kennt jemand Klinik Möhnesee?

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kiwi
Beiträge: 7
Registriert: 15. Feb 2007, 19:23

kennt jemand Klinik Möhnesee?

Beitrag von kiwi »

Hey!

Meine Schwester muss unbedingt in eine Klinik.
Die Krankenkasse hat die Vertragsklinik Möhnesee (Dr. Becker Klinikgesellschaft). Wie ist es da so? Hat irgendjemand schon mal was darüber gehört?
muss jetzt nämlich schnell gehen am 11.07. fliegt meine Schwester nämlich aus der Familienversicherung.

vielen lieben Dank

kiwi
Lioness
Beiträge: 1911
Registriert: 29. Mai 2005, 23:21

Re: kennt jemand Klinik Möhnesee?

Beitrag von Lioness »

Hallo Maren,

ich war im Sommer 2005 in der Klinik Möhnesee und kann sie nur bedingt empfehlen. Es ist eine "typische" psychosomatische Rehaklinik, deren Hauptaugenmerk - ganz im Sinne der BfA - darauf liegt, die Klienten möglichst als arbeitsfähig zu entlassen.

Die Klinik wird sehr offen geführt, hat vom Ambiente her eher einen Hotelcharakter. Dies ist ja nicht grundsätzlich verkehrt. Man ist als Patient dort aber in hohem Maße sich selbst überlassen: Es gibt für die psychosomatischen Patienten KEINE Stationen, die Unterbringung quer durch's ganze Haus, wie im Hotel eben. Es gibt nur EIN Stationszimmer für die Psychosomatik; die Folge ist, dass man zum Pflegepersonal keine wirkliche Beziehung aufbaut. Das gehört wohl auch zum Konzept, es findet definitiv KEINE Bezugspflege statt. Wenn man "was hat", muss man von alleine das Stationszimmer aufsuchen.

Das ganze Klinikkonzept ist also daraufhin abgestimmt, vom ersten Tag an die Eigenverantwortung und die Selbstständigkeit der Patienten zu fördern. Auch dies ist nicht per se so schlecht, ABER man muss als Patient schon über ein gewisses Maß an Stabilität verfügen, sonst hat man - wie ich in den ersten Wochen - teilweise schwer mit Ängsten zu kämpfen.

Ein weiteres Manko ist die relative Einseitigkeit der Klinik, was das Behandlungssprektrum angeht. Sie ist spezialisiert auf die Behandlung von Burnout / Erschöpfungsdepression und Ähnlichem. Eine Mitpatientin, die schwer traumatisiert ist, musste dort eine massive Verschlechterung ihres ZUstandes erfahren, der von den Therapeuten weder in seiner ganzen Tragweite erkannt, noch - wegen eindeutig fehlender Komeptenzen auf dem Gebiet der Psychotraumatologie - angemessen aufgefangen wurde.

Was ich persönlich auch nicht gut fand: Man muss sich zu Beginn entscheiden, ob man Gruppen- oder Einzelpsychotherapie machen will. Es gibt als Kassenpatient ein Einzel die Woche. Die Gruppe fand 2 x die Woche als Gesprächsgruppe mit der Therapeutin und einmal als Kreativgruppe mit einer Gestaltungstherapeutin statt. Auch nicht gut war der ständige Wechsel, da fast jede Woche Patienten die Gruppe verließen und neue hinzukamen. So ging ein guter Teil der ohnehin knappen Zeit mit Verabschiedungs- und Begrüßungsritualen verloren, und die Gruppendynamik veränderte sich jedesmal entsprechend. War man gerade mit einigen Leuten soweit warm geworden, dass man sich trauen würde, sich zu öffnen, waren sie auch schon weg, und den Neuen mochte man nicht sofort seine schlimmsten Erlebnisse erzählen.... Die Gruppen waren mit 10-12 Mitgliedern und einer Therapeutin auch zu groß für meinen Geschmack.

Vollkommen lächerlich war in meinen Augen die Adipositasgruppe, an der ich wegen meines Übergewichtes teilnehmen musste: Ein Einzelgespräch mit der Diätassistentin, 4 oder fünf Mal Gruppe - auch hier mit stetig wechselnden Teilnehmern - und ganzem ZWEIMAL Kochen in sechs Wochen. Es wurden die ernährungsphysiologischen Aspekte des Übergewichts beleuchtet. Auf psychogene Faktoren des Übergewichts im Sinne einer Essstörung - Wovor sollen die Pfunde mich schützen? Welche Gefühle versuche ich durch Essen zu vermeiden? Was fehlt in meinem Leben, das ich durch übermäßiges Essen zu kompensieren suche? Wie könnte ich daran arbeiten, mir dieses Fehlende in Form anderer "Nahrung" zuzuführen? etc. etc. - wurde überhaupt nicht eingegangen.

EIN weiteres dickes Manko in meinen Augen: Die Klinik nimmt auch Mütter mit Kindern auf, hat aber kein wirklich überzeugendes Konzept für die Kinderbetreueung "nach Feierabend", also nach 17:00. Die Folge waren laut durch die Klinik tobende Kinder überforderter Mütter, die auch abends im Klinikschwimmbad toben und kreischen durften...... Des weiteren ist die Klinik eine gemischte Klinik, die andere "Fakultät" sind Herzpatienten in entsprechendem Alter.

Es gibt schon einige gute Therapieangebote; und meine Bezugstherapeutin war sehr fähig und kompetent. Ich habe von meinem Aufenthalt durchaus profitiert und einiges mitgenommen. Aber ich hatte andere Vorstellungen, was ich in 6 Wochen erreichen wollte, was - in meinen Augen - auch durch die relativ geringe Therapiedichte nicht gelungen ist.

Die Ausstattung ist top - sehr komfortable Einzelzimmer - die Verpflegung ist auch gut.

Fazit: Ich selbst würde dort nicht noch einmal hingehen wollen. Und ist man noch relativ instabil - wie ich es nach einem Akutpsychiatrieaufenthalt war - ist diese Klinik, ist aber vielleicht auch eine REHA nicht geeignet.

Alles Gute für Deine Schwester!
Lioness



Wir brauchen den Blick nach hinten, um unser Leben zu verstehen. Wir brauchen den Blick nach vorne, um unser Leben zu LEBEN!
RitaV
Beiträge: 3
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Re: kennt jemand Klinik Möhnesee?

Beitrag von RitaV »

Hallo
ich kenne die Klinik auch, weil ich 1994 dort zur Behandlung sechs Wochen war. Das einzige, was ich empfehlen kann, ist die persönliche Betreuung durch Frau Sinclair. Von ihr habe ich sehr profitiert. Alles andere hat mir nichts gebracht.
Wenn Sie sich austauschen wollen, können Sie mir gerne mailen. Gebe gerne Auskunft.
Viele Grüße
Rita Volkwein, 37, Bonn
Rita Volkwein
DepriXX
Beiträge: 1498
Registriert: 5. Feb 2004, 10:57

Re: kennt jemand Klinik Möhnesee?

Beitrag von DepriXX »

das hört sich ja recht mies an und ich würde dir raten, dass sie in die nächstgelegene psychiatrie geht, die haben dort auch sozialarbeiter (wegen der kk)
--

liebe grüße

.::. DepriXX .::.



Lioness
Beiträge: 1911
Registriert: 29. Mai 2005, 23:21

Re: kennt jemand Klinik Möhnesee?

Beitrag von Lioness »

Hallo Rita,

Frau Sinclair war im zweiten Anlauf auch meine Bezugstherapeutin, und ich kann Deine Meinung nur bestätigen!

Gruß
Lioness



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kiwi
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Registriert: 15. Feb 2007, 19:23

Re: kennt jemand Klinik Möhnesee?

Beitrag von kiwi »

hallo nochmal

danke für eure Tipps, besonders lioness für den ausführlichen Bericht. Wie ist das denn mit Vertragskliniken, muss man da hin, oder kommt auch irgendwie in eine andere?
Ich hab da nicht so viel Ahnung

gurß kiwi
RitaV
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Re: kennt jemand Klinik Möhnesee?

Beitrag von RitaV »

Hallo Lioness,
freue mich, dass Du mit Frau Sinclair auch gute Erfahrungen gemacht hast. Sie war wirklich sehr in Ordnung. Schade war nur, dass man nach der Kur keine Möglichkeit mehr hatte, sich weiter mit ihr auszutauschen.
Oder wie ging es Dir damit?
Gruß
Rita
Rita Volkwein
RitaV
Beiträge: 3
Registriert: 8. Mär 2007, 14:48

Re: kennt jemand Klinik Möhnesee?

Beitrag von RitaV »

Hallo Maren,
ich denke, dass man schon in eine Vertragsklinik der Krankenkasse gehen muss. Denn ansonsten ist die Kostenübernahme durch diese ja fraglich.
Viele Grüße und ebenfalls alles Gute für Deine Schwester!
Rita Volkwein, 37, Bonn
Rita Volkwein
seemannsfrau_13
Beiträge: 11
Registriert: 16. Mär 2006, 14:03

Re: kennt jemand Klinik Möhnesee?

Beitrag von seemannsfrau_13 »

Hallo Maren,

ich kann mich Lioness´ erstem Posting nur anschließen. Mein Aufenthalt in Möhnesee war von Ende Dez. 2005 bis Anfang Feb. 2006. Über Silvester 2005 war die Klinik fast leer, d. h. es fanden kaum Therapien statt. Meine Erfahrungen waren sehr, sehr gemischt. Ich wurde mehr oder weniger zur Gruppentherapie überredet, weil ich mit der ganzen Situation völlig überfordert war.

Meine Traumas wurden nicht bearbeitet. Man sagte, ich solle das lieber zu Hause bearbeiten, weil die Gruppe die Problematik nicht tragen könnte. Dadurch habe ich mich von allem ziemlich abgekapselt.

Erschwerend kam noch dazu, dass durch die Ziehung meines letzten Weisheitszahnes, der sich natürlich dort übers Wochenende entzündet hatte, von der Klinik im Regen stehen gelassen wurde. Das gehöre nicht in den psychosomatischen Bereich, also sehen Sie zu, wie Sie nach Soest zum Zahnarzt kommen.
Als ob das nicht gereicht hätte, bekam ich eine Gesichtsrose an der Nase und darauffolgend eine Trigeminusneuralgie. Außerdem hatte ich anfangs noch einen ziemlichen Schub meiner Colitis Ulcerosa mit in die Klinik gebracht. Es hätte nicht schlimmer sein können.

Das einzig Positive waren mein themenzentriertes Malen bei Frau Grunwald und die Fußreflexzonentherapie bei Frau Weise. Leider waren diese positiven Erfahrungen nicht ausreichend für den Rest der Reha.
Ich war heilfroh, als ich nach 6 Wochen nach Hause konnte, natürlich arbeitsfähig.
Es hat keine 3 Monate gedauert, bis ich wieder am Ende war und zu meinem Neurologen gehen mußte.

Die Burn-Out-Patienten waren von Möhnesee alle total begeistert. Sie gingen abends in den Ort Möhnesee und amüsierten sich prächtig.

Mir hat es leider nicht soviel bis gar nichts gebracht.

Liebe Grüße und viel Kraft für Deine Schwester

Bettina
Lioness
Beiträge: 1911
Registriert: 29. Mai 2005, 23:21

Re: kennt jemand Klinik Möhnesee?

Beitrag von Lioness »

Hallo Bettina et. al,

das völlig ungenügende "sich Kümmern" um somatische Krankheiten habe ich auch von anderen Patienten mitbekommen. Wurden z.B. Kinder krank - was ja bekanntlich nicht so selten ist - mussten die dazugehörigen Mütter zugucken, wie sie sich einen Arzt UND ihren Therapiealltag organisierten.

Klar, die Burn-Out Patienten haben von der Klinik profitiert. Aber wehe, man hat massive Traumata oder andere Störungen, denen nicht mit vieeeeeeeel Ruhe, Leerlauf und zweimal 90 Minuten Gruppengesprächen unter oben beschriebenen Bedingungen beizukommen ist......

Gruß
Lioness



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findulin
Beiträge: 191
Registriert: 13. Mai 2006, 12:33

Re: kennt jemand Klinik Möhnesee?

Beitrag von findulin »

Hallo,
kann mich Lioness und Down nur anschließen.Ich selbst war im Frühjahr 2005 dort.Mit meiner komplexen Traumatisierung kamen sie Überhaupt nicht zurecht,Meine Einzelthrapeutin war völlig überfordert und weil gerade Urlaubszeit war, und Kollegen krank waren,wurde das Einzel von 50 Minuten auf 20 Minuten gekürzt. Sie haben mich dann in eine Gruppe gesteckt die sich mit Burn-out auseinandersetzt,aber keine Vorschläge zur Prävention gemacht.Also,ich kann die Klinik nur empfehlen,für Leute die 6 Wochen auf Kassenkosten Urlaub machen wollen.Sie legen dort sehr viel wert auf Eigenständigkeit.
Als ich Beschwerden mit meinem Rücken hatte,mußte ich selber zusehen wie nach Soest zum Arzt kam und auch einen Orthopäden mußte ich mir selber suchen.Das gehört zum Konzept der Klinik sagte man mir.Sie wollen die Selbstkompetenz und die Eigenständigkeit fördern.Desweiteren nimmt die Klinik Begleitkinder auf ohne über die dafür notwendige Infrastruktur zu verfügen. Es gibt für die Kinder kein Spielzimmer außerhalb der Öffnungszeiten des Kindergartens.Also spielen die kinder bei schlechtem Wetter schon mal auf dem Flur Fußball,oder spielen auf den Gängen verstecken.Und im Schwimmbad wird getobt bis zum Ende.
Mein Fazit nach 6 Wochen Reha am Möhnesee,nie wieder Möhnesee !!!
LG
Kathrin
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