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Ich wage mich heraus

Verfasst: 28. Feb 2006, 22:51
von rafzahn
Hallo,
diesen Schritt in diesem Forum über meine Erkrankung zu sprechen ist mir sehr schwer gefallen.

Ich leider seit gut 4 Jahren an wiederkehrenden teilweise schweren Depressionen. Zur Vorgeschichte: Nach dem Abitur habe ich meinen Wehrdienst mit Verlängerung geleistet, danach habe ich im Sauseschritt das Vordiplom an der Uni gemacht. Mich konnten nie irgendwelche Sachen stoppen. Dann folgte die erste Enttäuschung: Meine Liebe ist mehrfach (bei verschiedenen Partnerinnen) abgewiesen worden. Ich habe mich in die Arbeit für eine studentische Initiative versucht zu verlieren, habe dort einiges geleistet, mein Studium so stark vernachläßigt dass ich den Anschluss verloren habe. Die Semesterzahl stiegt und stiegt. Um da raus zu kommen, habe ich ein Praktikum mit anschliessender Übernahme in eine Art Freier Mitarbeiter übernommen. Ja ich wurde teilweise ausgenutzt, von den Chefs, weil ich in dem Berufsfeld sehr gut zurechtkam. Ich war ständig weiterhin immatrikuliert. Meine kurzen zwischenzeitlichen Depressionen habe ich kaschiert, mit Notlügen. Dann habe ich mich entschlossen, den Job an den Nagel zu hängen um endlich mit der Uni fertig zu werden. Hier wurde ich mehrfach von Lehrstühlen gegen die Wand aus teilweise aberwizigen Gründen laufen gelassen. Ich habe mich immer stärker zurückgezogen. Habe meine Familie nicht mehr an mich gelassen. Habe teilweise 2 wochen am Stück im Bett verbracht. War ohne Antrieb. Ich habe dann versucht über Sport mich wieder in ein normales Leben zu führen. Aber ich kann die Institution UNi nicht von ihnen sehen. Mir wird es schlecht, wenn ich die Gebäude nur sehe. Wenn ich in Vorlesungen gehen soll, wird es mir übel. Diese Zeiten kamen und gingen. Ich habe bisher keinen Arzt konsultiert. Inzwischen habe ich unzählige Semester angesammelt und muss Studiengebühren zahlen. Ich habe Angst vor Klausurvorbereitung und Klausuren an sich. Der Grund liegt, darin dass ich mich kaum noch auf Aufgaben konzentrieren kann. Ich Habe Angst Bücher aufzuschlagen. Und versuche alles nach hinten zu schieben bis es nicht mehr geht und ich sodann einfach mich in meinen vier Wänden verkrieche und nicht an die Welt denken möchte.
Seit gut 3 Monaten bin ich in eine sehr schwere Depression gefallen. Bis auf die Besuche meines Vereins unternehme ich nichts. Kann teilweise nicht schlafen und wenn ich einschlafe dann wache ich entweder um 5 Uhr morgens oder bin den ganzen Tag am einschlafen.

Ans Lernen oder ähnliches kann ich derzeit nicht denken. Am liebsten würde ich alles hinschmeissen, da dazu kommt, dass Lehrstühle mir nicht die notwendigen Seminarplätze geben um das Studium zu beenden. Habe binnen der ersten 7 Semestern fast alle meine Klausuren geschrieben und zumeist bestanden, seitdem bin ich nur am vegetieren. Inzwischen bin ich offiziell im 15 Semester. In dieser Zeit habe ich wie oben angedeutet meine Praktikas, Engagements und Jobs gemacht. Solange ich an die Uni nicht denken muss geht es mir gut. Sobald dann aber die Zeit kommt, sich auf Klausuren vorzubereiten, werde ich aufgrund der Negativerlebnisse wie gelähmt. Ich wage mich kaum aus dem Haus, weise Freude ab etc. Es liegt nicht an meiner Intelligenz (IQ 127).

Ich weiss, ich sollte nun einen Arzt oder eine Beratungsstelle aufsuchen. Ich habe Angst dorthin zu gehen.
Wenn ich die letzten von mir geschrieben Sätze lese, dann erkenne ich mich nicht mehr wieder. Mein Schreibstill ist meist sehr harmonisch und zugleich mit großartiger Wortwahl gesäht.

Ich weiss nun nicht ob ich eine Frage stellen soll, oder einfach nur um Unterstützung bieten sollte, so verbleibe ich mit besten WÜnschen für die Nacht.

Re: Ich wage mich heraus

Verfasst: 1. Mär 2006, 15:03
von Birgit49
Hallo Rafl,

Deine "Waghalsigkeit" sollte ja auch belohnt werden, ich begrüße Dich ganz herzlich im Forum, und hoffe, dass diesem ersten Schritt viele folgen mögen.

Richtig und wichtig ist, dass Du Dir professionelle Hilfe suchst, die Dir aber nur im realen Leben gegeben werden kann, sprich Psychiater bzw. Psychologe.

Das es oft nicht einfach ist und Überwindung kostet einen Arzt, und dann noch einen Psychiater, aufzusuchen, können Dir sicher viel hier im Forum bestätigen.

Nur, wenn etwas an Deinem Auto nicht so funktioniert, wie gewünscht, gehst Du ja auch nicht damit zum Teppichleger sondern zu einem Fachmann.

Der Fachmann für eine psychische Erkrankung ist nun einmal der Psychiater und Angst brauchst Du wirklich nicht zu haben, es sind letztendlich Menschen wie Du und ich.

Liebe Grüße

Birgit

Re: Ich wage mich heraus

Verfasst: 1. Mär 2006, 19:29
von S84
Hallo Rafl,

ich kann mich Birgit nur anschließen. Mir geht's im Moment mit dem Studium ähnlich wie Dir, mir wird schon schlecht, wenn ich daran denke. Nicht einmal die Uni an sich, aber dieser Druck, das Studium abzuschließen obwohl die Energie und Konzentration gar nicht da ist.

Ich hatte heute meinen ersten Termin beim Psychater und habe gerade gestern Abend und heute morgen auf dem Weg dorthin richtig Bammel gehabt. Angerufen und den Termin gemacht hatte ich vor einigen Wochen nach dem Prinzip: "Augen zu und durch" Dann habe ich erstmal versucht, gar nicht weiter dran zu denken, weil mir jedesmal wieder so mulmig wurde. Aber: Es war gar nicht schlimm! Der Psychater war total nett und man wird auch nicht gleich beim ersten Termin sofort mit seinem Problem konfrontiert. Er wollte nur wissen, was er für mich tun kann und hat dann allgemeine Fragen gestellt, was ich so mache (Studium), ob ich ne Beziehung habe, Hobbies, Familie usw. Dann habe ich noch zwei Fragebögen mitbekommen, die ich vor dem nächsten Termin vorbeibringen soll.

Es war wirklich nicht schlimm, man muss nicht gleich einen kompletten Seelen-Striptease hinlegen, sondern geht es ganz langsam an. Trau Dich ruhig!

Licht und Kraft

Sab

Re: Ich wage mich heraus

Verfasst: 2. Mär 2006, 21:28
von Leni2
Lieber Rafl,

hier noch eine, die sich mit dem Studium quält! Ja, die Ängst vor der Uni und die Konzentration fällt mir immer sehr schwer. Mit so einer Krankheit ist es nicht leicht, denn man muß ja immer doppelt arbeiten: zuerst gegen die Depri ankämpfen und dann noch lernen.

Was mir hilft ist folgendes: Schreib dir auf, was du schon alles geschafft hast. Eine berufliche Tätigkeit ist viel wert, diese Erfahrungen haben viele nicht, die mit 25 ihr Studium abschließen. Versuch, die Arbeit in kleine Häppchen einzuteilen und streue ausreichend Belohnungen dazwischen. Schieb die Sachen nicht noch länger vor dir her, denn die Angst wird immer größer und im Gegenzug immer kleiner, wenn man mal angefangen hat (so jedenfalls meine Erfahrung). Suche dir Unterstützung (Professionelle, aber auch Lerngruppen oder so).
Klappt bei mir auch nur alles mal so hin und wieder, aber ich bleib dran!

Alles Gute!
Lena