Die Falle der Vergebung

Denker
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Die Falle der Vergebung

Beitrag von Denker »

Weil dieses Thema immer mal wieder diskutiert wird und ja auch sehr wichtig ist, hier ein Link zu einem Artikel von Barbara Rogers, den ich voll und ganz unterschreiben kann:

http://www.alice-miller.com/artikel_de. ... =79&grp=12

Auch der Rest der Seite ist sehr beachtenswert!

Gruß
Denker
Emriye2
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Re: Die Falle der Vergebung

Beitrag von Emriye2 »

Lisa23

Re: Die Falle der Vergebung

Beitrag von Lisa23 »

Hallo Denker,

auch von mir ein Danke für diesen Link. Er ist die Antwort auf all meine Fragen.

Das Thema Vergebung gegenüber den Eltern war nie meins. Das ist ein Thema unserer Gesellschaft, die gerne weiterhin zulässt, dass arme Kinderseelen bis ins Erwachsenenleben gequält und gedemütigt werden dürfen. Da ist noch viel zu tun.

Ich bin sehr froh über diesen Link. Er kam für mich zur rechten Zeit. Ich finde in diesem Beitrag eine große Unterstützung darin, dass mein bisheriges Handeln, zwar nicht dem allgemein gewollten entspricht, aber in eine bessere Zeit führen kann.

Liebe Grüße, Lisa
imagine
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Re: Die Falle der Vergebung

Beitrag von imagine »

Lieber Denker, liebe Emriye,
viele in diesem Forum -auch ich- haben mit dieser Situation zu kämpfen!!
Ich hatte nun eine Mutter, die später wirklich um Entschuldigung gebeten hat und dies mit Sicherheit auch ehrlich meinte.
Ich aber, konnte nicht vergeben, im Gegenteil, es hat meine Wut unterbunden, meine Trauer um meine verlorene Kindheit konnte ich nicht ausleben.
Das ist alles erst nach ihrem Tod geschehen!!
Vielleicht hätte meine Vesöhnung mit meiner toten Mutter nicht stattfinden können, wenn sie sich nicht entschuldigt hätte??!!
Ich habe darauf keine Antwort, ich weiß es nicht!
Ich weiß nur, dass erst ein Annehmen, des eigenen Selbst eine Veränderung bewirken kann und ich weiß, dass es in Phasen abläuft...

imagine
Schweigen ist die unerträglichste Art der Erwiderung (Chesterton)
Emriye2
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Re: Die Falle der Vergebung

Beitrag von Emriye2 »

imagine
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Re: Die Falle der Vergebung

Beitrag von imagine »

Liebe Emriye,
du brauchst nicht zu befürchten, dass ich mich rechtfertigen will.
Aber das Ganze läuft in Phasen ab und im Moment stehe ich nicht so sehr über den Dingen.
Auch meine Verletzungen sitzen tief, ich bin sehr leicht zu erschüttern, meine Selbstwertgefühl ist nicht so stark ausgeprägt, all das sind Dinge, die aus meiner Kindheit und Jugend kommen.
Ich konnte mich bis zu dem Tod meiner Mutter und weit darüber hinaus, nicht von ihr befreien, ohne krank zu werden.
Ich habe sogar bis zu einem gewissen Grad ihr Leben nachgelebt, ich habe das gesehen und konnte nichts dagegen tun, war gefangen in dieser Falle.
Erst nachdem sie schon lange tot war, konnte ich so etwas wie Freiheit empfinden, das tat unheimlich gut und die Tatsache, dass ich heute nicht mehr so hadern muss, hat mich Frieden finden lassen, aber er ist mitunter recht brüchig

Deine imagine
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Emriye2
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Re: Die Falle der Vergebung

Beitrag von Emriye2 »

BinAmEnde
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Re: Die Falle der Vergebung

Beitrag von BinAmEnde »

Hallo Denker, hallo Ihr!

Der Gedanke an Kindesmisshandlungen, in welcher Form auch immer, macht mich immer extrem wütend. Es gibt für mich nichts schlimmeres, als einen unschuldigen Menschen, in diesem Fall Kinder, so zu behandeln, dass sie sich möglicherweise verlieren. Sicher, die körperlichen Misshandlungen werden in der Öffentlichkeit weit mehr beachtet und medial behandelt, aber die emotionalen Misshandlungen die im Stillen stattfinden sind ebenso, wenn nicht noch schlimmer.

Mehr kann ich zu diesem Thread nicht sagen, da mich diese Thema wirklich sehr wütend macht und ich meine Fassung nicht verlieren möchte.

Vielleicht noch Eines: Jedem/r Betroffenen sei mein herzlichstes Mitgefühl gewiss! Mehr kann ich nicht geben.

Liebe Grüße, Werner
ils_pixent9
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Re: Die Falle der Vergebung

Beitrag von ils_pixent9 »

Denker
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Re: Die Falle der Vergebung

Beitrag von Denker »

Hallo Grete,
stelle dir einmal folgenden hypothetischen Fall vor:
Ein besoffener Autofahrer baut einen Unfall, bei dem dein Kind getötet wird. Würde es deinen Schmerz lindern, wenn du erkennen könntest, dass dieser Mensch eine harte Kindheit hatte und aus Verzweiflung darüber an der Flasche hängt? Wohl kaum!
Es bringt nichts, immer wieder nach neuen Entschuldigungen für das Verhalten der Eltern zu suchen.
Gruß
Denker
ils_pixent9
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Re: Die Falle der Vergebung

Beitrag von ils_pixent9 »

Denker
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Re: Die Falle der Vergebung

Beitrag von Denker »

Nun, meine Kindheit kann ich heute genauso wenig ändern, ist quasi genauso Fakt, wie das tote Kind.
Ich habe das Gefühl, du willst es nicht verstehen. Nun gut, ich akzeptiere das.
Gruß
Denker
imagine
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Re: Die Falle der Vergebung

Beitrag von imagine »

Lieber Denker,
das stimmt und es stimmt auch wieder nicht.

Wir können lernen mit unserer Vergangenheit besser zu leben, aber das tote Kind bleibt tot!

Wir weden vielleicht immer darunter leiden, aber die Frage, wann das Leid angefangen hat und wer dann um Himmels Willen die Schuld trägt, die muss erlaubt sein!!

Ich verstehe dich sehr gut, habe ich doch selber so lange und intensiv gelitten!!

Aber in dem Artikel stand eben auch, wir müssen uns selbst vergeben, dann können wir evtl. auch unseren Peinigern vergeben und damit unseren Frieden erlangen!!

Ich glaube heute, dass ist der Schlüssel, auch wenn der Schlüssel immer mal wieder verloren werden kann.
Es lohnt sich, nach ihm zu suchen.
Und noch etwas fällt mir auf, deine Bitterkeit.
Sie aber führt letzlich dazu, dass du in deinem Elend verharrst

ganz liebe Grüße
imagine
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Emriye2
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Re: Die Falle der Vergebung

Beitrag von Emriye2 »

imagine
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Re: Die Falle der Vergebung

Beitrag von imagine »

Liebe Emriye,
das ist auch gut so!!!
Ich kann das nur sehr, sehr selten, solche Postings verfassen, ich finde es gut!

deine imagine
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ils_pixent9
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Re: Die Falle der Vergebung

Beitrag von ils_pixent9 »

maggy
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Re: Die Falle der Vergebung

Beitrag von maggy »

Hallo Ihr Lieben,

die Bücher von Alice Miller waren Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre die ersten "Psycho-Bücher", die ich mit meinen damals beginnenden Depressionen und Panikattacken in mich reingezogen habe - wirklich aufgesogen wie ein Schwamm; denn es entsprach so sehr dem was ich empfand und was ich dachte, bzw. da wurde das was ich empfand für mich verständlich und das was ich dachte, konnte ich endlich zulassen; denn es gab ja wohl noch jemanden, der so dachte.

Nachdem ich mir vergeben konnte - mitfühlend und einfühlsam auf mich zugehen konnte und mich kennenlernen konnte als die, die ich war mit all meinen Fehlern und Unzulänglichkeiten, konnte ich meinen Eltern das, was sie mir gegeben hatten wieder zurückgeben. Ich wollte es nicht, es lag nicht in meiner Verantwortung.
Ja, ich habe Ihnen ver-geben; denn alles andere würde mich in der Rolle der Anklägerin, Rebellin oder Opferrolle gefangen halten. Ich könnte mir niemals selber ein guter Vater und eine gute Mutter sein. Die Möglichkeit brauche ich aber um nicht nur überleben sondern wirklich leben zu können.

Bei vielen mag das anders sein - bei mir war und ist es so.

Alles Liebe
von
Maggy
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Depression ist die Fähigkeit mit tiefster Gefühlsbereitschaft auf Konflikte zu reagieren
Emriye2
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Re: Die Falle der Vergebung

Beitrag von Emriye2 »

ANOVA
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Re: Die Falle der Vergebung

Beitrag von ANOVA »

Liebe Maggy,

>Nachdem ich mir vergeben konnte - mitfühlend und einfühlsam auf mich zugehen konnte und mich kennenlernen konnte als die, die ich war mit all meinen Fehlern und Unzulänglichkeiten, konnte ich meinen Eltern das, was sie mir gegeben hatten wieder zurückgeben. Ich wollte es nicht, es lag nicht in meiner Verantwortung.
Ja, ich habe Ihnen ver-geben; denn alles andere würde mich in der Rolle der Anklägerin, Rebellin oder Opferrolle gefangen halten. Ich könnte mir niemals selber ein guter Vater und eine gute Mutter sein. Die Möglichkeit brauche ich aber um nicht nur überleben sondern wirklich leben zu können.

Vielen Dank für diese sehr treffende Beschreibung! Genauso erging es auch mir.

Vor allem Dein Hinweis auf die Opferrolle finde ich sehr wichtig, denn das war bei mir letzten Endes der springende Punkt, meinen Eltern (und anderen Peinigern) zu vergeben. Ich wollte denen einfach keine Macht mehr über mein Leben geben. Indem ich hasse oder wütend bin, gebe ich ihnen aber mehr Macht als gut sein kann.

Vergeben hat für meine Begriffe auch nichts mit Ent-schuldigen zu tun.

Liebe Grüße

Xenia
otterchen
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Re: Die Falle der Vergebung

Beitrag von otterchen »

Hallo Emriye,
Du sprichst aus, was mich seit langem tief bewegt.
Zwischen dem, wie Eltern sein sollten und dem, wie meine Eltern zu mir waren, liegen WELTEN. Und ich habe vor Jahren den Kontakt zu ihnen abgebrochen, weil auch... ja... die Einsicht fehlte! Meine Schwester hatte nämlich noch versucht zu vermitteln, hat auf die ganzen Schläge etc. angesprochen. Reaktion meiner Eltern: "geschlagen?? wir haben sie doch nie geschlagen!!"
Was will man von solchen Eltern noch erwarten???
Selbst wenn ich denen meine ganze Wut, meine Trauer über die verpassten, verkorksten 40 Jahre, alle meine Gefühle vor die Füße k**zen würde, würde mir das helfen, mich danach besser zu fühlen?
Gewiss doch, sie hatten es bestimmt auch sehr schwer. Diesen Punkt "gestehe" ich ihnen zu. Aber irgendwie drängt sich mir der Gedanke auf an Kriminelle, die vor Gericht sitzen und ihre Taten auf ihre ach so schlimme Kindheit schieben. Ich hatte auch eine schlimme Kindheit, und ich bin nicht auf die schiefe Bahn geraten.
All diese Gedanken machen es mir überhaupt nicht leichter, mit meiner Wut und mit dem Schmerz umzugehen. Wenn vielleicht... irgendwann einmal... Schmerz und Wut weg sein werden... vielleicht sehe ich das dann anders... aber da bin ich noch lange nicht.

Bitte entschuldigt diesen Wutausbruch
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
imagine
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Re: Die Falle der Vergebung

Beitrag von imagine »

Liebe Emriye, liebes Otterchen,
warum entschuldigt ihr euch für eure Wut??
So lange sie so vorgebracht wird und nicht verletzt, ist doch alles im grünen Bereich.
Wenn Denker auf mich verbittert gewirkt hat, dann ist das meine Wahrnehmung, sie muss aber nicht stimmen!!

Und Wut gehört bestimmt zum Genesungsprozess dazu, da bin ich mir sicher.
Dieses Fehlen meiner Wut hat mich depressiv gemacht, auch meine "Weisheit" hat mit Trauer, Schmerz und Wut begonnen!!

Ich habe es schon an anderer Stelle geschrieben, aber vielleicht noch einmal ganz kurz.
Meine Tochter ist meiner Mutter in vielen Dingen sehr ähnlich.
Meine Tochter liebe ich sehr, das hat sich auf die Dauer nicht vereinbaren lassen, mit dem Hass auf meine Mutter.
Vielleicht hat mir das die Augen für die guten Seiten meiner Mutter geöffnet.
Ich möchte nach wie vor eine andere Mutter, aber das sind und bleiben Wunschträume...
Ich kann sie jetzt als einen Teil meiner Selbst annehmen, genau wie meine Tochter ein Teil von mir ist.
Ich kann es nicht besser erklären, es tut mir Leid

Liebe Grüße imagine
Schweigen ist die unerträglichste Art der Erwiderung (Chesterton)
Lisa23

Re: Die Falle der Vergebung

Beitrag von Lisa23 »

Hallo @all:

Ich sehe es so, dass an dem Link von Denker nichts zu deuteln ist. Es werden klare Aussagen gemacht. Aussagen die der gängigen Moral nicht entsprechen. Das ist gut so. Viel zu lange bekamen wir gepredigt, Vater und Mutter zu ehren. Ich sage, Ehre, wem Ehre gebührt. Wer sie verwirkt, ist ihrer nicht würdig.

Der Zwiespalt so mancher, entsteht ja meistens dann, wenn aus dem Kind selbst Mutter oder Vater geworden ist. Ich bin auch Mutter und bestimmt keine perfekte. Es war aber immer mein Bestreben, alles Unheil, das ich erlebt hatte, meinem Sohn nicht anzutun.

Wenn sich die Spirale immer weiter drehen würde, dann würde ja die Menschheit nie lernen. Jeder gäbe die erlebte Brutalität in der Kindheit weiter an die nächste Generation. Das kann ja wohl kein Freibrief sein. Ich denke auch, zur Weitergabe erlebter Brutalität, gehört eine gewisse Veranlagung, der Wunsch, andere zu quälen, eine gewisse Abgestumpftheit.

Ich für meinen Teil glaube deshalb nicht, dass es mir besser geht, wenn ich meinen Eltern vergebe. Sie haben Dinge getan, mit Vorsatz und Berechnung, an die ich nichtmal zu denken wagte.

Die Moral der Vergebung, der Missetaten der Eltern, ist eine scheinheilige. Tatsächlich ist es so, dass man so unmündige Bürger heranzieht, das ist dem Staat gerade recht und war es zumindest in den vergangen Jahrhunderten noch rechter. Auch den Kirchen.

Zu dem wäre unser Strafrecht bald überlastet, wenn erwachsen gewordene Kinder ein Recht auf Verklagung ihrer Eltern wegen Misshandlung hätten. Ein Sexualdelikt verjährt nach 10 Jahren. Wenn ich mit 14 missbraucht wurde, muss ich den Täter bis zu meinem 24. Lebensjahr angezeigt haben. Es ist aber erwiesen, dass der Großteil der
missbrauchten Kinder erst um das 40zigste Lebensjahr über diese Taten reden können.

Ich bin dafür, dass die Kinder gestärkt werden, nicht die Eltern. Das hatten wir viel zu lange.

Liebe Grüße, Lisa
Emriye2
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Re: Die Falle der Vergebung

Beitrag von Emriye2 »

Jojo
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Re: Die Falle der Vergebung

Beitrag von Jojo »

Hallo zusammen

und @ Lisa: Deine Beiträge hier geben mir sehr viel, zumal du ja noch um einiges lebenserfahrener bist als ich.
Danke!

Die Sehnsucht nach der unwiderbringlich verlorenen Zeit der Kindheit, in der man sich geliebt, geborgen, aufgehoben fühlt, war (und ist...) auch bei mir so groß, dass ich nur allzu bereitwillig und über eine lange Zeit das Verhalten meiner Eltern entschuldigt habe.
In der letzten Klinik, bei einer aufstellungsartigen Therapie, hab ich "meine Mutter" ganz fest in die Arme geschlossen. Als sie mir dann die Hand halten wollte, merkte ich zwar, dass sich das nicht gut anfühlt (ließ die Hand auch los), war aber nach wie vor froh über die Versöhnung und (wie ich meinte) die Nähe zu ihr.
Später sagte meine Therapeutin: "Sie sind aber schnell zufrieden zu stellen!"
Nein, bin ich im Prinzip gar nicht - aber in diesem Fall hatte sie recht.

Ich habe den Kontakt zu meiner Mutter inzwischen abgebrochen.

Was mir aber Angst macht (zur Zeit wieder, früher ganz doll, zwischenzeitlich weniger), ist die Tatsache, dass ich echt nicht weiß, wie viel ich bei meinem eigenen Kind evtl. kaputt mache...
Und ob sie mir später genauso gegenüber treten wird , da ich momentan bestimmt keine gute Mama bin.

Liebe Grüße,

Jojo
Lisa23

Re: Die Falle der Vergebung

Beitrag von Lisa23 »

@all

Zum Thema Wut. Ich würde es nicht als Wut bezeichnen, was ich gegenüber meinen Eltern empfinde. Sicher war da mal die Wut. Verletztheit. Scham. Ohnmacht. Die Gefühle ändern sich.

Für meinen Vater empfinde ich Verachtung. Wie tief muss ein Mensch sinken, wenn er das, was er getan hat, einem anderen antut? Mit einem solchen Mann gibt man sich doch nicht mehr ab, auch wenn es der Vater ist.

Das Verhalten meiner Mutter hat mich schon immer sehr traurig gemacht. Auch zornig. Aber das ist lange vorbei.

Ein Miteinander kann es trotzdem keines geben, weil der Alkohol die Persönlichkeit meiner Mutter so geschädigt hat, dass es für mich lebensgefährlich wäre, in ihrer Nähe zu sein. Sich den Launen dieser Frau aussetzen, das hieße, aufhören zu leben. Ich habe da zuviel erlebt und fürchte mich.

Dass ich, um mich selbst zu schützen, ihr wahrscheinlich bis zum letzten Atemzug aus dem Weg gehen muss, das kann ich ihr nicht vergeben. Die Kindheitserlebnisse mit ihr schon gar nicht.

Es geht doch auch nicht um die Eltern. Es geht doch um mich. Mein Leben ist beeinträchtigt. Ich, das Kind, die Frau, muss erkennen, dass ich derlei Menschen nie gebraucht habe. Dass sie mir nur geschadet haben. Dass sie das nur konnten, weil ich als Kind von ihnen abhängig war.

Heute bin ich es nicht mehr. Es gibt keine moralische Verpflichtung, die mich an diese Menschen bindet. Das ist von der Gesellschaft aus reinem Selbstzweck so gewollt. Es ist althergebrachtes Denken, das nur diesen einen Zweck verfolgt, auch den erwachsenen Menschen in einer gewissen Unselbständigkeit und Abhängigkeit verharren zu lassen. Damit wir auch als Erwachsene kuschen. Vor dem Mann, den Behörden, den Arbeitgebern, den Banken, dem Gesetzgeber, der Kirche, den Lehrern unserer Kinder, so wie wir vor ihnen kuschten, als wir selbst noch zu Schule gingen usw.

Die Spirale zu unterbrechen, das könnte eine neue Staatsbürgerpflicht werden. So was wäre dann gelebte Demokratie.

Liebe Grüße, Lisa
Antworten