Keine Depression? Aber was dann?

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thea
Beiträge: 59
Registriert: 30. Nov 2004, 07:52

Keine Depression? Aber was dann?

Beitrag von thea »

Hallo,


In unserer SH-Gruppe wurde diese Frage aufgeworfen:

Gibt es diese Menschen, die keine Depression haben, aber ein Leben lang unglücklich sind?

Sind SM Gedanken ohne Depression möglich?

Ich meine, es gibt Menschen, die arbeiten, die haben Freunde, die funktionieren, die haben Hobbies, aber bringen sich "plötzlich" um. Ist das nur der äußere Anschein?

Aber wenn jemand seinen Verpflichtungen im vollem Umfang nachkommen kann, ist er doch nicht depressiv (?)
Sondern was? "verstimmt" (?)


Thea
Weltenwandlerin
Beiträge: 677
Registriert: 9. Mai 2006, 13:19

Re: Keine Depression? Aber was dann?

Beitrag von Weltenwandlerin »

Hallo Thea,

Eine Menge Menschen funktionieren noch recht gut (nach außen hin), innen sieht es aber ganz anders aus. Ich habe u.A.die Diagnose Zyklothymia/Dysthymia, bin also auch chronisch, mehr oder weniger latent "verstimmt" und hypomanisch. Trotzdem, oder vielleicht gerade (?) kriege ich noch viel auf die Reihe, studiere etc. Und breche ich ab und an zusammen. Ich nehme ein AD, mache bereits die zweite Therapie, war zweimal in der Klinik.

Was sagt denn dein Arzt dazu? Und was glaubst DU? Ich habe den Eindruck, du befürchtest noch mehr??

Meine Depression ist das Ergebnis bzw.Begleitsymptom einer Persönlichkeitsstörung und somit nur ein sekundäres Problem. Es hat 10 Jahre gedauert, dies zu erkennen. Mich hat es nach einem anfänglichen Schock sehr erleichtert. Ich fühlte mich nie 100% depressiv, das war irgendwie nicht alles.

Alles Liebe,
Mika
Werden kennt kein Ende. Der Strom fließt weiter. Jeder Augenblick ist neu. Der Schmerz des Wachsens: der Mühen wert! (Bruno-Paul de Roeck)
Cookie
Beiträge: 290
Registriert: 26. Jun 2006, 17:55

Re: Keine Depression? Aber was dann?

Beitrag von Cookie »

Also, wenn ich meinen Arbeitskollegen sagen würde, dass ich Depressionen hab, würden die lachen: Ja, is klar!

Genauso wie, wenn ich sage, dass ich schüchtern bin.

Ich hab seit ich klein bin, so gut trainiert, das zu verstecken, das merkt kein Mensch. Als ich fünfzehn war, hat mein bester Freund zu mir gesagt, ich soll aufpassen, dass ich die Mauer um mich nicht zu hoch baue, sonst könne ich irgendwann selbst nicht mehr drübergucken. Was für eine weise Aussage. Und der Junge war selber erst fünfzehn. Daran hab ich schon oft in meinem Leben gedacht. Er hatte soooo recht.

Naja, wenn ich meine "schlechten Phasen" hab, dann versuche ich, es zu verbergen und wenn es nicht mehr geht, dann geh ich nicht mehr raus. Bescheid wissen nur meine engsten Freunde. Früher, als es noch ganz schlimm war, wußte es gar keiner.

Aber umbringen kann man sich bestimmt auch noch aus anderen Gründen. Es gibt viel Schlimmes auf der Welt, nicht nur Depressionen.
Aber natürlich auch viel Gutes, wofür es sich lohnt zu leben. Was überwiegt entscheidet jeder für sich.
Für mich ist das Leben an sich Grund genug, es zu leben. Irgendwann hört es ja sowieso auf.
Viele Grüße
cookie

Übrigens: In meinen "guten Phasen" kann ich meinen Verpflichtungen auch in vollem Umfang nachkommen.
SchwarzeSchnecke

Antworten: Dysthymia; Gründe für Suizidalität

Beitrag von SchwarzeSchnecke »

Hallo Thea,

Mir fallen zu Deinen Fragen die folgenden Antworten ein:


1. "Gibt es diese Menschen, die keine Depression haben, aber ein Leben lang unglücklich sind?"

– Oh ja, die gibt es! Mein Vater ist z.B. ein solcher Mensch.
Im ICD-10, Kapitel V, steht dazu folgendes:

"F34.1 Dysthymia
Hierbei handelt es sich um eine chronische, wenigstens mehrere Jahre andauernde depressive Verstimmung, die weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhaltend genug ist, um die Kriterien einer schweren, mittelgradigen oder leichten rezidivierenden depressiven Störung (F33.-) zu erfüllen."

Früher wurde dies auch als "neurotische Depression" bezeichnet. Sie hindert die Betroffenen nicht daran, ihren Verpflichtungen nachzukommen.


2. "Sind SM Gedanken ohne Depression möglich?
Ich meine, es gibt Menschen, die arbeiten, die haben Freunde, die funktionieren, die haben Hobbies, aber bringen sich "plötzlich" um. Ist das nur der äußere Anschein?"

– Ja, solche Gedanken sind auch ohne Depression möglich. Auch Menschen mit anderen psychischen Erkrankungen (z.B. Schizophrenie), Persönlichkeitsstörungen (z.B. emotional instabil, Borderline), Alkohol- oder Drogenabhängigkeit werden sehr häufig davon heimgesucht.
Daneben gibt es auch Menschen, die eigentlich völlig gesund sind, aber an einem schlimmen Erlebnis (z.B. Liebeskummer, Tod eines lieben Menschen) derart verzweifeln, daß sie keinen anderen Ausweg sehen. Dies geschieht dann oft in Form einer "Kurzschluß-Reaktion" – also so schnell, daß sie überhaupt keine Zeit hätten, eine Depression zu entwickeln.
Es gibt jedoch auch Fälle, in denen kein Grund (also weder eine psychische Erkrankung noch ein Schlimmes Erlebnis) gefunden werden kann.
Suizidalität hängt nicht nur von sozialen, sondern auch von biologischen Faktoren ab. So haben z.B. Untersuchungen ergeben, daß die "Opfer" meist extrem viel Cortisol im Gehirn hatten...

Falls Dich das Thema näher interessiert: Andrew Solomon hat in seinem Buch "Saturns Schatten" ein ganzes Kapitel dazu geschrieben. (Dieses Buch ist meiner Meinung nach das beste Buch zum Thema "Depression".)

VG, Anne
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