Nicht reden wollen

Antworten
oktober

Nicht reden wollen

Beitrag von oktober »

Hallo zusammen,

kennt ihr das auch? Ich kenne es, seitdem ich denken kann - und nicht zuletzt daran liegt es wohl auch, dass meine ambulanten Therapien so erfolglos waren.

Während des Urlaubs (1. Besuch bei meiner besten Freundin, 2. ne Woche mit einigen Chormitgliedern, 3. mein Töchterchen nach Frankreich zu ihren Großeltern bringen) hab ich es wieder ganz intensiv erlebt. Andere berichten über Gott und die Welt, über Dinge, die ihnen bisher so passiert sind, etc. Ich mag nicht erzählen. Fragen nach der "Familie" (Eltern) sind besonders schlimm - aber auch Fragen nach meinem Leben beantworte ich ungern. Da gibt´s sogar Episoden, die Außenstehende spannend finden (schon länger her...), doch für mich liegen die Dinge anders. Ich war damals in mir selbst gefangen und hab eigentlich gar nichts mitgekriegt. Bzw. nur den Kampf und Krampf, der unabhängig von äußerlichen Lebensumständen ist.

Ich mag nicht erzählen. Nicht so etwas. Fühle mich dann mitunter wie das kleine Kind, dass sich über die Themen der Erwachsenen wundert, das Ende des Gesprächs herbeisehnt und sich fragt, ob es später irgendwann auch einmal so reden wird. Sich fremd fühlt. Irgendwie auch ahnt, dass es nicht am Alter liegt, sondern an der Unfähigkeit, die "Banalitäten" des Lebens würdigen zu können. Schon damals.

Keine Ahnung, ob das jemand verstehen kann.

Liebe Grüße,

Petra
noda
Beiträge: 141
Registriert: 17. Jul 2006, 11:04

Re: Nicht reden wollen

Beitrag von noda »

liebe petra,

das kenne ich gut ... banalitäten des lebens, smalltalk, der richtig schmerzt mit bohrender langeweile. ist es das, was du meinst?

erst das "üben" und akzeptieren von zwecklosigkeit des lebens bringt mich wieder daraus. dann erst macht wieder das atmen sinn. leben hat keinen zweck und macht doch für jeden seinen sinn!

lieben gruß

noda
keineIdee
Beiträge: 1
Registriert: 6. Apr 2005, 21:10

Re: Nicht reden wollen

Beitrag von keineIdee »

Hallo Petra,
auch ich kenne das. Aber bei mir ist es eher die Überzeugung, dass es eh niemanden interssiert. Das Gefühl, dass ich es sowieso nicht wert bin, dass mir jemand zuhört. Außenstehende können das nicht verstehen.
Schönen Tag wünscht Dir Birgit.
Weltenwandlerin
Beiträge: 677
Registriert: 9. Mai 2006, 13:19

Re: Nicht reden wollen

Beitrag von Weltenwandlerin »

Hallo Petra!

Auch ich kenne dies nur zu gut. Es gehört zu meinem "Glasglockengefühl", dieses Gefühl, vom Leben, Licht und Liebe und Normalität abgetrennt zu sein. Einerseits total einsam, auch und gerade wenn ich unter Menschen bin, und zugleich dieses Gefühl, dass ich einfach nicht verstehen kann, worüber diese Menschen da stundenlang reden. Es ist mir ein Rätsel, was die so interessant finden. Alles so belanglos (im Gegensatz zu meiner Innenwelt! Hallo Egozentrik! Schön, dich hier mal wieder zu treffen .
Zum Glück habe ich das nicht ständig und kann, wenn es mir eingermaßen geht, sogar munter mittratschen und erlebe es als eine Form der Entspannung. Schluß mit Tod und sterben, Tränen und Aua.

Lg, Mika
Werden kennt kein Ende. Der Strom fließt weiter. Jeder Augenblick ist neu. Der Schmerz des Wachsens: der Mühen wert! (Bruno-Paul de Roeck)
oktober

Re: Nicht reden wollen

Beitrag von oktober »

Hallo, ihr Lieben

und danke für eure Antworten. Beim Lesen hab ich gemerkt, dass ich da wohl zwei Sachen in einen Pott geworfen habe:
Small-Talk, solange es nicht um mich geht, hab ich "gelernt" bzw. kann ich relativ unverbindliche Gespräche mitunter sogar wertschätzen. Nicht immer - je nach Laune.

Schlimm wird es vor allem (unabhängig von meiner Laune), wenn es um mich geht Manchmal auch, wenn andere über sich berichten, erzählen, was sie so erlebt oder welche Pläne sie für den nächsten Tag, die nächste Woche oder generell haben. Dann krampft sich alles in mir zusammen, und manchmal überfällt mich eine Traurigkeit, die ich irgendwie beiseite zu schieben versuche. Denn dann merke ich, wie wenig ich bislang mein Leben gelebt habe. Und dass ich oft immer noch ganz schön weit davon entfernt bin.
Früher - als Kind und Teenie - hab ich mich dann desöfteren dem Selbstmitleid hingegeben und mich z.T. dadurch geschützt, dass ich mir irgendwie "reifer" vorkam als meine Mitmenschen.
Heute weiß ich, dass ICH einfach keine Ahnung hatte, dass das das Leben ist... Bzw. dass das Leben nicht nur daraus besteht, sich immer nur Gedanken zu machen, in sich selbst gefangen zu sein und unempfänglich für das Naheliegende, das scheinbar Banale.
Das "Machen" - ein Ding der Unmöglichkeit. Ja, oft (und auch heute noch) habe ich das Gefühl, mir ginge sogar Zeit verloren, wenn ich einfach nur Dinge erledige. Zeit, die ich dann "lieber" (...) mit Nichtstun verbringe.

Oh je, das gerät nun auch etwas durcheinander. Hat mit dem Reden nur noch indirekt was zu tun.
Das hab ich auch deswegen wohl nie gelernt, weil bei uns zuhause nicht geredet wurde, jedenfalls nicht mit mir.

Liebe Grüße,

Petra
oktober

Re: Nicht reden wollen

Beitrag von oktober »

Ein Gefühl ist wie ein Kind, das in uns lebt und weint
und lacht, Hunger hat und bemerkt sein will.
Wer zu seinem Gefühl zu oft sagt:" Sei still, ich habe
jetzt keine Zeit für dich" dessen inneres Kind sitzt
eines Tages in einer vergessenen Ecke und trauert,
wird krank und verkümmert.

Mit seinen Gefühlen soll man umgehen wie man mit einem
Kind umgeht.
Man sieht ihm freundlich zu und aufmerksam,
man hört, was es klagt,
man leidet mit ihm, wenn es leidet. Denn Gefühle sind
die lebendigsten Kräfte in uns und keine andere Kraft
in uns bringt so Lebendiges hervor.

Ein Kind hat auch Wünsche,
berechtigte, schöne, gute, die nicht zu erfüllen sind.
Dann nehmen wir es auf den Arm und sind mit ihm
traurig.
Aber wir schicken es nicht weg.
Ein Kind kann verstehen, dass es nicht alles haben
kann.

Aber lieben muss man es,
ihm Mut gebe und Fröhlichkeit,
und Raum, seine Kräfte zu regen.
________________________________

Und was tut man, wenn es schon zu spät ist???
Keine Gefühle mehr da sind, nur noch Gleichgültigkeit und Lethargie - so dass ich mir mitunter schon die Verzweiflung krisengeschüttelter Zeiten zurück wünsche...

Immerhin bemerke ich es - rational. Ich merke, dass es nicht "normal" ist, wie ich gerade meine Tage verbringe. Und ich merke, dass ich eigentlich trauriger sein müsste.

Gute Nacht,

Petra
MenschMeier
Beiträge: 93
Registriert: 8. Mär 2006, 22:20

Re: Nicht reden wollen

Beitrag von MenschMeier »

Hallo Petra,

so wie du schreibst, kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, dass "keine Gefühle mehr da sind".
Was du jetzt wohl zum Teil bemerkst ist, dass du das "Kind in der Ecke" gerade nicht siehst und es doch so herbeisehnst.

Auch für mich ist es immer wieder eine Herausforderung, die "Mitte zu finden". Es kommt - in grossen Abständen - vor, dass ich glaube, vor dem Fernseher entspannen zu können. Regelmässig geht es mir danach schlecht wegen der verschwendeten Zeit. Deshalb passiert das auch nur noch wenige Male im Jahr. Selbst meiner Freundin mag ich manchmal einfach nicht zuhören. Glücklicherweise versteht sie das dann meistens auch .
Andererseits setzt es mich unter enormen Stress, wenn ich in einer Gruppe von mehr als ca. 5 Menschen aufgefordert werde, etwas über mich zu erzählen. In meiner Kindheid schon hasste ich es, von meinen Eltern über die Schule ausgefragt zu werden (habe 9 Geschwister). Es ist dann nicht unbedingt so, dass ich mich zu klein fühle - ich bin einfach nur sicher, dass ich den anderen nicht vermitteln kann, was in mir vorgeht und keine Lust habe herumzuschauspielern.
In der Therapie habe ich gelernt, dass mir authentisches Erzählen aber ganz gut gelingt, wenn es nur zu zweit bis viert passiert, wenn ich selbst mit einem entsprechenden Thema anfange und selbst entscheide wann dafür für mich der richtige Zeitpunkt ist.

Gibt es auch bei dir diesen Unterschied in der Gruppengrösse?
Ich wünsche dir, dass du nicht nun einfach versuchst, dich mit den Banalitäten anzufreunden, sondern - daneben auch - den Teil deines inneren Kindes annimmst, das sich nach mehr Tiefe sehnt. Mag sein, dass das dann nicht "voll normal" ist - aber ich bereue bis heute nicht, dass ich das Ziel, "normal" zu sein, schon mit ca. 10 Jahren als für mich unpassend verworfen habe.

Wenn du das Traurigsein brauchst, dann lebe es - zeitweise. Aber "trauriger sein müssen"? Ganz bestimmt nicht. Geh auf dein inneres Kind zu und nimm es liebevoll in den Arm. Es wird aufwachen und dich anlächeln .

Schlaf gut

MenschM...
oktober

Re: Nicht reden wollen

Beitrag von oktober »

Hallo Menschmeier,

hab dir ne Antwort auf deine lieben Zeilen schicken wollen - nur leider ist mein PC zwischendurch abgestürzt.

Leider kriege ich es nicht auf die Reihe, das alles nochmal zu schreiben - bin mir aber auch nicht so sicher, ob es sich lohnen würde... Kriege gerade nichts formuliert

Nur eins: Das Gedicht stammt nicht von mir. Ich bin während eines Klinikaufenthaltes darauf gestoßen - und damals hab ich es auch "verstanden". Da würde ich gerne wieder hinkommen...

Liebe Grüße von

Petra
Antworten