Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

LK
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Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von LK »

Ich hoffe auf einen guten Rat von Euch für den Umgang mit einem depressiven Freund, da mein eigenes Latein mittlerweile wirklich völlig erschöpft ist.
Hier die Geschichte:
Flüchtig kannten wir uns schon etwas länger, als ich ihn irgendwann als Kunde eines esoterischen Fachgeschäfts wieder traf.
Als wir uns zu einem noch späteren Zeitpunkt miteinander verabredeten und dabei über das Esoterikgeschäft sprachen, bemerkte ich, unbedacht und zufällig, dass diese Art von Geschäften in meinen Augen primär Kunden mit depressiver Charakterstruktur anzieht.
In einem auffallend bissigen Ton sagte er:"Vielen Dank!", und von da an vermutete ich bereits eine Richtung, obwohl sonst das gesamte Verhalten eher unauffällig war.
Wenig später kam es zu einer ersten handfesteren Diskussion, als ich per SMS etwas erzählte und im Anschluß fragte, ob es ihm gut ginge.
Ich kann die Antwort an sich nicht mehr wiedergeben, aber sie lief darauf hinaus, dass man wohl nicht ernsthaft an einer Antwort interessiert sein kann, wenn die entscheidende Frage, nämlich nach dem Befinden, irgendwo am Ende ihren Platz findet.
"Wie empfindlich", dachte ich mir und wurde in meinem Ton auch etwas schärfer.
Zu dumm natürlich einerseits, auf der anderen Seite frage ich mich aber, wie man ohne Erfahrung mit einer Depression da fehlerfrei durchkommen soll.
Im Laufe unseres Kennenlernens kamen dann vegetative Begleiterscheinungen zur Sprache, ich konnte bruchstückhaft etwas von der auslösenden Situation erfahren, die bereits 14 Jahre zurück liegt und eine Trennung zum Thema hat und anhand weniger Sätze lernte ich ein bisschen von seinem Selbstbild kennen.
Er erklärte mir nachdrücklich und deutlich, dass er zu einem engeren Kontakt nicht in der Lage ist, was sich darin begründet, dass er mit sich selbst nicht zurecht kommt.
Ich konnte das in Ordnung finden, ohne allerdings zu wissen, dass ein enormer Unterschied im Verständnis zwischen eng und eng liegen kann.
Kürzlich fragte ich wieder einmal per SMS, wie es ihm geht, ohne mir das geringste dabei zu denken, da ich Freunden diese Frage einfach häufig stelle.
Ich bekam keine Antwort und fragte nocheinmal.Ich bekam wieder keine Antwort und dachte mir, dass hoffentlich alles in Ordnung ist, da der Zusammenhang zwischen Depression und Suizid ja nicht wegzudiskutieren ist. Zum anderen aber auch aus einer persönlichen Angst heraus, da ich bereits einen Menschen verloren habe, dem es morgens schlecht ging und der am Mittag tot im Badezimmer lag.
Irgendwann bekam ich dann die Antwort, dass er gerade allein sein und sich überhaupt zurückziehen möchte.
Ich war wütend, das muss ich leider unumwunden zugeben, bei allem Verständnis für die eingeschränkte Handlungsfähigkeit in einer Depression, aber eine kurze Antwort dürfte doch drin sein.
Der Kontakt schleppte sich dahin, anstrengend einerseits, aber trotzdem auch schön, ohne dass ich hier schön näher definieren könnte, vielleicht meine ich die wohltuende Stille, allerdings kam kein Gespräch so wirklich in Gang und ich musste höchstvorsichtig mit meinen Aussagen sein und blieb dennoch nicht immer von einer beinahe aggressiven Rückantwort verschont.
Am vergangenen Wochenende lief ich dann wieder in die gleiche Falle, ich fragte nämlich wieder, wie es ihm geht.
Wieder bekam ich keine Antwort, wieder fragte ich und wieder das gleiche...
bis meine Geduld wirklich am Ende war und ich ein Mail schrieb, dass ich seinen Vater anrufe, wenn er mir jetzt nicht endlich sagt, dass er o.k. ist.
Ich bekam zur Antwort:"Glaubst Du nicht, dass Du übertreibst?", und diese Frage brachte das Fass dann endgültig zum Überlaufen.Erschwerend ist dabei die Tatsache, dass ich selbst im Moment zu Hause und in der Schule einem Stress ausgesetzt bin, der allein mich schon an den Rand meiner Kräfte treibt und dass meine Geduld dann für dieses Gezackere um ein kurzes Ja oder Nein nicht mehr ausreicht.
Ich versuchte zunächst noch sachlich darzustellen, warum mir eine Rückmeldung so bedeutend ist und warum das Ausbleiben dergleichen doch für beide Seiten eine unsinnige Verkomplizierung bedeutet.
Innerhalb der 4 (!) Tage, in denen ich keine Antwort bekam, baute sich dann ein riesen Druck auf, der sich gestern in einem Gespräch entlied, das von unfairen Vorwürfen und Verletzungen geleitet wurde und die ich unter den besten Absichte nicht in den Griff bekam.
In meiner Ansicht, dass auf eine wie-geht-
es-dir-Frage eine Antwort folgen dürfte, sieht er eine NÖTIGUNG.
"Wo steht geschrieben, dass ich gut oder schlecht sagen muss?", wirft er mir an den Kopf.
Natürlich nirgendwo, aber ist es nicht eine Selbstverständlichkeit in einer zwischenmenschlichen Beziehung, gerade wenn einer sich Sorgen macht?
Ich müsste mir ja auch keine Sorgen machen ( wie widersprüchlich, einerseits wird vor jede Unfähigkeit diese Depression geschoben, aber andererseits soll sie dann doch wieder nicht so schlimm sein, dass sich jemmand Gedanken um eine mögliche Selbstgefährdung macht. ), er möchte ausdrücklich nicht, dass ich mich um ihn kümmere(!), ich soll ihn "gegen die Wand laufen und sich von der Welt zurückziehen lassen", er möchte nichts, aber auch gar nichts mehr mit mir zu tunn haben, weil ich nerve und ich soll mich bloß nicht mehr melden. Das beschliesst er und ich habe es zu akzeptieren, Punkt. Keine weitere Diskussion.
Ich sagte, dass es nicht in meiner Natur liegt, Menschen bei der ersten Schwierigkeit fallen zu lassen und er sagte in einer Aggressivität, die ihresgleichen sucht, dass ich ihm meinen Kontakt AUFZWÄNGE.
In meinen Augen besteht zwischen diesen beiden Ereignissen aber überhaupt kein kausaler Zusammenhang, darüber hinaus weiss ich nicht, wie wenig emotional man beteiligt sein muss, um sich von einem solchen Umgang nicht verletzt zu fühlen.
Schlußendlich hatte mich dieses Gespräch SO erschreckt, dass ich jetzt nicht mehr klar zuordnenkann, ob es sich hier um pathologisches Verhalten seinerseits handelt, oder ob ich mir wirklich einen Vorwurf hinsichtlich meines eigenen Verhaltens gefallen lassen muss. Wobei ausser Frage steht, dass ich im Umgang mit einer Depression nicht routiniert bin und mir zwangsläufig nur Fehler unterlaufen können.
Aber rechtfertigt eine Depression wirklich alles, muss man eigene Bedürfnisse total hinten anstellen und sei es nur ein so natürliches, wie eine Antwort zu bekommen und bedingt eine Depression, dass man allem nachzugeben hat?
Ich weiss es nicht.
Ich habe dabei fast das Gefühl, dass er sich von mir bedroht fühlt, weil diese langanhaltende Depression ihm offensichtlich schon eine Sicherheit bietet und ihm inzwischen vertraut wurde und er mich deshalb absichtlich verletzt,damit ich zurückweiche und ihm damit bloß nicht zu nahe komme.Ich habe ihm ein Mail geschrieben, dass ich in den Umgang mit ihm erst hineinwachsen muss, wozu er mir Gelegenheit geben sollte, aber ich fürchte, dass kein rationaler Gedanke mehr ankommt.
Was ist hier das richtige zu tun?
Ich weiss es leider nicht, und hoffe deshalb einfach auf einen erfahrenen Rat von Euch.
Vielen lieben Dank und schöne Spätsommergrüsse, Leen.
MenschMeier
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von MenschMeier »

Hallo Leen,

ganz sicher bin ich, dass du es gut mit deinem Freund meinst.
Beim Lesen deines Textes kam mir trotzdem schon bald der Gedanke: So wie dein Freund würde auch ich mich möglicherweise verhalten.
Auch ich konnte lange Zeit die Frage nur schwer ertragen: "Wie geht es dir?"
Was erwartest du denn von ihm?
Wie würdest du reagieren, wenn er sagt: "Schlecht" oder "Überwiegend schlecht, will aber nicht darüber reden"? Hätte er nicht recht, wenn er vielleicht die Vermutung hat, dass du ihm dann auf den Fersen sitzt und einen Ausweg für ihn "organisieren" willst? Noch schlimmer, er sagt mit gequältem Lächeln "Gut". Würdest du ihm glauben - oder ebenfalls anfangen zu organisieren?

Bitte vermeide den Gedanken, dass bei "korrekten" Verhaltensweisen automatisch Verständnis möglich ist - oder umgekehrt, dass entweder seine oder deine Verhaltensweisen falsch sein müssen.

Ich vermute, er sieht sich schlicht nicht in der Lage, seine eigenen Gefühle klar zu erkennen und schon gar nicht, sie dir verständlich darzustellen. Dass du wiederholt nachfragst, verstehe ich grundsätzlich sehr gut. Nur wird es wahrscheinlich so sein, dass er sich dadurch einem riesigen Druck ausgesetzt fühlt - er will dich ja nicht ignorieren, fühlt sich deshalb schuldig und reagiert wie ein angegriffenes Tier: trotzig, bissig und möglicherweise drohend.

Es gibt eine Reihe guter Bücher, die für Angehörige von Depressiven geschrieben sind.
Ich vermute, einige sind hier auch im allgemeinen Teil von KND angegeben. Ich schau gleich mal nach oder auch in meiner Büchersammlung.
Daraus schaffe ich hier keine Zusammenfassung, aber:
Wichtig wäre eher die Botschaft an ihn:
Ich möchte dich so annehmen wie du bist. Ich glaube, dass du dich - wie wir alle - weiterentwickeln kannst und ich möchte dir dafür die Zeit lassen, die du brauchst.
Wenn du dich von mir zu sehr ausgefragt fühlst, sag es mir bitte.
Wenn du einfach jetzt bei mir schweigen möchtest, ist das ok für mich.

Vielleicht denkst du jetzt: das kann es doch nicht sein, nur mit Samthandschuhen und Watte! Nein das reicht auf Dauer auch nicht. Ich bin sicher, dass viele hier im Forum da gute Buchtipps für dich haben. Nimm dir die Zeit, davon eins oder zwei tatsächlich durchzulesen. Dann wird es dir viel leichter fallen, deinen Freund dabei zu unterstützen, aus seiner Verschlossenheit und Abwehr wieder herauszufinden.

Lg mm
BeAk

Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von BeAk »

Liebe Leen,

verstehe ich Dich richtig? Ihr hattet wie eine enge Beziehung zueinander? Er war bisher nur ein entfernter Bekannter? Aber Du hast Dir jetzt in den Kopf gesetzt, eine Beziehung mit ihm zu wollen?

Wie, um Himmelswillen, bist Du auf diese Idee gekommen, eine Beziehung zu einem schwer Depressiven der alles andere, nur kein Partner, für was auch immer, sein kann, aufzubauen?

Um es mal ganz deutlich zu sagen, ich bin mit einem Depressiven verheiratet und unsere Ehe ruht, wenn mein Mann eine schwere Episode hat. Was anderes ist nicht möglich.
In meiner letzten Sitzung habe ich mit Therapeuten noch mal über die Situation gesprochen und er sagte: "Das ist sicherlich richtig so, denn ihr Mann ist in dieser Zeit sicher nicht gut zu ertragen."

Also was willst Du von einen schwer Depressiven?
MenschMeier
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von MenschMeier »

Hi Leen,

Nachtrag:
Das folgende Buch habe ich gestern erst bekommen und noch nicht gelesen, aber ich galube das wäre ein guter Einstieg für dich:

Dorothea Blum, Matthias Dauenhauer: ... und wo bleibe ich?
Leben mit depressiven Menschen, Ein Leitfaden für Angehörige
2004, Deutscher Verein für Gesundheitspflege e. V.
ISBN 3-929976-03-X

@Bea
Und wenn das so wäre? Lieben heisst zwar: Loslassen können, aber auch das will ja erst mal gelernt sein . Warum also "um Gottes willen"?
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Hi Bea, jetzt hast du nach diesem Beitrag deinen Vorbeitrag grundlegend geändert und erweitert. Nun passt die Antwort "und wenn das so wäre?" natürlich nicht mehr. Macht aber nix .
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3. Ergänzung:
Liebe Bea, aus Leens Beitrag kannst Du nicht entnehmen, wie schwer die Erkrankung von ihrem Freund ist. Du meintest sicher nur sehr schwer Erkrankte. Ich würde hier ungern stehen lassen, dass eine Partnerschaft mit Depressiven nicht möglich ist. Eine Partnerschaft mit Normalos kann hingegen äusserst ätzend, weil dumpf und verständnislos sein.

Lg mm
BeAk

Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von BeAk »

weil es mir so abwegig erscheint.
MenschMeier
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von MenschMeier »

Hi Bea,

habe mir Leens Text eben nochmal durchgelesen. Jetzt verstehe ich, dass dabei der Eindruck entstehen kann, das sei ein reines Hinterherrennen - im schlimmsten Fall Stalking.

@Leen
mit anderen Augen gelesen habe ich trotzdem den Eindruck, dass du ihn einfach ansonsten nur sympathisch findest, ihn mehr zufällig ab und an triffst und ihm helfen möchtest - also nix mit - wie ich beim ersten Lesen meinte - Liebe in dem Sinne.
Vielleicht magst du einfach nochmal ergänzen?

Lg mm
LK
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von LK »

Hallo Bea,

danke für deine Antwort, die ich, glaube ich, mit vor Staunen offenem Mund gelesen habe.
Ja, Du hast es richtig verstanden, dass wir uns "nur so" kennen, und das auch erst ganz kurz, um die Sache zu komplettieren.
Aber dabei ist es keineswegs so, dass ich mir ein Schild umgehängt habe, auf dem stand *Depressiver als Mann für`s Leben gesucht*, genauso wenig wie ich hier von *Ich habe es mir in den Kopf gesetzt* reden würde. Oder zumindest nur bedingt.
Denn loslassen will ich nicht, da muss ich dir schon recht geben.Es sei denn, jemand würde mir sagen, dass es das einzig Beste für ihn ist. Dann schon. Schweren Herzens.
Es ist so, dass ich bereits in einer Beziehung bin. Mein Freund ist selbst krank, allerdings "nur" körperlich. Trotzdem nimmt diese Krankheit einen breiten Raum in unserem Leben ein und deshalb habe ich einfach einen Ort gesucht, an dem es einmal nichtum diesen Unfall geht, an dem es bestenfalls vielleicht um mich gehen könnte.
Ich kann mir vorstellen, dass Du das gut nachvollziehen kannst, in deiner Situation.
Und in diesem Moment habe ich ihn kennengelernt. Eine gemeinsame Bekannte deutete seine Art dahingehend fehl, dass sie mir sagte, er sei schwul, aber das war mir ja so egal. Ich hätte auch in dem Fall kein Problem mit ihm gehabt, da der Schwerpunkt auf "einfach nur raus" lag.
Und heute geniesse ich diesen Menschen,in den guten Augenblicken, die leider selten sind, und schlimmstenfalls auch nicht mehr wieder kommen. Ich könnte ihn stundenlang beobachten, ohne auch nur ein Wort zu sagen.
Und auch wenn er etwas erzählt, hat das eine völlig andere Qualität, Du kannst das mit allen Sinnen nacherleben und es ist einfach wunderbar.Da liegen Welten zwischen dem, was andere, "Normale" dir so alles berichten.Es ist ein bisschen wie früher, als deine Mutter oder dein Vater dir abends am Bett vorgelesen haben. Und nachdem er/sie dir zum x-ten Mal sagte:"Das ist aber jetzt *wirklich* die letzte Seite, wir haben schon dunkel",hat dich das nicht ausreichend beeindruckt, um nicht noch einmal zu sagen:"Bitte noch eine einzige Seite, BITTE..."
Leider sind diese guten Augenblicke, in denen man richtige Stille erfährt auch wenn geredet wird, aber im Handumdrehen und ruckzuck wieder vorbei, meistens durch irgendeine blöde und unbedachte Bemerkung.
Dann ist es so hart und unverständlich wie, um auf das Beispiel Vorlesen zurückzukommen, wenn dein Vater plötzlich das Buch an die Wand werfen und dich anschreien würde:"Halt`s Maul und verpiss dich unter die Decke!"
Denk nicht, dass wir in diesem Ton miteinander reden, oder ähnlich ausfallend würden, nein, das nicht.
Aber der Effekt ist vergleichbar, verstehst Du mich?
Und das ist der Moment, wo ich ratlos bin und leider zu oft vergesse, dass wir es mit einer Krankheit zu tun haben und mich dazu hinreissen lasse, auf ihn wütend zu werden.
Also nochmal, ich bin nicht so selbstlos, dass ich mir bewusst einen Kranken auserkoren hätte. Aber ich schätze ihn als Mensch und würde mir wünschen, seinen Weg begleiten zu dürfen, gleichwie dass er ein Stück mit mir geht. Aber ich bräuchte eben Zeit, um den Umgang zu lernen, um vorsichtiger und aufmerksamer zu werden.
Ich schicke dir Kraft, für dich und hoffe, dass auch Du Quellen hast, aus denen Du welche für den guten Umgang mit ihm schöpfen kannst. Liebe Grüsse, Leen.
LK
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von LK »

Hallo, vielen lieben Dank für deine Antwort und dass Du dir soviel Mühe gemacht hast, mir darzustellen, wie man in einer anderen Kategorie denkt.
Du hast natürlich recht, was hätte ich davon, wenn er mir sagt, es geht ihm gut oder schlecht.
Klar, würde er sagen, dass die Dinge eher ungünstig stehen, würde ich mich sofort mobilisieren und irgendetwas tun wollen, das es unter dem Strich vielleicht noch schlimmer macht, weil es Momente gibt, in denen einfach nichts zu tun ist. Ich verstehe das, theoretisch.Aber praktisch muss ich es noch lernen. Ich *weiss* auch, dass meine Lösung nicht seine ist, da bin ich dann mittlerweile auch schon dahinter gekommen, immerhin...
Aber eine Antwort wäre mir trotzdem so wichtig, er könnte ja auch das Telefon kurz anklingeln lassen, oder ein leeres Mail schicken, nur dass ich grundsätzlich schon mal wüsste, dass er da ist.
Es ist ein entscheidender Faktor in unserem Kennenlernen, dass ich einfach Angst habe, wenn ich nichts höre.
Einer ganz lieben Tante von mir gings mal über eine längere Zeit schlecht. Und an einem Morgen besonders. Ich hatte versprochen, nocheinmal vorbeizukommen, bevor ich arbeiten muss, aber ich war mal wieder in Zeitnot und dachte mir *naja, wird ja nicht so schlimm sein, dann reden wir eben heute Mittag*. Und mittags war sie tot.
Ich habe es mir seitdem angewöhnt, mich immer richtig zu verabschieden, wenn ich irgendwo weggehe, Streit spätestens am Abend beizulegen und so sage ich z.B. auch meinen Hunden immer, bevor ich aus dem Haus gehe, dass ich sie liebe. Weil es das letzte Mal gewesen sein könnte, dass man sich sieht.
Wenn ich meine Eltern besuche, und Tür und Tor offen stehen, aber kein Mensch Antwort gibt, wenn ich "Hallo?" rufe, macht mir das ebenso Angst. Verstehst Du, wie es da für mich ist, wenn ich über Tage nichts höre aus einer Richtung, in der eine reelle Gefahr einfach besteht?
Ich gerate da in ein Gedankenkarussell, aus dem ich beim besten Willen nicht mehr herausfinde und das schlimme und verhängnisvolle daran ist, dass das nach einer Zeit umschlägt in Wut.
Ich weiss, dass ich das in den Griff kriegen MUSS. Theoretisch, wie gesagt, kapiere ich so Vieles. Nur kann ich es nicht umsetzen. Und da wäre es, wie ich finde, doch ein Kompromiss, der letztendlich beiden Seiten dient, wenn er ein kurzes Lebenszeichen von sich geben könnte...Oder????
Was meinst Du, was ich jetzt tun soll?
Mich einfach gar nicht mehr melden und warten, ob er es nocheinmal tut?
Oder mich nicht melden und trotzdem irgendwie signalisieren, dass ich da bin?
Ich habe einfach gar keine Ahnung.
Weisst Du, für Krisenzeiten hängt hier mein Rilke-Zitat, dass mir eigentlich immer hilft. Oder meistens. "Man muss nie verzweifeln, wenn einem etwas verloren geht, ein Mensch oder ein Glück, es kommt alles noch herrlicher wieder. Was abfallen muss, fällt ab, was zu uns gehört, bleibt bei uns. ..."
Aber gilt das auch dann, wenn ich es nicht mit einem "Normalfall" zu tun habe?
Ich meine, es geht ja nicht in erster Linie darum ,MICH zu trösten, seine Probleme sind ja grösser als jetzt gerade meins.
Was glaubst Du, meinte er, was er mir da alles an den Kopf warf?
Oder ist das der Ausdruck eines Moments der Überforderung?
Danke auch für deinen Buchtip, ich bin zur Zeit zwar in akutester "Vorprüfungsnot", aber ich lese es, sobald ich wieder etwas mehr Luft habe.
Danke für alles und liebe Grüsse, Leen.
winnie
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von winnie »

"Ich könnte ihn stundenlang beobachten, ohne auch nur ein Wort zu sagen"

Liebe Leen,

nimm's mir nicht übel, aber DAS allein würde mich an der Stelle Deines Freundes schon wahnsinnig machen...

Ich habe Deinem Bericht nach schon etwas den Eindruck, daß Du bei ihm immer wieder Grenzen überschreitest. Bestimmt ungewollt, ja, aber es ändert nichts daran, daß Du aus einem eigenen Wunschdenken heraus ihm ganz schön auf die Pelle rückst.

Bist Du mal auf die Idee gekommen, daß Dein Freund, um in Deinem Beispiel zu bleiben, nicht vielleicht lieber ENDLICH schlafen möchte, statt NOCH eine Seite vorzulesen...?

Gruß,
Winnie

P.S.: Hab grad noch Dein letztes Posting gelesen. Und mir drängt sich immer mehr der Gedanke auf, daß das Problem bei DIR liegt. Soll heißen, Du hast ein Abhängigkeitsproblem, brauchst dauernd Halt für DICH.
Lieg ich da sehr verkehrt?
LK
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von LK »

Hallo Winnie, liebe oder lieber????

Oh man, du bist ja genauso hart...
Und trotzdem : DANKE!
Ja, verdammt nochmal, Du hast recht, das ist alles sehr eigensinnig oder besser gesagt eigennützig gedacht.
Neben dem, dass ich ihn ehrlich verstehen will, und das musst Du mir jetzt einfach mal glauben, steht da natürlich noch dieses riesengrosse ABER ICH WILL.
Das ist unfair, und wie gut, dass Du es mir nocheinmal gesagt hast, aber woher soll ich so schnell diese Sensibilität nehmen, wenn sie bisher in meinem Leben nocht nicht gefragt war?
Wenn ich sage, ich könnte ihn eine Ewigkeit beobachten, dann meine ich damit nicht mehr und nicht weniger, als dass ich ihn in seiner Ruhe und seiner Zurückgezogenheit einfach phantastisch finde. "Normalerweise" dürfte das doch nicht so schlimm sein, dass man das gleich in ein "Auf die Pelle rücken" ummünzt.
Aber offensichtlich ja doch. Und trotzdem, ich kann es doch nicht wissen, zumindest nicht einfach so.
Ich muss lernen, verstehst Du? Und ich will ja auch, keine Frage. Ich will endlich lernen, was es tatsächlich bedeute, Rücksicht zu nehmen. Aber in "unserer" Welt haben solche Worte einen anderen Wert, der Spielraum ist einfach grösser. Wenn ich hier Rücksicht nehme, hätte ich dort schon längst jemanden gnadenlos überfahren.
Du hast auch so recht, was Du bezüglich des "endlich schlafen wollens" sagst, und dafür danke ich dir.
Ich bin einfach nicht im Stande, diese innere Dramatik 1:1 nachzufühlen. Ich werde es wahrscheinlich auch nie können. Aber man kann sie mir näher bringen. Was eben auch ein bisschen Geduld mit mir erfordert.
Danke, ganz ehrlich, Leen.
LK
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von LK »

Nochmal für Winni...
dein P.S. habe ich ja eben erst gesehen...
Wie super, jetzt bin ich noch die Dumme...Er ist topfit und ich sollte mich mal behandeln lassen, oder wie meinst Du das???
Im Ernst, ich habe mit keinem Wort behauptet, dass ich mich richtig, also im Sinne von "normal" verhalten habe.Was ist ausserdem schon normal?
Aber ich bin trotzdem nicht abhängig, wie du das sagst.
Ich bin ja in guten Händen und wollte einfach nur ein bisschen raus aus einem übervollen Alltag, irgendwohin, wo ich Ruhe finden kann.
Dass es sich so entwickelt, konnte ich nicht ahnen und ich denke, es begründet sich darin, dass ich ungeschickt und trampelhaft bin. Wahrscheinlich auch noch oberflächlich.Fertig. Nicht mehr.
Wenn ich Halt suchen würde, den ich erfahrungsgemäß sowieso am besten in mir selbst finde, ginge ich zu Freunden, die mir diesen auch geben können und nicht zu jemandem, der selbst haltlos ist. Oder?
Bald weiss ich echt selbst nicht mehr, was ich denken soll! Leen sagt danke für deine Denkanstösse, Du bist auch so einer...aber das ist gut gemeint, EIN KOMPLIMENT AUS *MEINER* WELT und werf mir jetzt bloß nicht vor, ich würde dir auf die Pelle rücken! LG, Leen.
ils_pixent9
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von ils_pixent9 »

Ich will auf die Feinheiten dieses threads nicht besonders eingehen sondern einmal eine Frage ganz allgemeiner Natur stellen.
Ich kenne einen Menschen an dem mir sehr viel liegt weil er mir- wenn auch selten- ganz besondere Dinge zu geben vermag.
Er leidet an Depressionen.
Mir liegt sehr viel an diesem Menschen und da ich selber depressiv veranlagt bin ( oder einfach nur viel Gefühl habe) macht es mich krank wenn er sich überhaupt nicht mehr meldet, ich grübel und grübel.
Es ist ja auch nicht von der Hand zu weisen, dass etwas passiert ist.
Und nun meine Frage: kann man nicht auch von einem Depressivem erwarten, dass er zumindestens eine leere sms schickt, signalisiert, dass er lebt aber nicht reden kann?
Ich kann verstehen, dass man in einer Depression nicht reden kann, ich kann auch manchmal nicht lange telefonieren weil mir nichts einfällt, aber kann nicht jeder eine leere sms schicken?
Ich habe manchmal den Eindruck, dass in diesem Nicht- Reagieren eine Menge Trotz enthalten ist wobei ich mich gründlich täuschen kann. Ich wollte auch in einer Depression es dem anderem nicht antun sich große Sorgen machen zu müssen.
Ich würde sehr gerne eure Meinung dazu kennen, vielleicht könnt ihr mir dies Verhalten erklären.
Noch einmal: es geht nicht um das Reden, es geht darum eine sms zu schicken oder das Telefon dreimal läuten zu lassen, um ein kleines Signal also.
Gret
LK
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von LK »

Liebe Grete,
Du sprichst mir aus der Seele, ich glaube, dir geht`s genau wie mir.
Ich war mir beim Lesen gar nicht so sicher, ist das jetzt von jemand anderem oder habe ich das an früherer Stelle schon mal selbst geschrieben?
Leider muss ich jetzt weg, aber vielleicht können wir zu einem späteren Zeitpunkt weiter drüber reden.
Wie gut, dass es Menschen gibt, denen es ähnlich geht.
Viel Kraft für mögliche "Wartezeiten" in Bezug auf deine Freund und vielleicht bis bald, deine Leen.
winnie
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von winnie »

Liebe Grete,

ganz klare Antwort: NEIN.
Kann man nicht.

Genauso gut könntest Du von jemandem mit einem akuten Bandscheibenvorfall verlangen (oder erwarten), daß er doch "wenigstens das KIND ins Auto heben könnte..."

Verstehst Du?

ALLES, was man von einem schwer Depressiven ERWARTET oder gar VERLANGT, setzt ihn unter Druck. Und wenn es auch noch so wenig aufwändig erscheint.

Und ich finde es dabei auch nicht einmal besonders bescheiden, wenn man von einem Menschen, der momentan kaum in der Lage ist, für sein nötigstes eigenes Überleben die Kraft aufzubringen, erwartet oder gar verlangt, daß er dabei auch noch regelmäßig an Rückmeldungen bei anderen denkt (und es dann auch tut!). Ob nun leere Mail oder nicht - er müßte es trotzdem TUN.
Und das kann er nicht.

Nein. In einer Depression ist jeder Handgriff, jeder Gedanke und jeder Kontakt zu anderen Menschen SCHWERSTARBEIT.

Gruß,
Winnie


P.S.:
@Leen, ich lese da eine gewisse Aggression bei Dir heraus.
Warum?
Ich meinte das schließlich nicht abwertend, sondern antwortete lediglich auf die Fragen in Deinem Bericht. Und das aus durchaus freundlichen Beweggründen heraus. Wenn hier im Forum jemand ein Problem schildert, versuchen wir nämlich in aller Regel, aus unseren eigenen Erfahrungen heraus zu raten. Nichts anderes hatte ich im Sinn.
Es tut mir deshalb ja schrecklich leid, aber wenn Du keine Antworten willst, hättest Du eben nicht fragen dürfen.

Und mein Eindruck aus dem, WAS Du schreibst, und genauso WIE Du es schreibst, war nun mal jener, wie ich es weiter oben schrieb: Du willst Deinen Freund ganz offensichtlich für DICH nutzen können - und im Zuge dessen überrollst Du alles.
Sorry, aber so kommt es mir halt vor.

Was Du mit Deiner Erwiderung darauf ("meine Welt", "Du bist auch so einer..." usw.) sagen willst, kapiere ich allerdings nicht wirklich.
heute
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von heute »

Ja, ich weiß auch nicht, Grete, bei "dreimal anklingeln lassen", hätte ich doch dann die Befürchtung, dass der/die andere doch abheben könnte und dann muss ich ja doch was sagen...

"Leere SMS" zurückschicken - also das käme mir irgendwie auch doof vor. "Was denkt der/die Empfänger/in, wenn nichts drin steht??"

Und bei einer vorherigen Vereinbarung (also: du schickst mir dann und dann eine leere SMS, damit ich weiß, du lebst noch...) würde mich die VERPFLICHTUNG, das DRANDENKEN-MÜSSEN ziemlich überfordern.


Und mehrmalige Nachfragen per SMS: Wie geht es dir? Wie geht es dir? Oje, ich glaube, ich würde das Handy nicht mehr einschalten.

Mein Mann hat auch neulich einer Freundin von mir versprochen, dass ich am Abend zurückrufen werde. Das war mir ganz unangenehm, weil ich die Freundin nicht vor den Kopf stoßen wollte, mich auch VERPFLICHTET fühlte - ABER nicht telefonieren konnte. Kein Trotz - einfach Überforderung.

Ich habe selbst gerade ein paar Telefonate ausstehen und ich mag nicht. Es quält mich, dass ich diese Telefonate vor mir her schiebe (und auch denke: Mensch, am Ende sind alle sauer auf mich... oder halten mich für unzuverlässig...), aber ich weiß, dass die Gespräche auf bestimmte Punkte kommen könnten, die mich momentan zu sehr belasten. Und deshalb lass ich die Gespräche lieber ganz sein. Auch wenn man sagt: Du, darüber möchte ich jetzt lieber nicht reden, bohren die meisten Menschen eben nach. Oder sie wittern bei so einem ablehnenden Satz gleich was Schreckliches und fragen und bohren dann erst recht und bei den nächsten Begegnungen und Gesprächen auch wieder und wieder.

Deshalb von meiner Seite lieber Funkstille, bis ich mich wieder so weit gefangen habe, um eine muntere, vergnügte Gesprächspartnerin zu sein.

Schöne Grüße

Nene

PS an Leen: Kann ich schon verstehen, dass du seit der schlimmen Erfahrung mit deiner Tante jetzt sehr schnell die Befürchtung hast, es könnte was passiert sein. Machst du dir denn noch Vorwürfe, dass du das morgendliche Vorbeikommen zeitlich nicht mehr geschafft hast? Deine Tante dann am Mittag tot aufzufinden, war bestimmt (gerade mit diesem Hintergrund) sehr, sehr schlimm für dich. Aber es hört sich so an, als hättest du dich bereits in den Tagen zuvor viel um sie gekümmert. Vielleicht kannst du das gelten lassen. Du warst für sie da!
"So many things I would have done, but clouds got in my way." Joni Mitchell (Both sides now)
Clown
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von Clown »

Hallo Leen, Grete und alle,

in dem Moment, wo ich jemandem ein Lebenszeichen von mir gebe (geben soll), sorge ich für die Bedürfnisse des anderen.

Ich finde, das ist der springende Punkt bei dem Ganzen.

Wenn es mir schlecht geht, liegt das ja auch daran, dass ich von klein auf gelernt habe, auf die Bedürfnisse von anderen zu achten, statt auf meine eigenen.

Merkt ihr was?

Grüße,
Clown
"Realize deeply that the present moment is all you ever have. Make the Now the primary focus of your life."
Eckhart Tolle
LK
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von LK »

Hallo Winni,

Du hast mich ganz falsch verstanden, aber GANZ.
Natürlich will ich eine Antwort und wollte dir damit nur sagen, dass ich für so schonungslose wie deine besonders dankbar bin.
Da ist keine Aggressivität, ehrlich nicht, aber ich habe sowas schon öfter gehört und sollte mir vielleicht mal Gedanken machen, ob mein Deutsch gut ist.
Ich verstehe dich, was Du sagst, zu mir oder eben zu Grete, weil ich es GANZ GENAUSO auch von Frank höre. Es ist noch nicht so ganz innen bei mir angekommen. Aber ich verstehe auch Grete, weil wir eben einfach "auf der anderen Seite" stehen.
Sei nicht böse, da ist nichts als ein dickes Danke für deine Bemühung, mir eure Welt verständlicher zu machen.
Ich muss leider weg, obwohl ich`s gerne vertiefen würde. Liebe Grüsse, Leen.
winnie
Beiträge: 1683
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von winnie »

Hallo Leen,

dann bin ich ja beruhigt.
Hätte mir nämlich sehr leid getan, wenn Du Dich verletzt fühltest.

Gruß,
Winnie
winnie
Beiträge: 1683
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von winnie »

Stimmt, Clown.
Das meinte ich damit.

Lieben Gruß,
Winnie
ils_pixent9
Beiträge: 1149
Registriert: 6. Jul 2006, 21:37
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von ils_pixent9 »

Ich muß zugeben, dass ich leicht verwirrt bin.
Es gibt viele Arten der Depression, vielleicht kann man einfach nicht über DIE Depression reden.
Kann man wirklich Beispiele aus der Organmedizin anführen, hat man nicht bei psychischen Krankheiten nicht doch eine winzigkleine Entscheidungsmöglichkeit?
Was ich auch nicht verstehe: wenn eine Depression eine große Lähmung und Inaktivität beinhaltet, warum haben dann Depressive noch die Kraft dazu hier zu schreiben?
Ich frage mich oft, ob nicht einige Depressive meinen wegen ihrer Krankheit mehr Rechte für sich fordern zu können.
Tut mir leid, wenn sich das jetzt sehr moralinsauer anhört.
Aber auch aus der Bemerkung, ich will nichts für andere tun, der andere hat kein Recht darauf, dass ich an ihn denke, meine ich, diesen gewissen Trotz herauszuhören.
Ich halte mich für eine Grenzgängerin, weil mir depressive Gefühle durchaus vertraut sind, aber sicher nicht in der Stärke und Beständigkeit wie es bei anderen hier der Fall ist.
Ich rede mit Menschen die mir nahestehen darüber und ich bin dazu fähig, noch eine kurze sms zu schreiben, bzw. eine abzuspeichern die ich dann nur noch verschicken muß.
Für mich bedeutet Partnerschaft und Freundschaft auf den anderen Rücksicht zu nehmen, sonst funktioniert es nicht.
Ich habe Freundschaften gehabt bei denen ich sehr viel Rücksicht nehmen mußte: auf Ängste, auf Alkoholismus, auf aggressive Ausbrüche, mit allem konnte ich umgehen.
Aufgrund meiner persönlichen Beschaffenheit könnte ich aber nicht damit umgehen einen Partner zu haben der sich tage- oder wochenlang völlig ausklinkt.
Ich frage mich auch oft ( ich möchte keinen verletzen, aber sagen was ich denke) ob nicht gelegentlich.nicht immer- unter dem Psychojargon der Abgrenzung und der Übergriffe ein gewisser Egoismus herangezüchtet wird.
Ich bin froh darüber, diese Fragen einmal stellen zu können, weil ich ja niemanden aus diesem Forum persönlich kenne also keinerlei persönliche Interessen habe.
Ich will einfach verstehen.
Zum Schluß noch ein persönliches Beispiel: ich habe eine Freundin die depressiv ist, aber imstande ist für sich zu kochen,spazierenzugehen, Yoga zu machen. Sie freut sich immer wenn ich sie anrufe und spricht dann auch viel von sich, aber sie ruft nie mich an.Ich habe das Gefühl, dass sie es als selbstverständlich ansieht, dass ich sie anrufe oder daß sie garnicht auf die Idee kommt, mich zu kontaktieren.
Dabei sagte sie neulich, ich habe ihr sozusagen das Leben gerettet.
Ich habe meine Anrufe jetzt erst einmal eingestellt und muß sagen, dass mir die Kommunikation mit einer anderen Freundin, die Borderlinepatientin ist und zu gewaltsamen Ausbrüchen neigt, viel leichter fällt, damit kann ich viel besser umgehen.
Gret
winnie
Beiträge: 1683
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von winnie »

Hallo Grete!

"warum haben dann Depressive noch die Kraft dazu hier zu schreiben?"

Sehr einfach: weil sie es nicht MÜSSEN.
Keiner ERWARTET von ihnen, daß sie hier schreiben, und keiner muffelt sie an, wenn sie beispielsweise nicht in "angemessener Zeit" auf ein Posting antworten.

Nene hat es doch sehr gut erklärt - es ist die VERPFLICHTUNG, die einem in in der Depression zu schaffen macht.

Und in Clowns Beitrag ist außerdem noch sehr gut beschrieben, daß das Schreiben hier im Forum schließlich FÜR EINEN SELBST ist - und nicht, weil man damit (wieder mal...) jemand anderem einen Gefallen erweisen oder einer Verpflichtung einem anderen gegenüber nachkommen muß.

Grete, Du hast natürlich recht - DEN Depressiven gibt es sicherlich nicht. Doch das eine oder andere ist wohl eben doch relativ "typisch" für Depressive. Und nicht zuletzt ging es ja bei den Fragen dieses Threads um ganz bestimmte Verhaltensweisen, für die "WIR" hier um eine Erklärung gebeten wurden. Und diese Erklärung haben "WIR" (dh Depressive, die - zufällig - solche Verhaltensweisen aus eigener Erfahrung kennen) halt abgeliefert.
Andere kennen sicher wieder anderes, das ist logisch. Aber die antworten dann halt auch nicht auf DIESE Frage.

"Aufgrund meiner persönlichen Beschaffenheit könnte ich aber nicht damit umgehen einen Partner zu haben der sich tage- oder wochenlang völlig ausklinkt"

- Tja, dann gehörst Du wahrscheinlich zu jenen Menschen, die ihren Partner wegen seiner Depression verlassen würden.
Solche gibt's leider viel zu viele.
Dein Bericht über Deine Freundin deutet ebenfalls darauf hin, daß Du (leider) keine sehr großen Anstrengungen machst, die Krankheit Depression tatsächlich zu verstehen.

"Ich frage mich auch oft ( ich möchte keinen verletzen, aber sagen was ich denke) ob nicht gelegentlich.nicht immer- unter dem Psychojargon der Abgrenzung und der Übergriffe ein gewisser Egoismus herangezüchtet wird."

- Was ist denn daran egoistisch, wenn jemand (oft zum ersten Mal in seinem Leben) NICHT mehr NUR für die anderen da ist? Immerhin mußte sich der Betreffende auf ziemlich schmerzhafte Weise (eben durch die Erkrankung an Depressionen) von seinem Körper und seiner Seele darauf hinweisen lassen, daß es ihn SO, wie er es bisher immer tat, kaputtmachte?

Und hältst Du es wirklich für angebracht, abwertende Begriffe ("Psychojargon") zu benutzen?
Hast Du hier im Forum eigentlich nichts gelernt?

Ein Mensch ist keine Maschine, Grete. Er funktioniert nicht "nach Standard". Wenn ein MENSCH "kaputtgeht", nützen weder Beschwerden über das "sch... Material" noch kann man ihn mit ein paar neuen Einstellungen (oder Tritten...) wieder "zum Laufen bringen". Und im Gegensatz zu einer Maschine ist ein Mensch schon gleich überhaupt nicht dafür da, ständig die Vorstellungen und Erwartungen seiner Mitmenschen zu erfüllen.

"ich will nichts für andere tun, der andere hat kein Recht darauf, dass ich an ihn denke,"

- Falsch zitiert, Grete.
Es hieß: ich MUSS nichts für andere tun, der andere hat kein Recht darauf, ZU FORDERN, dass ich an ihn denke.

Kleiner, aber sehr entscheidender Unterschied.

Leider sind die Ansichten, die Du in Deinem Beitrag äußerst, Grete, immer noch sehr verbreitet.
Das finde ich ziemlich traurig.

Winnie
gnom
Beiträge: 23
Registriert: 29. Okt 2005, 14:52

Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von gnom »

Hallo Grete,
manch' eine liest auch nur still mit, so wie ich. Mich hier auseinander zu setzen wäre mir jetzt irgendwie zu viel, aber es hilft mir, erstens mir hier bewußt machen zu können, daß ich nicht alleine betroffen bin und zweitens finde ich auch immer wieder Anregungen für mich hier. Manch' anderen hilft es vielleicht sich hier auszutauschen. Menschen sind unterschiedlich.
Übrigens habe auch ich immer wieder mit der Akzeptanz der Depression als Krankheit Probleme, würde auch gerne Funktionieren wie eine Maschine, wundert mich also nicht, daß Menschen ohne diese Erkrankung es sich nicht vorstellen können.
Such much.
Grüße,
lomo
Chiron
Beiträge: 2006
Registriert: 14. Feb 2005, 15:45

Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von Chiron »

Hallo Leen,

nach dem Lesen der sehr interessanten Beiträge hier, kam mir eine Frage an Dich in den Sinn.

Bist Du in Frank verliebt und weißt es eventuell noch gar nicht?

Du hast einen körperlich behinderten Freund zu Hause und wolltest einfach mal raus.
Wenn Dein Freund einen Unfall hatte, ist es sicher nicht leicht für ihn, damit fertig zu werden. Ab und zu ist er möglicherweise frustiert und nicht immer nett zu Dir.

Nun lernst Du einen Mann kennen, bei dem Du glaubst, er sei schwul. Warum? Wegen der einfühlsamen Art? (Sorry, kein Voruteil - nur meine bisherige Erfahrung mit Schwulen )

Du führst Gespräche mit ihm und fühlst Dich wohl dabei, könntest ihm stundenlang zuhören und wenn es gar nicht anders geht, ihn wenigstens beobachten, nur um in seiner Nähe zu sein.
Unter dem Deckmantel der Sorge, "forderst" Du Nachrichten von ihm. Dazu hat er nicht immer Lust. Warum, das sei mal dahin gestellt.

Tut mir leid, das hört sich für mich sehr nach dem Beginn einer Verliebtheit an.

Deine Angst nach dem Erlebnis mit Deiner Tante kann ich nachvollziehen. Das ist verständlich.
Trotzdem glaube ich, Du machst Dir in puncto Frank etwas vor.

Dein Verhalten ihm gegenüber entschuldigst Du mit Angst. Dabei hast Du schon einen Freund, der Dich enorme Kraft kostet und wegen dem Du mal raus musstest.
Warum also noch mal ein Mann, der Dich braucht und den Du "umsorgen" kannst?

Mach Dir mal Gedanken darüber.

Das war nur so ein Geistesblitz von mir, beim Lesen und nicht böse gemeint.

Alles Liebe und Gute für Dich,

Chiron
"Was mich nicht umbringt, macht mich noch stärker."
ils_pixent9
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von ils_pixent9 »

Hallo Grete!
Hallo Winnie,

"warum haben dann Depressive noch die Kraft dazu hier zu schreiben?"

Sehr einfach: weil sie es nicht MÜSSEN.
Keiner ERWARTET von ihnen, daß sie hier schreiben, und keiner muffelt sie an, wenn sie beispielsweise nicht in "angemessener Zeit" auf ein Posting antworten.

---akzeptiert, ein Forum ist eben anonym und wenn einer nicht antwortet, dann antwortet eben ein anderer

Nene hat es doch sehr gut erklärt - es ist die VERPFLICHTUNG, die einem in in der Depression zu schaffen macht.

Und in Clowns Beitrag ist außerdem noch sehr gut beschrieben, daß das Schreiben hier im Forum schließlich FÜR EINEN SELBST ist - und nicht, weil man damit (wieder mal...) jemand anderem einen Gefallen erweisen oder einer Verpflichtung einem anderen gegenüber nachkommen muß.
---Aber wenn man Dinge für sich selber tun kann, ist doch die Energie nicht völlig weg.

Grete, Du hast natürlich recht - DEN Depressiven gibt es sicherlich nicht. Doch das eine oder andere ist wohl eben doch relativ "typisch" für Depressive. Und nicht zuletzt ging es ja bei den Fragen dieses Threads um ganz bestimmte Verhaltensweisen, für die "WIR" hier um eine Erklärung gebeten wurden. Und diese Erklärung haben "WIR" (dh Depressive, die - zufällig - solche Verhaltensweisen aus eigener Erfahrung kennen) halt abgeliefert.
Andere kennen sicher wieder anderes, das ist logisch. Aber die antworten dann halt auch nicht auf DIESE Frage.

"Aufgrund meiner persönlichen Beschaffenheit könnte ich aber nicht damit umgehen einen Partner zu haben der sich tage- oder wochenlang völlig ausklinkt"

- Tja, dann gehörst Du wahrscheinlich zu jenen Menschen, die ihren Partner wegen seiner Depression verlassen würden.
Solche gibt's leider viel zu viele.
Dein Bericht über Deine Freundin deutet ebenfalls darauf hin, daß Du (leider) keine sehr großen Anstrengungen machst, die Krankheit Depression tatsächlich zu verstehen.

---Ich habe den Eindruck, dass ihr euch nicht bemüht, den Gesunden zu verstehen.Worauf ich hinauswill: ich sehe nicht ein, dass nur der Kranke Rechte hat.Wenn ich diese Schweigepausen, die Angst nicht mehr ertragen kann, habe ich das Recht dazu, die Beziehung zu beenden.
Was meine Freundin angeht, so bin ich nach ihrer Aussage, die einzige, die sie überhaupt versteht.Aber ein ganz kleines bißchen müßte sie auch einmal etwas tun, ein ganz kleines bißchen nur.
Ich halte es für ganz wichtig, dass sie lernt, mich anzurufen wenn sie in Not ist.
Hätte ich sie nicht damals zufälligerweise angerufen wäre sie womöglich heute tot.

"Ich frage mich auch oft ( ich möchte keinen verletzen, aber sagen was ich denke) ob nicht gelegentlich.nicht immer- unter dem Psychojargon der Abgrenzung und der Übergriffe ein gewisser Egoismus herangezüchtet wird."

Was ist denn daran egoistisch, wenn jemand (oft zum ersten Mal in seinem Leben) NICHT mehr NUR für die anderen da ist? Immerhin mußte sich der Betreffende auf ziemlich schmerzhafte Weise (eben durch die Erkrankung an Depressionen) von seinem Körper und seiner Seele darauf hinweisen lassen, daß es ihn SO, wie er es bisher immer tat, kaputtmachte?

Und hältst Du es wirklich für angebracht, abwertende Begriffe ("Psychojargon") zu benutzen?
Hast Du hier im Forum eigentlich nichts gelernt?

----Es tut mir leid, Winnie, ich will keinen Streit, aber ich habe wirklich manchmal den Eindruck, dass sich manche Depressive auf ihrer Krankheit ausruhen und nicht dazu bereit sind, ihrem Partner ein wenig entgegenzukommen.
Wenn man etwas für sich selber tun kann, ist noch Energie da. Ich denke dabei an eine andere Freundin die in ihrer Depression nicht dazu imstande war, den Telefonhörer aufzunehmen.Sie hätte ganz gewiß nicht im Forum schreiben können.

Ich war bis jetzt fast ausschließlich mit psychisch kranken Menschen befreundet, ich habe eine Freundin während ihrer manischen Phasen begleitet, wenn ich nicht gewesen wäre, hätte meine Borderliner-Freundin ihre Rente nicht, mir war nichts zuviel und ich denke, dass ich das Recht dazu habe, bestimmte Dinge eben nicht zu wollen weil sie mich selber zerstören würden.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass ihr andere Sichtweisen garnicht hören wollt und einmal überlegt, ob man sich auf Kompromisse mit Menschen die einem wirklich sehr nahestehen einigen kann.
Grete
danideng
Beiträge: 1538
Registriert: 26. Feb 2006, 12:49

Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von danideng »

Liebe Grete,

ich hatte irgendwie ein komisches Gefühl, als ich deinen Beitrag jetzt gelesen hab. Das ist doch genau das Problem, dass Depressive haben: IMMER auf andere Rücksicht zu nehmen, es IMMER allen recht machen zu müssen. Wir ruhen uns doch da nicht aus, ich für meinen Teil hab das Gefühl, um jedes noch so kleine Stückchen Egoismus verdammt hart kämpfen zu müssen, und wenn ich es MAL schaffe, dann mit einem sauschlechten Gewissen, so dass es einem die Luft abschnürt.

Und wieder soll man irgendwas müssen, irgendeine Pflicht erfüllen, wieder Rücksicht nehmen auf andere. Das Problem ist doch, dass man jahrelang keine Rücksicht auf sich selbst genommen hat, sonst wär man doch nicht da, wo man jetzt ist.

Und da heißt es jetzt dagegensteuern, und dann hat man eine Freundin, die sofort wieder sagt, du könntest ruhig mal ein bisschen Rücksicht nehmen.... Toll...., ich erwarte das von dir, also muss ich es dir recht machen, und schon bin ich wieder in diesem Kreislauf drin.

Klar versteh ich auch, dass es für den anderen verdammt schwer ist, aber sollte sich nicht grad in schweren Zeiten der Gesunde eher dem Kranken anpassen als umgekehrt? Die Kranken bemühen sich doch eh, meinst du nicht?

Viele Grüße
Dani
Dani1112
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