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Ich kann nicht mehr

Verfasst: 23. Okt 2006, 13:22
von paradiddler
Hallo,

nach langer Zeit mal wieder ein Posting. Toll, das zeigt mal wieder, dass Depressionen nie aufhoeren.

Ich bin total fertig und am Ende. Ich fuehle mich so ausgelaugt und leer, so schwach und verlassen, ich habe das Gefuehl, jeden Moment zusammen zu brechen. Ich spuere nur noch Einsamkeit, Verlassenheit, Leere, Trauer, Schmerz, Hilflosigkeit, Ausgeliefertsein, Ratlosigkeit, Wut... und tausend andere Dinge, die ich nicht einmal benennen kann. Seit Tagen und Wochen geht das jetzt so. Ich kann einfach nicht mehr. Ich bin an einer Grenze. Am liebsten wuerde ich jetzt einfach tot umfallen und mich aufloesen. Ich kann nicht mehr.
Ich bin im Ausland (Uni-Semester, Pflicht) und wusste schon vor der Abreise, dass es sehr schwierig werden wuerde. Ich habe meine Freundin (die nichts von meinen Depris weiss, jedenfalls nichts "offizielles") auch vorgewarnt. Ich glaube fast jeden Tag, dass unsere Beziehung am Ende ist, immer finde ich irgendetwas. Und das, obwohl wir jeden Tag (!) miteinander telefonieren und uns auch noch SMS schicken. Doch wenn ich sie dann am Telefon hoere, wie sie dies und das macht, wie sie sich mit Menschen gut versteht und Spass hat, dann werde ich traurig und denke, dass sie mich gar nicht mehr noetig hat. Das klingt kindisch, ich weiss. Die Ausloeser fuer meine Gefuehle moegen irreal sein, aber die Gefuehle selbst sind es nicht. Jeden Tag breche ich zusammen und heule stundenlang, fluche, verstehe nicht warum. Ich suche eine Loesung und am Ende bin ich doch dann erst wieder gluecklich, wenn wir miteinander reden. Wenn sie mir dann von ihren Erlebnissen erzaehlt (s.o.), dann werde ich komisch und verursache Aerger. Ich will das nicht, aber ich habe mein Verhalten nicht mehr unter Kontrolle. Ich kann nicht mehr.
Ich bin zerfressen von Verzweiflung und Eifersucht, von Einsamkeit und Trauer, von Wut und Hilflosigkeit. Ich fuehle mich wie gefesselt, ich bin ausgeliefert und muss mit ansehen, wie meine Beziehung kaputt geht. Obwohl sie das gar nicht tut. Aber fuer mich ist es so. Ich glaube das wirklich. Ich kann nicht mehr.
Ich habe auch keine Kraft mehr, nach Loesungen zu suchen. Eine Psychotherapie habe ich schon hinter mir. Ich weiss nicht mehr weiter.
Ich kenne mich selbst nicht mehr. Frueher war ich nicht so extrem. Es scheint immer schlimmer zu werden. Ich habe Gedanken und Gefuehle, die mir fremd sind, die unangenehm sind, die mich beaengstigen. Ich scheine mich in einem Strudel zu befinden, dessen Ende ich nicht erkennen kann. Mit so einem Menschen kann man doch nicht zusammen sein wollen.
Ich weiss nicht mehr, was ich noch tun soll. Ich verliere den Anschluss an die Realitaet und kann mich auf nichts mehr konzentrieren. Meine Gefuehle haben die Kontrolle ubernommen und ich kann nichts mehr tun.

Stefan

Re: Ich kann nicht mehr

Verfasst: 23. Okt 2006, 15:11
von deary
Hallo Stefan,

ich kann mich erinnern, dass ich -in grauer Vorzeit- öfters mal Postings von Dir gelesen habe.

Schade, erst jetzt in diesem Zustand wieder von Dir zu hören.
Es tut mir leid, dass es Dir so schlecht geht.

Ich glaube, es wäre wichtig, dass Du aus der gefühlten oder tatsächlich vorhandenen Einsamkeit irgendwie versuchst auszubrechen. Wenn Du jetzt keine Therapie am Studienort anleiern kannst, so gibt es vielleicht doch irgendjemanden, dem du etwas vertraust, mit dem Du einfach reden kannst.
Mir kommt das -aus der Ferne- sehr wichtig vor.
Ich kenne das Gefühl, dass einem die Realität und die Beziehungen in der Depression komplett aus den Händen zu gleiten scheinen.
Vor lauter Konzentrationsproblemen etc.

Aber tatsächlich ist es nicht so.
Es zeigt nur, dass dort unter der Oberfläche noch sehr viel bei Dir brodelt.

So ähnlich sehe ich auch die Geschichte mit deiner Freundin.
Du denkst, die Gefühle von Wut, Einsamkeit, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit seien die einzigen, die dich noch ausmachen, und man könne folglich nicht "mit Dir zusammensein wollen".
Aber deine Freundin wird Dich auch aus besseren Zeiten kennen, und wird deine Liebesfähigkeit und deine guten Eigenschaften kennen.
Wahrscheinlich ist Eure Beziehung nicht so in Gefahr, wie Du es fühlst.
Vielleicht überhaupt nicht.

Und es ist doch toll, dass Du dich trotz Depression überhaupt auf dieses Auslands-Semester eingelassen hast. (ok, es ist Pflicht,aber trotzdem)

Ich weiß jetzt ja nicht, welche Stärke bei Dir die Depression hat, und ob du in dem Zustand überhaupt weitermachen kannst.
Das kannst nur du wissen.

Aber spätestens -wenn Du wieder daheim bist, solltest du dich wahrscheinlich besser doch um eine Therapie bemühen.

Diese Gefühle , die du jetzt hast, sie sind einfach da.
Lass sie zu.
Die Erfahrung hat mir gezeigt, dass man da so nicht rankommt.
Also , die ganze Wut, Einsamkeit, Verzweiflung , sie ist einfach da. Versuch sie nicht wegzudrücken, das kostet nur unnötig Kraft.

Und zumindest hier im Forum kannst Du immer Menschen treffen, die dich verstehen, wenn auch nur virtuelle Menschen,aber manchmal muß man sich im Leben halt Krücken bauen.
Auch wenn dies alles eine improvisierte Krücke ist, manchmal hat man nichts Anderes zur Verfügung...

Ich kann Dir im Moment leider nicht viel mehr schreiben, weil ich gerade selber nicht wirklich vor Kraft und Energie strotze und aufpassen muß, mich nicht reinreißen zu lassen...
Aber es schreiben bestimmt noch andere...
Trotzdem würde ich mich freuen, nochmal zu hören, wie es Dir weiter ergangen ist.
Ich wünsche Dir für die nächste Zeit erstmal
alles alles Liebe und Gute.

Liebe Grüße
deary

hey

Verfasst: 23. Okt 2006, 16:24
von jula
hey,
ich kann dich so verdammt gut verstehen.
ich wohne seit einem jahr in dieser verdammten fremden stadt am anderen ende der welt (so kommt es mir vor), auch für das studium und ich weiss genau, wie sich das anfühlt.
diese zweifel, die wut, die sinnlosen, teilweise furchtbar deprimierenden telefonate. mir geht es gerade genau so.

siehst du denn deine freundin regelmäßig? oder ist das nicht möglich? ---so können auch verdammt viele mißverständnisse entstehen.
alles liebe und kopf hoch.

julia

Re: Ich kann nicht mehr

Verfasst: 23. Okt 2006, 16:35
von paradiddler
Hallo deary,

vielen vielen Dank für deine Antwort. Dein Text hat mich so gerührt, dass ich gleich wieder anfangen musste, zu heulen. Ich bin schon echt 'ne Heulsuse.

Du hast recht, momentan kommt es mir tatsächlich so vor, als bestände ich nur aus Einsamkeit, Verlassenheit, Hoffnungslosigkeit und Schwäche (um mal die wichtigsten zu nennen). Auch wenn es insgesamt nicht so ist: In diesem Moment IST es so. So einen Zustand kann ich nicht länger als sechs Stunden oder so aushalten. Bisher haben die akuten Zusammenbrüche nie länger gedauert, entweder, weil ich mich gefangen habe, oder weil meine Freundin angerufen hat. Ihre Stimme beruhigt mich dann schon.

Der Punkt ist: Sie bekommt von alledem überhaupt nichts mit. Ich heule ja nicht in ihrer Anwesenheit. Sie weiß zwar, dass ich sie sehr vermisse und mehr Probleme mit unserer momentanen Trennung habe als sie, aber über die Schwere meiner Sehnsucht weiß sie nichts. Ich bin am Telefon halt manchmal sehr sentimental bzw. eifersüchtig, aber von den Heulkrämpfen kriegt sie nichts mit. Ich telefoniere ihr auch nicht hinterher oder rufe sie dauernd an. Wir telefonieren meistens Abends, und daran "halte" ich mich auch. Ich halte solange durch, auch wenn ich manchmal (jetzt zum Beispiel) nichts lieber täte als mit ihr zu sprechen.

Von daher hat sie alleine deswegen ein anderes Bild von mir. Sie sieht mich vielleicht als viel stärker als ich mich selbst sehe. Das ist einerseits gut, weil sie mich deshalb nicht für den totalen Waschlappen hält, andererseits habe ich damit ja sozusagen ein Geheimnis vor ihr. Aber wer weiß, vielleicht ist sie auch manchmal total fertig und ich bekomme es auch nicht mit, weil sie es eben auch nicht zeigt. Darüber haben wir auch schon mal geredet.

Die Gefühle zulassen, das ist schwer. Der Fluchtreflex will eine Lösung finden; einfach leidend auf dem Boden liegen tut so weh. Aber es geht wohl nicht anders.

Liebe Grüße und Vielen Dank.
Stefan

Re: Ich kann nicht mehr

Verfasst: 23. Okt 2006, 16:43
von paradiddler
Hallo jula, du Leidensgenosssin,

habe auch gerade dein Posting gelesen.

Vor meiner Abreise habe ich gleich gesagt, dass ich meine Freundin mindestens alle drei Wochen sehen muss. Und bisher war es sogar noch besser: Alle zwei Wochen haben wir uns gesehen. Demnächst kommt eine längere Phase (38 tage), danach bin ich aber wieder ganz zu Hause. Insofern ist es ja ein überschaubarer Zeitraum, ich weiß. Dennoch kann ich mir nicht vorstellen, wie das denn mal werden soll. Ich kann doch nicht immer so bleiben! Andererseits bin ich seit 10 Jahren so (seit meiner ersten Freundin) und vielleicht muss ich das einfach akzeptieren.

Das komische an den Telefonaten ist, dass sie IMMER deprimierend sind. Der andere ist einfach nicht da.

Alles Liebe,
Stefan

Re: Ich kann nicht mehr

Verfasst: 23. Okt 2006, 17:15
von jes
Hallo Stefan,

moechtest du das deine Freudin weiter glaubt du seist so sark ? Was hast du davon ? Warum redet ihr nicht ueber dich und deine Gefuehle ? Wenn du ihr nicht sagen kannst was mit dir ist, wie waere es wenn du ihr von dieser Seite erzaehlst ?

Ich weiss wie schwer es ist ueber Gefuehle zu reden, aber hellsehen kann deine Freundin sicher auch nicht.
Was kannst du denn verlieren ? Was aber auch dazu gewinnen ?

Das sollte nicht boese sein, im Gegenteil. Eher Mut machen zum reden.

Liebe Gruesse
Jessica

Re: Ich kann nicht mehr

Verfasst: 23. Okt 2006, 17:26
von paradiddler
Hallo Jessica,

sagen wir mal so, ich will nicht, dass die Beziehung zu einer Gesprächstherapie wird. Das hatte ich schon mal, und es hat nichts gebracht. Depressionen sollte man meiner Meinung nach nicht innerhalb einer Beziehung diskutieren, dafür sind Therapeuten und eventuell Freunde da. Natürlich kann man sowas ansprechen. Aber ich will vermeiden, dass es zum ständigen Thema wird.

Ich will ihr nichts beweisen. Ich will sie da einfach nicht mit reinziehen. Dafür ist mir die Beziehung zu wichtig.

Viele Grüße,
Stefan

Re: Ich kann nicht mehr

Verfasst: 23. Okt 2006, 17:50
von jes
Hmmm Stefan,
mein Kopf faengt gerade an zu rattern nach deinen Post.

Meinst du wirklich du wuerdest sie belasten wenn du ihr sagen wuerdest wie es dir manchmal geht?

Ich als Beispiel waere sehr geruehrt ueber solch ein Vetrauen innerhalb einer Beziehung.
Ich sagte nicht du solltest mit ihr deine Probleme durchgehen. Aber die Maske staendig auf zu haben lieber Stefan, das geht mit sicherheit nicht auf Dauer gut. Ich wuerde es nicht durchhalten koennen, was meiner Meinung auch nicht erforderlich ist.
Und das sehe ich leider darin, wenn man den anderen etwas vormacht.
Das wuensche ich dir eben nicht. Es sollte auch nur ein mitteilen meiner Denkweise und Meinung sein.

Jessica, die jetzt sehr nachdenklich ist

Re: Ich kann nicht mehr

Verfasst: 23. Okt 2006, 18:20
von deary
Hallo Stefan,

ich finde, Du machst instinktiv schon unheimlich viel richtig.

Du heulst Dich aus, wo es hingehört: Zb. hier im Forum.

Du denkst in die richtige Richtung, was die Intensität der Belastung Deiner Freundin in Eurer Beziehung angeht.
Du hälst Dich -auch wenn´s schwer fällt, an Eure Telefonzeiten . ( Ganz wichtig: Ich mußte das auch lernen, dachte ich doch, " ich bin krank, für mich gelten diese Regelungen nicht..." . Das ist ein Irrtum. Die Regeln gelten auch dann, wenn man am Boden zerstört ist. Der andere hat auch seine Grenzen.)
Du nimmst vieles an Dir selber richtig wahr:
Zb. das mit dem Fluchtinstinkt hat mir sehr gefallen. Ja, wahrscheinlich geht es dem Menschen in der Beziehung nicht anders als dem Pferd zb. , es ist "nicht auszuhalten", der Mensch möchte wegrennen...
Fakt ist aber: DU HÄLST ES AUS! Sonst würdest Du hier nicht schreiben, sondern bliebest auf dem Boden liegen, und würdest vergehen...
( Tust du aber nicht, auch wenn´s Dir so vorkommt... )

Einige hier haben Dir geraten, offener mit Deiner Freundin zu sein.
Das mag auf lange Sicht stimmen, kommt aber auch darauf an, in welcher Phase der Beziehung ihr seid. ( Wie lange kennt ihr Euch, wie lange seid ihr schon ein Paar?)
In der Depression ist das mit der Offenheit so eine Sache. Eine Gratwanderung eben.
( Außerdem wird wohl fast jede Frau bestätigen, dass wir nicht möchten, dass der Partner uns immerzu mit seinen Gefühlen, Ängsten und emotionalen Ergüssen überschüttet, das wird dann auch irgendwann unattraktiv, von Deiner Etikettierung " Waschlappen" halte ich zwar gar nichts, aber in der Realität hält das wohl keine Beziehung aus, so ein Verhalten.)
Ich lebe seit 10 Jahren mit meinem Freund zusammen, kann Dir auch in deiner Aussage zustimmen: " ich bin seit 10 Jahren so."
( ich auch, )

Ich finde nicht, dass der Partner ALLES mittragen muß. Vieles gehört in die Hände eines Fachmanns, Psychiater, Psychotherapeut,...wer auch immer.
Dies ist eine Krankheit und damit eine Ausnahmesituation... Auch wenn Liebe etwas sehr Schönes ist, und zur Heilung sicher beiträgt, gibt es viele Bereiche in unserem Leben, die abgekoppelt geschehen/ geschehen müssen.
Der Liebe wird -vielleicht durch überbordenden Kitsch in irgendwelchen Hollywood-Romanzen-ich weiß es nicht- zuviel zugemutet!

Suche Dir einen Ausgleich zu dem Zusammensein mit Deiner Freundin, ( es ist ja wirklich ein absehbarer Zeitraum, bis ihr Euch wiederseht!!!), das tut auf Dauer jeder Beziehung gut. Erst recht dann, wenn man depressiv erkrankt ist.

Es freut mich sehr, dass Du dich jetzt entgegen deines ersten Postings schon nicht mehr im übertragenden oder richtigen Sinne am Boden, sondern schon mal am PC oder Lappi befindest,und wenigstens versuchst, dich aufmuntern zu lassen...

Fühl Dich virtuell ( und rein platonisch) umarmt von

deary

Re: Ich kann nicht mehr

Verfasst: 25. Okt 2006, 13:16
von adrogena
Hallo Stefan,

ich kann dich sehr gut verstehen, weil mir geht es genauso. dieses Gefühl "ich kann nich mehr" habe ich auch schon lange und in immer kürzeren Abständen. Leider fehlt für diese Art der psychischen Erkrankung oft das Verständnis von "Gesunden" Menschen in der Umgebung. Hast du es schon mal mit Antidepressiva probiert? Das soll kein Tip sein, sondern ein Erfahrungsaustausch für andere Betroffene, also wie mich.
Denn ich weiß auch nicht mehr weiter. Ich kann dir leider keine tips geben, weil mir selber hat noch nie ein tip weitergeholfen. Die tips wie, reden, austauschen, sich Ruhe gönnen, blablabla kenn ich selber und mach das auch. aber gesund werde ich davon auch nicht und meine lebensqualität ist trotzdem extrem scheisse.
zudem kommt noch die angst in unserer "sozialen" gesellschaft, trotz sozialstaat früher oder später "hängen gelassen" zu werden. Weil wer will das finanzieren, wenn du nicht mehr arbeiten gehen kannst und für deinen Lebensunterhalt nicht mehr aufkommen kannst, und leider drängen uns die Depressionen in diese Richtung!!! Wo ist die Kraft, die man bekommt, dagegen anzukämpen???

Ich wünsche dir alles alles gute und wenn du reden willst, bin ich gerne für dich da!!

lg sibylle

Re: Ich kann nicht mehr

Verfasst: 25. Okt 2006, 17:40
von paradiddler
Hallo ihr alle,

fuer mich ist es einfach immer wieder eine Gratwanderung. Wieviel muss ich erzaehlen, damit meine Partnerin Bescheid weiss und mich richtig einschaetzen kann, wieviel darf ich erzaehlen, damit sie nicht die Flucht ergreift? Gestern habe ich am Telefon mal wieder etwas mehr von mir erzaehlt und auch ein bisschen von meiner Verzweiflung. Tatsaechlich hat mir das auch gut getan und ich habe mich verstanden gefuehlt (worauf hin ich so gut geschlafen habe wie lange nicht mehr).

Aber dennoch wird es wohl immer diese Wand zwischen den Depressiven und den Nicht-Depressiven geben. Oft kann ich mich als Depri nicht richtig freuen, wenn es meiner Freundin besonders gut geht (so wie heute). Ich sehe das dann eher als Gefahr und denke, dass sie mich ja nicht braucht und mich nur noch als Hindernis sieht. Ich will sie aber nicht runterziehen und versuche dann, positiv zu klingen. Das gelingt natuerlich nur bedingt und ich fuehle mich dabei immer ganz falsch; ich kann mich dann fast von aussen betrachten und denke dann "Man, was erzaehlst du ihr da wieder fuer einen Scheiss".

Am Ende bleibt man mit seinen Gefuehlen zurueck und muss den anderen in Ruhe lassen. Eben am Telefon wollte ich gar nicht auflegen. Sie war so super gelaunt und ich hab versucht mitzuspielen, was auch einigermassen gelungen ist. Doch beenden konnte ich das Gespraech nur sehr muehsam, ich hatte das Gefuehl, noch etwas sagen zu muessen. Doch es gibt da gar nichts mehr zu sagen. In solchen Momenten wird einem die Depri immer sehr bewusst, weil andere dann einfach in einer komplett anderen Welt zu leben scheinen. Und das kann man ihnen ja auch nicht verbieten. Was will ich denn? Das meine Freundin immer rumheult und sagt, wie sehr sie mich vermisst? Das wuerde ich selbst doch auch nicht hoeren wollen! Das meinte ich auch, als ich sagte, dass die Beziehung nicht zur Gespraechstherapie verkommen soll. Verstaendnis ist gut, aber eine Loesung kann eine Beziehung nun einmal nicht bieten.

Nach so langer Zeit im "Depri-Business" ist mir aufgefallen, dass die Depression scheinbar einfach zu mir gehoert und dass ich geradezu eine Verbundenheit mit mir und meiner Vergangenheit spuere, wenn ich mich zu ihr bekenne und nicht versuche, staendig Loesungen zu finden. Einerseits ist das ja ein Eingestaendnis von Schwaeche. Andererseits macht es mein Leben einfacher, weil ich nicht staendig alle meine Verhaltensweisen anzweifeln und gruebeln muss. Ich habe mehr Zeit, mein Leben zu leben.

Obwohl meine Depris immer nach dem selben Muster und in aehnlichen Phasen abzulaufen scheinen, kann ich daraus nicht lernen. Jedesmal die gleiche Verzweiflung, die Aengste, die Einsamkeit, die Verzweiflung. Es ist, als wuerde nach jedem Tief das gesamte Kurzzeitgedaechtnis geloescht werden. Jetzt geht es mir wieder besser, aber das wird fuers naechste Mal nicht viel helfen, fuerchte ich.

Stefan


P.S.: Entschuldigt die vielen ae, ue, oe und ss - auf der Tastatur hier gibt es die Umlaute und sz nicht.

Re: Ich kann nicht mehr

Verfasst: 25. Okt 2006, 20:35
von 3D
Lieber Stefan,

ich denke auch nicht, dass du die Beziehung als Gesprächstherapie nutzen solltest, bin aber schon der Meinung, dass du ihr gegenüber offen sein solltest. Ich weiß ja nicht, wie lange ihr zusammen seid, aber dem Menschen gegenüber, der einem doch eigentlich am nächsten sein sollte, ständig eine Maske tragen? Bist das denn dann tatsächlich du?

Meine Therapeutin fragte mich heute, ob es eigentlich jemand gibt, dem ich mein wahres Gesicht zeige. Nö, eigentlich nicht, denn im Moment hab ich keinen Partner, meine Tochter will ich nicht zu sehr belasten, und die Freunde auch nur begrenzt.....

Aber der eigene Partner - sollte man das nicht irgendwo zusammen durchstehen? Vielleicht kann sie sich auch mal Anregungen im Angehörigenteil suchen.

Die Frage lautet einfach: Was ist eure Beziehung wert, wenn du ihr gegenüber nicht du selbst sein kannst und ständig eine Maske auf hast.

Und - vielleicht wundert sie sich auch über bestimmte Verhaltensmuster von dir, könnte diese aber viel besser einordnen, wenn sie den Hintergrund kennen würde.

Deine Eifersucht ist übrigens klar, du kannst zur Zeit nicht ständig in ihrer Nähe sein und fühlst dich selbst nicht liebenswert, wie also soll sie dich dann lieben.

Vielleicht konnte ich dir ein paar Anregungen geben.

Liebe Grüße

Re: Ich kann nicht mehr

Verfasst: 28. Okt 2006, 04:59
von Leni2
Lieber Stefan,

ganz liebe Grüße von mir nach wo auch immer du grad bist! Ich habe auch schon lange nicht mehr im Forum geschrieben und mich sehr gefreut, einen Bekannten zu treffen!

Es tut mir leid, dass es dir nicht gut geht! Aber ich finde es total gut, dass du tatsächlich im Ausland bist und dein Studium so durchziehst. Vor einem Jahr hattest du da ja auch noch ziemliche Zweifel. Und ich finde es auch total super, dass du noch mit deiner Freundin zusammen bist (ich nehme mal an, es ist noch dieselbe wie im Frühjahr)! Denn ich erinnere mich, dass du schon damals Angst hattest, du könntest ihr nicht genügen und anscheinend tust du es jetzt doch schon ziemlich lange!

Ich kann dich verstehen, bei mir fingen die Depris auch mit einer Beziehungsgeschichte an. Wahrscheinlich wird da einfach so tief etwas in uns angesprochen und aufgewühlt. Und obwohl ich jetzt schon lange mit meinem Freund zusammen bin, habe ich immer wieder Verzweiflungsphasen (die man auch hier im Forum nachlesen kann ). Mittlerweile habe ich aber akzeptiert, dass ich einfach so meine Probleme habe und wohl durch diese Phasen und Ängste immer mal wieder durch muss. Und mein Freund akeptiert das (für mich komischerweise) auch. Er weiß über die Krankheit Bescheid und er kümmert sich auch liebevoll um mich, wenn es mir richtig schlecht geht, aber es ist schon so, dass ich ihn nicht ständig mit meinen Symptomen konfrontiere, das mache ich eher mit mir aus.

Es ist immer ein mutiger Schritt, dem anderen solche Dinge von sich zu erzählen, aber die Menschen haben ja doch oft mehr Verständnis, als man als Depri meist so denkt. Und man möchte ja eigentlich schon, dass der andere einen mit allen seinen Seiten liebt. Obwohl ich deine Ängste sehr gut verstehen kann.

"Nach so langer Zeit im "Depri-Business" ist mir aufgefallen, dass die Depression scheinbar einfach zu mir gehoert und dass ich geradezu eine Verbundenheit mit mir und meiner Vergangenheit spuere, wenn ich mich zu ihr bekenne und nicht versuche, staendig Loesungen zu finden."

Ich denke da auch drüber nach in letzter Zeit, denn irgendwie fühle ich mich auch mehr bei mir selbst, wenn ich die Depri zu lasse. Aber das kann doch eigentlich nicht sein... oder ich möchte es jedenfalls nicht, ich will sie ja eigentlich loswerden... muss man sie doch akzeptieren?

Ich glaube aber, man lernt doch etwas aus den Depri-Phasen, nur merkt man es erst hinterher, wenn man da durch ist. In der Situation ist es wohl immer gleich dunkel, da wundere ich mich auch jedesmal drüber. Aber man lernt doch, anders damit umzugehen. Mir helfen im Moment meine Medis sehr gut, um die Löcher nicht so tief werden zu lassen. Aber ich weiß z.B. auch besser, wie und wo ich mir Hilfe holen kann.

So, ist ja schon ewig lang das Posting.
Ich hoffe jedenfalls sehr, dass du trotzdem aus dem Auslandssemester einiges für dich mitnehmen kannst trotz allem!

Ich wünsche dir alles Gute!!

Lena

Re: Ich kann nicht mehr

Verfasst: 9. Nov 2006, 16:01
von paradiddler
Hallo Lena,

ich freue mich sehr, Dich mal wieder zu lesen!

Sorry, dass ich mich nicht mehr gemeldet habe, aber ich bin momentan einfach nur fertig. Ausserdem war ich gerade 10 Tage in Bremen, um meine Freundin zu besuchen. Das war einerseits schoen, andererseits hat es mein Heimweh neu entfacht und nun faellt mir alles noch schwerer als vorher, zumal ich jetzt 38 Tage von meiner Freundin getrennt bin und ich jede Minute zaehle. Aber danach habe ich meinen Auslandsaufenthalt hinter mir (ja, leider sehe ich es so). Dann kann mein Leben in Bremen weiter gehen. Allerdings habe ich mir gestern mal die Frage gestellt, was ich mir eigentlich davon erwarte und wie es denn laufen soll.

Ich habe momentan das Gefuehl, dass meine ganzen Gedanken, meine Sehnsucht, meine Trauer eine Wunschwelt haben entstehen lassen, die niemals Wirklichkeit werden kann. Auch wenn ich wieder in Bremen bin und mein Studium beendet habe (Habe meine erste Examensklausur uebrigens mit 1,0 bestanden!). Irgendwann ist man doch wieder getrennt, wenn ich einen Referendariatsplatz irgendwo am Arsch der Welt zugewiesen bekomme oder sie oder wir beide. Spaetestens dann geht doch dieses ganze Hin- und Her wieder von vorne los. Wo soll das alles hinfuehren? Ich werde einfach immer derjenige in einer Beziehung sein, der mehr leidet und der mehr vermisst. Andere gehen viel nuechterner an eine Beziehung heran, ich bin da eher der Schwarz-Weiss-Denker: Entweder gehe ich mit jemandem eine wirklich enge Beziehung ein oder die Beziehung ist wertlos. Wenn ich dann wieder mal total vereinsamt durch die Strassen gehe, denke ich immer „Warum renne ich dieser einen Person so hinterher, die denkt gerade bestimmt nicht an mich. Vielleicht ist es einfacher, einfach eine total oberflaechliche Beziehung mit irgendjemandem einzugehen, dann hat man keine grosse Sehnsucht aber trotzdem jemanden, mit dem man ab und zu was unternehmen kann.“

Abgesehen von alledem werde ich meiner Freundin wohl bald von meinen Depris erzaehlen muessen – sie hat jetzt schon mehrfach diesen Verdacht geaeussert und mir auch ganz klar die Frage gestellt: „Hast du Depressionen?“ Ich habe sie darauf hin ganz klar angelogen: „Nein.“ Doch wie lange kann das noch so weiter gehen? Ich habe tatsaechlich das Gefuehl, dass ich fuer sie noch weniger liebenswert bin, wenn ich ihr von meinen Depris erzaehle. Dass sie mich fuer ein Weichei haelt und mich verlaesst. Doch wenn es so ist wie ich oben beschrieben habe, dass ich mich mit mir und meiner Vergangenheit verbunden fuehle, wenn ich die Depris zulassse und sie akzeptiere, meine Freundin aber nicht einweihe und so anluege, hat meine Freundin dann ueberhaupt die Moeglichkeit, mich wirklich zu erkennen, und hat unsere Beziehung dann die Moeglichkeit, zu wachsen und stark zu werden? Wohl kaum.

Lena, ich erinnere mich noch, dass Du Medikamenten gegenueber sehr skeptisch warst (wir hatten uns beim Treffen in Hamburg darueber unterhalten). Was hat Deine Meinung geaendert? Ich schwanke auch wieder und denke darueber nach, wieder Medis zu nehmen (zum dritten Mal ansetzen, bringt das ueberhaupt noch was?). Mein momentaner Zustand ist einfach nicht mehr zu ertragen.

Eben habe ich gesehen, dass es inzwischen ein neues Treffenin Hamburg gegeben hat. Schade, da waere ich auch gerne hingegangen. Aber ich bin ja hier in Glasgow. Warst Du bei dem Treffen?

Ich hatte mich sehr ueber Dein Posting gefreut. Ich hoffe, Dir geht es gut.

Alles Gute,
Stefan

Re: Ich kann nicht mehr

Verfasst: 9. Nov 2006, 20:21
von Fisch1604
Hallo Ihr Lieben alle!
Es tut mir ziemlich leid, wenn ich lese, was ihr alle durchmacht. Ich möchte euch gern empfehlen, den (meinen) Beitrag unter dem Betreff "Sinn des Lebens" hier in diesem Forum mal durchzulesen. Ich habe heute etwas dazu geschrieben, ziemlich ausführlich, es geht darum, dass Gott uns Menschen liebt.
Lest's euch einfach mal durch. Es mag für einige, viele oder alle befremdlich klingen. Ich hab Gott erfahren, und wer möchte, kann gern dazu schreiben und mir auch Fragen stellen! Ich wünsche mir so sehr, dass ihr alle gesund werdet, Gott hat uns das Heil angeboten. Es ist Realität in meinem Leben!

Viele liebe Grüße an alle,
Anja