Geschichten, Gedichte...

deliverance
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Geschichten, Gedichte...

Beitrag von deliverance »

Uta´s thread hat mich darauf gebracht, hier eine sammelstelle für geschichten oder gedichte aufzumachen.
Ich finde nämlich auch- wie die meisten von euch- dass es wahnsinnig gut tut, sich alles von der Seele zu schreiben. Zwar wirkt es keine Wunder, aber es ist doch immer schön zu sehen, wie sich der ganze Mist im Kopf zu etwas schönem verwandelt. Also, traut euch! Ich selbst habe mal meinen ordner durchgeblättert und ein Gedicht gefunden, das den Anfang machen soll.

Das Wasser steigt
Kalte Tränen auf meiner Haut
Über mir nur Dunkelheit
Die Sterne
leuchten schon lange nicht mehr
Ihr Licht
liegt eingefroren in meinem Herzen
Nur eine Erinnerung
wie so viele
Die Stimmen werden lauter
hier in der Dunkelheit
Gibt es noch andere Seelen
auf ihren Inseln
oder
steht nur mir
das Wasser bis zum Hals
In meinem Kopf
toben immernoch die Stürme
die das Wasser brachten
Überall Wasser
Ich habe so großen Durst
und kann nicht trinken
Die Stimmen
flüstern in mein Ohr:
Rette dich
du kannst nicht schwimmen
"Die Frage ist nicht, woher wir kommen, sondern wohin wir gehen- und ob wir gehen!"
Pfote
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Re: Geschichten, Gedichte...

Beitrag von Pfote »

Schmerz

von Annegret Kronenberg



Schmerz, du ungebetener Gast,

wie oft holst du mich aus tiefstem Schlaf,

um mir zu zeigen, daß du wieder da bist.

Am Tage verfolgst du mich auf Schritt und Tritt,

machst so manches Vorhaben zunichte.

Rücksichtslos zeigst du mir

stetig meine Grenzen.

Manchmal betäube ich dich,

was du mir später doppelt heimzahlst.

Wenn ich stumm werde,

weil du jede Freude,

jedes Lächeln in mir ersticktst,

wenn ich mich schließlich

in mich verkrieche,

können nur noch meine

stillen Tränen ausdrücken,

was ich fühle.


Dieses Gedicht habe ich nicht selbst geschrieben, aber ich finde es sehr passend!!!
Wir können nicht leben, wenn wir die Sonne nicht sehen!
Cyberwalk
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Re: Geschichten, Gedichte...

Beitrag von Cyberwalk »

Hallo May,

danke für die schöne Idee. Ich habe selbst noch nie eine Geschichte oder ein Gedicht geschrieben (abgesehen von der Schule), aber im Moment ist mir sehr danach.


Traurigkeit, 10 Jahre lang, ich habe sie gelebt.

Einsamkeit, 10 Jahre lang, ich habe sie ertragen.

Leere, 10 Jahre lang, ich habe sie geduldet.

Und ich hab's überlebt. Der Mensch kann so viel verkraften.

Ich habe eine Sekunde lang eine Vorstellung von Glück, von Freude, von Geborgenheit und Ruhe erlebt.

Genug, um Hoffnung zu schöpfen.

Nicht genug für weitere 10 Jahre Gefängnis, aber genug für die Kraft zum Kämpfen.
deliverance
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Re: Geschichten, Gedichte...

Beitrag von deliverance »

Danke für die schönen Beiträge!
Cyrano, auch wenn du selbst sagst, du hättest noch nie etwas geschrieben- sind Gedichte nicht einfach ein Ausdruck unserer Emotionen? Ich finde, du hast ein sehr schönes und bewegendes Gedicht zustande gebracht!


Leise
Ganz leise
Weck sie nicht
Sie schlafen gerade
Endlich Ruhe
inmitten des Chaos
Steh
Beweg dich nicht
Weck sie nicht
die Dämonen
die in dir ruhen
Bald schon
Zu bald
erheben sie sich
stärker als je zuvor
Sie beherrschen dich
Sie rauben dir die Kraft
Sie lassen das Atmen
zur Last werden
Also schweig
Sprich
nicht einmal zu dir selbst
Du willst doch nicht
dass sie dich finden
Die Stille
ist dein einziger Schutz
Sprich nicht
Lauf nicht
Schlafe nicht
Hör am besten auf
zu existieren
"Die Frage ist nicht, woher wir kommen, sondern wohin wir gehen- und ob wir gehen!"
nina*tina

xxx

Beitrag von nina*tina »

Pfote
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Re: Geschichten, Gedichte...

Beitrag von Pfote »

Sehnsucht....

Ich fühl mich grade wie ein Stein.
Nutzlos, verdreckt, wirklich klein.
Wo liegt der Sinn in diesem Leben?
Oder sollte es ihn nicht geben?

Gedanken drehen sich im Kreis.
Würd am liebsten sterben, um jeden Preis.
Das Leben hat doch keinen Sinn,
Wenn ich eh nicht brauchbar bin.

Ich schneide mich mit einem Messer.
Erst danach geht es mir besser.
Würd am liebsten ein Ende setzen.
Meine Pulsader verletzen.

Doch dazu fehlt mir echt der Mut.
Bin zu feige, das ist nicht gut.
Warum nur hat man mich geboren,
Grad mich zum Leben auserkoren?

Hab keine Lust mehr auf dieses "Leben".
Muss es mich denn wirklich geben?
Diesmal wein ich rote Tränen,
Das musste ich nun mal erwähnen.

Für mich ist Leben eine Qual.
Doch - hab ich eine andere Wahl?
Warum nur dieses triste Leben?
Besserung wird es nicht geben.

Ich frage mich, warum ich bin.
Hat mein Leben einen Sinn?
Ich weiß, ich hab ein kaltes Herz.
Und dies erfüllt mich mit Trauer und Schmerz.
Wir können nicht leben, wenn wir die Sonne nicht sehen!
imagine
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Re: Geschichten, Gedichte...

Beitrag von imagine »

Liebe Dani,
dein Gedicht macht mich tief betroffen, ich kann dich so gut verstehen...
auch wenn ich zur Zeit grade mal ein Stückchen weiter bin...
Du Armes
imagine
Schweigen ist die unerträglichste Art der Erwiderung (Chesterton)
Regenwolke
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Re: Geschichten, Gedichte...

Beitrag von Regenwolke »

Vor dem Schlafengehen neben eure anrührenden Gedichte noch ein trauriges, das mir immer sehr nah war:


In der Welt

Ich lasse mein Gesicht auf Sterne fallen,
Die wie getroffen auseinander hinken.
Die Wälder wandern mondwärts, schwarze Quallen,
Ins Blaumeer, daraus meine Blicke winken.

Mein Ich ist fort. Es macht die Sternenreise.
Das ist nicht Ich, wovon die Kleider scheinen.
Die Tage sterben weg, die weißen Greise.
Ichlose Nerven sind voll Furcht und weinen.

(Paul Boldt)


Gute Nacht,
Regenwolke
deliverance
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Re: Geschichten, Gedichte...

Beitrag von deliverance »

Das ist ein wirklich schönes Gedicht, Regenwolke... Ich habe von diesem Dichter noch nie etwas gehört.
Dani, dein Gedicht hat mich sehr betroffen gemacht. Ich kenne dieses Gefühl nur zu gut und es hat mich an etwas erinnert, was ich einmal geschrieben habe...


Ich will den Spiegel zerschlagen
und die Person in ihm
Die Person
die starr lächelt
ohne Freude zu zeigen
Die Person
die ich nicht bin
auch
wenn andere ihr meinen Namen geben
Ich will nicht mehr
lächeln wenn es in mir schreit
Ich will
diese Haut von mir schälen
die so schmutzig ist
Meine Kleider zerreißen
die nur geliehen sind
Will endlich
den Schrei hören von meinen Lippen
um zu wissen
ich bin noch da
ich lebe noch
irgendwie
"Die Frage ist nicht, woher wir kommen, sondern wohin wir gehen- und ob wir gehen!"
blackjack3
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Re: Geschichten, Gedichte...

Beitrag von blackjack3 »

Hallo may
Das Gedicht "Leise, Ganz leise" hat mich sehr berührt...
Es ist so schwer in Worte zu fassen, was man fühlt.
Grüße blackjack
deliverance
Beiträge: 70
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Re: Geschichten, Gedichte...

Beitrag von deliverance »

Hallo blackjack,
versuch es doch einfach mal. Es geht nicht darum, deine gefühle zu verpacken. sie kommen von alleine. Wenn es dir schlecht geht und du willst schreien, dann schreib das. Die worte kommen zu dir, du musst sie nicht suchen. würde sehr gerne etwas von dir lesen.
Liebe grüße may
"Die Frage ist nicht, woher wir kommen, sondern wohin wir gehen- und ob wir gehen!"
Regenwolke
Beiträge: 2214
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Re: Geschichten, Gedichte...

Beitrag von Regenwolke »

Hallo may,

Du schreibst wirklich schön und gerade das letzte Gedicht ist für mich sehr gut nachzuempfinden.

Über Paul Boldt weiß ich auch so gut wie nichts, er hat zu den Expressionisten gehört, glaub ich, "In der Welt" ist mir jedenfalls vor vielen Jahren mal in einem Sammelband expressionistischer Lyrik in die Hände gefallen und dann "hängengeblieben".

An ein anderes wunderschönes Gedicht, auf das ich - auch ohne was über die Dichterin zu wissen - zufällig gestoßen bin, mußte ich bei deinem ersten Gedicht ganz oben denken (vielleicht, weil Du schreibst "die Sterne leuchten schon lange nicht mehr"):


Der Stern der Mitternacht
 
Der Stern der Mitternacht ist aufgegangen
alle andern Gestirne sind nicht mehr
der Wind hat aufgehört zu wehen
die Tiere atmen nicht mehr
Mein Leib ist nur noch Auge
das starrt zum unendlichen Himmel
in seinen einzigen Stern.

(Paula Ludwig)



Viele Grüße,
Regenwolke
lauren
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Registriert: 3. Jun 2006, 16:20

Re: Geschichten, Gedichte...

Beitrag von lauren »

Ich will nicht mehr leben
würde alles für den Tod geben.
Mein Leben hat keinen Sinn,
ich weis nicht für was ich auf Erden bin.
Ich kann nicht mehr, fühle mich so leer
ich kann das nicht verstehen,
warum kann ich nicht von dieser Erde gehen
dass ich alles was ich hasse
hinter mir lasse,
dass entlich wäre Schluss
und ich nicht mehr leben muss.
Ich bitte in meiner Not,
schenk mir doch den Tod.

Das habe ich vor 6 Jahren geschrieben alls es mir sehr schlecht ging.
Erde halt an, ich will aussteigen;
ricky
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Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Geschichten, Gedichte...

Beitrag von ricky »

Hallo Ihr,

ich bin echt berührt von euren Gedichten!
Komischerweise habe ich noch nie versucht, selbst eins zu schreiben.
Sollte es vielleicht mal versuchen...

LG und danke
Uta
*Zahme Vögel haben Sehnsucht. Wilde fliegen.*
Sinthoras
Beiträge: 26
Registriert: 29. Jun 2006, 06:29

Re: Geschichten, Gedichte...

Beitrag von Sinthoras »

Gefangen


Gefangen in eigenem Hause,
mache ich eine Pause,
eine Pause vom Leben draußen,
dem zu entgehen ist mein Wunsch.

Leben so Laut und brüllend,
hektisch, steht nicht stille,
pulsiert die ganze Zeit,
unerträglich zu jeder Zeit.

So schließe ich Fenster und Türe,
um dem bunten Treiben zu entfliehen,
bin gefangen in meinem Hause,
und etwas Ruhe kehrt ein.

Ruhe suchte ich so lang,
doch wird mir nun bang,
allein und von allem verlassen,
bin ich Gefangener meiner selbst.

Entflohen dem Leben zu meinem Schutz,
sitz ich nun geduckt und allein,
in meiner Wohnung in Ruhe,
gefangen in mir selbst.

Dem Schutz zu entfliehen ist schwer,
trau mich nicht mehr raus,
weiß ich doch nicht, wohin,
so sitz ich in Ruhe doch allein.

Sehnsucht nach dem Leben,
nach einer Priese, Menschlichkeit
doch gelingt mir nicht zu fliehen,
aus meiner gefangenen Einsamkeit.


Paindar, 25.07.06





Treibsand

Weite soweit das Auge reicht,
keine Menschenseele weit und breit,
allein und verlassen stehst du da,
verschwindend klein die Existenz,
wirst dir bewusst wer du bist,
singst ein im Treibsand der Gefühle,
kein Ast der dir gereicht,
keine Hand die dich ergreift,
bist allein mit allen Sorgen,
Gefangener deiner selbst,
merkst doch zu Späth wies um dich bestellt,
Singst tiefer ein als dir bewusst,
zieht dich tiefer bis zum Schluss,
rettend Hände die dir gereicht,
hast du verwert und nicht erreicht,
so hat dich nun gefangen deine Qual,
Treibsand sagst du alle mal,
doch werde dir bewusst,
es ist das Leben was du suchst,
also lass nicht Hoffnung fahren,
las dich nicht Begraben,
fas das Leben nun am Schopf,
zieh dich selber aus dem Loch,
nimm die Hände die dir gereicht,
es wird nicht leicht,
doch hast du diesen schritt getan,
wird kein Treibsand mehr deine Qual!


Paindar/ 2006
Weltenwandlerin
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Re: Geschichten, Gedichte...

Beitrag von Weltenwandlerin »

Hier etwas von mir, dass ich mal in einem anderen Forum zum Thema "Verzweiflung" geschrieben habe:

Den Sternen entgegen

Sie kommt, hüllt dich ein
in ihren dunklen, schweren Umhang.
Du kämpfst, bekommst kaum Luft,
versuchst dich frei zu strampeln.
Und wirst immer schwächer.

Müdigkeit wohnt nun in dir.
An diesem point of no return angekommen
merkst du,
dass der Mantel dich auch schützt und wärmt.
Vor dem Sturm.
Und in dem Moment, wo du ihn schätzen lernst, kannst du schon besser atmen.

Ein, aus. Freiheit.

Der Sturm zieht vorrüber, dir ist nichts passiert.
Wie jedes Mal hast du ihn überstanden.

Du bist Sturm. Du bist Kraft!
Lachend wirfst du den alten Mantel weg
und hebst dein Gesicht den Himmel.

Wieder bist du ein Stück gewachsen,
den Sternen entgegen.



Mika
Werden kennt kein Ende. Der Strom fließt weiter. Jeder Augenblick ist neu. Der Schmerz des Wachsens: der Mühen wert! (Bruno-Paul de Roeck)
Annabel
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Re: Geschichten, Gedichte...

Beitrag von Annabel »

Geschichten und Gedichte... eine wirklich gute Idee !
Manchmal hilft es ein wenig, seine Gedanken zu formulieren.
Bin gerührt von Euren geschriebenen Gedanken; kann sie gut nachvollziehen. In schwierigen Zeiten habe ich oft Verse oder sowas wie Gedichte geschrieben. Es sind keine Meisterwerke, müssen es ja aber auch gar nicht sein.
Hier eines, das trotz seiner Traurigkeit vielleicht auch Euch sagt, daß am Ende des "Tunnels" auch wieder Licht kommen wird.

MANCHMAL...

Manchmal, wenn mir die Seele entgleist
manchmal, wenn ich so traurig bin
daß der dünne Faden reißt
an dem die Vernunft noch hängt
dann kann es passieren, daß ich mich frage:
Ertrage ich das auch noch ?

Manchmal, wenn kein Lächeln mehr gelingt
manchmal, wenn ich inmitten von Menschen
dennoch unendlich einsam bin
wenn der Horizont verschwimmt
in tausend trüben Gedanken,
dann kann es passieren, daß ich mich frage:
Überwinde ich das auch noch ?

Manchmal, wenn eine Hoffnung sich verliert
manchmal, wenn ich gänzlich ratlos bin
wenn sich nichts mehr in mir rührt
außer der blanken Verzweiflung,
dann kann es passieren, daß ich mich frage:
Schaff´ich das denn auch noch ?

Auch wenn´s oft gar nicht so scheint,
man schafft es immer wieder doch !

LG
Anna
Pfote
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Re: Geschichten, Gedichte...

Beitrag von Pfote »

AN MAY:

Dein Gedicht gefällt mir auch sehr gut, vor allem der letzte Satz:
"ich lebe noch-irgendwie".

IRGENDWIE-ja, so fühle ich mich schon seit längerer Zeit.
Doch wäre es nicht besser, doch endlich Schluß zu machen?
Was hat das für einen Sinn, jeder Tag ist gleich, kein Tag vergeht, an dem diese verdammten Schmerzen nicht da sind, man fühlt sich nicht mehr gebraucht, schafft nichts mehr-nennt man das LEBENSWERT?
ICh weiß es nicht....vielleicht....irgendwie

Dani
Wir können nicht leben, wenn wir die Sonne nicht sehen!
Annabel
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Re: Geschichten, Gedichte...

Beitrag von Annabel »

ETWAS ZUM NACHDENKEN..
Habe heute in einem alten Gedichtband gelesen. Dieses nachfolgend zitierte Gedicht hat mich nachdenklich gemacht. In Religionen und in der Philosophie wird gesagt, daß man durch Leid lernt und wächst. Vielleicht sollte man versuchen, es daher nicht ausschließlich negativ zu sehen...

In meine Seele fiel ein schweres Weh,
gleich wie ein Stein in einen tiefen See,
und um die Wunde, die der Stein geritzt,
aus der springquellgleich das Leben spritzt,
baut Heilung ihre Dämme, Ring für Ring..
Bald blaut mein See gestillt, das Weh verging,
verzitternd uferwärts im letzten Kreis.
Die Tiefe aber gibt ihr Weh nicht preis,
denn jeder Stein befestigt ihren Grund,
hilft tragen ihrer Wasser weites Rund.
So wird gewandelt Weh zum Fundament,
so wird zum Segen, was man Schmerzen nennt..

von Hella Zahrada
aus dem Buch "Die Ephides-Gedichte",
Erstausgabe 1933


Ich persönlich finde dieses alte Gedicht wunderschön - und hoffnungsvoll für alle.
LG
Anna
Sadness
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Re: Geschichten, Gedichte...

Beitrag von Sadness »

Ein wirklich schöner Thread. Ich schreibe auch Gedichte, aber ich möchte hier keine reinsetzen von mir. DAfür habe ich aber eine wunderschöne Geschichte (NICHT VON MIR!), die vielleicht einige von Euch auch schon kennen. Ich liebe diese Geschichte:

Die Geschichte von der Traurigkeit
(von Inge Wuthe)

Es war eine kleine Frau, die den staubigen Feldweg entlang kam. Sie war wohl schon recht alt, doch ihr Gang war leicht und ihr Lachen hatte den frischen Glanz eines unbekümmerten Mädchens. Bei einer zusammengekauerten Gestalt blieb sie stehen und blickte hinunter. Sie konnte nicht viel erkennen. Das Wesen, das da im Staub des Weges saß, schien fast körperlos. Es erinnerte an eine graue Flanelldecke mit menschlichen Konturen.

Die alte Frau bückte sich ein wenig und fragte "Wer bist Du ?"
Zwei fast leblose Augen blickten müde auf "Ich,? Ich bin die Traurigkeit", flüsterte die Stimme stockend und so leise, dass sie kaum zu hören war.
"Ach, die Traurigkeit!", rief die alte Frau erfreut aus, als würde sie eine alte Bekannte begrüßen.
"Du kennst mich?" fragte die Traurigkeit misstrauisch.
"Natürlich kenne ich dich!!! Immer wieder einmal hast du mich ein Stückchen des Weges begleitet."
"Ja, aber...." argwöhnte die Traurigkeit, "warum flüchtest du dann nicht vor mir? Hast du denn keine Angst?"
"Warum sollte ich Angst haben? Warum davon laufen? Du weißt doch selbst nur zu gut, dass du jeden Flüchtigen einholen kannst. Aber was ich dich fragen will: Warum siehst du so mutlos aus ?"
"Ich .... ich bin traurig" antwortete die graue Gestalt mit brüchiger Stimme.
Die kleine alte Frau setzte sich zu ihr. "Traurig bist du also?" sagte sie und nickte verständnisvoll mit dem Kopf. "Erzähl mir doch, was dich so bedrückt?"
Die Traurigkeit seufzte tief. Sollte ihr dieses Mal wirklich jemand zuhören wollen? Wie oft hatte sie sich das schon gewünscht.
"Ach, weißt du", begann sie zögernd und äußerst verwundert, "es ist eben so, das mich einfach niemand mag. Es ist nun mal meine Bestimmung, unter die Menschen zu gehen und eine gewisse Zeit bei ihnen zu verweilen. Aber wenn ich zu ihnen komme, schrecken sie zurück. Sie fürchten sich vor mir und meiden mich wie die Pest."
Die Traurigkeit schluckte schwer. "Sie haben Sätze erfunden mit denen sie mich bannen wollen. Sie sagen papperlapapp, das Leben ist heiter. Und ihr falsches Lachen führt zu Magenkrämpfen und Atemnot. Sie sagen: Gelobt sei, was hart macht, und dann bekommen sie Herzschmerzen. Sie sagen: man muss sich nur zusammenreißen, und sie spüren das Reißen in den Schultern und im Rücken. Sie sagen nur Schwächlinge weinen, und die aufgestauten Tränen sprengen fast ihre Köpfe. Oder sie betäuben sich mit Alkohol und Drogen, damit sie mich nicht fühlen müssen."
"Oh je", bestätigte die alte Frau, "solche Menschen sind mir oft begegnet."

Die Traurigkeit sank noch ein wenig mehr in sich zusammen. "Und dabei will ich den Menschen doch nur helfen. Wenn ich ganz nah bei ihnen bin, können sie sich selbst begegnen. Ich helfe ihnen, ein Nest zu bauen, um ihre Wunden zu pflegen. Wer traurig ist, hat eine besonders dünne Haut. Manches Leid bricht wieder auf, wie eine schlecht verheilte Wunde, und das tut sehr weh. Aber nur wer die Trauer zulässt und all die ungeweinten Tränen weint, kann seine Wunden wirklich heilen. Doch die Menschen wollen gar nicht, dass ich ihnen dabei helfe. Stattdessen schminken sie sich ein grelles Licht über ihre Narben. Oder sie legen sich einen Panzer aus Bitterkeit zu."

Die Traurigkeit schwieg. Ihr Weinen war erst schwach, dann stärker und schließlich ganz verzweifelt.

Die kleine alte Frau nahm die zusammengesunkene Gestalt tröstend in ihre Arme. Wie weich und sanft sie sich anfühlt, dachte sie, und streichelte zärtlich das zitternde Bündel.

"Weine nur Traurigkeit", flüsterte sie liebevoll, "und ruh dich aus, damit du wieder Kraft sammeln kannst. Du sollst von nun an nicht mehr alleine wandern. Ich werde dich begleiten, damit die Mutlosigkeit nicht noch mehr Macht gewinnt."

Die Traurigkeit hörte auf zu weinen. Sie richtete sich auf und betrachtete erstaunt ihre neue Gefährtin. "Aber .... aber wer bist eigentlich du?"

"Ich?" sagte die kleine alte Frau schmunzelnd, und dann lächelte sie wieder so unbekümmert wie ein kleines Mädchen
"Ich bin die Hoffnung."


Liebe Grüße
Sadness (wie passend mein Name in diesem Zusammenhang )
Pfote
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Re: Geschichten, Gedichte...

Beitrag von Pfote »

Depression

Der Tag ist so dunkel,
ich sehe kein Licht.
Die Sonne am Himmel
scheint für mich nicht.

Mein Herz ist gebrochen
und traurig mein Blick.
Das Wort, das versprochen,
kam wieder zurück.

Es nahm mir die Hoffnung,
von der ich mich nährte.
Das Ziel der Erfüllung
von Glück ich begehrte.

Der Himmel ist für mich längst nicht mehr blau.
Die weißen Wolken erscheinen mir grau.
Der Tag lastet auf mir mit seinem Gewicht.
Wie ich ihn tragen soll, weiß ich noch nicht.

Mir fehlt das Gefühl für Schmerz oder Wut.
Zum Weglaufen habe ich auch keinen Mut.
Der Nebelschleier mich fast hat erstickt
und mir seine dunkelsten Träume geschickt.

Allein sitz ich hier in meinem Zimmer,
der Schrei meiner Seele erstickt in Gewimmer,
die Augen voll Tränen, das Herz voller Leid.
Ich denke nicht, daß das vergeht mit der Zeit.
Wir können nicht leben, wenn wir die Sonne nicht sehen!
karfunkel
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Re: Geschichten, Gedichte...

Beitrag von karfunkel »

Das ist ein toller Thread, eure Gedichte sind wunderschön und berühren mich sehr!


Fremd.
Die Welt um mich herum.
Fern.
Was zum Greifen nah ist.
Unwirklich.
Was ich berühre.
Verloren.
In mir selbst.
Meine Stimme pulsiert nach innen.
Hilfe. Rufe ich
und schneide mich ins eigene Fleisch der Erstarrung.
Mit offenem Mund.
Fallen mir die Zähne aus.
Gleiten in die Lunge. Das Atmen fällt schwer.
Meine Hand ist es, die eigene,
die ihn stopft. Die ich
in meiner Sehnsucht
Dir entgegenstrecke,
in meiner Wahrheit zurückreisse
über die ich Gewalt verliere,
und Ohnmacht gewinne.
Die Ohnmacht gewinnt.
Sie gewinnt den Hauptpreis.
Das Alles.
Frisst sich dort hin. Mit ihren
Hamsterbacken.
Manchmal erleichtert mich das.
Es schafft Platz.
Raum.
Neue Freiheit.
Bis mich der Widerhall meiner Schritte
so erschreckt,
dass ich zu stopfen beginne.
Von aussen nach innen.
Irgendwann muss das Loch gestopft sein.
Denke ich. Egal womit, auch noch.
Kein kalter Klang ohne Raum.
Gar kein Klang
Lieber ausgestopft.
Lieber als ob.


Alles Liebe, funkel
deliverance
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Re: Geschichten, Gedichte...

Beitrag von deliverance »

@Dani: Du fragst dich, ob dein Leben lebenswert ist? Dein Motto gibt mir eigentlich jeden tag eine antwort darauf. Du musst die Sonne sehen, irgendwo ist sie immer. Ich weiß selbst, wie schwer es ist, etwas schönes zu entdecken, aber ein funken hoffnung ist doch noch in jedem!

@Anna: Zu deiner Überlegung, ob die Traurigkeit nicht auch etwas positives hat habe ich einmal eine geschichte gelesen, deren autor ich aber nicht kenne... Den genauen wortlaut kenne ich nicht mehr, aber die handlung und bedeutung.

Tief unten auf dem Meeresboden lebte unter all den anderen Tieren einmal eine kleine Muschel. Es gefiel ihr sehr gut im Meer, und sie verstand sich gut mit den Fischen und Pflanzen. Oft diente ihr weiches Inneres kleinen Fischen als Bett und ihre harte Schale als Schutz vor großen Fischen. Die kleine Muschel kannte nur Fröhlichkeit und konnte sich gar nicht satt sehen an ihrer wunderschönen bunten Welt.
Doch eines Tages schwamm ein sehr, sehr großer Fisch an ihr vorbei und wirbelte den Sand auf. Ein kleiner Stein landete direkt in der kleinen Muschel und bohrte sich tief in ihr weiches, empfindliches Fleisch.
So einen Schmerz hatte die kleine Muschel nie zuvor gespürt! Und vor lauter Schmerz verschloss sie ihr hartes Gehäuse und wollte sich nie wieder ihr Zuhause ansehen.
Doch nach vielen, vielen Jahren merkte die Muschel, dass sie schon längst keine Schmerzen mehr hatte und die Welt draußen so sehr vermisste. Und als sie ihr Gehäuse öffnete, erstrahlte alles in hellem Glanz und alle Fische starrten sie an.
Denn auf den kleinen Stein von damals waren die Tränen der Muschel getropft, dort gehärtet und wo früher Schmerz war, lag nun eine prächtige, glitzernde Perle.
"Die Frage ist nicht, woher wir kommen, sondern wohin wir gehen- und ob wir gehen!"
Caramia
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Registriert: 5. Sep 2003, 20:03

Re: Geschichten, Gedichte...

Beitrag von Caramia »

Im Leben gibt es immer wieder Steine die man nicht wegräumen kann. Darum ist es gut sich neben ihnen einzurichten so gut es geht.















deliverance
Beiträge: 70
Registriert: 29. Jul 2006, 17:33

Re: Geschichten, Gedichte...

Beitrag von deliverance »

Es greift nach dir
Dieses Nichts
das dir doch alles genommen hat
Es greift nach dir
und will noch mehr holen
Du flehst und schreist
Ich habe nichts mehr
Alles
Alles hat das Nichts genommen
Hat dich deiner Sinne beraubt
und dich hinabgestoßen
in das kalte Dunkel
Hat sie mit sich genommen
deine Heiterkeit
Hat dich glauben lassen
du hättest sie nie besessen
Und jetzt
ist es zurück
Es greift nach dir
Es lebt von dir
Und du weißt
Es hört nicht auf
Du willst
dass es aufhört
Aber wie
Wie
besiegst du etwas
das du nicht siehst
Du kannst nicht kämpfen gegen
Nichts
"Die Frage ist nicht, woher wir kommen, sondern wohin wir gehen- und ob wir gehen!"
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