Eltern, die nicht loslassen können

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r.p.mcmurphy
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Eltern, die nicht loslassen können

Beitrag von r.p.mcmurphy »

Hallo zusammen,

kennt ihr das?

Eltern, die einen immer noch wie Kinder behandeln? Eltern, die einen nicht als gleichberechtigte Person ansehen? Eltern, die nicht loslassen können? Eltern, die einem laufend ein schlechtes Gewissen machen?

Zur Info: ich bin 37.

Geht es Euch auch so und wie geht ihr damit um?

Gruß
Patrick
heute
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Re: Eltern, die nicht loslassen können

Beitrag von heute »

Hallo Patrick,

nur ganz kurz: Ja, kenne ich leider auch so. Oder vielleicht ähnlich, denn bei meiner Mutter gehe ich nicht davon aus, dass sie mich nicht losgelassen hat. Vielleicht kannst du ja auch noch mal genauer erläutern, wie sich das Verhalten deiner Eltern (und die unangemessene Rollenverteilung) konkret äußert.

Bei uns ist es so: Sie ist einfach die Mutter und bestimmt. Immer. Es gibt nichts zu besprechen - sie macht die Vorgaben. Widersprüche meinerseits oder alternative Ideen? Aber nicht doch. Ihr Weg ist der einzig richtige. Schließlich ist sie die Mutter (egal, wie alt wir Kinder auch werden).

Ich glaube, sie hat diese Rolle so sehr drin, dass sie uns nur am Telefon hören muss, um sofort wieder die bekannte Rollenverteilung herzustellen. (Mit meinem Mann, also ihrem Schwiegersohn, ist ihr Verhalten und Umgangston dann doch ein bisschen anders.)

Wie gehe ich damit um? SCHLECHT. Meistens versuche ich, mir das Gebaren nicht zu sehr zu Herzen zu nehmen. Bestimmte Reizthemen vermeide ich (meistens... und könnte mich jedesmal ohrfeigen, wenn ich so ein Thema doch mal zur Sprache gebracht habe), bleibe (thematisch und gefühlsmäßig) an der Oberfläche und wenn's gar nicht anders geht, reduziere ich den Kontakt (seltene Anrufe, gelegentliche Besuche).

Insgesamt: Keine Lösungen, nur Handlungsstrategien, um mich zu schützen.

Schöne Grüße

Nene
"So many things I would have done, but clouds got in my way." Joni Mitchell (Both sides now)
r.p.mcmurphy
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Re: Eltern, die nicht loslassen können

Beitrag von r.p.mcmurphy »

Hi Nene,

bei geht’s eigentlich auch nur um meine Mutter (mein Vater ist schon lange verstorben).

„Sie ist jedenfalls die Mutter und bestimmt. Immer. Es gibt nichts zu besprechen - sie macht die Vorgaben. Widersprüche meinerseits oder alternative Ideen? Aber nicht doch. Ihr Weg ist der einzig richtige. Schließlich ist sie die Mutter (egal, wie alt wir Kinder auch werden).“

Nene, ich kann diese Aussage nur unterstreichen! Meine Strategie hierzu: Wenn ich sie mal besuchen komme, gibt es von mir keine Hilfe – weder im Haushalt, noch bei Fragen und Problemen rund um das Haus. Das einzige, das ich mache, ist die jährliche Nebenkostenabrechnung für einen Mieter, und auch das artet jedes Mal in ein Streitgespräch mit meiner Mutter aus, weil sie mich immer und immer wieder fragt, ob ich dies berücksichtigt hätte und jenes…und überhaupt!

Das ich (fast) nirgends helfe oder Interesse zeige, kannst du mir auch als Bequemlichkeit auslegen, aber wenn du bei jedem Vorschlag oder jeder Aktivität meinerseits hörst „das geht so nicht und das passt nicht“ gibst du es irgendwann auf…

„Bestimmte Reizthemen vermeide ich (meistens... und könnte mich jedesmal ohrfeigen, wenn ich so ein Thema doch mal zur Sprache gebracht habe), bleibe (thematisch und gefühlsmäßig) an der Oberfläche und wenn's gar nicht anders geht, reduziere ich den Kontakt (seltene Anrufe, gelegentliche Besuche).“

Kontaktreduzierung betreibe ich auch, hab sie die letzte Zeit fast nicht mehr angerufen und auch an Ostern hab ich sie nur mal kurz besucht um mein Motorrad für den Frühling herzurichten und mitzunehmen.

Manchmal – glaub ich – provoziere ich sie. Zum Beispiel hab ich, als sie mich angerufen hat, erwähnt, dass ich letztens mit dem Bike kurz (!) mit 220 Sachen auf der Autobahn unterwegs war. Man könnte das aber evtl. auch als „Hilferuf“ meinerseits interpretieren, nach dem Motto: Hey, schau mal her! Ich kann das! Ich kann überhaupt was! Glaub’s mir doch endlich!!!!!!

Gruß
Patrick
heute
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Re: Eltern, die nicht loslassen können

Beitrag von heute »

Hallo Patrick,

ja, da sind wir wohl in einer ähnlichen Situation.

"aber wenn du bei jedem Vorschlag oder jeder Aktivität meinerseits hörst „das geht so nicht und das passt nicht“ gibst du es irgendwann auf…" Ja, irgendwann macht's keinen Spaß mehr und ich komme mir dann auch irgendwann so klein und dumm und ungeschickt vor. Aber vielleicht bräuchte ich eine größere Frustrationstoleranz oder Ohren, die auf Durchzug geschaltet sind.

Ich nehme mal an, Patrick, dass deine Mutter noch vollkommen fit ist und daher ihre Sachen in Haus und Garten entweder selbst erledigt oder sich anderweitig Hilfe organisiert. Ist bei uns so und hoffen wir, dass es noch viele, viele, viele Jahre so bleibt. Natürlich einfach deshalb, weil ich meiner Mutter noch viele Jahre ein gesundheitlich unbeschwertes Leben wünsche! Aber auch aus einem (egoistischen) Grund: Denn wie soll es denn werden, wenn sie tatsächlich mal tatkräftige Hilfe benötigt und ich als Tochter natürlich einspringe, sie aber dann mit Argusaugen jeden Handgriff von mir beobachtet und missbilligende Kommentare macht? Na, einmal monatlich lässt sich sowas schon aushalten, aber wenn das TÄGLICH sein müsste... Nicht auszudenken.

Ach, in deinem Eingangspost hattest du was von "schlechtem Gewissen" geschrieben. Und ich merke jetzt, dass ich ein schlechtes Gewissen bekomme, weil ich hier - in einem Internetforum - das Verhalten meiner Mutter (also einer hier nicht anwesenden Person, die sich deshalb nicht zur Wehr setzen kann) kritisiere.

Was ich noch fragen wollte: Wie reagiert deine Mutter denn, wenn du sie provozierst? Versteht sie, was du ihr eigentlich sagen willst?

Schöne Grüße

Nene
"So many things I would have done, but clouds got in my way." Joni Mitchell (Both sides now)
Chiron
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Re: Eltern, die nicht loslassen können

Beitrag von Chiron »

Hallo Nene, hallo Patrick,

sind wir etwa Geschwister und haben die gleiche Mutter?

Spaß beiseite, was Ihr beide beschreibt, erlebe ich seit nunmehr fast 43 Jahren.
Leider bin ich nach meiner gescheiterten Ehe bei meinen Eltern untergeschlüpft.
Siehe Thread:"Ich muss endlich raus!!!"
Sagt eigentlich schon alles.

Auch mich quält das schlechte Gewissen,sobald ich mich über ihr Verhalten beschwere, denn ich denke, sie meint es im Grunde gut und kann es nicht besser.
Jedenfalls klagt sie manchmal darüber, stets die falschen Worte für meine Schwester (lebt nach gescheiterter Ehe ebenfalls wieder im Elternhaus) und für mich zu haben.
Mittlerweile schaffe ich es zu sagen:"Hier - mach es selber, du kannst es eh besser."
Denn auch ich habe keine Lust mehr auf diese ständigen Bevormundungen.
Die Frage ist nicht, warum lassen uns die Eltern nicht los, sondern warum lassen wir uns immer noch, von ihnen bevormunden?
Oder besser, warum schmerzt es uns im Inneren so sehr, dass wir nicht darüber lachen können?
Oder wie können wir los lassen ohne schlechtes Gewissen den Eltern gegenüber?

Viele Fragen auf die ich keine Antwort weiß, Ihr vielleicht?

Liebe Grüße,
Chiron
"Was mich nicht umbringt, macht mich noch stärker."
heute
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Re: Eltern, die nicht loslassen können

Beitrag von heute »

Hallo Chiron,

willkommen in der "Geschwister"-Runde!

(Könnte ja tatsächlich mal passieren, dass sich Geschwister - ohne es zu ahnen - in einem Forum wie diesem treffen. Denk ich mir grad so.)

Das sind gute Fragen, die du stellst! Werde ich mal auf mich wirken lassen...

Und bei Gelegenheit schaue ich mir deinen "Ich muss endlich raus"-Thread an. Ohne jetzt zu wissen, was du dort schreibst, kann ich nur mal allgemein sagen: Oje, das stelle ich mir total schwierig vor, nach Jahren wieder ins Elternhaus zu ziehen und dann beständig "auf Tuchfühlung" miteinander zu sein! Aber wie gesagt: Ich muss demnächst deinen Thread lesen.

Jetzt muss ich allerdings ins Bett.

Gute Nacht,

Nene
"So many things I would have done, but clouds got in my way." Joni Mitchell (Both sides now)
r.p.mcmurphy
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Re: Eltern, die nicht loslassen können

Beitrag von r.p.mcmurphy »

Hallo Nene,

ja gut, sie ist mit ihren 72 Jahren noch leidlich fit. Trotz ihrer zwei künstlichen Hüftgelenke fährt sie Rad, geht regelmäßig zur Wassergymnastik. Geistig hat sie die letzten Jahre schon ein bisschen abgebaut. Ich merke vor allem, dass sie sich mit dem Schreiben etwas schwer tut. Was noch auffällig ist: wenn sie im Restaurant mal etwas länger auf die Rechnung warten muss oder im Geschäft nicht gleich einen zuständigen Verkäufer findet, ist sie sehr leicht reizbar, wird aggressiv, fängt zu schimpfen an… und das nervt m i c h ohne Ende!!!!!!!!

Wegen dem „schlechten Gewissen“ brauchst Du Dir, denke ich, kein schlechtes Gewissen machen

Wir überlegen sowieso zuviel hin und her und machen uns über alles einen Kopf, ansonsten wären wir bestimmt nicht in dem Forum unterwegs….

Meine Mutter versteht natürlich nicht, was ich ihr sagen will… im Gegenteil: „der kleine Bub, um den man sich Sorgen machen muss, dem gebe ich mal einen guten Ratschlag…“

Ich hab folglich auch nullkommanull Bock, ihr zu erzählen, dass ich bereits seit über einem halben Jahr krank geschrieben bin, dass bereits seit Ende Februar meine Freundin ausgezogen ist etc. – Was würde es bringen? Irgendwann erfährt sie es schon und auf gut gemeinte Ratschläge kann ich verzichten. Außerdem würde sie das große Heulen und Zähneknirschen bekommen und noch mehr Beruhigungstabletten in sich hineinstopfen, als sie es jetzt wohl schon macht.

Was später Mal wird? Keine Ahnung. Unsere Familie besitzt, wie gesagt, ein Mietshaus. Wie es damit weitergeht, weiß ich nicht. Ich werde jedenfalls nicht zu meiner Mutter ziehen, da ich (endlich) mein eigenes Leben führe(n möchte).

Mein Bruder. Er ist hochintelligent, ich schätze ihn aber noch viel viel weniger als „selbständig lebensfähig“ ein wie mich. Hab so gut wie keinen Kontakt mehr zu ihm, obwohl wir in derselben Stadt nur ca. 500 m Luftlinie von einander entfernt wohnen.

Du siehst, ich hänge also in familiären Fragen allein rum. Hab zwar einen großen Freundeskreis, mit Leuten, die einen etwas auffangen können. Bei den wirklichen Problemen hakt es aber aus. Mein Bruder ist – Entschuldigung – ein Lulli (ist mein subjektiver Eindruck. Würde mich absolut freuen, wenn er mich vom Gegenteil überzeugen könnte!!!).

Eine länger andauernde Beziehung, die mir wichtigen Fragen Rückhalt bieten würde, klappt bei mir leider ums Verrecken nicht (war mit meiner letzten Freundin gut eineinhalb Jahre zusammen – neuer Rekord!!!). …Verdammt, ich bin doch kein Macho-Arschloch!!! Vielleicht wäre ich lieber eines, hätte dann wohl mehr Erfolg… (entschuldige, bitte!!!)

Ist zwar jetzt irgendwie ein anderes Thema, aber trotzdem: Magst erzählen wie’s dir mit deinem Partner geht? Wie lange seid ihr schon zusammen? Wie ist der Alltag? Was schätzt du an (d)einem Mann? Kannst du nachvollziehen, dass Männer heutzutage Probleme mit ihrem Selbstverständnis haben?

Gruß
Patrick
r.p.mcmurphy
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Re: Eltern, die nicht loslassen können

Beitrag von r.p.mcmurphy »

Hi Chiron,

ja natürlich meinen es die Eltern gut, aber gut gemeint ist nicht gut gemacht (ist zwar jetzt ne Phrase, trifft’s aber dennoch)

Genau: „Mach es selbst, wenn’s dir nicht passt, so wie ich es mache….“ Absolut meine Meinung.

Vielleicht lassen wir uns deshalb bevormunden, weil sie uns natürlich auch das Zuckerbrot geben (bei mir: Geld, Essen kochen, Wäsche waschen etc. etc.). Ist natürlich super! Aber dadurch wird eben ein Abhängigkeitsverhältnis geschaffen. Tatsächlich wollen die Eltern/die Mutter nicht, dass man sie allein lässt. Dass man sein Leben selbst bestimmt lebt. (Elternegoismus!?)

Es hieße ja dann nicht, dass man niemals einen guten Rat annehmen würde. Aber wenn du nur gute Ratschläge hörst und alles, was du machst, in deren Augen falsch ist, dann kann dir schon irgendwann das Kotzen kommen. Wenn man etwas anders macht als die lieben Eltern, dann bedeutet es ja nicht zwangsläufig, dass man es verkehrt macht.

Die Eltern lassen uns aus eigenem Egoismus nicht los, weil sie fürchten, ansonsten allein dazustehen… also Zuckerbrot…also schmerzt es u n s, weil es für uns b e q u e m ist, nicht loszulassen….

Chiron, das war mein Versuch, deine Fragen zu beantworten….


Gruß
Patrick
Clown
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Re: Eltern, die nicht loslassen können

Beitrag von Clown »

Hallo Patrick, Nene, Chiron,

habt ihr schon gelesen, was Thomas zu diesem Thema schrieb im Thread: 'Was ist für euch der Sinn einer Depression?'

http://www.kompetenznetz-depression.de/ ... 1146249897

Gruß, Clown
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Chiron
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Re: Eltern, die nicht loslassen können

Beitrag von Chiron »

Hallo Clown,

danke für die Info. Ich hab`s gerade gelesen, blicke es aber im Moment nicht so ganz.
Liegt`s an der Depri oder meinem Intellekt?

Ich versuche es nachher noch mal, denn Thomas schreibt eigentlich immer sehr weise, was ich sehr an ihm schätze.

Liebe Grüße,
Chiron
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BeAk

Re: Eltern, die nicht loslassen können

Beitrag von BeAk »

Liebe Chiron, an der Depri!
Clown
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Re: Eltern, die nicht loslassen können

Beitrag von Clown »

... eher daran, dass dir deine Eltern so erfolgreich den Kopf vernebelt haben. Oder es ist der sogenannte blinde Fleck?

LG, Clown
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heute
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Re: Eltern, die nicht loslassen können

Beitrag von heute »

Hallo Clown,

danke für den Hinweis.

den Beitrag von Thomas hatte ich gestern gelesen, aber nur auf junge Leute bezogen, die noch bei ihren Eltern wohnen bzw. in irgendeiner Art von ihnen abhängig sind.

Jetzt hab ich noch mal nachgelesen und muss sagen: Irgendwie blick ich's nicht ganz...

Naja, bin aber heute mit meinen Kopfschmerzen eh nicht so ganz aufnahmefähig.

Liebe Grüße

Nene
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heute
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Re: Eltern, die nicht loslassen können

Beitrag von heute »

Hallo Patrick,

das mit der Ungeduld in Geschäften und Restaurants und anschließend ein entsprechendes ungehaltenes Verhalten mit Rüffeln für das Personal kenne ich leider von meiner Mutter auch. Finde ich dann auch SEHR unangenehm, wenn ich dabei stehe. Sie hatte aber schon immer (bzw. seit ich sie kenne) ein ziemlich autoritäres Auftreten (innerhalb und außerhalb der Familie). Allerdings frage ich mich mittlerweile auch, ob die Heftigkeit zunimmt?? (Aber dann frage ich mich auch: Was treibt sie denn so um, dass sie so aggressiv auftreten muss? Warum muss sie andere so angreifen, zurechtweisen, niedermachen?)

"Wegen dem „schlechten Gewissen“ brauchst Du Dir, denke ich, kein schlechtes Gewissen machen"

Naja, das schlechte Gewissen hab ich halt... steckt so in mir drin.

"Ich hab folglich auch nullkommanull Bock, ihr zu erzählen, dass ich bereits seit über einem halben Jahr krank geschrieben bin, dass bereits seit Ende Februar meine Freundin ausgezogen ist etc."

Ja, kann ich gut verstehen! Wie gesagt: Manche Themen vermeide ich auch in meinen Gesprächen mit ihr oder sage ihr das eine oder andere nur, wenn's unumgänglich wird. Übrigens musste ich bei deiner Schilderung an das Buch "Mutter und Sohn" denken, das ich vor einiger Zeit mal als Hörbuch angehört habe.

"noch mehr Beruhigungstabletten in sich hineinstopfen, als sie es jetzt wohl schon macht." Oje, das ist natürlich auch belastend, wenn du immer denken musst: Ach, wenn ich ihr jetzt dieses oder jenes erzähle, dann bringe ich sie dazu, noch mehr Tabletten zu nehmen. - - - Ist deine Mutter denn in fachärztlicher Behandlung?

"Er ist hochintelligent, ich schätze ihn aber noch viel viel weniger als „selbständig lebensfähig“ ein wie mich."

Ja, nicht wahr, die Intelligenz sagt nicht unbedingt was über die Lebensfähigkeit aus.

"Hab so gut wie keinen Kontakt mehr zu ihm"

Versteht ihr euch nicht gut? Hattet ihr Streit? Oder konntet ihr noch nie was miteinander anfangen?

"Hab zwar einen großen Freundeskreis" Naja, da kannst du dir sicher Rat holen und dich austauschen, aber klar, wenn deine Mutter deine Unterstützung braucht, dann kannst du nicht einen deiner Freunde hinschicken (obwohl die ja wahrscheinlich ein unbefangeneres Verhältnis zu ihr hätten).

"Mein Bruder ist – Entschuldigung – ein Lulli" - Oh, du siehst deinen Bruder wohl sehr negativ... Wie wär's denn aber, wenn du ihn bei familiären Schwierigkeiten bewusst nach seinen Ansichten fragen würdest? Wie kommt dein Bruder denn eigentlich mit eurer Mutter (und ihrem besserwisserischen Verhalten) zurecht? Gibt er klein bei? Begehrt er auf? Steht er drüber oder vermeidet er den Kontakt ganz?

Stimmt schon, mir hilft die Partnerschaft mit meinem Mann immer wieder auch im Umgang mit meiner Mutter. Gelegentlich springt er auch für mich ein und regelt Dinge mit meiner Mutter.

"Verdammt, ich bin doch kein Macho-Arschloch!!!" Ja, warum solltest du auch? Ich denke, es gibt die verschiedensten Gründe für Trennungen. Und manchmal kann man den Grund wahrscheinlich auch gar nicht richtig erkennen und denkt selber, hey, wieso, war doch alles bestens. (Solche Trennungen habe ich im Bekanntenkreis schon miterlebt, dass nämlich eine/r der beiden aus allen Wolken fiel, als der/die andere ihre Sachen packte...)

Ich kann mir vorstellen, dass es bitter ist, wenn man sich eine feste, lang dauernde Partnerschaft vorstellt, aber die Beziehungen jedes Mal schon nach kürzerer Zeit in die Brüche gehen.

"Vielleicht wäre ich lieber eines, hätte dann wohl mehr Erfolg…"

Glaubst du wirklich? Na... ich bezweifle das. Mag vielleicht die eine oder andere Frau geben, die auf einen Macho-Mann steht, aber das dürfte meiner Einschätzung und meiner Erfahrung nach eher die Ausnahme sein. Aber ich kann schon verstehen, dass du verunsichert bist, was die Erwartungen an die Männer heutzutage angeht. (Was hab ich da heute in der Buchhandlung für einen Titel gesehen? Irgendwas "Weg mit dem Softi"... aber ich kann dir nichts Näheres davon erzählen, ich hab mir das Buch nicht angeschaut.) Nur meine persönliche Meinung: Ich glaube nicht, dass es eine bestimmte Kategorie gibt (mehr Macho oder mehr Softi), der Männer heutzutage entsprechen müssen, um eine Partnerin fürs Leben zu finden - ebensowenig wie Frauen einer bestimmten Kategorie entsprechen müssen.

Mein Mann und ich sind schon einige Jahre zusammen. Es gab/gibt Höhen und Tiefen und manches Mal standen wir auch so an einem Punkt, wo wir uns hätten trennen können. Haben wir aber nie gemacht. Uns jedesmal wieder "zusammengerauft". Und zurzeit geht es zwischen uns prima. Mein Mann versteht inzwischen auch meine depressive Stimmungslage viel besser als früher (vor Jahren konnte es schon mal vorkommen, dass er, wenn ich ALLES anzweifelte, vor allem eben mein eigenes Leben etc., ja, dass er dann eben ungeduldig und verärgert sagte: "Was hält dich hier noch? Dann zieh doch endlich aus, geh in die Wüste, geh ins Kloster, mach eine Expedition oder sonst was, wenn du da dann glücklich bist!"). Jetzt kann er wohl meine negativen Gedanken und meine Hoffnungslosigkeit besser einordnen.

Ach, du hattest noch ein paar Fragen mehr gestellt, aber jetzt muss ich ganz dringend noch was kochen. Mein Magen knurrt schon ganz wild.

Apropos kochen... Warum lässt du dich denn von deiner Mutter bekochen? Ist ja ganz praktisch, würde ich aber lieber nicht machen... Gut, mal sonntags eine Einladung zum Essen, das ist nett und man kann sich mit dem Einladen auch abwechseln und dann hast du "Heimvorteil" und bestimmst was, wann und wie auf den Tisch kommt...

Auch die anderen erwähnten Hausarbeiten... warum lässt du die von deiner Mutter erledigen? Zurzeit, weil du nicht leistungsfähig bist (aber das weiß sie ja nicht) oder schon immer? Interessiert mich wirklich, wie das kommt, dass sie (in ihrem Alter) für dich noch diesen Service leistet. Soll kein Angriff sein - bin nur verwundert. Der "Bub" kann das doch bestimmt alles selber, oder?

Viele Grüße und ein schönes Wochenende

Nene
"So many things I would have done, but clouds got in my way." Joni Mitchell (Both sides now)
r.p.mcmurphy
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Re: Eltern, die nicht loslassen können

Beitrag von r.p.mcmurphy »

Liebe Nene,

ich würde Dich jetzt am liebsten in den Arm nehmen und ganz fest drücken. Hat mir saugut getan, Deine ausführliche Antwort. Es ist schön, dass es solche Menschen wie Dich gibt…

Bin heute wieder ein wenig neben dem Gleis. War gestern zuerst mit meiner Ex Cocktail trinken (hab sie seit zwei Wochen nicht mehr gesehen). Hat mir super gefallen, mit ihr. Ich glaube, ihr hat’s auch gefallen. Als wir später nebeneinander her gegangen sind, haben wir uns sogar für einen kurzen Augenblick an den Händen genommen (weißt schon, so mit den Fingern zwischen den Fingern – wie halt immer die verliebten Pärchen rumgehen…). Ich weiß wirklich nicht, wer wessen Hand zuerst genommen hat. Na ja, später hat sie sich dann bei mir eingehängt…ist unverfänglicher.
War später dann noch ziemlich lange allein weg und bin alkmäßig wieder ein bisserl versumpft. Hab dann auch noch einen tätowierten Typen in den Arm genommen und getröstet (hab den vor paar Wochen mal kennen gelernt und er ist mir eigentlich recht sympathisch – sieht so ähnlich aus wie Ralf Zacherl, der Fernsehkoch, nur mit von oben bis unten tätowierten Armen). Er war traurig, weil er eine Anzeige aufgebrummt bekommen hat. Er hatte zuvor nämlich ziemlich aggressiv herum geschrieen und einen anderen Typen etwas vermöbelt…
Natürlich hab ich dann später auch Mädels angesprochen, wie du dir sicher vorstellen kannst, mit geringem Erfolg. Kein Wunder, denn die halten mich wahrscheinlich für einen verschrobenen, versoffenen Penner…

Egal, ich muss aufhören damit, weil der Dr. Niedermeier sonst vielleicht wieder schimpft…

Zu Deinem Posting:

Zum Tablettenkonsum meiner Mutter:
Die Tatsache, dass meine Mutter Beruhigungstabletten (und geistige Aufbaupräparate und Tabletten gegen Osteoporose so was alles) nimmt, belastet mich ehrlich gesagt, überhaupt nicht. Mir fällt halt nur auf, dass ziemlich viele Schachteln rumliegen…auch so natürliches Zeugs wie – was weiß ich – Dr. Rogoff’s Knoblauchpillen oder das Kraut, das die Nerven beruhigt… Hab mir darüber noch nie ernsthaft Gedanken gemacht… Wahrscheinlich ist es bis zu einem gewissen Grad normal, dass ältere Menschen Tabletten nehmen?

Zum Thema „Mein Bruder“:
Ich hatte vor zweieinhalb Jahren mal so richtig meine Meinung gesagt und mit dem Wort „du bist für mich gestorben“ geendet. Muss ihn ziemlich getroffen haben – verständlich. Tut mir auch leid. Hab’s natürlich nicht so gemeint. Aber ich war extrem hilflos und wütend.
Wenn Du siehst, dass der Schimmel bei ihm zu Hause aus dem Mülleimer wächst (okay, war wohl eine Ausnahme, aber trotzdem), dass - teilweise ungeöffnete - Briefe, Prospekte, Adresszettel etc. sich auf seiner Kommode stapeln, geschweige denn Computerzeitschriften en masse herumliegen, der Aschenbecher voller Zigarettenkippen ist, dann reicht’s dir.
Wenn er zu dir sagt, dass er nicht weiß, was er netto verdient, dann denkst du dir deinen Teil…
Wenn er ständig jammert, dass er keine (oder nur wenig) Freunde hätte, aber auf deine Empfehlung hin, er solle sich doch ein Handy zulegen, antwortet, dass mache er nicht, weil er dann kein ungestörtes Privatleben mehr hätte, dann langst du dir an den Kopf…
Etc. etc. etc.
Ich mag meinen Bruder ja, aber irgendwann ist genug…man wird nur noch hilflos und wütend!!!!

Zum Thema „Macho-Arschloch“:
Tut mir leid, jetzt wird es etwas derb, aber was soll ich um den heißen Brei reden…
Als es damals vor zweieinhalb Jahren mit meiner Ex-Ex-Freundin Schluss war (nicht die, mit der ich gestern unterwegs war), dachte ich wirklich, alle (Entschuldigung!) Weiber sind (Entschuldigung!) Drecksäue. Die taugen wirklich nur zum Aufreißen - F… - Wegschmeißen. Damals, als mit meiner Freundin Schluss war, war ich absolut am Boden zerstört, ich empfand nur noch Missachtung gegenüber dem weiblichen Geschlecht, ja vielleicht sogar Hass.
Mit diesen „Nicht“-Gefühlen im Hintergrund hatte ich dann innerhalb von zwei Monaten sechs verschiedene Mädels im Bett… soviel dazu. Was ich sagen will: wenn du kalt, absolut gefühllos an die Sache herangehst, hast du mehr Erfolg, als mit dem ganzen heitschipumpeitschi-Gelaber – weißt Du, was ich meine?

Zum Thema „Hausarbeiten“:
Natürlich koche ich hin und wieder selbst (Kartoffelsuppe, Rouladen, Fleischpflanzerl = Frikadellen, Spaghetti mit „echter“ Bolognese-Soße, Chili etc. bring ich schon zusammen) und es macht mir auch Spaß – die Spargelzeit steht jetzt auch vor der Tür
Auch Wäsche waschen, bügeln, Staubsaugen, Fenster putzen, die ganze Hausarbeit halt: kein Thema.
Wenn ich zu meiner Mutter gefahren bin, hab ich halt immer die Schmutzwäche mitgenommen (hab das jetzt eingeschränkt: erstens, weil ich sie nicht mehr so oft besuche und zweitens, weil ich für mich beschlossen habe, dass ich das eigentlich selber machen muss. Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung!).
Dein Vorschlag, meine Mutter einzuladen und zu bekochen: Vergiss es! Ich wäre nicht „frei“, wäre der kleine Bub, der v e r s u c h t, etwas zu kochen. Meine Mutter würde zwar nicht sagen „Das schmeckt mir nicht“, aber sie würde mir bestimmt raten, es z.B. ein wenig anders zu würzen… Käme derselbe Vorschlag von einem Kumpel, würde ich zumindest darüber nachdenken, es anders zu machen. Bei meiner Mutter würde ich dies nur wieder als Bevormundung empfinden: Die große, allwissende Mama bringt ihrem Bubi das Kochen bei.

Nene, hast Du verstanden, was ich dir damit sagen will? Vielleicht kannst Du meine Gedanken ein bisserl nachvollziehen?

Und sorry noch Mal, wenn ich hin und wieder etwas derb geworden bin.
Ich glaube ich bin sogar gefühlvoller und sensibler als mancher andere… aber ich bin halt ein bisserl verzweifelt, ratlos, traurig…

Würde am liebsten auch irgendwann zur Ruhe kommen, mit einer netten Frau und am besten einem kleinen Jungen und einem kleinen Mädchen… und meinen Job wieder angenehm empfinden und gemeinsam mit der netten Frau Ausflüge auf dem Motorrad unternehmen und dem kleinen Jungen das Fußball spielen beibringen und stolz auf mein kleines Mäderl sein…….

Viele liebe Grüße
Patrick
r.p.mcmurphy
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Re: Eltern, die nicht loslassen können

Beitrag von r.p.mcmurphy »

Hallo Clown, Hallo Nene nochmal,

ich glaube, Dir ging es bei Deinem Verweis auf das Posting von Thomas insbesondere um folgende Zeilen:

"...Kinder entscheiden nicht einfach für sich, am Rockzipfel zu haften es sei denn, sie können damit ihren Eltern den Gefallen tun, den diese von ihnen verlangen. Da liegt die Energie in der Sache und diese Energie ist der der Depression ebenbürtig und kann erklären, welche große Angst es lohnend erscheinen lässt, eine Depr. auf sich zu nehmen anstatt die Eltern zu enttäuschen."

Dies entspricht auch ungefähr meinen Gedanken, die ich mir über die Sache gemacht habe. Ich zitier mich selbst nochmal:

"Die Eltern lassen uns aus eigenem Egoismus nicht los, weil sie fürchten, ansonsten allein dazustehen… also Zuckerbrot…also schmerzt es u n s, weil es für uns b e q u e m ist, nicht loszulassen…."

Viele Grüße
Patrick
Clown
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Re: Eltern, die nicht loslassen können

Beitrag von Clown »

Hallo Patrick,

ja, besonders diese Textstelle meinte ich.

Allerdings war es bei mir nicht Bequemlichkeit, warum ich nicht richtig losgelassen habe, sondern eher, dass ich die tiefe Verlassenheit und Einsamkeit meiner Mutter sehr spürte und unbewusst sie nicht auch noch im Stich lassen wollte, indem ich aufhörte, ihre negativen Lebenseinstellungen nachzumachen.

Mein Thera stellte dazu fest: "Es soll nie wieder passieren, dass Sie oder jemand anderes im Stich gelassen wird..."
Das war ein wichtiger Aha-Moment für mich.

Ich weiß jetzt nicht, ob du verstehst, was ich meine, Patrick und auch schon gleich recht nicht, ob das für dich ähnlich zutrifft.

LG, Clown
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r.p.mcmurphy
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Re: Eltern, die nicht loslassen können

Beitrag von r.p.mcmurphy »

Hi Clown,

natürlich ist es auch bei mir das Verantwortungsgefühl meiner Mutter gegenüber. Vielleicht auch das schlechte Gewissen, ihr etwas zurückgeben zu müssen. Mein Vater, ihr Mann, ist seit dreißig Jahren tot, sie stand damals alleine da mit zwei Kindern und einem Haufen Schulden. Hat sich durchgekämpft und ihren Kindern eine gute Schulausbildung, Studium, Sport, schöne Klamotten und ich weiß nicht was, ermöglicht, sich immer in den Hintergrund gestellt...

Deine Aussage
"...indem ich aufhörte, ihre negativen Lebenseinstellungen nachzumachen."
musst Du mir nochmal genauer erklären.

Meinte der Therapeut mit dem "Sie" Dich, als er sagte: Es soll nie wieder passieren, dass Sie oder jemand anderes im Stich gelassen wird..."

Clown, sorry, dass ich so deppert bin....

Patrick
Clown
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Re: Eltern, die nicht loslassen können

Beitrag von Clown »

Ja, Patrick, mein Thera meinte mich. (Mir kam mein Geschreibsel gestern selbst nicht so klar vor, wundert mich nicht, wenn du nicht gleich alles verstehst. Nicht dass ich dir ausreden möchte, deppert zu sein... )

Ich habe lange unbewusst die negativen (depressiven) Sichtweisen und Einstellungen der Welt und sich selbst gegenüber von meiner Mutter übernommen, sozusagen 'aus Treue' zu ihr.

Indem ich jetzt mich selbst und die Welt bejahe, habe ich meine Mutter 'verlassen', innerlich, verstehst du?
Und siehe da, plötzlich finden keine Übergriffe meiner Mutter mehr statt...

In der eigenen Einstellung zu sich selbst sehe ich den Zusammenhang damit, ob eine Mutter einen noch als Kind behandeln kann oder nicht - es gehören m.E. immer zwei dazu, die das Spiel spielen.
Sobald einer aussteigt, klappt es nicht mehr!

Viel Erfolg Patrick!
LG, Clown
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Eckhart Tolle
byron

Re: Eltern, die nicht loslassen können

Beitrag von byron »

es gehören m.E. immer zwei dazu, die das Spiel spielen.
Sobald einer aussteigt, klappt es nicht mehr!
_________________________________

...genau, so habe ich es auch mühsam erlernt, mich von meiner extrem besitzergreifenden Mutter( ging soweit, Suizidversuche anzudrohen und 4 mal zu machen...) zu emanzipieren,nicht einfach, wenn man als Einzelkibd einer 40-j Mutter geboren wird!

Ich habe in der Therapie aber das "Rüstzeug" dafür bekommen, alleine habe ich es nicht geschafft. Ich mußte lernen, ihre Provokationen zu übersehen, und so konnte der Kreislauf - sie provoziert( zB unter der x-ten erwähnung: wir haben soviel verzichten müssen für Dein Studium, und nun arbeitest Du noch nichtmal( ich bin EU, was sie aber nicht weiß)- ich gehe in die Luft und explodiere - sie weint und trägt ihre Opferrolle dick auf, wie sehr sie unter dieser Tochter leiden muß- nicht fortgesetzt werden.

Aber: sie probierte es immer wieder - also sie ließ nicht locker. Aber ich zog mich zurück, und hielt sie auf Abstand. Als sie mich einmal direkt darauf ansprach und sich beklagte, daß ich nicht soviel kommen wie andere "Nachbarskinder", hatte ich den Mut, zu sagen: wir sind zwar Mutter&Tochter, aber ganz unterschiedliche Menschen, das muß man nüchtern so sehen, und deswegen sind mehr besuche nicht drin.

Immer, wenn ich sie besuchte, spielte mein vegetatives NS verrückt, ich bekam Durchfall, und nachher fühlte ich mich auf dem Rückweg ko wie nach einer schweren prüfung.

Nun ist sie seit 6 Monaten tot - und ich bin erleichtert - dieses ewige Machtspiel ist vorbei, sie liegt friedlich auf dem Friedhof und kann mir nichts mehr tun. So sehe ich das wirklich!

B
gfb
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Registriert: 20. Feb 2005, 21:30

Re: Eltern, die nicht loslassen können

Beitrag von gfb »

@Byron,

> es gehören m.E. immer zwei dazu, die das Spiel spielen.
> Sobald einer aussteigt, klappt es nicht mehr!

Aber bis man/frau sich DAS mal traut, dieses Aussteigen...

Nicht von ungefähr meinte Miss Marple neulich, eines der wichtigsten Worte
sei NEIN! Recht hat sie und nichts als Recht!

(Grauslige, mir SEEEEHR bekannt vorkommende Muttergeschichten)

> Nun ist sie seit 6 Monaten tot - und ich bin erleichtert - dieses ewige Machtspiel ist
> vorbei, sie liegt friedlich auf dem Friedhof und kann mir nichts mehr tun.
> So sehe ich das wirklich

Beschleicht dich nicht manchmal das leise Gefühl, du hättest in deiner Rolle als Kind versagt?

Wurdest du nicht auch mit dem "schönen" Satz erzogen: "Du sollst Vater&Mutter ehren!"?

Wie gehst du damit um?

Sorry für diese Fragen, aber ich krieg grad mal wieder eine unheimliche Wut auf MEINE
Mutter (die im Dezember '92 gestorben ist):
als ich schon längst in der fremden weiten Großstadt Berlin lebte, erfuhr ich, dass sie mit Kreislaufkollaps und diesem&jenem Im Krankenhaus im Südschwarzwald lag.

Als treusorgender Sohn macht man sich natürlich Gedanken, ruft an, nachdem man
mühsamst die Tel.Nr. (damals gabs noch kein Internet) in Erfahrung brachte und das erste, was durch den Telefonhörer gesuppt kam war ein leidend dahingeseufztes
"Hallo Friedrich, leg auf, es wird zu teuer!"

DAFÜR könnt ich ihr HEUTE NOCH langsam und mit System&Bedacht den Hals umdrehen!!!!

Und als sie dann als in Berlin mal auf Besuch war (eine ziemliche Katastrophe nebenbei)
konnten wir keine halbe Stunde zu Fuß gehen ohne an einem Beerdigungsinstitut (die gibts in Berlin reichlich) vorbei zu kommen und jedes Mal gabs laut geäußerte Kommentare über die unverschämten Preise und dass ein Begräbnis im Südbadischen ja seeehr viel billiger wäre und ihr Erspartes wohl reichen würde für eine ordentliche Beerdigung...

Arghhhhhhhh!

Ich hör jetzt besser mal auf, sonst krieg ich noch GANZ schlechte Laune - und morgen muss ich wieder mal ein wenig funktionieren (Jobagentur und so...)

Friedrich
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"Warum sind wir so kalt?

Warum? Das tut doch weh!"



Erika Mann, "Die Pfeffermühle"
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