Wieso habt Ihr eine Depression?

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adelgunde
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Wieso habt Ihr eine Depression?

Beitrag von adelgunde »

Hallo an alle!

Ich habe hier im Kompetenznetz schon eine Weile mitgelesen und auch ab und zu was geschrieben. Jetzt treibt mich aber eine Frage schon seit längerer Zeit um.

In der Therapie (Analyse, liegend) hat mein Therapeut mich ziemlich am Anfang (vor anderthalb Jahren) gefragt, wozu ich die Depression brauche. Bis heute habe ich nur herausgefunden, daß ich sie brauchte, weil ich mich zu wenig um mich selbst gekümmert habe.

Wie ist das bei Euch? Wozu braucht Ihr die Depression? Die ist doch so überflüssig wie ein Kropf. Habt Ihr da Antworten? Ich freue mich darauf, sie zu lesen!

Liebe Grüße
Inga
Kudelka
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Re: Wieso habt Ihr eine Depression?

Beitrag von Kudelka »

für mich iss die Depri mittlerweile ein positives Warnzeichen, da sie mir zeigt, das es noch was aufzuarbeiten oder zu betrtrauern gibt.....oder das ich in der Zeit vor der Depri wieder nicht gut mit mir umgegenagen bin und dann versuche ich Ruhe und Besinnung zu finden und rauszufinden wie ich besser mit mir umgehen kann....
Denker
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Re: Wieso habt Ihr eine Depression?

Beitrag von Denker »

Meine Depri sagt mir, dass ich etwas ändern muss in meinem Leben, sonst geht das nicht gut aus. Meine Depri gibt mir außerdem manchmal die Rechtfertigung, ein wenig egoistisch zu sein und gut für mich zu sorgen.
Gruß
Denker
tomroerich
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Re: Wieso habt Ihr eine Depression?

Beitrag von tomroerich »

Hallo Inga,

meine Depression liegt nun schon Jahre zurück. Vielleicht ist eine Antwort auf deine Frage aus einer rückblickenden Perspektive ja auch interessant?
Unnötig wie ein Kropf, sagst Du. So kommt es einem freilich vor, wenn man darin steckt. Da scheint die Depression absolut keinen Sinn zu machen, weil sie erst einmal als zerstörend erlebt wird. Ich kann für mich aber klar die Bilanz ziehen, dass sie einen Wendepunkt in meinem Leben markiert, von dem an ich umzudenken begann in sehr zentralen Annahmen und Haltungen gegenüber meinem Leben.

Dass diese Haltungen und Annahmen das Resultat einer komplizierten und sehr ungeborgenen Kindheit waren, ist mir heute sonnenklar. Ebenso klar ist mir aber auch, dass ich vor meiner Depression nicht die geringste Ahnung davon hatte und unfähig war zu erkennen, dass meine Haltungen und Verhaltensweisen, die ich für meine ureigenen hielt, meine ganze Lebensweise bestimmten. Und zwar in einer Weise, die ganz zentrale Probleme verursachten. Ich war einsam, sehr verletzbar, sehr perfektionistisch und ängstlich, Fehler zu machen, kontaktscheu, fühlte mich ständig abgelehnt u.s.w. Und , das halte ich für den wichtigsten Punkt dabei, ich war perfekt mit diesen Verhaltens- und Gefühlsgewohnheiten identifiziert, was heißen soll, dass ich sie zu 100% meinem Ich zuordnete. So bin ich eben. Und weil das alles unangenehme, schmerzhafte Gewohnheiten waren, ging irgendwann das ganze Ich den Bach runter im Sog dieser Negativität.

Wäre die Depression nicht gewesen, die ich heute als perfekte Ausdrucksform dieser Gewohnheiten sehen kann, ich wäre nie dahinter gekommen. Sie war notwendig, um mein Leiden in einem Maß zu steigern, das mich Krankheit spüren ließ.

Viele Grüße von

Thomas
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Kudelka
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Re: Wieso habt Ihr eine Depression?

Beitrag von Kudelka »

wow Thomas...besser kann man es wohl nicht beschreiben......
Denker
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Re: Wieso habt Ihr eine Depression?

Beitrag von Denker »

das gleiche habe ich gerade auch gedacht!
Danke
Denker
adelgunde
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Re: Wieso habt Ihr eine Depression?

Beitrag von adelgunde »

Lieber Thomas und alle anderen,

vielen Dank für Deine/Eure Antwort/en. Klar ist die rückblickende Perspektive interessant, gerade die! Denn da will ich hin!

Du brauchtest also die Depression, um Dir Deine "falschen" Verhaltens- und Handlungsweisen, die aus Deiner Kindheit resultieren, bewußt werden zu lassen? Das klingt sehr schlüssig. Für mich ist es so, daß ich da mit mir noch nicht eins bin. Ich hatte keine schweren Traumata in meiner Kindheit. Klar gabs Verletzungen und mein Vater ist nicht der Traumvater (ist eigentlich ein Weichei, der macht, was meine Mutter ihm sagt und ich kann mich nicht erinnern, daß ich scharf drauf war, von IHM Anerkennung zu bekommen). Aber wer hat den schon?

Bei mir ist es erst IN der Depression zu den von Thomas beschriebenen Verhaltensmustern gekommen. Ich wurde kontaktscheu, hatte nicht mal mehr Lust, was zu essen, habe mich von allen angegriffen gefühlt und von niemandem geliebt. Nichtmal von meinen Eltern. VORHER war das nicht so. Da gings mir echt gut. Klar, auch mal ein Down dabei, aber nicht in dieser Form. Deshalb frage ich mich, wozu mir mein Körper gesagt hat, "ey, stopp, so gehts nicht weiter".

So wie Sonnenzimmer das als Warnzeichen sehen, damit kann ich aber trotzdem was anfangen. Oder wie Denker, daß ich was ändern muß. Ich habe halt schon viel geändert, bin aber noch nicht richtig zufrieden. Vielleicht erwarte ich zuviel?

LG
Inga
Guitaranderl

Re: Wieso habt Ihr eine Depression?

Beitrag von Guitaranderl »

>weil ich mich zu wenig um mich selbst gekümmert habe
>Deshalb frage ich mich, wozu mir mein Körper gesagt hat, "ey, stopp, so gehts nicht weiter".

Liebe Inga,
nach Deinem prächtigen Eintrag im "Männerthread" möchte ich auch kurz meinen Senf abgeben. Sieh mal Deine beiden Sätze da oben. Siehst Du den Widerspruch? Deine Frage beantwortet sich ganz klar durch Deine Antwort. Eine Depression ist ein vorzügliches, wenn auch widerwärtiges- Mittel, die eigenen Grenzen kennenzulernen.

Das, was Du von Deinen Eltern schreibst, klingt für mich etwas verachtend. Es geht auch nach meiner Erfahrung nicht darum "wer was wann hatte" sondern darum, was wir für eine stabile Persönlichkeitsentwicklung gebraucht hätten. Es ist eine ganz normale Geschichte, dass wir insbesondere unsere Kindheit oft verzerrt "erinnern" und von "schöner Kindheit" und "aufmerksamen Eltern" fabulieren, weil wir genau wissen, dass die Wahrheit doch ein bißchen anders aussah.

Herzliche Grüße aus Hamburg und alles Gute für Dich!
Andreas
Goldy
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Registriert: 26. Jan 2006, 20:59

Re: Wieso habt Ihr eine Depression?

Beitrag von Goldy »

Hallo an alle!

Mich würde interessieren, wie Ihr für Euch persönlich herausgefunden habt, was Euch Eure Depression sagen will. Seid Ihr alle beim Psychotherapeuten, Selbsthilfegruppe gewesen, kam die Erkenntnis durch Fachbücher oder von allein??

Grüße von Nicole
Goldy
gundi2
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Re: Wieso habt Ihr eine Depression?

Beitrag von gundi2 »

Hallo,

bei mir waren es viele kleine Puzzle-Stücke, die sich zu einem Bild gefügt haben: Therapie, Austausch mit meinen Schwestern, die ja die gleichen Eltern erlebt haben, Buchempfehlungen der Therapeutin und von Freunden, Bücher, die ich mich in Buchhandlungen anlachten, Internetseiten usw. Aber ich denke, das Bild ist immer noch nicht fertig.

gundi2
tomroerich
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Re: Wieso habt Ihr eine Depression?

Beitrag von tomroerich »

Liebe Inga,

es könnte sein, dass du bestimmte Belastungen in der Kindheit nicht erinnerst, das war bei mir nicht anders. Ich war immer der Meinung, meine Kindheit sei ganz prima gewesen. Das war aber eine Folge meiner inneren Selbstaufgabe. Ich stand einfach völlig unter dem Eindruck, es ginge gar nicht um mich sondern um meine Eltern und so lange es denen gut ging, war die Welt in Ordnung. Ich konnte mich überhaupt nicht als Individuum mit eigenen Interessen und Wünschen fühlen, war völlig nach außen orientiert.

Nun muss das bei dir überhaupt nicht so sein. Auch der Grund für deine Depr. muss gar nichts mit deiner Kindheit zu tun haben und u.U. konstruierst du dich in eine Indizienkette hinein, die dann zwar einen logischen Grund zu liefern scheint aber nicht stimmen muss. Es gibt nur einen sicheren Anhaltspunkt und der kommt dann,wenn du innerlich sehen kannst, was nicht stimmt. Dann wirst du wissen, fühlen und denken können, was nicht stimmt und das fühlt sich dann von selbst zutreffend an. Darum geht es ja auch in deiner Therapie, dass du dich mal von außen sehen lernst und den inneren Abstand von deinen Gewohnheiten bekommst, die dir jetzt völlig oK und richtig erscheinen. Man sollte nichts zusammenkonstruieren, was einen nicht überzeugt. Das ist nicht tragfähig.

Aber wenn du in deiner Thera anfängst, über deinen Dad nachzudenken, mag es auch dazu kommen dass du zu fühlen beginnst, wie sehr du dir ein Nicht-Weichei gewünscht hast und was das alles für Folgen für dich hatte.
Aber wie gesagt, eine Theorie darüber ist völlig nutzlos, wenn sie dich nicht innerlich anspricht und dir das Gefühl gibt, dass es eine Fährte ist, der du folgen willst. Dann aber kann es schnell dazu kommen, dass du Zusammenhänge entdeckst, die dir jetzt völlig unwahrscheinlich erscheinen, an die du nicht mal denken würdest.
Ich hätte es niemals für möglich gehalten, was da ans Tageslicht kommen kann! Deshalb verwirf nichts aus einem unguten Gefühl heraus (je unguter umso weniger). Schon in deinen wenigen Sätzen über deinen Vater kann der Zipfel herausschauen, an dem ne ganze Mottenkiste hängt, wenn du dran ziehst.


Lieben Gruß von

Thomas

@Sonnenzimmer und Denker:
Depris loben ist seelische Grausamkeit Trotzdem danke!
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Shelly
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Re: Wieso habt Ihr eine Depression?

Beitrag von Shelly »

Liebe Inga!
Bin neu hier und stürze mich grad erstma ins getümmel. Bin sofort aufmerksam auf deinen Beitrag geworden.
Ich hatte eine prima Kindheit-das kann ich deshalb sagen, weil sie noch nicht so lange zurückliegt. Bin erst 21. Meine Depression hat angefangen als ich 13 war. Meine erste Therapie habe ich mit 16 gemacht. Ich weiß bis heute nicht warum ich diese Krankheit habe, weiß nur, das ich jetzt nicht da wäre wo ich im Moment bin. Ich würde wahrscheinlich so Friede-Freude-Eierkuchenmäßig durch die Welt laufen und dadurch einiges wie in einem Kaleidoskop sehen-bunt und schillernd. Durch meine Krankheit bin ich aber auf dem Weg mich selbst ganz neu zu definieren. Ich kann nun Tage an denen es mir gut geht viel besser genießen... Auch wenn ich eigentlich noch mitten in einer depressiven Phase stecke versuche ich immer zu sehen was es mir gebracht hat.... Vielleicht kommt mit dem alter aber noch eine ganz andere Erkenntnis?? Vielleicht hat es doch einen tieferen Sinn...

Lieber Gruß, Franzi
adelgunde
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Registriert: 10. Jan 2006, 11:48

Re: Wieso habt Ihr eine Depression?

Beitrag von adelgunde »

Hallo zusammen,
mmh, ich habe auch nochmal nachgedacht, wieso ich die Krankheit brauche. Es ist ein bißchen die Frage nach der Henne und dem Ei. oder? Was resultiert aus was? Resultiert die Depression aus falschen Verhaltensweisen oder resultieren die falschen Verhaltensweisen aus der Depression? Thomas vermutet ja die erste Variante. Die zweite ist aber auch stimmig für mich. Und tätä! Da ist sie wieder, die Entscheidungslosigkeit.

@Andreas, ja, da hast Du wohl recht. Und schön gesagt: "vorzüglich und widerwärtig". Ich frage mich halt, wie es Menschen ohne Depression machen. Würde mir das gerne abgucken. Ist es eine Frage der "rechtzeitigen" Entscheidung? Aber genau das fällt doch so schwer. Ok, da kommen die inneren Konflikte ins Spiel. DIE finde ich übrigens hilfreich. Festzustellen, wie ich bin und wie ich gerne wäre und merken, daß es nicht geht, nur so zu sein, wie ich gerne wäre (oder auch antrainiert bekommen habe zu sein).
Und Du hast recht, manchmal verachte ich meinen Vater. Nachdem wir (meine Schweister und ich) aus dem Haus waren, hat er die Rolle desjenigen übernommen, der meiner Mutter "zu Diensten" ist. Und er bekommt seinen eigenen Kram nicht gebacken. Und da erkenne ich mich wieder.

@Thomas, ja ich hätte es (meinen Vater) tatsächlich gerne anders gehabt. Das mit dem nach außen orientiert kenne ich gut. Aber das geht phasenweise. Und das "innerlich sehen" war mir abhanden gekommen. Und genau da bin ich mit oft noch unsicher, ob das, was ich für gut befinde, tatsächlich auch gut für mich ist. Ich habe das Gefühl, daß ich innerlich manchmal Jaa! zu Dingen/Personen/Situationen sage, die eigentlich nicht gut für mich sind. Ich kann das schwer unterscheiden.

@Franzi: Ja, bunt und schillernd habe ich es auch immer gesehen. Und dachte vor allem, daß es immer bunter wird. Und dann wurde es eher schwarz. Ob es einen tieferen Sinn hat? Wahrscheinlich, wenn ich den Beiträgen im Forum glauben darf. Viele haben doch durch die Depression für sich eine ganz neue Lebensqualität entdeckt.

@Nicole: Bei mir war die vage Erkenntnis eigentlich schon vorher da. Vor Therapie und Büchern lesen. Und vielleicht ist das auch ein Auslöser der Depression? Ich weiß eigentlich, daß ich aus dieser Situation wegmuß, gehe aber nicht (hier aber wieder die Frage nach der Henne und dem Ei: wieso gehe ich nicht? Weil ich schon depressiv bin oder weil ich denke, ich muß die Situation "erleiden"?) und bekomme deshalb die Depression, damit der Leidensdruck noch schlimmer wird?

LG
Inga
Guitaranderl

Re: Wieso habt Ihr eine Depression?

Beitrag von Guitaranderl »

>Resultiert die Depression aus falschen Verhaltensweisen oder resultieren die falschen Verhaltensweisen aus der Depression?

Hi Inga,
diese Frage hat sich hier wahrscheinlich schon Jede(r) gestellt. Es ist fraglos Beides! Das ist ja das fiese an einer Depression, dass sie quasi selbstverstärkend wirkt. Insofern ist es in der Gegenwart nach meiner Erfahrung müßig, sich diese quälende Frage zu stellen. Das hilft Dir nicht.

Was die Verachtung Deines Vaters angeht, kannst Du mal davon ausgehen, dass diese Verachtung dann auch Dich betrifft, denn schließlich bist Du ja imgrunde zu 50% die Fortsetzung seines Lebens. Ich will damit sagen, dass Du Dir damit nicht hilfst, sondern schadest.
>Und da erkenne ich mich wieder

Wenn jemand -etwas arrogant- den Vater als "Weichei" missachtet, bedeutet das dann, dass Du selbst eher "hartgekocht" bist? Oder meinst Du, dass Du "hartgekocht" bist, also nach Außen so ne ganz Toughe, aber imgrunde so gern Deine weichen Seiten leben würdest; indem Du z.B. Deine Grenzen respektierst und einfach mal eingestehst, dass Du was doch nicht wuppst. Im übrigen ein vorzüglicher Nährboden für eine Depression.

Herzliche Grüße
Andreas
adelgunde
Beiträge: 80
Registriert: 10. Jan 2006, 11:48

Re: Wieso habt Ihr eine Depression?

Beitrag von adelgunde »

Lieber Andreas,

ja, Recht hast Du. Meistens schiebe ich die Frage auch zur Seite, sonst fange ich an, drüber nachzugrübeln. Und das ist ja erstmal Mist.

Und klar, in dem Moment, in dem ich es aufschrieb, daß ich mich in meinem Vater wiedererkenne, hatte ich auch das mit der Verachtung kapiert. Ich verachte manchmal meine weichen Seiten. Aber ich lebe sie auch gerne. Ich kann beides sein. Früher wollte ich immer weich und lieb sein. Aber das bin ich nicht nur. Ich kann eben auch tough. Ich habe, glaube ich, die weiche Seite viel zu sehr gelebt. Und mir und vor allem anderen keine Grenzen gesetzt. Jeder konnte mit mir machen, was er/sie wollte. Ein bißchen wie mein Vater eben. Und ich war auch noch fast stolz darauf, eben NICHT so zu sein, wie meine Mutter.

Ich hatte früher Mitleid mit meinem Vater, weil der so eine dominante Frau hat. Aber das ist auch nicht der richtige Weg. Sondern der Weg des Leidens und den bin ich zu lange gegangen. Er hat sie sich ausgesucht. Er wollte das so. Sie passen auch gut zusammen und lieben sich außerdem noch. Dieses Jahr 40 Jahre. Dafür bewundere ich sie.

Aber ich komme besser klar, wenn ich dem Weichei in mir auch mal ne Grenze setze. Und mir sage "hey, das wuppst Du doch" anstatt zu denken, "das schaffe ich nie". So ungefähr.

LG
Inga
Guitaranderl

Re: Wieso habt Ihr eine Depression?

Beitrag von Guitaranderl »

>Jeder konnte mit mir machen, was er/sie wollte. Ein bißchen wie mein Vater eben. Und ich war auch noch fast stolz darauf, eben NICHT so zu sein, wie meine Mutter.

Du schreibst wunderbar klar, Inga. Ich "les" Dich gern .
Bei dem, was ich oben reinkopiert habe, drängt sich für mich geradezu die Frage auf, WER Du eigentlich bist, bzw. ob Du das fühlst, bzw. emotional weißt. Es ist sicher einer der Hauptgründe von Depressionen, seinem Selbst entgegengesetzt zu leben. Das Dumme ist nur, dass wir ja um unser Selbst wissen müssen, um es zu leben. Nach Deinen obigen Sätzen vermute ich, dass Du Dir über Deinen Platz im Leben noch nicht so ganz im Klaren bist.

Herzliche Grüße
Andreas
Goldy
Beiträge: 28
Registriert: 26. Jan 2006, 20:59

Re: Wieso habt Ihr eine Depression?

Beitrag von Goldy »

Hallo Inga,

eines muß ich Dir vorweg gleich sagen: Gut für mich, dass Du dieses Thema angesprochen hast, denn, entgegen Andreas Meinung (sorry...),habe ich mich nie gefragt, was meine Depression mir sagen will. Ich habe sie einfach als eine Riesenbelastung angesehen und mich gefragt, warum es gerade mich trifft. Dein Beitrag hier ist ein wichtiger Denkanstoß für mich!

Nun aber zu Dir, meine Gute!
Eines frage ich mich : Du verachtest Deinen Vater für sein Weichsein und bringst das auch klar zu Ausdruck, nur Deine dominante Mutter erwähnst Du so nebenbei.
Das verstehe ich nicht! Ist sie denn nicht, entschuldige den harten Ausdruck, Ursache allen Übels?
Dein Vater ist ein weicher Mensch, Du bist ein weicher Mensch- ihr zwei würdet Euch gegenseitig ohne jeglichen Einfluß Deiner Mutter doch sicherlich nicht fertigmachen oder verachten, oder? Hast Du nicht genau deshalb angefangen, in Deinem Vater einen Schwächling zu sehen, weil Deine MUTTER ihn immer dominiert hat?
Stell`Dir doch mal alternativ vor, Deine Mutter hätte genauso eine weiche Persönlichkeit wie Dein Vater und beide wären gleichrangig, ohne jegliche Dominanz des einen über den anderen. Dein Vater wäre derselbe,aber Deine Mutter nicht und sie würde ihn auch ganz anders behandeln... . Würdest Du ihn dann nicht mit anderen Augen sehen, wäre er in einer gleichberechtigten Ehe für Dich immer noch ein Weichei??

Du hast in einem Deiner vorherigen Beiträge geschrieben, dass Du Dich mitunter zu Menschen hingezogen fühlst, die nicht gut für Dich sind. Nun, das kenne ich.
Ich glaube bei mir lag die Ursache darin, dass ich einfach mal nicht immer das brave, liebe Mädchen sein wollte. Deshalb habe ich mich eben auch mit Leuten getroffen, die eigentlich nicht zu mir paßten und auch nicht den besten Einfluß auf mich hatten. Denn ich wußte insgeheim, dass meine Eltern das nicht gut fanden, und ich wollte einfach mal böse sein und nicht immer den Erwartungen anderer entsprechen. Es war bei mir eine reine Trotzreaktion.
Gut, es ist nichts Schlimmes passiert, aber heute würde ich den Kontakt zu solchen Leuten meiden, da es eine Flucht vor den Ursachen ist und somit nicht hilft.
Aber damals war es für mich wenigstens eine kurze Flucht aus der Depri für einen Abend oder ein paar Stunden.

Liebe Grüße von Nicole
Goldy
adelgunde
Beiträge: 80
Registriert: 10. Jan 2006, 11:48

Re: Wieso habt Ihr eine Depression?

Beitrag von adelgunde »

Lieber Andreas, liebe Nicole,

erstmal danke für das Kompliment. Das tut gut. Habe ich lange nicht gehabt.

Ja, ich denke, ich habe mich selbst noch nicht gefunden. Ich sehe mich so oft noch als Kind meiner Eltern. Allerdings denke ich da auch, daß es eine Auswirkung der Therapie ist, in der immer die Ursache meiner komplizierten Beziehungen bei meinen Eltern bzw. bei meinen Beziehungen zu meinen Eltern liegt. Was ich manchmal auch höchst zweifelhaft finde.

Eigentlich hatte ich mich schon lange als eigenständigen Menschen gesehen. Ich bin 33 und lebe, seit ich 18 bin, nicht mehr in der gleichen Stadt wie meine Eltern. War ein Jahr in Spanien, habe mir selbst meinen Studienort gewählt und mich gekümmert. Und dachte, daß mein Platz im Leben mir ganz gut klar wäre. Aber dann kam mir die Depression "dazwischen". Daher auch dieser Thread. Da ich von der Konzeption ausgehe, daß mir eben nichts "dazwischenkommen" kann, sondern, daß das alles hausgemacht ist, frage ich mich eben, wieso ich mir eine Depression ausgesucht habe. Ok, am Anfang ging es mir wie Dir, Nicole: Riesenbelastung, Sch...depri, will ich nicht haben, soll weggehen. Jetzt habe ich umgedacht und überlege, warum es gerade mich "trifft", wie Du sagst. Habs aber eben noch nicht so recht herausgefunden. Oder will es nicht wahrhaben.

Zu meiner dominanten Mutter: da habe ich mir schon den Mund zerfranst, im Über-meine-Mutter-reden. Hauptsächlich jammern. Und irgendwann habe ich beschlossen, daß Jammern nichts bringt. Die ist, wie sie ist. Dein Denkanstoß dazu ist aber interessant. So hatte ich es noch nicht bedacht. Wahrscheinlich würde ich ihn dann nicht für ein Weichei halten.

Ich hatte es bei meinen Eltern für eine Symbiose gehalten. Ich glaube, daß mein Vater ohne meine Mutter nicht zurechtkäme. Und umgekehrt. Wäre meine Mutter auch weich gewesen, hätte es vielleicht nicht funktioniert. Außerdem glaube ich auch, daß sie mit den Jahren das auch mehr ausgebaut hat, weil er sich nie gewehrt hat. Trotzdem achtet sie ihn. Erstaunlicherweise. Ich erkenne mich zu sehr in seinem Verhalten wieder. Und in meinem Kinderverhalten. Alles zu tun, damit es Mutti gut geht. Weil sonst das Familienklima nicht so toll war. Und das konnte ich nicht aushalten. Heute heißt es aber, daß ich es aushalten muß, wenn jemand mal nicht zufrieden mit mir/meinem Verhalten in der Beziehung ist. Ich hätte es wohl mal wie Du machen sollen: ein bißchen Trotz, so mit 16 oder so, wäre wohl ganz gut gewesen. Einen richtigen Konflikt heraufbeschwören und ihn dann ausleben. Meine Schwester hat das gemacht und scheint mir eine gefestigtere Persönlichkeit zu sein. Inzwischen gehe ich Konflikten auch nicht mehr primär aus dem Weg. Wie es Andreas gesagt hat: ich wußte nicht, was ich fühlen sollte. Langsam wird es besser, aber richtig verstehen, warum ich eine Depression hatte/habe, tue ich immer noch nicht. Denn ich bin der Meinung, daß es vorher mit dem Fühlen, wer oder was ich bin, ganz gut geklappt hat. Deshalb hatte ich gehofft, daß hier andere berichten, was sie für Erfahrungen gemacht haben.

LG
Inga
Olga
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Registriert: 4. Mai 2005, 10:35

Re: Wieso habt Ihr eine Depression?

Beitrag von Olga »

@Thomas:

Sag, wie lange hat es bei Dir gedauert, bis Du so deutlich erkannt hast, wieso Du eine Depression hast? Und wie hast Du es zu dieser Erkenntnis geschafft?
Viele Grüße

Olga



Gib dem Menschen einen Hund und seine Seele wird gesund.

(Hildegard v. Bingen)

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