für ein Eintrag stünde und dass ich den nie sehen würde. Ich überlegte, die Seite zu entfernen, rauszureißen.
Ich habe einmal eine Biographie über die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff gelesen und dort wurde berichtet, dass sie von diesen Gedanken auch derart gepeinigt wurde, dass sie mitten in der Nacht aufschrie und eine Dienerin sie trösten mußte.
Auch meiner Tante müssen diese Gefühle nicht fremd gewesen sein, mir wurde erzählt, dass sie oft nicht einschlafen konnte oder aufwachte und dann immer wieder zu meinem Onkel sagte, dass eines Tages die Würmer sie holen würden.
Gret.
Chiron
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Re: wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

Beitrag von Chiron »

Liebe Imagine,

wir können uns nicht aussuchen,
wie wir sterben - oder wann.

Aber wir können entscheiden, wie wir jetzt leben!

Es ist wichtig das Leben mit Leben zu füllen, dann bekommt es einen Sinn.
Das natürliche Ende tritt dann plötzlich in den Hintergrund, es ist nicht mehr wichtig, weil wir zu sehr mit Leben beschäftigt sind.

Ach, ich kann mir vorstellen was Du gerade mitmachst, wenn das eigene Kind keinen Sinn mehr im Leben sieht.

Leider fallen mir dazu nicht mehr sinnige Worte ein.

Alles Liebe und Gute für Euch,

Chiron
"Was mich nicht umbringt, macht mich noch stärker."
imagine
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Re: wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

Beitrag von imagine »

Danke für eure Antworten,
sie haben mich schon ein wenig getröstet.
Grete, es ist seltsam, dass du genau die gleichen Ängste hattest, auch deine Tante, oder Annette v..
Auch ich habe das sehr spannend gefunden und ich werde es ihr zu lesen geben, wenn sie mag.

Liebe Bea, ich weiß nicht, ob meine Tochter eine Angsstörung hat, es könnte sein, aber es lohnt sich auf jeden Fall, dieser Sache nachzugehen

Liebe Chiron, ja es ist tatsächlich schlimm, nur ist es ja so, dass meine Tochter gerne, sehr gerne lebt und Angst davor hat, dass es endet und sie einfach nicht mehr da ist.

Meiner Meinung nach haben die großen Weltreligionen auch deswegen "Abhilfe" geschaffen und machen uns glauben, dass es etwas gibt nach dem Tode...
Das meine ich überhaupt nicht zynisch!!!
Ich würde auch gerne daran glauben können!!!

Liebe Grüße an euch, ich danke für euer Mitgefühl

imagine
Schweigen ist die unerträglichste Art der Erwiderung (Chesterton)
Lee
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Re: wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

Beitrag von Lee »

ils_pixent9
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Re: wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

Beitrag von ils_pixent9 »

Liebe imagine,
ich würde mir einmal überlegen, ob man vielleicht doch an eine Angststörung denken könnte.
Bei mir ging es mit der Angst schon los als ich 10 war, ich hatte etwas über Giftpfanzen gelesen und mich verfolgte die Panik unwissentlich mit einr Giftpflanze in Berührung gekommen zu sein. Darauf folgten andere Ängste die mir meine ganze Jugend kaputtmachen und gehäuft traten diese bei neuen Lebenssituationen auf.
Wenn ich mich richtig erinnere, hast du einmal geschrieben, man solle den Kindern nichts von seiner eigenen Angst zeigen. Kann es sein (ich frage nur) dass du deine Angst deiner Tochter nicht zeigtest aber dass diese sie vom Fühlen her mitbekam?
Ich würde ihre Ängste nicht auf die leichte Schulter nehmen, wenn ein junger Mensch mal vom Tod spricht, ist das üblich, auch eine Koketterie mit dem Tod ist in dem Alter durchaus normal, aber ich habe nach deinem Posting den Eindruck, dass die Angst doch sehr Besitz von deiner Tochter ergriffen hat, ich kann mich natürlich irren, das sind nur Denkanstöße.
Gret.
samira23
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Re: wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

Beitrag von samira23 »

Hallo,

ich kenne diese Angst ebenfalls seit dem Grundschulalter. Manchmal mehr, manchmal weniger, manchmal gar nicht.
Angst vorm Tod bedeutet vielleicht (bzw. für mich) Angst vorm Leben. Die Angst sich auf das Leben einzulassen, sich fallen zu lassen, Beziehungen eingehen, Abschied nehmen...usw.
@Lee: Ja das deckt sich schon mit der Angst Kontrolle zu verlieren. Wenn es mir schlecht ging, hatte ich diese Angst allerdings nie so stark. Eher im Gegenteil
Liebe Grüße
imagine
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Re: wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

Beitrag von imagine »

Hallo ihr Lieben, alles was ihr schreibt ist in diesem Zusammenhang vorstellbar.

Grete, ich habe meiner Tochter schon gesagt, dass ich schreckliche Angst um sie habe und sie macht es mir auch leicht, indem sie mir fast immer sagt, dass sie angekommen ist usw.

Was ich sagen wollte ist, dass es meine Angst ist und ich von daher alleine damit klar kommen muss, verstehst du, das gehört für mich zum Loslassen dazu, aber auch mir fällt es unheimlich schwer.

Möglich wäre natürlich auch, dass ich durch meine Koketterie mit dem Tod diese Angst ausgelöst habe, ich weiß es einfach nicht.

Es ist auch denkbar, dass sie an einer versteckten Depression leidet, als Kind und auch heute noch ist sie sehr impulsiv und lebhaft und auch oft sehr anstrengend.

Ich liebe sie über alles, wir hatten dieses Thema schon mal, aber es überfordert mich oft...
Ich habe immer stark sein müssen und war es auch, aber sie hat sicher die Schwäche dahinter gespürt, das kann und will ich nicht abstreiten und trotzdem macht auch mich diese Angst ganz fertig, denn ich weiß nicht, was ich sagen soll, das Leben ist nun einmal endlich und wir alle werden eines Tages nicht mehr da sein.

Ich danke euch allen, die ihr euch so viele Gedanken macht

eure imagine
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heike56
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Re: wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

Beitrag von heike56 »

Hallo imagine,

deine Frage hat mich auch früher bewegt und auch geängstigt. Bei mir war es manchmal an eine Vorstellung geknüpft. Es war die Angst nach dem Tod, den Menschen wieder hilflos ausgeliefert zu sein, die mir früher zugesetzt haben. Also eine Übertragung meiner damaligen Hilflosigkeit auf die Zeit nach dem Tod.

Eine etwas gewagte Überlegung meinerseits ist die Frage, ob deine Tochter evt. etwas spürt, das in Richtung Depressionen geht. Weil Depressionen auch zeitweise ein "Sterben der Gefühle" bedeutet.

Ich lebe auch sehr gerne und genieße es auch. Und doch bin ich an Depressionen erkrankt. Viele Leute wundern sich, wenn sie mich kennenlernen und erfahren, dass ich Depressionen habe. Ein häufiger Kommentar: Du hast Depressionen, das hätte ich bei dir nicht vermutet, Du lebst doch so gerne.

Welchen Sinn hat das Leben? Einen tieferen Sinn kann ich nicht finden. Ich sehe mich als einen Teil der Natur. Werden, wachsen und vergehen, ein ewiger Zyklus.
Ein biologischer Sinn läge darin Nachwuchs zu bekommen, damit die Art erhalten bleibt.

Für mich liegt der Sinn darin, dieses Leben zu leben, erleben und es irgennwan wieder loszulassen. Was für mich zur Zeit noch sehr schwer vorstellbar ist.
Aber vielleicht fällt es einem leichter, wenn es man genügend erlebt hat (im Guten wie im Schlechten).

Wenn man noch so jung und Lebenshungrig ist, wie deine Tochter, macht der Gedanke an den Tod große Angst. Weil sie jetzt noch viel vor sich hat.

Das waren meine Ideen zu diesem komplexen Thema.

Liebe Grüße von

Heike 47
imagine
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Re: wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

Beitrag von imagine »

Liebe Heike
deine Art die Dinge zu sehen gefällt mir gut, ich sehe sie inzwischen auch so und vielleicht ist es ja auch so, dass es dazugehört über das Leben nachzudenken, es sei denn man ist sehr oberflächlich.
Meine Tochter hat schon ganz früh zum Beispiel erkannt, dass die Menschen nicht zuhören, ich war damals sehr erstaunt, dass sie diese Weisheit schon hat.
Vielleicht neigt sie auch zu Depressionen und ich mag es nicht wahrhaben, es schmerzt mich, denn ich sehe dann die Schuld bei mir.

Ich habe schon einige Postings von dir gelesen und weiß, dass du dir darüber auch viele Gedanken machst.

Liebe Grüße
imagine
Schweigen ist die unerträglichste Art der Erwiderung (Chesterton)
heute
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Re: wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

Beitrag von heute »

Hallo imagine,

du hast ja schon die Religionen erwähnt. Glaubt deine Tochter denn? Also findet sie Halt bei einer der Religionen? Mir hat der christliche Glaube phasenweise geholfen.

Ich habe ebenfalls seit dem Grundschulalter Angst vor dem Sterben und dem Tod. Auch ich habe (als Kind) im Bett vor Angst geschrien. Als Jugendliche habe ich mir ganze Nächte "um die Ohren gehauen". Denn immer, wenn ich versuchte, einzuschlafen, ergriff mich wieder die Angst... mit Macht.

Das NICHTS. Ich selbst - ein NICHTS. Irgendwann nicht mehr da. Keine einzige Zelle, kein Hauch Leben mehr. Warum bin ich überhaupt und warum bin ich je geworden? Die Menschen um mich herum - ein Nichts - irgendwann unwiederbringlich verloren. Warum gibt es sie gerade, warum gab es sie je? Alles Vertraute um mich herum - irgendwann ausgelöscht - dem NICHTS preisgegeben, ebenso wie die ganze Welt. Unvorstellbar viele Menschen durch alle Zeiten, die sich durchs Leben kämpften, die lebendige tiefe GEFÜHLE hatten, schon längst im NICHTS verschwunden, so als hätte es sie nie gegeben. Unbegreiflich (sowieso) und im höchsten Maße BEDRÄNGEND dieses Bewusstsein.

Und wenn ich in dieser so grausam "bewussten" Bewusstseins-Art war und bin, dann lässt sie sich nicht mehr so leicht abschütteln. Sie klammert sich fest... Also griff ich des Nachts als Jugendliche nach Büchern... las und las und las, versuchte, mich auf die Geschehnisse in den Büchern zu konzentrieren. Doch es gelang kaum... und kaum legte ich das Buch zur Seite, überfielen mich die bedrängenden Gedanken wieder... Naja, der nächste Schultag war dann nicht einfach.

Es gab später Phasen in meinem Leben, da half mir der Glaube. Ich habe dann auch versucht, meinen Kindern die tröstliche Aussicht "Die Seelen leben bei Gott/in der geistigen Welt weiter" schon früh möglichst lebendig und "schön" darzustellen, um die Kinder vor diesem Schrecken, den ich selbst zu gut kenne, zu bewahren. (Ist aber nicht durchgehend gelungen...)

Seit längerer Zeit "erlaube" ich mir diese "Bewusstseins-Art" nicht mehr. Sie ist wie ein Sog... gestern flog sie mich wieder an... bei einem Blick in den Nachthimmel vorm Zubettgehen. Ich lief eilig zu meinem Mann und unterhielt mich mit ihm über BANALE ALLTAGSDINGE, um wieder mit beiden Beinen "auf die Erde" zu kommen, BEVOR die ANGST und der Schrecken mich übermannen konnten.

Ja, traurig, aber wahr: Mir fällt nichts anderes ein - als VERDRÄNGUNG, VERMEIDUNG, NICHT-ZULASSEN.

Bestimmte Dinge lese ich nicht, bestimmte Dinge sehe ich mir nicht an, mit bestimmten Dingen beschäftige ich mich nicht... ich weiß ja inzwischen, was die Ängste mit großer Sicherheit SOFORT auslösen kann. Manches lässt sich aber nicht vermeiden: Wenn ich zum Beispiel in den Ort meiner Kindheit komme und ich treffe die Erwachsenen aus meinen Kindheitstagen - und sie sind jetzt ALT... die Vergänglichkeit hat sich schon ihrer bemächtigt. Ich kann und mag mich kaum mit den Leuten unterhalten, denn ich könnte nur HEULEN.

Aber vielleicht ist deine Tochter ja für den Glauben zugänglich und kann darin - vielleicht zumindest zeitweise - etwas Trost und Geborgenheit finden. Gibt ja auch wohltuende Seminare und Workshops, zum Beispiel mit christlichem Hintergrund. Das kann (meiner Erfahrung nach) schon ein bisschen tragen und entlasten.

Alles Gute

Nene
"So many things I would have done, but clouds got in my way." Joni Mitchell (Both sides now)
ils_pixent9
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Re: wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

Beitrag von ils_pixent9 »

Liebe Nene,
ich bin erschüttert, dein post könnte von mir sein, in allen Einzelheiten, auch mit der Vorliebe für banale Alltagsdinge.

Die Angst, beim Schlafen nicht wieder aufzuwachen, habe ich auch heute noch manchmal, besonders wenn ich schon eine Nacht schlecht geschlafen habe.

Ich hätte mich sehr für Philosophie interessieren können, aber ich hatte das Gefühl, dass mir das nicht gut täte.

Auch die Abneigung Leute wiederzusehen die ich lange nicht gesehen habe, kenne ich.

Ebenso die Vorliebe für banale Alltagsdinge.
Am meisten denke ich noch an die Worte meiner Mutter, dass nichts vergeht, sich nur wandelt.

Mit dem Glauben ist es eine zweischneidige Sache, doch darauf will ich jetzt lieber nicht eingehen.
einen lieben Gruß
Gret
imagine
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Re: wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

Beitrag von imagine »

Liebe Nene
ja genau das ist es, wovon meine Tochter spricht, du kannst das so viel besser beschreiben als ich, weil du es eben selber kennst.
Es tut mir sehr leid, dass du diese Ängst auch kennst und es erschreckt mich tief, dass meine Tochter, dass du und wohl auch Grete und so viele andere Menschen diese Angast erleben müssen.
Ich weiß, dass der Glaube Trost bietet, nicht von mir, sondern ich erlebe es bei gäubigen Menschen und ich beneide sie ein wenig...
Allerdings ist es für mich nicht so schlimm, denn ich erlebe mich als Teil der Natur, als Teil eines Kreislaufs und sehe darin den Sinn.
Ich habe vielleicht auch viel zu viele Jahre den Tod als Erlöser betrachtet, wenn gar nichts mehr geht, aber das ist nun auch vorbei, dafür bin ich sehr dankbar.

Mir fällt leider kein passendes Schlusswort ein, also belasse ich es beim Danke
Du hast mir sehr geholfen, wenn es mich auch traurig macht...


Alles Liebe dir
imagine
Schweigen ist die unerträglichste Art der Erwiderung (Chesterton)
Guitaranderl

Re: wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

Beitrag von Guitaranderl »

Hi Imagine,

kennst Du Irving D. Yalom? Er hat viele höchst unterhaltsame Bücher aus seinen Therapieerfahrungen geschrieben und gilt in den USA als einer der führenden Psychoanalytiker, die sich insbesondere mit dem Thema Tod und Sterben befasst haben. Yalom war m.E. der erste, der bereits in den 70ern Therapiegruppen mit todkranken Patienten gegründet hat.
Aus einem seiner Bücher habe ich Folgendes gesogen ... (was im übrigen zu hochgezogenen Brauen bei meinem 14-jährigen Sohn geführt hat, der dieses Thema natürlich auch mit sich herumschleppt.):

Yalom relativierte einmal die Todesangst eines seiner Patienten, in dem er ihn fragte, wie das eigentlich in den 6 Milliarden Jahren VOR seiner Geburt war, als er ja auch "tot" (i.S. von nicht lebendig) war. Was war da mit der Angst?
Ich fand das ausgesprochen interessant.

Hilfreich können auch Bücher sein, die sich genau um dieses Thema drehen. "Dienstags bei Morrie" zeigt, wie ein todgeweihter Mann seinen Studenten nicht nur das Leben, sondern das Sterben lehrt.
Von Yalom gibt es dazu die "Reise mit Paula". Schließlich noch Paulo Coelho mit "Veronika beschließt zu sterben..."

Alles Bücher, die sich auf schöne Weise mit der Endlichkeit des Lebens befassen und dabei vermitteln, dass Leben und Tod unmittelbar miteinander verknüpft sind und sich gegenseitig bedingen...(ohne Licht eben kein Schatten.. )

Alles Liebe
Andreas
heike56
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Re: wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

Beitrag von heike56 »

Liebe imagine,

danke für deine liebe Antwort. Du schreibst, Du würdest dich schuldig fühlen, wenn deine Tochter auch zu Depressionen neigen würde.

Da ich glaube, dass Depressionen in vielen Fällen vererbbar sind, wäre es doch verkehrt, wenn Du dich schuldig fühlst.

Das scheint aber auch ein besonderes Problem bei Depressionen zu sein, dass Eltern sich schuldig fühlen, wenn ihre Kinder erkranken. Bei vielen anderen erblichen Krankheiten macht man sich viel weniger Gedanken.

Man kann dann, wenn überhaupt nur im Rahmen der Erziehung Einfluß nehmen. Aber wie groß der Anteil ist, weiß ich auch nicht.

Du bist für sie da, Du kannst mit ihr über so schwierige Themen reden, sie vertraut dir. Das ist doch ein sehr gutes Zeichen.

Liebe Grüße

Heike 47
ils_pixent9
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Re: wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

Beitrag von ils_pixent9 »

Nur eine kleine Anmerkung: ich kenne das Buch Veronika beschließt zu sterben, es ist eins meiner Lieblingsbücher.
Aber meiner Auffassung nach ist es ein Plädoyer für das Leben.
LG Gret.
Guitaranderl

Re: wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

Beitrag von Guitaranderl »

sicher, Grete, leben lernen heißt ja möglicherweise auch sterben lernen...
heute
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Re: wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

Beitrag von heute »

Liebe imagine,

hmm, ja, dann ist es gut, wenn es mir ein wenig gelungen ist, diese Schreckensgefühle in Worte zu fassen.

"Man" redet ja normalerweise nicht drüber und hat oft auch keine "Sprache" dafür.

Ich kann mich nur an ein einziges Mal erinnern, als am Ende einer Party (damals war ich etwa 17 oder 18) die Sprache auf Tod und Vergänglichkeit kam. Und da hat doch tatsächlich ein Mitschüler diese überwältigenden Ängste so beschrieben, wie ich sie auch kannte/kenne.

Liebe Grüße

Nene
"So many things I would have done, but clouds got in my way." Joni Mitchell (Both sides now)
heute
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Re: wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

Beitrag von heute »

Hallo Andreas,

du schreibst von dem Gedankenanstoß des Therapeuten:

"wie das eigentlich in den 6 Milliarden Jahren VOR seiner Geburt war, als er ja auch "tot" (i.S. von nicht lebendig) war"

Ja, denk dir... das habe ich mir schon als Kind zur "Beruhigung" gesagt... so wie ein Mantra: "Früher gab es dich auch nicht, Nene. Früher gab es dich auch nicht, Nene. Das hat dich nicht gestört. Es war nicht schlimmm..."

Und doch: Es WAR keine Beruhigung. Es war immer nur die bittere Traurigkeit darüber, dass ich ja niemals während meines irdischen Lebens wieder in diese "Unschuld" des Früher, als es mich noch nicht gab, gelangen könnte. Das BEWUSSTSEIN meines Ich (meines vergänglichen und endlichen Ichs) und auch das Bewusstsein der Begrenztheit und Abgetrenntheit der anderen konnte ich nicht mehr loswerden, das erkannte ich (leider) schon als Kind. Es gab keinen Weg zurück ins unschuldige Nicht-(Bewusst)Sein.

Herzliche Grüße

Nene
"So many things I would have done, but clouds got in my way." Joni Mitchell (Both sides now)
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Re: wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

Beitrag von heute »

Hallo Grete,

hmm, nein, ich hatte keine Angst davor, nicht wieder aufzuwachen. Mich überfiel beim Ins-Bett-Gehen und wenn der übliche Alltagstrubel vorbei war, das Bewusstsein der Endlichkeit und Vergänglichkeit (meiner selbst, meiner Mitmenschen, der Welt...). Dieses BEWUSSTSEIN hielt mich wach und in Angst und Schrecken. (Also nicht die Angst vor dem unmittelbaren Tod oder womöglich eine panikbedingte Herzattacke.)

Aber ich denke, diese Ängste wirken sich wohl bei jedem/jeder ein bisschen anders aus... mein Sohn glaubt zum Beispiel bei jeder Bagatellerkrankung er sei in höchster Lebensgefahr... (tatsächlich will er erst gar nicht anfangen zu leben, weil man sowieso sterben muss...)

Vorliebe für banale Alltagsdinge? Weiß nicht, wie du das gemeint hast. Ich flüchtete mich gestern schleunigst in ein Alltagsgespräch mit meinem Mann, um diesem Endlichkeits-Bewusstseins-Strudel (der mich immer tiefer und tiefer zieht) noch rechtzeitig zu entgehen.

Ansonsten täte mir wahrscheinlich oft ein wenig mehr Zuwendung zu banalen Alltagsdingen ganz gut... Damit tue ich mich nämlich eher schwer...

Schöne Grüße

Nene

@ imagine: Deine Sorge um deine Tochter udn auch die Befürchtung, DU seist mit an ihren Ängsten Schuld bzw. hast nicht genug dagegen getan, kann ich gut nachvollziehen. Geht mir bei meinem Sohn ähnlich.
"So many things I would have done, but clouds got in my way." Joni Mitchell (Both sides now)
heike56
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Re: wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

Beitrag von heike56 »

Hallo,

die Angst vor dem Tod kann auch die Angst beinhalten, auf Dinge nur geringen oder keinen Einfluß nehmen zu können, sich ohnmächtig zu erleben.
Dieses Gefühl der Ohnmacht erlebt man vielleicht auch, wenn man spürt, dass man Kinder vor Depressionen nicht schützen kann. Und was dann passiert ist typisch depressiv. Man fühlt sich verantwortlich/ schuldig.

Ich weiß nicht, ob an dieser Idee etwas dran ist.

Lieben Gruß

Heike 47
imagine
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Re: wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

Beitrag von imagine »

Liebe Nene,
ich finde es immer noch erstaunlich, meine Tochter will es sich morgen durchlesen, jetzt wäre es vermutlich der schlechteste Zeitpunkt.
Dass ich mich schuldig fühle ist sicherlich ein Teichen meiner eigenen Depression, aber auch mein Wunsch eine vollkommene Mutter sein zu wollen, spielt da eine große Rolle.
Ich bin fest davon überzeugt, dass meine Tochter sich gut verstanden fühlen wird.
Ich habe immer gehofft, dass das mit ihrer Jugend zusammenhängt, aber das scheint dann wohl nicht der Fall zu sein.
Im übrigen neigt sie auch zum Verdrängen, vielleicht einer der Wege um damit umzugehen Liebe Grüße
imagine

Liebe Heike, ja das Gefühl der Schuld...
als meine Tochter 2 Jahre alt war, hat man bei ihr den gleichen Augenfehler festgestellt, den ich habe, allerdings nicht in dem Ausmaß und auch da fühlte ich mich schuldig, wir wollen unseren Kindern alles geben und das führt zu einer immensen Bindung, mehr als gut ist und eben zu diesem immerwährenden Schuldgefühl.
Klar, mein Verstand sagt mir auch was anderes, aber mein Gefühl kommt oft nicht hinterher...
Auch dir Danke und liebe nächtliche Grüße


Lieber Andreas,
mir sagen deine Worte sehr viel, aber ich begreife mich inzwischen sowieso als ein Teil des Ganzen und sehe das meistens recht pragmatisch, ich muss halt Platz machen...das ist etwas platt ausgedrückt, aber ich denke, du weißt, wie ich das meine.
Ich werde meiner Tochter die Bücher empfehlen, denn in meinem Beruf habe ich gelernt, dass diejenigen Menschen am meisten Angst vor dem Tod hatten, die ihr Leben nie gelebt haben.
Vielleicht schaue ich in der Bücherei mal nach dem, das Grete auch kennt
Vielen Dank auch für deine Gedanken und einen lieben Gruß auch an dich

Grete, an dich auch

schlaft alle schön, ohne Angst und mit angenehmen Träumen

imagine
Schweigen ist die unerträglichste Art der Erwiderung (Chesterton)
pferdediebin
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Re: wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

Beitrag von pferdediebin »

hy folks


also,ich weiß ned...ob ihr da nicht zuviel in richtung krankheit denkt,manchmal kann sowas zur gewohnheit werden

man darf doch nicht vergessen,daß kinder in einer magischen welt leben,und es wäre doch gradezu unverständlich,sich nicht über dieses große mysterium tod gedanken zu machen.
es ist ja auch in unserer kultur nicht so selbstverständlich,über den tod zu reden,außer es besteht grad ein aktueller anlaß.der tod passiert hinter veschlossenen türen,versteckt.
wir leben in einer so luxuriösen zeit,daß der tod bis ans letzte zipfelchen rausgezögert werden kann,notfalls mit einer herz-lungen-maschine.
in vergangenen war das überleben eher ungewiß,ein langes leben die große ausnahme,und der tod lebte im selben zimmer.
und in anderen kulturen,wo die religionen,welch zufall,nicht so bedrohlich-bestrafend sind,wie das christentum,das mit hölle und verdammnis für jeden sündigen gedanken droht,da wird der tod gefeiert wie eine geburt.und nichts anderes ist er.
warum leben wir?und warum haben wir ständig soviel angst?
ich weiß noch sehr gut,daß mich die angst als kind von einem adrenalin-rausch in den nächsten gejagt hat.ich hab sie auch ziemlich unterstützt,mit horror aus büchern,und it filmen,für die ich zu jung war.
und kein mensch sagt dir,wie du mit ängsten umgehen kannst...jeder sagt nur:schau,da ist garnichts...
man lernt die angst zu verleugnen,weil sie die erwachsenen nicht anerkennen,und das war für mich der größte stress.und in einer magischen welt sind ängste noch ein bissl häufiger möglich.ich durfte nur zu meiner angst stehen,wenn ich wieder mal schlimme alpträume hatte.
eigentlich haben wir vor allen dingen angst,die wir nicht verstehen.und je älter wir werden,umso mehr blicken wir hinter die kulissen dieses schauspiels namens leben.unsere ängste werden weniger weil wir gefürchtete situationen locker überleben.
und wir leben auch nicht in SO einer welt,wo
alles gefahrlos ist.
angst ist ein wichtiges gefühl,daß unser überleben gesichert hat.in zeiten wie diesen kommt eine menge stress auf uns zu,schon von klein auf,und unser altes system ist von der anpassung überfordert.man denke an einen völlig veralteten schrottpc,dem man,guten glaubens alles drauflädt,was man halt so braucht...des wird's nicht spielen.und genauso gehts mit dem menschen nicht,er verträgt auf dauer keine überbelastung,ohne schaden zu nehmen.
man kann natürlich versuchen,das alte system kurzfristig in sicherheit zu wiegen...ich hab meinem damals kleinen sohn,als er anfing sich vor vielen dingen zu fürchten,versucht das so zu erklären:schau,ich kann mich gut erinnern,an ähnliche ängste,und ich hab mir im nachhinein viele gedanken darüber gemacht,eben weil ich diese ängste sehr lange mit mir herumgeschleppt hab,ich kann dir die monster gut beschreiben,ich weiß,FÜR DICH sind sie da,realer als dir lieb ist.nur,eigentlich sind das gefühle,und man kann sich oft aussuchen,welchen gefühlen man die oberhand geben will...wenn du angst haben WILLST,weil das kann oft auch ganz reizvoll und spannend sein,wenn mans nicht übertreibt,dann laß es zu,aber bleib bei deinen phantasien der meister,und laß sie vielleicht auch gut ausgehen,wenns langt.wenn du dich wohl,sicher und zufrieden fühlen möchtest,kannst du dir das genauso leicht herholen wie die angst,denk an was,was du gern machst,gib dem anderen gefühl "nahrung",solange bis es stärker ist als die angst.
so ungefähr halt...und ich weiß nicht,ob es so gut gefruchtet hat,oder ob er es besser verdrängt hat,aber ich hatte nie das gefühl,daß er sich ned aufs klo traut,wegen all den schrecklichen dingen,die auf dem weg dahin passieren können,wie ich als kind
und mittlerweile weiß ich,daß es wohl EINER der wichtigsten gründe ist,warum wir leben...je mehr wir verstehen,desto weniger angst haben wir,unsere ängste wecken auch unsere neugier.wir wollen irgendwann wissen,wovor wir wirklich angst haben,und das kann uns auf recht abenteuerliche pfade führen.
und so kann die angst vor dem tod,wie in meinem fall,dazu führen,sich mit anderen sichtweisen,anderen kulturen,anderen religionen auseinanderzusetzen.und,tja,ich bin mir sicher,daß wir leben,um erfahrungen zu sammeln,um zu lernen.und dabei helfen uns unsere ängste.
selbst die depression kann ein quell an wunderbaren erfahrungen sein,die einem bewußt machen,was glück wirklich ist,denn die depression verweigert alles,was sich die anderen so unter glück vorstellen.glück kann ein warmes,sicheres bett in einem ruhigen zimmer sein.
die depression zwingt uns irgendwie auch,über den stellenwert des lebens nachzudenken,den unser leben überhaupt hat...man könnte sich für jeden kleinen scheiß wegwerfen,dabei hat man doch schon ganz anderes gemeistert.
man muß ganz unten anfangen,in sachen glücklich sein,wenn man depressiv ist,und man muß genau erspüren : was tut mir gut? wo fühl ich mich wohl ?und mit wem...
wir werden dadurch auch zu meistern unseres lebens,weil wir uns ganz neu kennenlernen müssen.


oh himmel,ich find irgendwie kein ende,deswegen werd ich jetzt das kabel rausz.....(*blitz/funk*)

pferdediebin

PS:ich hab wohl das "inzwischen erwachsene tochter" nicht richtig registriert...
"Die Stimme des Fleisches verlangt: nicht hungern,nicht dürsten,nicht frieren.Wer dies erreicht und hoffen darf,auch künftig zu erreichen,kann sich selbst mit Zeus im Glücke messen"



Epikur





heute
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Re: wozu leben wir, wenn wir sterben müssen

Beitrag von heute »

Hi Pferdediebin,

möchte nur einwerfen... die Angst vor Tod und Vergänglichkeit ist kein Phänomen unserer Zeit.

Auch in früheren Jahrhunderten quälten sich Menschen damit ganz intensiv, wie man aus der Literatur (Romane, Erzählungen, Dramen, Gedichte, Lieder) ersehen kann.

Übrigens: Es gibt auch Kinder, die von sich aus schon nie zu Horrorbüchern oder -filmen greifen würden, weil sie sich auch OHNE schon genügend fürchten und die Angst auch nie als lustvoll erleben.

Aber gut, dass du die Kunst erlernt hast, Ängste zu beherrschen, sie "herzuholen", aber auch wieder "wegzuschieben" (wenn sie zu unangenehm und bedrängend werden). Und gut, wenn du das so an deinen Sohn weitergeben konntest und es für ihn hilfreich war/ist.

Dass du im Laufe des Lebens immer weniger Ängste hast, finde ich prima für dich.

Warum du deine Entwicklung verallgemeinerst (so als sei das bei jedem Menschen zwangsläufig und ganz automatisch so, dass die Ängste abnehmen), verstehe ich aber nicht ganz.

(Ich gehöre leider zu den Menschen, die eher im Laufe der Jahre immer mehr Ängste entwickeln. Die Kindheitsängste sind immer noch da... und neue kommen hinzu. TROTZ vielfältiger Erfahrungen und Erlebnissen in all den Jahren.)

Schöne Grüße

Nene
"So many things I would have done, but clouds got in my way." Joni Mitchell (Both sides now)
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