Heilen Depressionen auch ohne ADs?

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Ele
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Heilen Depressionen auch ohne ADs?

Beitrag von Ele »

Hallo zusammen,

eine Frage, die mich immer wieder beschäftigt:

Heilen Depressionen auch ohne ADs?

Soweit ich informiert bin, handelt es sich doch bei "normalen" Depressionen um einen Mangel an Serotonin im Gehirn und auch im Darm (?). Wenn ich diesen Mangel nicht ausgleiche, kann ich dann trotzdem eine Phase durchstehen und irgendwann gehts mir möglicherweise wieder besser, weil sich der Serotoninspiegel wieder ausgeglichen hat?

Bei saisonalen Depressionen z.B., gehts einem doch auch besser, wenn die Tage wieder länger und heller werden?

Gruß
Ele
>> Du mußt Chaos in dir tragen um einen tanzenden Stern zu gebären...>>

Friedrich Nietzsche

SchwarzeSchnecke

Re: Heilen Depressionen auch ohne ADs?

Beitrag von SchwarzeSchnecke »

Hallo Ele,

Ich glaube, eine allgemeine Antwort auf Deine Frage gibt es nicht.
Es gibt Depressionen, die auf Psychotherapie ansprechen. Es gibt solche, die nicht darauf ansprechen, aber auf AD.
Es gibt Depressionen, bei denen ADs helfen. Es gibt solche, bei denen kein AD hilft, aber Psychotherapie.
Es gibt Depressionen, bei denen beides hilft. Und solche, bei denen gar nichts hilft. (Aber das dürfte eine Minderheit sein.)
Die meisten Depressionen vergehen auch ohne jede Behandlung nach einiger Zeit. Aber sie dauern dann meist länger, und die Wahrscheinlichkeit für Rückfälle ist auch größer.

Ob man bei einer Behandlung mit AD von "Heilung" sprechen kann, darüber sind sich nicht mal die Experten einig. Manche meinen auch, es würden bloß die Symptome unterdrückt.

Zu der Serotoninmangel-Hypothese:
Bei Depressionen spielt nicht nur der Neurotransmitter Serotonin eine Rolle, sondern auch Noradrenalin und manchmal auch Dopamin. Außerdem das sogenannte Streßhormon Cortisol. Viele Depressive haben erhöhte Werte davon im Blut.
Bei vielen Depressiven läßt sich kein Mangel an Neurotransmittern nachweisen.
Es gibt also auch noch andere Faktoren.
Und vieles weiß man einfach noch nicht.

Menschen mit echten Herbst-/Winterdepressionen sind im Sommer symptomfrei. Bei denen liegt tatsächlich ein Serotoninmangel vor. Da helfen dann SSRI.

Wenn Du an einer Winterdepression leidest und kein AD nehmen willst, kannst Du es vielleicht mal mit Lichttherapie versuchen. (Aber ich glaube, das zahlt die Krankenkasse nicht.)

Ich hoffe, Du kannst mit meiner Antwort was anfangen.

LG, Anne
sandi
Beiträge: 64
Registriert: 24. Aug 2006, 19:53

Re: Heilen Depressionen auch ohne ADs?

Beitrag von sandi »

Hallo Ele,

im Depressionen Buch hab ich gelesen, dass jede Depression irgendwann auch so vorüber geht auch ohne AD, aber ich bin mir nicht sicher ob dies bei "schweren Depressionen" wirklich so ist.
Man tut sich mit den AD halt leichter, und warum auch nicht, sie machen nicht abhängig, sie sollen nur unterstützen, damit man alles besser erträgt.

liebe grüße
sandi
Ele
Beiträge: 481
Registriert: 19. Mär 2003, 22:17
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Re: Heilen Depressionen auch ohne ADs?

Beitrag von Ele »

Danke Euch,

meine "depressive Phase" dauert nun schon fast 5 Jahre. Sicherlich ging es mal besser, dann mal wieder schlechter, aber richtig gut (was auch immer das heißen mag) gings mir nie, trotz ADs. Ganz im Gegenteil, die ADs, die ich bisher ausprobiert habe, hatten ziemliche Nebenwirkungen, DAS Mittel, das mir hilft, habe ich noch nicht gefunden. Gestern war ich in einer Akademie für Psychotherapie und der Therapeut (oder Psychiater? oder beides?) hat mir empfohlen, Sertralin langsam auszuschleichen und es lieber mit Sport und Johanniskraut und abends Baldriandragees zu versuchen. Manchmal denke ich, je mehr sogenannte "Fachkräfte" man befragt, desto mehr verschiedene Antworten bekommt man. Für einen Laien schon ein bisserl verwirrend.

@anne
Ich weiß nicht, ob ich an einer Winterdepression leide, jedenfalls geht es mir immer um diese Jahreszeit schlechter als sonst (obwohl es ja eigentlich die ganze Zeit hell und warm war)

@sandy
Abhängig machen ADs nicht, jedenfalls nicht körperlich. Aber die Absetzerscheinungen, die ich mit Remergil hatte, möchte ich nicht nochmal haben.

Euch eine gute Nacht!
Ele
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Friedrich Nietzsche

Leopard
Beiträge: 41
Registriert: 23. Mär 2006, 14:53

Re: Heilen Depressionen auch ohne ADs?

Beitrag von Leopard »

Nicht als arzt sondern als depressiver verstehe ich deinen arzt nicht, dass du dein medi absetzen sollst.

Mir hat zwar johanniskraut sehr gut geholfen, aber leider wirkt es nicht bei allen (so wie jedes ad). Ein versuch wäre es aber wert.

Hast du schon mal stimmungsstabilisierende medis eingenommen. Es gibt da neuroleptika und antipileptikums. Einfach falls die ads zu wenig bei dir wirken.

lieber gruss
SchwarzeSchnecke

Re: Heilen Depressionen auch ohne ADs?

Beitrag von SchwarzeSchnecke »

Hallo nochmal,

Mit Johanniskraut wäre ich vorsichtig.
Viele bevorzugen das, weil es "pflanzlich" ist und weil sie denken, pflanzlich ist besser.

Dabei sind die meisten synthetischen AD besser erforscht als Johanniskraut.
Hinzu kommt, daß es zahlreiche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten (z.B. Kontrazeptiva) hat, weil es deren Abbau blockiert oder beschleunigt.
Da muß man genauso vorsichtig sein wie mit synthetischen AD.

Ich habe von dem Johanniskraut Zyklusstörungen bekommen. Geholfen hat es mir nicht.

LG, Anne
Ele
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Re: Heilen Depressionen auch ohne ADs?

Beitrag von Ele »

Danke nochmal,

ich habe früher schon mal Johanniskraut genommen und mein damaliger Mann sagte mir, dass ich damit ausgeglichener wäre.

Ich hab einfach noch nicht das Mittel gefunden, das zu mir passt, leider! Außerdem reagiere ich stark mit den Nebenwirkungen, ich steigere mich da richtig rein.

Im Moment muss ich ein Schmerzmittel nehmen, alles was über den Magen geht, ist ein Riesenproblem für mich. Insofern wäre es mir natürlich lieber kein oder "nur" ein pflanzliches Präparat nehmen zu müssen. Vielleicht ändert sich das ja, wenn das Medikament, das zu mir passt gefunden wurde.

Ciao
Ele
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Friedrich Nietzsche

Tiara
Beiträge: 190
Registriert: 10. Jul 2006, 11:29

Re: Heilen Depressionen auch ohne ADs?

Beitrag von Tiara »

Hallo Ele,

Antidepressiva können Depressionen nicht heilen. Sie helfen nur die Symptome für die Zeit der Einnahme zu bekämpfen. Wenn sie wirken und wenn die Nebenwirkungen aushaltbar sind.

Die meisten Depressionen erscheinen schubweise und gehen ganz von selber wieder weg. Warum kann man bisher nicht erklären.

Therapien, Sport und Ernährung können diesen Prozeß begünstigen. Therapien helfen, weil das Gehirn ein Leben lang Lernprozessen unterliegt. Und diese Lernprozesse nachhaltige Änderungen der Gehirn Verschaltung bewirken.

Die Serotonin-Mangel Hypothese ist nur eine Hypothese und sie wird oft falsch verstanden. Depressionen sind KEINE Stoffwechselerkrankung. Die Serotonin-Mangel Hypothese behauptet, daß im Serotonin SIGNALWEG eine Störung vorliegt. Es gibt genügend Hinweise, daß diese Behauptung auf einen Fehlschluß zurückzuführen ist: Was stimmt ist, daß viele Antidepressiva in das Serotonin System oder/und in das Noradrenalin System eingreifen. Daraus wurde der Schluß gezogen, daß diese beiden Neurotransmitter ursächlich verantwortlich für die Entstehung von Depressionen sind. Jeder, der etwas über logische Schlüsse weiß, weiß daß das ein unzuläßiger Rückschluß ist. Und so ist es nicht verwunderlich, daß diese Hypothese schon viele Gegenbeispiele hat. Die Beliebtheit dieser Hypothese geht vorallem darauf zurück, daß sie im Zusammenhang mit Antidepressiva steht und gut genutzt werden kann um diese zu verkaufen.

Auch die Cortisol Hypothese ist eine von vielen konkurrierenden Hypothesen. Nicht ganz so beliebt, weil sie bisher nicht im Zusammenhang mit Medikamenten steht.

Was unter dem Begriff Depressionen zusammengefasst wird ist vermutlich eine sehr heterogene Erkrankung. Sprich: Sehr verschiedene Ursachen führen zu einem ähnlichen Krankheitsbild, bzw. sehr unterschiedliche Krankheiten werden unter dem gleichen Begriff zusammengefasst.
Viel wahrscheinlicher ist meines Erachtens, daß die physiologischen Ursachen einiger Depressionen struktureller Natur sind. Sie haben etwas mit der Verschaltung innerhalb bestimmter Gehirnareale bzw. dieser Areale untereinander zu tun. Selbstverständlich werden diese strukurellen Bedingungen durch die Chemie der Nervenzelle gesteuert. Das ganze System ist hochkomplex und durch so einfache Zustände wie ein Neurotransmitter Mangel nicht zu erklären.

LG, Tiara
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