Entscheidung treffen

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D.H.
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Entscheidung treffen

Beitrag von D.H. »

Hallo!
Es fällt mir sehr schwer über meine Krankheit zu sprechen.Das heißt es weiß keiner aus meinem Umfeld (Familie eingeschlossen)wie schlecht es mir geht.Ich weiß,dass ich so nicht mehr lange weitermachen kann.Ich wohne in einem kleinen Dorf wo sehr viel geredet wird.Als ich vor 4 Jahren in einer Psychatrie war,blühte das Getratsche.Das möchte ich meiner Familie ersparen.Wie aber soll ich dem Rat meines Therapeuten folgen,der mich in eine Klinik schicken möchte,ohne das es jemand mitbekommt?Außerdem habe ich niemanden für meine Kinder.In momenten wo es mir ganz schlecht geht möchte ich am liebsten schreien,aber das verkneife ich mir,es könnte ja jemand mitbekommen.Ihr geht alle so offen damit um.Kann man das lernen?Manchmal wusste selbst mein Therapeut nicht wie es mir geht.Bin eine gute Schauspielerin geworden.
Huhnfrau
Dendrit
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Re: Entscheidung treffen

Beitrag von Dendrit »

Liebe Huhnfrau,

ich kann Dir leider keinen Tipp geben, möchte Dir aber wissen lassen, dass Du in dem nicht allein bist:

am liebsten schreien,aber das verkneife ich mir,es könnte ja jemand mitbekommen.

Nehme meine Frage jetzt nicht als blöden Scherz: habt ihr vllt. einen Keller? Oder im Auto (natürlich allein ) schreien?

Manchmal wusste selbst mein Therapeut nicht wie es mir geht.

Oja, da muss ich aber jetzt schon grinsen. Nicht über Dich, sondern über meine Schauspielerei. Ein OA wollte mich wieder gehen lassen, der für mich zuständige Psychiater (den ich in der Klinik fast jeden Tag hatte), bestätigte, dass das, was ich sage, stimmt und nicht wie ich mich gebe. In einer anderen Klinik habe ich das gleich vorweg gesagt und dass es einfach zum Automatismus geworden ist. In einer weiteren Klinik habe ich den Psychologen so verunsichert, dass er nicht mehr sonderlich weiter wusste - ich aber auch nicht.

Kann man das lernen?

Ich denk schon. Für viele ist die Kommunikation im Forum der erste Schritt. Und den hast Du ja schon gewagt.

Ich wünsch Dir alles Gute

Manuela
Ele
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Re: Entscheidung treffen

Beitrag von Ele »

Hallo Huhnfrau,

Leider kann ich Dir da nicht weiterhelfen.

Auch bei mir weiß keiner Bescheid. Freunde wissen zwar, dass ich oft Magen-Darm-Probleme habe, wundern sich auch schon, dass das gar nicht aufhört, aber auf die Idee, dass es Depressionen sein könnten, ist noch keiner gekommen und ich werde es auch nicht erzählen, weil ich mich schäme, obwohl ich ja nichts dafür kann. Ich habe allerdingsdie Befürchtung, dass es nicht mehr lange so weitergeht und das macht mir Angst.

Nur eine Freundin weiß Bescheid. Sie ist allerdings selber depressiv, das verbindet, obgleich sich die Depression bei ihr ganz anders äußert.

Ich hoffe, dass du viele Antworten bekommst,vielleicht sind ja auch positive Feedback dabei und wir trauen uns uns irgendwann mal zu outen.

Liebe Grüße
Ele

Nach Manuelas Antwort möchte ich noch was anfügen:

Ich bin jetzt mit der neuen akuten Depression seit Frühjahr 2003 beim Psychiater, den ich allerdings schon seit 1988 kenne. Er kennt mich nur als gefaßt. stark, lebensbejahend (zu der Zeit gings mir besonders schlecht)und hat sich gefreut, dass die Medikamente so gut anschlagen. Da ich es nicht geschafft habe, mein wahres Gesicht zu zeigen, habe ich einen Brief geschrieben und ihm gezeigt, er war fassungslos. Ich flüchte auch beim Arzt, wenn es mir richtig schlecht geht, idiotisch eigentlich, aber ich schäme mich, wenn ich mich nicht unter Kontrolle habe.
>> Du mußt Chaos in dir tragen um einen tanzenden Stern zu gebären...>>

Friedrich Nietzsche

rilke
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Registriert: 17. Dez 2004, 19:33

Re: Entscheidung treffen

Beitrag von rilke »

Liebe Huhnfrau,

ich kann deine missliche Lage verstehen. Aber denke bitte nicht, dass wir alle so offen mit unserer Situation umgehen. Aus meinem Umfeld weiß nur mein bester Freund, dass ich unter schweren Depressionen und an einer instabilen Persönlichkeitsstörung leide. Meine beiden Klininkaufenthalte habe ich meiner Familie als Folgebehandlung meines Schlaganfalls von vor drei Jahren erklärt. All die Medikamente und Arztbesuche sind natürlich die Folge meines Schlaganfalls. Indirekt stimmt das, weil meine Depressionen unter anderem auch durch den Schlaganfall ausgelöst wurden, aber nicht nur.

Ansonsten zeige ich ähnlich wie Manuela eine Maske von mir, und dahinter verbirgt sich kein Mensch mit Problemen. Aber bei meinen Klinikaufenthalten habe ich gelernt wenigstens mit Therapeuten und Psychiatern zu reden. Allerdings benötige ich eine relativ lange Kennenlernphase, was den Aufenthalt in die Länge zieht, weil ich zunächst keinem traue. Zu Hause bin ich in psychiatrischer Behandlung, weil ich mich strickt weigere mit jemand anderem als meinem Psychiater zu sprechen. Das ist dann zwar keine Verhaltenstherapie, sondern sind nur psychiatrische Notfallgespräche, aber für mich haben sie größeren Wert.

Tja, zu deinen Problemen im Dorf kann ich so recht auch nichts sagen. Ich wohne in einer Großstadt und habe auch keine Kinder. Meines Erachtens sollte es dir aber wichtiger sein Hilfe zu bekommen, denn wer weiß wie lange du noch durchhältst? Und wenn du schreien wllst, kannst du nicht in ein Kissen schreien?

Dir von Herzen alles Gute wünscht Dir
Gika
______________________________

Zwei Dinge sind unendlich:

Das Universum

und die menschliche Dummheit.

Aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.

(Albert Einstein)
D.H.
Beiträge: 20
Registriert: 14. Dez 2006, 11:09

Re: Entscheidung treffen

Beitrag von D.H. »

Hallo!
Puh,jetzt weiß ich,dass ich nicht alleine stehe.Aber warum machen wir der Umwelt was vor?Ich somatisiere ja sehr stark,da glauben die leute natürlich eine normale Krankheit.Aber ist es sinnvoll allen etwas vorzumachen?Im Moment bin ich froh,wenn ich alleine bin,dann fragt wenigstens keiner wie es mir geht.Ich gehe kaum noch aus dem Haus und freue mich immer,wenn mein Mann arbeiten ist,denn sonst nervt der mich,dass ich mal wieder rausgehen soll und auch mal wieder was im Haushalt machen.Aber dazu fehlt mir die Kraft.Der bloße Gedanke an draußen versetzt mich in Panik.Habe mir vorgenommen am 16. Januar endlich mit meinem Therapeuten zu sprechen.So gehts nicht mehr!!!
Huhnfrau
mico
Beiträge: 22
Registriert: 28. Dez 2006, 15:17

Re: Entscheidung treffen

Beitrag von mico »

Hallo Huhnfrau!
Ich lebe nicht in einem Dorf,aber doch noch sehr ländlich.Die direkte Nachbarschaft bekommt schon sehr viel mit.Ich eiere jetzt seit 4Jahren rum.In meiner Familie wissen die meisten Bescheit aber das hilft nicht wirklich.Im Freundeskreis geht es mir da schon besser.Meine beste Freundin weiß über alles Bescheit und versteht mich auch ganz gut.Dann hab ich da noch 2Schwestern,mit denen ich 1x im Monat Romme spiele.Die Mutter von den beiden ist ebenfalls depressiv,die kennen diese Situation und sind gewohnt,das es einem auch mal nicht so gut geht.
Dieses getratsche in einem Dorf ist schon schwierig auszuhalten.Aber du solltest an dich und deine Familie denken.Du kannst für sie nicht da sein,wenn es dir schlecht geht.

Ich wünsch dir die Kraft die du brauchst um für dich zu sorgen.

Liebe Grüße Regina
Ich lebe, weil ich es will
Regenbogen16

Re: Entscheidung treffen

Beitrag von Regenbogen16 »

Liebe Huhnfrau!
Deine Zeilen haben mich sehr nachdenklich gemacht!
Bei mir ist meine Krh.(Depressionen,Panikattacken,Pers.stör.,PtBlst.,..)vor 4 Jahren so richtig ausgebrochen, nachdem ich durch eine Begebenheit in der Arbeit den totalen Zusammenbruch hatte.
Bis dahin war ich immer die "lustige Schwester" (war 20Jahre als Krankenschwester im KH tätig) und die Pat freuten sich, wenn ich kam, weil ich "augenscheinlich" immer gut drauf war. Bis zu dem Zeitpunkt, als eine schwer depr. Pat. bei mir im Nachtdienst durchgedreht hat.
Dann ist meine, mit Mühe aufrechterhaltene Fassade zusammengebrochen - zur Gänze!!
Schliesslich bin ich dann wochenlang in der Psychiatrie gelegen.
Dazu muss ich sagen, dass ich in einem Ort mit nur 7000 EW wohne, wo jeder jeden kennt.
Ich muss Dir wohl nicht sagen, was da gelaufen ist, und ich habe mich so furchtbar geschämt, dass ich mich auch total verkrochen habe.
Aber das Überraschende war, dass dann trotz dieser Erfahrungen Leute bei mir vor der Tür standen, die ich teilweise nur vom Grüssen kannte und die mir Hilfe angeboten haben, weil sie selbst betroffen waren,bzw. sind. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr raus.
Und so schlecht es mir ging, das hatte mir schon Kraft gegeben.
Leider folgten danach noch weitere KH-Aufenthalte, aber ich lernte mit mehr oder weniger Erfolg, mich nicht mehr um das Gerede zu kümmern.
Mein Ziel war u. ist es noch immer, für mich, und meine drei Lieben gesund zu werden, bzw. eine Besserung zu erzielen; und dabei wird alles andere nebensächlich. Leider geht es mir zur Zeit wieder einmal recht bescheiden, um nicht zu sagen, ***schlecht.
Aber ich kümmere mich nicht mehr um "unangemessene" Kommentare, denn die tragen sicher nicht dazu bei, dass es einem besser geht.
Dieses belastende "Stadium" der Scham bzgl. meiner Krh. und den diversen KH-Aufenthalten habe ich hinter mir - zumindest grösstenteils.
Zum "Schreien" möchte ich auch noch kurz etwas erwähnen.
Ich habe letztes Jahr eine "Langzeittherapie" gemacht (drei Monate), bei der wir die Möglichkeit hatten, eine "Schrei-Therapie" zu machen. Das war echt "cool"
Wir sind dabei mit unserer Therapeutin sogar in den Wald schreien gegangen. Aber glaub´mir, es war vorerst gar nicht einfach, die eigene Hemmschwelle zu überwinden. Auch Schreien will gelernt sein!
Das ist jetzt kein Witz. Unsere Therapeutin leitete privat eine Kinderkampfsportgruppe und erzählte uns, dass sie auch dort die Kinder zum bewussten Schreien anleitet, denn das ist irrsinnig befreiend - aber leider verlernen wir es schon im Kindesalter. Weil ja Kindern schon immer eingetrichtert wird, sie dürfen ja nicht laut sein (als Erziehungsmassnahme!)
Diese Therapieerfahrung war eine der besten in den letzten Jahren und eigentlich ist es schade, dass das nach meiner Erfahrung nicht mehr forciert wird.
Es wird Dir jetzt wahrscheinlich nicht helfen, wenn ich Dir rate, das Gerede Deines Umfeldes so gut wie möglich zu ignorieren, aber vielleicht kann ich Dich liebevoll in diese Richtung schubsen.
Denn der Mensch, der uns dabei am meisten unter Druck setzt, sind wir SELBST !
Mit nachdenklichen Grüssen,
Fridolina
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