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In der Zwickmühle

Verfasst: 16. Mär 2006, 00:08
von trude
hallo ihr,

hab mir jetzt lange überlegt, ob ich das Thema hier reingebe, da es a.)für mich schwierig in kurzen Worten darzulegen ist und b.) ich irgendwie einfach erschöpft bin...

Ich kenne den depressiven Zustand letztlich schon seit langer Zeit, habe zwei Therapien gemacht und weiß mittlerweile, daß depressive Schübe immer wieder auftreten werden, ich aber lernen kann damit umzugehen.

Ein großes Problem hatte ich ganz lange damit einer regulären Arbeit nachzugehen. Hab ganz lange gejobbt und war an der Uni eingeschrieben (früher ging da ja noch einfacher). Jetzt hab ich seit ein paar Jahren eine Stelle in meinen Beruf, wo ich mich ganz lange als "Mogelpackung" (das wird interessanterweise ja auch in anderen Threads oft so gennant)empfunden habe, die durch Zufall und Theaterspielen die Stelle bekommen hat, aber wenn jemand genau hinschaut entdeckt er/sie daß ich eigentlich nix kann.
Im Laufe der letzten zwei Jahre konnte ich meine eigenen Arbeitsfähigkeiten dann ENDLICH mal annehmen und Anerkennung von anderen, sowie "Erfolgserlebnisse" auch auf mich beziehen und nicht dem "Weltall überlassen". Es ging mir also in der Arbeit besser und ich mußte nicht jedesmal zittern und bibbern, daß mir jemand auf die Schliche kommt. Es gab einen Wechsel des Abteilungsleiters und ich wurde sogar nach Verbesserungsvorschlägen gefragt.

Jetzt ist die Arbeit an sich verdichteter geworden, es gibt zunehmend Verteilungskämpfe um Gelder und überall zieht es an. Ich arbeite leider nicht in einem homogenen Team, welches gemeinsam auf die verstärkte Arbeitsbelastung reagieren könnte und bin zudem die einzige Person mit einer Teilzeitstelle.
Das Resultat sind ohne Ende Überstunden (die ich selten real aufschreibe), wenig Mittagspausen, trotzdem das Gefühl nur die Hälfte der Arbeit erledigen zu können und anschließend vor lauter Unruhe nach Haus laufen zu müssen, weil ich es nicht aushalte auf Bahnen zu warten und sitzen zu müssen. Letztens bin ich nach neun Stunden heulend bei einer Freundin aufgelaufen.
Zwangsläufig haben meine Kollegen eher wenig Überstunden.

Wie überall soll jedoch umstrukturiert werden und alle haben Angst, wen wird es erwischen. Die Leitungskräfte scheinen zu intrigieren, man/frau muß vorsichtig sein, eine Erhöhung meiner Stunden könnte zur Folge habe, daß jemand von uns woanders eingesetzt wird.
Dazu kommt, daß ich ganz schlecht mit Auseindersetzungen umgehen kann. Ich trage meine Anliegen immer lange Zeit in mir rum, bis ich mal den Mut fasse was zu sagen. Außerdem habe ich kein eigenes Büro und mein Schreibtisch steht nahezu mitten im Raum; ich kann schlecht für mich selbst einen "Ruhepol" schaffen.

Ich mag mittlerweile meine Arbeit, mache sie auch gerne und ich denke ich mach sie auch ganz gut. Jetzt lassen es die Bedingungen jedoch immer weniger zu und ich hab da Gefühl allein auf weiter Flur zu sein, da meine Kollegen ständig nebulös Druck bekommen und oft ganz andere Prioritäten als ich setzen. Ich komme mir dann auf der einen Seite scheiße gegenüber Ihnen vor,(mag sie auf eine private Art auch alle gerne),auf der anderen Seite bin ich teilweise sauer, weil niemand nach mir fragt. Ich mach mir dann Gedanken, daß meine Überstunden vielleicht negativ auf "eventuell noch freie Kapazitäten ihrerseits" verwendet werden können, bin natürlich auch angewiesen, daß sie mir zuarbeiten, wenn ich nicht da bin.

Also Fazit: auf der einen Seite mache ich die Arbeit gerne, habe eine unbefristete Stelle, habe mittlerweile eigene Vorstellungen der Arbeitsinhalte und kann dort spezifisch auch klar strukturiert auftreten,

auf der anderen Seite bin ich die einzigste dort, die ganz schlecht für sich sorgen kann, kann weder die Kollegen noch die Leitung unterstützen, die meisten wollen jetzt in die Mitarbeitervertretung, so daß da vielleicht auch wenig Unterstützung für mich gibt.
Ich hab auch immer wieder Angst als unkollegial bezeichnet zu werden...was ich ganz schlimm finde. Und außerdem brauch ich natürlich, daß "mich alle lieben".

DIE ZWICKMÜHLE: ich kann zwar mittlerweile meine Arbeit ohne ständige Selbstzweifel erledigen, fange an aus dieser jahrzehntelangen "ich kann nix - Phase" rauszukommen und arbeitsinterne Geschichten aktiv anzugehen, allerdings machen mich jetzt die Rahmen- und Umgebungsbedingungen krank.

Mein Freund, mein soziales Unmfeld kann dieses Thema bald nicht mehr hören, zusätzlich wohne ich in einem großen Projekt
(was zudem noch einen lange Phase der Realisierung hinter sich hat), was im Grunde auch soziale Kompetenzen von mir fordert, ich habe eine Zusatzausbildung angefangen, die ich diese Jahr abschließen muß, vergesse im Moment alles und kann mich immer schlechter für bestimmte Sachen entscheiden.

Ich hab einfach Angst, daß alles an Wachstum, eigener wahrgenommer Größe und damit vielleicht auch mal ein bischen Freiheit selber agieren zu können, wieder zusammenfällt, weil ich letztlich mit zuvielen ungünstigen Bedingungen nicht umgehen kann.

Das war jetzt doch sehr sehr viel, ich würde mich trotzdem über Beiträge dazu freuen. Finde zumeist den Umgang hier im Forum sehr behutsam, würde- und respektvoll und bin jetzt endlich mal still.

Grüße und eine gute Nacht
Trude

Re: In der Zwickmühle

Verfasst: 16. Mär 2006, 17:45
von Trulla
Hallo Trude,
Deinen Text habe ich als sehr kompakt empfunden, ich habe ein wenig Zweifel, ob ich nun verstanden habe, was Du sagen willst.
Also: Du hast ständig Zweifel, ob Du alles richtig machst im Umgang mit den Kollegen? Du bist sehr ehrgeizig und hast Angst, das würde egostisch wirken.
Mir kommt das so ähnlich vor wie es bei mir ist. Ich denke viel zu viel darüber nach, warum jemand dieses oder jenes sagt, macht oder auch nicht macht. Oder: jetzt habe ich gesagt dass...., bin ich auch richtig verstanden worden. Wie wirkt das auf die anderen, was denken die jetzt von mir. Oder so ähnlich.
Mir hat sehr dabei geholfen, dass ich meine Gedanken über mein Verhalten oder meine Gefühle aufgeschrieben und das dann am nächsten Tag wieder gelesen habe und mir dann überlegt habe, was ich daran anders haben möchte. Oder einfach mal den Kollegen oder auch den Chef fragen, was er denkt, wie er das verstanden hat.
Ich hoffe, ich habe Dich jetzt nicht falsch interpretiert.
Gruß
Trulla

Re: In der Zwickmühle

Verfasst: 17. Mär 2006, 00:43
von trude
Hallo Trulla,

danke für deine Antwort. Meine Texte wie auch meine Gedanken sind oft sehr konfus, wenn ich unsicher bin und nicht genau weiß wie es weitergeht.

Du hast recht, die Zweifel alles richtig zu machen, niemanden zu benachteiligen etc. sind ganz oft bei mir zuhause. Ich habe auch oft Angst mich zu zeigen, bin dann lieber das kleine, unfähige Kind und muß damit auch keine Verantwortung übernehmen.
Egoistisch fühle ich mich, wenn ich andere Vorstellungen (als z.B. meine Kollegen) habe.Interessant daß du mich als ehrgeizig interpretiert oder wahrgenommen hast. Das galt lange in meinem Wertesystem als "eine böse Eigenschaft", die "andere Menschen links liegen läßt", da sie sich nur auf sich konzentriert.

Das Denken, was andere denken, das hört auch ganz schlecht auf zu denken. Manchmal kann ich "Schluß" sagen, oft aber auch nicht.

Zu der Schwierigkeit meine "egoistischen" Gedanken den anderen mitzuteilen, da sind große Sperren und Angst in mir, die ich leider so schlecht zu fassen bekommen. Theoretisch weiß ich, daß ich dies ganz dringend tun müßte, weil ich mich immer unglücklicher mache und mich immer mehr von mir entferne. Dazu kommt einfach eine reale Streßsituation mit erhöhter Arbeit, Umstrukturierungspläne die vollkommen unklar sind, unterschiedliche Parteinahmen etc.

Aber das ist ein guter Tip die Gedanken mal auf Papier bringen, dann sind sie etwas raus aus meinem Kopf und lassen sich mit Abstand etwas klarer betrachten. Und ich muß für mich lernen meine Bedürfnisse ernst zu nehmen, wenn sie auf dem Papier stehen und mich nicht mehr unglücklich in mein Kann-Nix-Schneckenhaus zurückziehen.

Von daher vielen Dank und eine gute Nacht

Gruß
Trude

Re: In der Zwickmühle

Verfasst: 17. Mär 2006, 17:09
von Trulla
Hallo Trude,
die viele Arbeit und die dauernden Umstrukturierungen machen mich auch madig. Manchmal macht mich das richtig fertig.
Dann kommt auch die Angst, geht die eigene Kompetenz dabei vielleicht verloren. Oder meine ich im Moment nur deswegen meine Arbeit gut zu machen, weil ich alles schon lange kenne. Oder ist meine Leistung wirklich gut.
Oder bin ich in Wirklichkeit ganz schlecht und ich mach mir nur was vor.
Die Veränderungen, evtl. Entwicklungen, die ich mir in vergangenen Jahren erkämpft habe, sind die vielleicht gar nichts wert. Bilde ich mir das nur ein. Durch Therapien kann mann ja auch viel lernen, habe ich das alles nur auswendig gelernt, und in Wirklichkeit mach ich mir was vor. Und dann kommt wieder das kleine schwache Kind zum Vorschein.
Und manchmal bin ich so müde und habe absolut keine Lust mehr, für mich gut zu sorgen. Dann will ich einfach nicht mehr, weil wir uns alles so schwer erarbeiten müssen, was andere völlig selbstverständlich finden.
Aber wenn ich mich bei solchem Selbstmitleid ertappe, dann bin ich schon auf dem besten Wege, wieder schwach zu werden.
Diese ganze Hinterfragen, habe ich mich richtig verhalten, was denken die anderen jetzt von mir, wie mag das bei ihnen angekommen sein, das artet oft in Grübeleien aus, die teilweise zum Zwang werden. So als ob ich ohne solche Gedanken nichts mehr im Kopf habe und ich wäre dann eine völlige Niete.
Aber gleich werde ich abschalten, Kopfhörer auf und schöne Musik hören.
Alles Gute und ein schönes Wochenende
Trulla

Re: In der Zwickmühle

Verfasst: 18. Mär 2006, 15:56
von trude
Hallo Trulla,

was du beschreibst kenne ich auch nur zu gut. Und gerade die Müdigkeit irgendwann und damit einhergehend auch keine Kraft mehr zu haben um für sich sorgen zu können. Und damit wieder mehr von anderen bestimmt zu werden und so nimmt die Belastung noch mehr zu, und somit die eigene Unsicherheit und -Patsch- der typische Kreislauf ist wieder da.

Bei mir verschärft sich die Lage leider weiter und wenn ich Pech habe tritt die schlimmste Situation ein und ich bin alleine mit der Person, mit der ich eigentlich die größten Schwierigkeiten habe und das Arbeitspensum erhöht sich. Das hat mir gestern wieder eine schlaflose Nacht eingebracht, aber ich lerne langsam vielleicht doch zu versuchen dagegen anzugehen.

Ich habe nächste Woche einen Termin bei meinem alten Thera und werde versuchen irgend eine Art von Einzelsupervision zu machen, um die Situation mal etwas professionell zu entflechten. Vielleicht bringt es ja etwas Klarheit, wie die Spiele zwischen allen Beteiligten dort laufen. Und ansonsten brüte ich über Ideen, wie Stellenwechsel, Kur, Jobwechsel, Tai-Chi und andere Sachen rum.

Früher hätte ich zwei Wochen im Bett gelegen mich von allen und allem komplett zurückgezogen um immer mehr in der Aussichtslosigkeit zu versinken.

Jetzt versuche ich immerhin etwas und hoffe somit nicht mehr so handlungsunfähig wie früher zu werden.

Also werde ich jetzt einkaufen und lecker heute abend kochen und mir einen schönen Schlaftee gönnen, der mich dann hoffentlich ins Bett bringt.

Dir auch noch eine schöne Musik und ein schönes Abschalt-Wochenende.

Grüße Trude