Neuanfang - Erneute Depression?

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silvermoon
Beiträge: 47
Registriert: 18. Sep 2004, 07:38

Neuanfang - Erneute Depression?

Beitrag von silvermoon »

Hallo, guten Morgen,

ich hatte mich vor 1/2 Jahr entschlossen, einen beruflichen Wechsel zu wagen. Der Gedanke ist in mir gereift, und ich habe mich auch immer mehr gefreut, dass ich den Schritt gemacht habe. Ich bin beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt wie bisher, ich arbeite mit behinderten Menschen. Jetzt wurde ein neues Heim eröffnet, welches noch im entstehen ist. Es wird also die nächsten Wochen und Monate sehr viel passieren und man fängt bei Null an. Ich war auf meiner alten Wohngruppe sehr gerne tätig, alles war vertraut und mich konnte so leicht nichts erschüttern. Gestern war mein erster Tag in dem neuen Heim und alles ist neu, unsicher, wie es mal werden wird. Es geht zwar allen Mitarbeitern so, alle fangen ganz neu an, aber mich hat es gestern total aus der Bahn geworfen. Ich habe massive Zweifel, ob dies der richtige entschluss für mich war. Mir war schwindelig, konnte mich schwer konzentrieren, hatte keinen Appetit, kurz gesagt, ich habe Angst damit nicht umgehen zu können und erneut in eine depressive Episode zu rutschen. Das ist ja nicht untypisch bei Veränderungen im Leben mit einer Depression zu reagieren, aber ich hatte mich doch gefreut auf etwas neues, das ich auch mitgestalten kann. Ich hoffe, ich schaffe es schnell wieder aus der Grübelspirale heraus und konzentriere mich auf die Arbeit, die ich ja so sehr liebe. Es gibt für mich keinen schöneren Beruf, als mit Menschen zusammen zuarbeiten.
Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht? Was hilft gegen diese Versagensängste? Ich bin übrigens in Therapie, da werde ich dies natürlich auch ansprechen.

Liebe Grüße von Silvermoon
Guitaranderl

Re: Neuanfang - Erneute Depression?

Beitrag von Guitaranderl »

Lieber oder liebe Sílvermoon,

zunächst einmal möchte ich Dir meine Anerkennung aussprechen, dass Du es wagst...
Ich selbst trage mich auch mit dem Gedanken, etwas anderes zu tun, weil das, was ich tue, mich nicht mehr befriedigt. Allerdings habe ich diese Gedanken schon seit Jahren... weil ICH es eben -noch- nicht wage, sondern ein sicheres Gefängnis vorziehe.
Was Du beschreibst, ist das normalste der Welt. Nichts im Leben macht uns soviel Angst wie solch nachhaltige Veränderungen. Ich bin der Meinung, dass Deine Aufregung berechtigt ist, aber ich bin definitiv NICHT der Meinung, dass Du dadurch in eine Depression knallen wirst. Ich glaube vielmehr, dass der Nährboden für eine Depression geschaffen wird, wenn Du NICHT tust, was Du wirklich tun musst/willst.

Ich merke gerade, dass ich ein ganz schlechter Ratgeber bin, weil ich mich so feige fühle, und die vergiftete Milch (Gehalt) meiner Ersatzmami (Arbeitgeber) genau der Unsicherheit vorziehe, die Du gerade durchlebst.
Allerdings verstehe ich etwas von Ängsten und dem Umgang damit und deshalb sage ich Dir, was mir eine Therapeutin vor Jahren sagte: Feel the fear and do it anyway!
Ich füge dem hinzu: Und achte Dein sensibles Wesen und gehe genauso behutsam mit Dir um wie mit den Dir Anvertrauten. Erkenne, wo die Grenze zwischen Mut und Überforderung verläuft...und achte sie.

Ganz viel Glück, Mut und Kraft
wünscht Dir
Andreas aus Hamburg
Guitaranderl

Re: Neuanfang - Erneute Depression?

Beitrag von Guitaranderl »

schiet, Dein Eintrag berührt mich sehr. Vielleicht habe ich deshalb einen wichtigen Aspekt vergessen: Genauso wie es Mut und Kraft braucht, so eine Veränderung durchzumachen, genauso braucht evt. auch die Einsicht, dass etwas doch nicht so sehr zu uns passt, wie uns das eigentlich vorgestellt haben. Dann wäre z.B. eine Depression und/oder Angststörung, sofern sie nicht aus einer Überforderung resultiert, ein hilfreicher Indikator, solch eine Schieflage zu erkennen.

Die Angst vor der Angst/Depression ist hingegen ein schlechter Ratgeber, auf den wir nicht hören sollten, wenn wir wachsen wollen.
Schnack mit Deinem Therapeuten drüber. Du wirst das erkennen!
silvermoon
Beiträge: 47
Registriert: 18. Sep 2004, 07:38

Re: Neuanfang - Erneute Depression?

Beitrag von silvermoon »

Hallo Andreas,

ich bin übrigens eine Frau und bin 32 Jahre alt. Mensch, dein Beitrag hat mich so gefreut und ich gebe dir recht, dass man vor großen Veränderungen auch Angst haben darf.
Heute war mein zweiter Tag ( wir haben erstmal nur Fortbildungen und Vorträge in den ersten 2 Wochen), und heute sehe ich nicht mehr schwarz und bin verunsichert. Heute waren die neuen Kollegen nicht mehr ganz fremd, ich war gelassener, weil ich mir sage, jeder fängt im Moment bei Null an und ich muss nicht alles können. Ich darf mir Hilfe holen, wenn ich nicht weiter weiss.

Ach, das befreit schon ein ganzes Stück, wenn man sich hier mal alles von der Seele schreiben kann. Und vorallem, wenn man dann auch noch durch so wertvolle Beiträge den Rücken gestärkt bekommt.Vielen Dank, Andreas!

Eins noch, ich hatte mich lange Zeit nicht getraut, eine berufliche Veränderung zu wagen. Deshalb muss ich eingestehen, dass ich jetzt schon stolz auf mich bin, diesen Schritt gemacht zu haben.Ich hoffe, mit neuen Aufgaben zu wachsen und noch mehr Stärke dadurch aufzubauen.

Schönen Abend noch
Liebe Grüße
Silvermoon
Guitaranderl

Re: Neuanfang - Erneute Depression?

Beitrag von Guitaranderl »

Silvermoon,

es freut mich total, wenn ich Dir ein bißchen Mut machen konnte. Weißt Du, meine Freundin, von ihrer Struktur her ein sehr sicherer Mensch, ist Anfang 2005 auch in einem neuen Job total in Not geraten. Ich konnte ihr leicht helfen, indem ich ihr sagte: Ein neu gewählter Regierungschef hat in Deutschland 100 Tage Zeit, bevor er sich erstmals wirklich bewerten und messen lassen muss; und das soll für Dich nicht gelten!?
Also, liebE Silbermond, berichte doch mal in 100 Tagen, wie es Dir so ergangen ist..

Nur Mut (auch wenn ich ihn selbst nicht habe so wie Du..)
Andreas
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