Sie kommt zurück

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ff
Beiträge: 80
Registriert: 25. Aug 2003, 22:44

Sie kommt zurück

Beitrag von ff »

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

ich glaube, die Depression kommt wieder zurück.
Seit Wochen ging es mir so gut wie schon lange nicht mehr. Endlich glaubte ich, die Depression habe ich nach genau drei Jahren Kampf unter Kontrolle. Das heißt, ich war so stark, dass ich die kleinsten Anzeichen einer Depression niedermachen konnte.
Ich war wie ausgewechselt. Vergangene Woche hatte ich einen starken Magen-Darm-Infekt mit Übelkeit, Appetitlosigkeit.
Ich vermute, dass da vielleicht eine Portion Psychosomatik mitgemischt hat.
So ganz wieder obenauf bin ich noch nicht.
Trotzdem habe ich heute eine Infoveranstaltung besucht, die für mich aus beruflicher Hinsicht sehr interessant war. Ich bin immer noch auf der Suche nach einer neuen beruflichen Herausforderung.
Was mich sehr beschäftigt seitdem, ist ein Verhalten eines Bekannten, den ich nicht so gut persönlich kenne, aber mir bislang sympathisch erschien. Ich kannte ihn aus meiner früheren beruflichen Tätigkeit und seit einer Veranstaltung vor über drei Jahren duzen wir uns, eigentlich. Ich habe ihm damals kurzerhand auf einer Veranstaltung das Du angeboten.
Zwischendurch bei Begegnungen haben wir uns immer freundlich und locker begrüßt.
Zu meiner Verwunderung war er heute auch auf der Infoveranstaltung. Ich begrüßte ihn mit Vornamen und nahm neben ihn Platz.
Wir haben locker geplaudert, nur beim gemeinsamen Herausgehen fiel er in das "Sie" zurück, was ich zuerst gar nicht so gerafft habe, dachte ich, da hast du dich überhört.
Er wünschte mir noch in der "Sie-Form" alles Gute für meine Zukunft und ich meinte darauf, man läuft sich bestimmt noch einmal über den Weg.
Ich weiß nicht, ob ihr mir mir nachfühlen könnt, aber der gute Flow von diesem Nachmittag war auf einmal weg. Wollte er nun doch nicht geduzt werden? War er wohlmöglich in irgendeinem Konversationsschema, was ihm selbst nicht so bewusst ist?
Aber ich fühle mich so verunsichert, zurückgesetzt, denn wenn mann einem einmal das Du anbietet und es wird akzeptiert, darf man es nicht wieder zurücknehmen. Das ist ja unhöflich.
Mein Selbstbewusstsein hat einen mächtigen Schlag abbekommen. Was für Außenstehende nicht so krass empfunden wird, wohlmöglich.
Aber wir Depris nehmen ja alles sehr sehr schnell persönlich.
Ich weiß, dass ich wegen des Infektes sowieso angeschagen bin, aber die Stärke, Gelassenheit, die ich vor kurzem noch besaß, ist weg. Ich finde auch keinen Zugang mehr zu ihr hin.
Zur Beruhigung habe ich seit Monaten jetzt etwas für die Nacht genommen.
Aber da ist wieder eine Verletzung in mir, die muss jetzt abheilen.
Meine Motivation ist ziemlich niedrig, und ich ärgere mich über mich, dass ich wieder so hänge.
Sind wir denn alle so narzistisch, so von uns so eingenommen? Ich ärgere mich auch, dass ich auf das plötzliche Siezen nicht reagiert habe. Mir fiel aber auch nichts ein.
Wenn ich da nur schlagfertig gewesen wäre.
Aber ich war schon erschöpft von den ganzen Vorträgen, war auch verspannt.
Meine ehemalige Reha-Ärztin meinte damals herausgefunden zu haben, dass ich eine überzogene Ich-Persönlichkeit hätte.
Daran habe ich auch gearbeitet, aber bei so Vorfällen wie den heutigen, da habe ich keinen klaren Kopf mehr und die Emotionen ihren freien Lauf.
Ich wünsche mir nur wieder die Stärke zurück, über den Dingen stehen zu können.
Manchmal glaube ich, dass ich "von oben" her immer wieder getestet werde und mir die Situationen ungeschminkt präsentiert werden, um zu sehen, wie ich wohl damit umgehen werde. Greift das alte Muster oder reagiere ich schon mit den neuen Strukturen.
Hoffe, ihr könnt verstehen, was ich meine.

Liebe Grüße
ff
Liber
Beiträge: 1491
Registriert: 4. Jun 2006, 18:09

Re: Sie kommt zurück

Beitrag von Liber »

Liebe(r) ff,

deine Gefühle, die die Reaktion des Bekannten ausgelöst hat, kann ich so gut verstehen!

Ich kenne das selbst sehr gut, wie mir durch ein als ablehnend und verletzend empfundenes Verhalten eines anderen Menschen der Boden unter den Füßen weggezogen wird.

Typisch Depri beziehe ich dann so etwas auch persönlich auf mich und lasse mich dadurch sehr verletzen, fühle mich abgewertet und gerade, wenn nicht nachvollziehbar ist, aus welchen Gründen das passiert ist, tief innerlich verunsichert und als stimme etwas nicht mit mir.

Ich weiß dabei, dass dies meine eigenen Gedanken und Projektionen sind und der Realität nicht entsprechen.

Nur ist es sehr schwer, dieses Wissen auf diese tief verwurzelten Gefühle anzuwenden, nicht?

Welche Gründe der Bekannte für sein Verhalten hatte, das wissen wir nicht. Wenn es nichts gibt, was es von deiner Seite aus erklären könnte, dann liegen die Gründe einzig und allein bei ihm. Vielleicht fühlte er sich selbst an diesem Tag nicht wohl, vielleicht hatte er Probleme, vielleicht fühlte er sich von der Fortbildung überfordert ... es gibt sehr viele Möglichkeiten, die allein in ihm begründet sind.

Bei mir selbst zu bleiben und Dinge, die nicht zu mir gehören, beim anderen zu lassen, das mag das "Geheimnis" hier sein.

Wenn es dir möglich gewesen wäre, das in der Situation zu trennen, hättest du ihn vielleicht ganz locker fragen können, weshalb er denn auf einmal so förmlich geworden ist. Ohne dies Verhalten auf dich persönlich zu beziehen.

Und jetzt ist es ganz wichtig, dass du dich davon nicht in eine Depression hinabziehen lässt, sondern diese Situation als Übungssituation ansiehst. "Gut, diesmal ist es mir noch nicht gelungen, aber ich habe erkannt, was geschehen ist. Das nächste Mal ... "!

Alles Gute und liebe Grüße

Brittka
Caren
Beiträge: 73
Registriert: 6. Aug 2006, 10:24

Re: Sie kommt zurück

Beitrag von Caren »

Hallo ff,

ich denke, daß solch kleiner Vorfälle wie diese Duz-Geschichte nur noch der berühmte letzte Tropfen sind. Eigentlich hat sich bis dahin wahrscheinlich schon vieles angesammelt, was man bewußt gar nicht so wahrgenommen hat. Dazu warst Du ja rein physisch auch noch nicht wieder richtig fit.

Ich bin selber übrigens auch jemand, der Du und Sie schnell mal durcheinanderwirft. Bei mir gibt es auch Personen, mit denen ich mich eigentlich duze, aber bei denen ich, wenn ich selber gedanklich gerade auf irgendetwas anderes konzentriert bin, versehentlich ins Siezen zurückfalle. Nicht, weil ich die Person nicht mag oder ich damit eine größere Distanz zu ihr demonstrieren wollen würde, sondern einfach, weil ich etwas völlig anderes im Kopf habe. Gerade berufliche Situationen, in denen es vom äußeren Rahmen her schon eher förmlich zugeht, lassen mich hin und wieder in dieses Fettnäpfchen tappen. Das ist dann wirklich keine böse Absicht.

Ähm... auch ganz Depri-Persönlichkeit - ich nehme mir selber diesen Fauxpas dann immer sehr übel. "Oh, Mist, jetzt hast Du zu XY schon wieder "Frau Z" gesagt - jetzt denkt sie bestimmt, Du magst sie nicht" *schäm*

Liebe Grüße
blackjack3
Beiträge: 98
Registriert: 15. Jun 2006, 20:32

Re: Sie kommt zurück

Beitrag von blackjack3 »

Hallo ff
Kenne das ebenfalls vom beruflichen her. Ich hab mich jetzt für das "Sie" entschieden und bleib dabei, sozusagen die sichere Seite.
Tut mir leid, das es dir nicht gutgeht, denke aber, du machst auch grad einiges mit.
Ich wünsche dir mal gute Besserung und vielleicht bis heute abend
Liebe Grüße blackjack
ff
Beiträge: 80
Registriert: 25. Aug 2003, 22:44

Re: Sie kommt zurück

Beitrag von ff »

Hallo Leute,

danke für Eure Antworten, die mir sehr gut taten. Habe heute über vieles nachgedacht, auch über gestern. In mir ist ehrlich gesagt so etwas wie Wut und Enttäuschung. Das andere Gefühl, über den Dingen zu stehen, scheint zwar irgendwoie da zu sein, aber nicht so stark, um sich durchzusetzen.
Bin körperlich immer noch angeschlagen und ich führe deswegen auch meine Schwäche darauf zurück. Nur ich merke, dass ich noch viel an meinem Verhalten ändern muss, das geht am besten bei Ausgeglichenheit und Erfolgserlebnissen. Mein Selbstbewusstsein ist natürlich von meinen Selbstzweifeln ordentlich geprägt. Also, man merkt mir schon an, dass ich manche Dinge anders meine als ich sage. Augen lügen nicht.
Wisst ihr, wie man sich gegen negative Gedankenströme, die teilweise Wut und Aggression, Schadenfreude beinhalten,zur Wehr setzen kann?
Wenn man nicht weiß, was Sache ist, dann nehmen die meisten wohl eh die positiven Gründe als Möglichkeit an. Bei mir ist es genau umgekehrt, ich sehe alles sehr skeptisch, pessimistisch. Wie soll da ein positives Selbstwertgefühl entstehen?
Ich finde Leute, die immer nur alles erst einmal positiv eigentlich eher naiv und oberflächlich. Ich analysiere direkt immer etwas und hinterfrage jedes Teilchen.
Ich weiß bein einem guten gesunden Selbstbewusstsein kann vieles direkt abprallen. Bei mir bleibt dann aber immer was hängen, was kräftig und intensiv an mir herumnagt.
Wäre schön, wenn Ihr mir ein paar Ratschläge geben könntet.

LG
ff
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