Huhn oder Ei - Bulimie oder Depression?

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kendra
Beiträge: 30
Registriert: 15. Jun 2006, 17:52

Huhn oder Ei - Bulimie oder Depression?

Beitrag von kendra »

Diese Frage beschäftigt mich schon seit längerem und ich habe immer noch keine Antwort für mich darauf. Seit meinem 16.Lebensjahr bis vor zwei Jahren habe ich an Bulimie gelitten, mich endlich davon befreien können und jetzt holen mich Depressionen (?) ein. Habe ich meine Depression nur mit den Symptomen der Bulimie verdeckt?
Mir ist auch aufgefallen, dass die körperlichen Symptome verstärkt auftreten 1-2 Stunden nachdem ich Sport betrieben habe, andererseits in den Hintergrund treten, wenn ich sehr viel esse, besonders Süssigkeiten. Ist alles also nur ein Stoffwechselproblem im Gehirn? Liegt die Ursache für dieses Stoffwechselproblem in meinen Genen oder in meiner psychischen Verfassung?
Soll ich diese Symptome ignorieren oder beachten?

Soviele offene Fragen, wer von Euch hat dazu Erfahrungen sammlen können?

Viele liebe Grüße Kendra
Weltenwandlerin
Beiträge: 677
Registriert: 9. Mai 2006, 13:19

Re: Huhn oder Ei - Bulimie oder Depression?

Beitrag von Weltenwandlerin »

Hallo Kendra,

dein Posting ist schon etwas her, habe es eben erst entdeckt.

Ich muss gestehen, dass ich von Bulimie kaum Ahnung habe. Du fragst, was war zuerst da- ist es denn so wichtig darauf eine Antwort zu finden? Meinst du, dass könnte dir in der Bewältigung helfen?

Was sagt denn dein Arzt/ Therapeut dazu?

Ich für meinen Teil fühle mich gerade nach dem Sport extrem gut. Nach Schokoladenverzehr allerdings auch...

Lg,
Mika
Werden kennt kein Ende. Der Strom fließt weiter. Jeder Augenblick ist neu. Der Schmerz des Wachsens: der Mühen wert! (Bruno-Paul de Roeck)
Rosenquarz1964
Beiträge: 14
Registriert: 8. Jun 2006, 19:51

Re: Huhn oder Ei - Bulimie oder Depression?

Beitrag von Rosenquarz1964 »

Guten Abend Kendra,

seit 25 Jahren habe ich schwerste depressive Episoden. Während dieser Zeit habe ich für 6 Jahre lang Bulimie gehabt. Als ich die Bulimie hatte, waren die Depressionen weg.

Du mußt alle Symptome beachten, weil Körper und Seele ein Ganzes sind.

Bulimie hat ja eine Funktion und die fällt jetzt weg, weil Du nicht mehr bulimisch bist.

Geh´doch mal zum Psychiater, weil Depressionen und Bulimie gefährlich sind und Du evtl. eine Pharmakotherapie brauchst.

MfG Rosenquarz
5MS8

Re: Huhn oder Ei - Bulimie oder Depression?

Beitrag von 5MS8 »

Hallo Kendra,

das ist eine gute Frage!

Auch ich habe ca. 15 Jahre lang an Bulimie gelitten. Geheilt war (und bin) ich davon nicht. Auch unter einer Depression litt und leide ich, seit ich denken kann. Ich habe zwischen beidem schon immer einen Zusammenhang gesehen insofern als ich glaube, dass sie eine gemeinsame Ursache / Wurzel haben. So war z.B. ein Essanfall, nachdem ich hernach nicht die Gelegenheit hatte, mich zu übergeben, oft der Auslöser für eine depressive Episode, weil mich dieses Völlegefühl und die Angst vor Gewichtszunahme extrem belasteten.

Meine Depression hat sich in den letzten Jahren sehr verstärkt. Ich habe auch immer noch Essanfälle, allerdings seltener, und ich erbreche nicht mehr. Der Grund für letzteres ist ein ganz praktischer: Meine zwei älteren Kinder sind mittlerweile so alt, dass sie abends oft lange aufbleiben. Das war aber eigentlich immer die Zeit für meine Attacken (+ anschließendes Erbrechen). Diese Gelegenheit fällt nun weg, da ich sozusagen unter Beobachtung stehen würde.

Es gab in den letzten vier Jahren einige tiefgreifende, problematische Veränderungen in meinem Leben (u.a. ein tödlicher Verkehrsunfall in meinem persönlichen Umfeld etc.). Auf diese Ereignisse, die auch zeitlich sehr geballt kamen, habe ich bisher die Verschlechterung meiner Depression zurückgeführt.

Ich frage mich aber (auch wieder angestoßen durch deinen Beitrag), ob nicht dadurch, dass die Bulimie nicht mehr als Ventil zur Verfügung steht, "ich" meine Probleme über die Depression ausagiere. Oder ob vielleicht der Verzehr von kohlehydratreichem Essen während der Essanfälle (und ein bisschen was bleibt ja immer im Körper, auch trotz Erbrechen), lange Zeit meinen Serotonin-Haushalt positiv beeinflusst hat, so dass die Depression dadurch abgemildert wurde.

Wenn das so wäre, müsste eigentlich die gezielte Zufuhr von "serotonergen" Lebensmitteln einen positiven Einfluss auf meine Depression haben (hat es auch sicher, aber ich meine jetzt langfristiger gesehen).

Hmmm - das habe ich bisher gar nicht so berücksichtigt (abgesehen von den Lachsölkapseln, die ich aber inzwischen auch nicht mehr so regelmäßig nehme). Eine wirklich nachdenkenswerte Frage, die du da aufgeworfen hast...

Lieber Gruß

Frau58
kendra
Beiträge: 30
Registriert: 15. Jun 2006, 17:52

Re: Huhn oder Ei - Bulimie oder Depression?

Beitrag von kendra »

Vielen Dank für Eure Antworten!

Ich komme erst jetzt dazu, zu antworten, weil ich 2 Wochen im Urlaub war, in der Schweiz zum Bergsteigen, eine Beschäftigung, die ich liebe...

Bei dieser Frage, wer zuerst bei mir da war, Bulimie oder Depression, geht es mir darum, mich einfach besser zu verstehen, auch wenn die Tatsachen von dieser Frage unabhängig sind. Es geht mir darum, zu lernen mit meinen Depressionen besser umgehen zu können, Auslöser erkennen zu können und Wege zu finden, dort herauszukommen. Es stellt sich immer wieder die Frage, was ist physiologisch bedingt und was psychisch, auf die ich keine Antwort weiss. Andererseits wozu brauche ich die Antwort.... Mist, so komme ich nicht weiter.

Mir geht es jetzt seit ein paar Wochen zufriedenstellend. Die körperlichen Symptome wie Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen usw. halten sich im erträglichen Rahmen und ich kann mein Leben wieder leben. Einen großen Einfluss hat dabei einfach die Tatsache gehabt, dass ich mich hier im Forum angemeldet habe und einige gute Threads führen konnte. Das alleine hat gereicht, um mich wieder nach oben zu holen.
Ich will meine Leben nicht in Watte packen, nur damit ich damit zurecht komme. Ich will Höhen und Tiefen, Unzulänglichkeiten und Konflikte einfach erleben ohne psychische Probleme dadurch zu bekommen. Und trotzdem reagiere ich sensibel und unsicher, wenn ich solche Situationen durchlebe.

Mir hat in den letzten Wochen der Gedanke weitergeholfen, mich einfach so anzunehmen, wie ich bin. Wenn ich halt so reagiere, dann ist es o.k.. Dies nimmt viel Druck von mir weg. Denn eigentlich will ich leben und mich nicht ständig mit meinen psychischen Problemen vereinnahmen lassen. Ausserdem nervt es mich auch, wenn alle meine Gedanken sich nur noch mit mir selbst beschäftigen, besonders wenn es mir physisch schlecht geht.

Ich will auch keine besondere Kraft mehr aufwenden, um möglichst normal zu leben, denn diese Kraft kann ich auf Dauer nicht aufbringen. Stattdessen versuche ich so zu leben, dass es "wie von alleine" geht und mich von meinen überzogenen Vorstellungen zu lösen.

Viele dieser Strategien haben mir geholfen die Bulimie lozuwerden, vielleicht hilft es ja auch bei den Depressionen

Meine Hochachtung an alle, die es geschafft haben, meinen Ausführungen bis hierhin zu folgen ...

Viele liebe Grüße Kendra
Rosenquarz1964
Beiträge: 14
Registriert: 8. Jun 2006, 19:51

Re: Huhn oder Ei - Bulimie oder Depression?

Beitrag von Rosenquarz1964 »

Sandra,

man sollte niemals nur von sich auf andere schließen.

Bei mir war es so, wie von mir beschrieben. Die Depressionen habe ich unter der Bulimie nicht mehr wahrgenommen, wahrscheinlich deshalb, weil sich meine Gedanken nur noch um Essen und Entleeren drehten...

Ich machte eine 9 monatige, stationäre Therapie, um die Bulimie zu überwinden. Das hat leider nix geholfen, sondern im Gegenteil...Gerettet hat mich erst mein totaler, physischer Zusammenbruch, als ich nach dem 15. Fressanfall eines Tages vor meinem Klo zusammengebrochen bin. Dazu kam dann Todesangst.

Ich brauchte 2 Jahre, um mit Hilfe meines Arztes die Bulimie zu besiegen.

Dieser Arzt sagte nämlich zu mir" Kind, wenn du dich umbringen willst, dann tu es, aber bei mir brauchst du dich nicht mehr blicken zu lassen. ... Ich gab dann allen Widerstand auf und ließ mir helfen.

Du kannst meinen Beitrag ruhig so stehen lassen, anstatt ihn in Abrede zu stellen. Rechtfertigen muß ich mich vor dir auch nicht.

Rosenquarz
ricky
Beiträge: 1450
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Huhn oder Ei - Bulimie oder Depression?

Beitrag von ricky »

Hallo ihr,

ich habe zwar keine Bulimie, aber Anorexie (zur Zeit gewichtstabil!)

Bei mir war zuerst die Depression. Ohne sie hätte ich sicherlich nicht angefangen zu hungern.
Eine gewisse "Anlage" zur Essstörung hatte ich wohl schon immer, aber ausgebrochen ist sie dann erst, als ich ziemlich depri war.
Ich habe immer das Gefühl gehabt, ich bin nix und ich kann nix. Doch eines konnte ich, und das war hungern...

LG Uta
*Zahme Vögel haben Sehnsucht. Wilde fliegen.*
Data

Re: Huhn oder Ei - Bulimie oder Depression?

Beitrag von Data »

Wurden hier Postings gelöscht oder hattet ihr schon woanders mal Streit, Sandra und Rosenquarz, oder hat letztere einfach...so 'ne Art Paranoia???
Cyberwalk
Beiträge: 146
Registriert: 17. Jul 2006, 23:24

Re: Huhn oder Ei - Bulimie oder Depression?

Beitrag von Cyberwalk »

Hallo zusammen,

ich hatte wohl zuerst eine Essstörung, habe die Depression aber viel früher als etwas Außergewöhnliches wahrgenommen. Ich weiß noch, wie ich auf einmal neben mir stand, mich von außen betrachtete und nichts mehr fühlte (fühlen konnte).

Zu meiner Essstörung: bis zum 25. Lebensjahr war ich stark übergewichtig, habe dann durch viel Sport radikal (und bis heute) abgenommen. Mit der normalen Figur begann die eigentliche Essstörung: Weiter sehr viel gegessen (allerdings mit einem klaren täglichen Limit), alles mit Sport wieder abtrainiert, ein jahrelanger Kreislauf. Das Essen war nach wie vor mein einziger Freund, mein Trost und Halt.

Ich glaube, die Sportsucht hat zu meiner Depression etwas beigetragen, denn ich wurde innerlich viel härter und disziplinierter gegen mich und andere und musste jeden Tag trainieren.

Aber was war wirklich zuerst da, was ist noch da? Jedes mal, wenn ich darüber nachdenke (oder wie hier berichte) meine ich, dass mir die Zusammenhänge einigermaßen klar sind, aber jedes mal komme ich vermutlich zu einem neuen Ergebnis.

Ich versuche heute, nicht mehr so viel über die Ursachen nachzudenken, sondern mich auf neue Aufgaben zu konzentrieren. Aber wahrscheinlich ist es schon wichtig, etwas über die Hintergründe zu erfahren.

Liebe Grüße
kendra
Beiträge: 30
Registriert: 15. Jun 2006, 17:52

Re: Huhn oder Ei - Bulimie oder Depression?

Beitrag von kendra »

Hallo Uta,

"Ich habe immer das Gefühl gehabt, ich bin nix und ich kann nix. Doch eines konnte ich, und das war hungern..."

Genau das waren über Jahre meine Gedanken. Heute bin ich endlich so weit, auch andere Dinge zu erkennen, die ich kann, und ich brauche diese Krücke im Leben nicht mehr. Es gibt andere Dinge, an denen ich mich festhalten kann. Mein Gewicht ist mir immer noch wichtig, ich werde mich mit Übergewicht nie wohl fühle, obwohl ich es bei anderen Menschen ohne Probleme akzeptieren kann. Ich kenne viele "dicke" Menschen, die eine tolle Ausstrahlung haben, vielleicht sogar gerade, weil sie übergewichtig sind. Es bereitet mir aber keine Schwierigkeiten mehr, mein Normalgewicht zu halten, ich brauche dazu kein Fasten oder übertriebenen Sport mehr. Ich muss mich einfach nicht mehr darum kümmern, höre auf die Signale meines Körpers: esse, bis ich satt bin.

Hallo Sandra,
Ich habe keine körperlichen Schäden davongetragen, da ich zum Glück nie gekotzt habe (ich habe es am Anfang einfach technisch nicht geschafft). In einem anderen Forum habe ich aber viele Frauen getroffen, die ähnliche Probleme wie Du hatten. Aber auch ohne körperlichen Schaden habe ich mir oft Gedanken gemacht über die verlorenen Jahre. Heute gestehe ich mir die Jahre zu, ich habe sie für meine persönliche Entwicklung gebraucht und das kann ich so stehen lassen.

Viele liebe Grüße Kendra
ricky
Beiträge: 1450
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Huhn oder Ei - Bulimie oder Depression?

Beitrag von ricky »

Hey Kendra,

finde ich echt klasse, dass du jetzt soweit davon los bist! Weiter so!

Ich bin wohl noch nicht ganz soweit. Halte doch mein Gewicht noch ganz schön im Auge und wäge mein Essen ab....

Es ist sehr schwierig von einer Essstörung wirklich loszukommen.

LG Uta
*Zahme Vögel haben Sehnsucht. Wilde fliegen.*
kendra
Beiträge: 30
Registriert: 15. Jun 2006, 17:52

Re: Huhn oder Ei - Bulimie oder Depression?

Beitrag von kendra »

Liebe Uta,

lass Dir Zeit! Ich habe auch Jahre gebraucht und das ist für mich im Nachhinein völlig o.k. . Gewachsene Hirnstrukturen ändern sich nur sehr sehr langsam....

Viele liebe Grüße Kendra
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