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Artikel in "Die Zeit"

Verfasst: 24. Nov 2005, 21:05
von Caroline1

Re: Artikel in "Die Zeit"

Verfasst: 25. Nov 2005, 15:38
von Lisa23
Hallo Caroline, danke für den Bericht.

Dass jeder von uns Erlebtes anders verarbeitet, dass die Seele sich immer wieder erinnert, dass Schicksalsschläge nicht durch Pillen aufgehoben werden können, das dürfte jedem logisch denkenden Menschen einleuchten.

Dass uns die Pharmaindustrie und auch die Ärzte etwas anderes erzählen wollen, liegt einfach in der immer noch unzulänglichen Behandlung von seelischen Krankheiten. Eine Depression ist eben kein Beinbruch, der nach einer gewissen Zeit ausgeheilt ist. Selbst ein solcher äusserer Schaden, kann uns ein ganzes Leben begleiten.

In Zeiten der leeren Kassen, dürfen wir noch weniger hoffen. Das Ziel jeder Behandlung ist es, dass wir ganz schnell wieder funktionieren. Bis zum nächsten Rückfall.

Dass Depressionen langwierig sind und viele von uns, immer damit zu tun haben werden, weiß ich, seit ich hier im Forum lese.

Vorher dachte ich auch, ich sei die Ausnahme. Alle anderen sind viel schneller geheilt. Ich hatte ja kaum Vergleichsmöglichkeiten.

Heute weiß ich, dass es ganz normal ist, dass Dinge, die in meinem Leben passiert sind und mich sehr belastet haben, nicht einfach auszulöschen sind. Selbst wenn ich immer wieder daran gehe, sie zu bearbeiten, sie von verschiedenen Seiten zu sehen, nach vielen Jahren eine andere Einstellung dazu habe. Es bleiben Wunden und Narben. Sie werden vielleicht kleiner aber dafür verhärtet sich vielleicht das Narbengewebe.

Ich war trotz all dieser Geschehnisse viele Jahre stark, habe mich oft überfordert und wollte keinen hinter die Fassade blicken lassen. Ich habe ja selbst den Blick dahinter vermieden, was sicher ein Fehler war.

Heute bin ich schwach, ganz schnell überfordert und nur noch zu ganz wenig freiwillig bereit. Ich fühle mich momentan in einer Starre, aus der mich weder ein Arzt noch ein Medi herausbringen könnte. Vielleicht weil ich zulange funktioniert habe.

Also der typische Fall von nicht einsichtig.

Unsere Krankheit (die anderen auch) ist durchkatalogisiert, sie hat Nummern. Es gibt Standards nach denen wir gesunden müssen. Nach diesen Standards richten die KKs ihre Budgets aus, soviel dürfen wir kosten, mehr nicht. Und wenn wir brav sind und alle sehr schnell gesund werden, dann werden daraus neue Standards, dann kosten wir gar nichts mehr.

Liebe Grüße, Lisa

Re: Artikel in "Die Zeit"

Verfasst: 25. Nov 2005, 16:15
von Guitaranderl
>Eine Krankheit wie andere auch ist behandelbar, ist heilbar. Vorausgesetzt, betonen die Autoren, der Patient respektiere das überlegene Wissen des Arztes, folge der »zwangsläufig autoritären Entscheidung« des Behandelnden und schlucke die vorgeschriebenen Antidepressiva.

Hi Caroline,
ein wirklich interessanter Artikel, der in der Quintessenz nur bestätigt, was bekannt ist: Keiner hat wirklich ´ne Ahnung, was läuft, aber alle beanspruchen es für sich.

Ich möchte mich Lisa´s Standpunkt anschließen und betonen, dass mir die vorliegenden Argumentation doch eher als eine verkappte Diskussion um finanzpolitische Hintergründe erscheint, denen sich Tatsachen unterzuordnen haben. Es erscheint mir wie die unkritische Übernahme amerikanischer Methoden, indem die Finanzierbarkeit der Diagnose wichtiger wird als die Diagnose ansich. Der Patient bleibt auf der Strecke.

Der oben zitierte Satz bringt mich zum Glühen. Wollen wir wieder die Herrschaft der "Weißgötter in Halb" oder was soll das?
Vertrauen ja, aber bitte nicht unkritisches Verhalten. 1981 ging ich zu einem Psychiater und klagte über Angstzustände, Antriebsschwäche, Schlafstörungen etc.. Kommentar des "überlegen Wissenden": Ah, wahrscheinlich leiden sie an einer Krankheit, die noch nicht entdeckt wurde...
Ich verschreibe Ihnen mal Tavor.
13 Jahre später fand ich mich zum Entzug in der Psychiatrie ein, meine Familie war kaputt, mein Leben war kaputt und es hat nicht viel gefehlt, dann wäre ich verreckt.. quasi auf Rezept!

Also, immer schön kritisch bleiben und an die Fehlerhaftigkeit der Menschen, auch der in weißen Kitteln, (und der Systeme!) glauben.

Beste Grüße
Andreas

Re: Artikel in "Die Zeit"

Verfasst: 25. Nov 2005, 16:39
von feuerfisch
Hai Allerseits

brr - bei dem Artikel schüttelts mich....

Ich denke die reden da am eigentlichen vorbei - am Menschen.

Nicht jedem hilft alles - also sollten wir doch darauf bedacht sein unseren eigenen Weg zu finden. Der eine braucht Medis und sie tun ihm gut. Der Andere reagiert gar nicht oder nur negativ darauf.

Na und? Gibt halt kein Allheilmittel.

Laßt uns Menschen bleiben - ein jeder mit eigenen Charakter und persönlichen Eigenheiten.


*in die Runde wink*

feuerfisch (die sich in erster Linie als Mensch fühlt und nicht als Patient)

.

Verfasst: 25. Nov 2005, 16:47
von Kroki

Re: Artikel in "Die Zeit"

Verfasst: 25. Nov 2005, 16:55
von Stollentroll
Hallo Caroline,

vielen Dank für diesen Artikel, ich habe mich an vielen Stellen wiedergefunden und bin froh, dass auch mal eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema stattfindet.

Zum Glück habe ich jetzt eine Psychologin gefunden die über den Tellerrand hinausschaut und mit mir zusammen arbeitet, anstatt autoritär über mich zu urteilen und Entscheidungen zu fällen.

Gruß vom

Re: Artikel in "Die Zeit"

Verfasst: 25. Nov 2005, 18:10
von Franzi
Hallo Caroline,

danke für den Hinweis. Fand ich sehr interessant und aufschlußreich! Mir widersstrebt wie Dir Andreas der autoritäre Anspruch des Arztes. Habe selbst so eine Verhaltensweise während der Depri erlebt. War viel zu schlapp und kraftlos, um mich angemessen dagegen zu wehren. Kann ich sonst schon!

Ich sehe das Ganze viel differenzierter. Habe schon sehr, sehr viel an mir gearbeitet, erleide aber trotz alledem Rückfälle. Bei mir läuft das Ganze sehr somatisch ab, Schwäche, Schmerzen, die zermürben... Das raubt mir Kraft und Energie, auch dann, wenn ich auf einem Weg heraus bin, hält es mich oft wegen der fehlenden Energie ab Sachen auf die Reihe zu bekommen. Das führt dann natürlich zu Frust und Unzufriedenheit. Tabletten alleine helfen nicht. Therapie hilft kräfteraubende Zusammenhänge zu erkennen. Bei mir griff die Verhaltenstherapie zu kurz. Sie ist ein Ansatz sollte jedoch unbedingt mit anderen therapeut. Methoden kombiniert wird.

LG Franzi

Re: Artikel in "Die Zeit"

Verfasst: 25. Nov 2005, 18:40
von barney
Danke, Caroline, für diesen wichtigen Beitrag.

Mich würde nun interessieren, wie die Moderatoren des Forums, die ja Herrn Prof.Hegerls Meinung bislang weitestgehend unterstützt haben, sich dazu äußern.

Ich würde es sehr begrüßen, wenn sich einer der Moderatoren einmal kritisch mit diesem Artikel auseinandersetzen würde.

Gruß
Bernd

Re: Artikel in "Die Zeit"

Verfasst: 25. Nov 2005, 20:41
von Maria

Re: Artikel in "Die Zeit"

Verfasst: 25. Nov 2005, 21:59
von transe
sehr interessanter artikel!

ich bin erstaunt daß ausgerechnet caro, die apothekerin, diesen link postet.

viel spaß noch beim diskutieren!

Re: Artikel in "Die Zeit"

Verfasst: 26. Nov 2005, 12:26
von DieFrauImMann
Interessanter Artikel!

Ein Vergleich: Depressionen <-> Psoriasis (Schuppenflechte)

Beide Krankheiten sind Chronisch, bei Beiden sind gewisse Mittel notwendig, die ggf. Schäden verursachen könnten, bei Beiden muss man seine Lebensweise der Krankheit z.T. anpassen.

Soweit so schön, aber warum muss eine Behandlung >autoritär< sein?

lg

Re: Artikel in "Die Zeit"

Verfasst: 26. Nov 2005, 13:38
von nachteule
Hallo Maria,

Zitat:
>>Der Zeit-Autor (und nicht Professor Hegerl!) schreibt den Zusatz: "Eine Krankheit wie andere auch ist behandelbar, ist heilbar. Vorausgesetzt.." - es ist SEINE Interpretation!

Sorry, das sehe ich anders. Es geht hier um die Publikationen von u.a. den Mitarbeitern des Kompetenznetzes und mit "Autoren" sind eindeutig "Psychiater Hegerl und die Mitarbeiter seines Kompetenznetzes " gemeint.
Von daher finde ich auch die Kritik daran berechtigt.
Gruß
Tina

Re: Artikel in "Die Zeit"

Verfasst: 26. Nov 2005, 14:11
von Guitaranderl
>Außerdem - wir leben hier nicht mehr im Wirtschaftswunderland und nicht jede Krankheit kann bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag therapiert werden.

Hola Maria,
da hast Du ganz sicher Recht. Dennoch sollten wir uns davor hüten, in die Verwechslung von Grundversorgung und Profitdenken zu verfallen.
Weißt Du, ich arbeite seit 25 Jahren bei einem der großen Versicherungskonzerne in Deutschland und weiß daher, dass wir - im Bereich der privaten Krankenversicherung - schon an einen Punkt gekommen sind, wo die Bejahung der Antragsfrage "hatten Sie in den letzten 5 Jahren eine psychotherapeutische Behandlung" ganz einfach zur Ablehung des Versicherungsantrages führt.
Es ist für sehr viele (und sehr viele fragwürdige Dinge, gerade im "Krankheits"wesen ) sehr viel Geld vorhanden, was auch ausgegeben wird. Diese Dinge kann man hinterfragen. Rationelles, wirtschaftliches Handeln: Ja! aber keine Behandlung vorrangig nach finanziellen Aspekten, sondern nach Heilungschance.

ein schönes Wochenende für Euch alle
Andreas

Re: Artikel in "Die Zeit"

Verfasst: 26. Nov 2005, 14:27
von triste
Ihr Lieben, liebe Caro,


ein sehr diskussionswürdiger Artikel.
Er vertritt die kontra-schulmedizinische Seite, die zu Recht kritisiert, dass diese komplexe Erkrankung vom Facharzt noch heute oft rein medikamentös behandelt wird, bzw, dass die lebensgeschichtlichen Auslöser gerne noch immer weniger gleichberechtigt behandelt werden als das "organische" Missverhältnis im Botenstoff-Haushalt des Gehirns.
Er kritisiert - zu Recht - die vorherrschende Meinung, Depressionen seien mit Antidepressiva gut behandelbar, denn es gibt einfach zu viele Depressive, die Rückfälle haben, keine AD vertragen oder bei denen sie nicht anschlagen.
Dank dieses Forums wird dieser Fakt ja erst offensichtlich, da es nirgends sonst vorher in Deutschland die Möglichkeit gab, so viele Erfahrungsberichte von Depressiven gebündelt zu lesen! Man darf zwar nicht dabei vergessen, dass hier im Forum in der Regel Menschen schreiben, die länger mit der Krankheit zu tun haben. Wer "geheilt" ist, wird sich vermutlich nicht mehr länger hier einbringen. Also ist das, was hier im Forum zu lesen ist, nur ein Teil der Gesamtrealität von Depressiven in Deutschland, es mag etliche andere geben, die nach ein oder zwei Behandlungsversuchen die Depression loswerden.

Der Artikel ist -trotz einiger wichtiger Fragestellungen- doch ziemlich tendenziös.
Prof. Hegerl ist Mediziner, und als solcher ist es, finde ich, legitim, wenn er aus seiner Behandlungserfahrung beschreibt, dass viele Patienten z.Bsp. die ärztliche Anweisung missachten, AD regelmässig oder überhaupt einzunehmen. Damit trifft er mitnichten einen "autoritären Ton". Er ist Naturwissenschaftler, der überzeugt ist von einer Wirksamkeit von Antidepressiva. Und?
Genauso, wie der Analytiker überzeugt davon ist, eine Bewußtmachung der psychischen Konflikte sei die Grundvoraussetzung zur Bewältigung dieser Krankheit.
Jeder versucht mit seinen Überzeugungen und seinen Mitteln einer Krankheit beizukommen, die zum Teil schwer behandelbar ist und noch immer nicht wirklich erforscht.
Ich habe das Buch von Hegerl, Althaus und Reiners gelesen. Es steht viel Wahres darin (übrigens auch viel über Psychotherapie), ebenso wie Thesen, die ich mit meiner eigenen Erfahrung nicht bestätigen kann.
Es ist ein Buch, in dem 3 Menschen das schreiben, wovon sie überzeugt sind. Das heisst doch nicht, dass das Allgemeingültigkeit haben muss.

Nun die Frage an die Ankläger hier:
Ist es denn nicht falsch, als Patient alle Behandlungsmöglichkeiten, vereint in einem einzigen, allwissenden, optimalen Behandler, zu erwarten?
Wo bleibt die Verantwortung des Patienten dabei?

Der Patient muß doch Eigeninitiative zeigen, er kann doch einfach nicht erwarten, dass die Medizin, die Gesellschaft, das Gesundheitssystem, Gott oder sonstwer ihm hilft.
Er muß die Angebote, die ihm hier in diesem Land zur Verfügung stehen (und das sind sehr viele!!!), nutzen, ausprobieren und sich selbst ein Bild machen, was gut für ihn ist.
Ich habe eine Gesprächstherapie und eine Verhaltenstherapie gemacht, nun mache ich eine Analyse (Andreas: die VT und die PA wurden übrigens beide hintereinander von der KK bewilligt!) und habe endlich die richtige Therapieform für mich gefunden.
Ich habe Johanniskraut ausprobiert, Homöopathie, chinesische Medizin, manuelle Therapien und ca. 7 verschiedene Antidepressiva sowie Prophylaxe wie Lithium und Carbamazepin.
Ich war 6 Wochen in einer psychosomatischen Kur, 6 Wochen in einer psychosomatischen Klinik und ein Vierteljahr in der geschlossenen Psychiatrie.
Ich war zweieinhalb Jahre krankgeschrieben.
Heute nehme ich Zoloft, arbeite wieder 50% in meinem alten Job, habe immer wieder Einbrüche, die gemildert sind durch das AD, habe auch immer wieder resignative Momente,
fast nur haarsträubende Psychiater-Erlebnisse, eine kritische Haltung ggüber dem Psychiatrie-System, eine ziemlich kritische Einstellung ggüber Psychopharmaka und Pharmaindustrie.
Und doch: Ich bin nachwievor der Meinung, dass ich saumässiges Glück habe, mit dieser Krankheit in diesem Land zu leben, denn es gibt hier alle Behandlungs-Angebote überhaupt, wir müssen sie nur wahrnehmen! Wir müssen unsere eigener Krankheits-Manager werden.
Dieses ständige Gejammer über einseitige Psychiater, inkompetente Therapeuten, die bösen Krankenkassen und überhaupt die ganze beschissene, krankmachende Gesellschaft kann ich einfach nicht mehr hören.

Der Artikel in der Zeit stellt richtige Fragen in einem Moment, in der die allgemein geltende Meinung über Depressionen im Umbruchist. Es ist richtig, dass die Medikamente alles andere als optimal sind, dass es keine Garantie gibt für eine passende und greifende Therapie, dass Psychiater oft nicht richtig behandeln.
Wer rezidivierende Depressionen hat, der hat einfach eine dermassene Last zu tragen, die es manchmal einfach fast nicht mehr möglich macht, weiterzumachen.

Aber jeder Patient ist ein eigenverantwortlicher Mensch,
es liegt an jedem selbst, Behandlungsmöglichkeiten auszuprobieren, sich ein Bild zu machen.

Deshalb halte ich es für falsch, zu polarisieren und für falsch, zu verdammen.
Dem Wunsch nach einer "Stellungnahme" der Moderatoren hier (aufgrund eines ziemlich einseitigen Artikels) möchte ich gern mit der Aufforderung entgegentreten, das betreffende Buch einfach selbst zu lesen. Dr. Niedermeier und Herr Pfeiffer sind eigenständig denkende Menschen und müssen nicht zwangsläufig mit Prof. Hegerls Publikationen konform gehen, nur weil sie an einer Sache (dem KND) zusammen arbeiten.
Was für eine Idee, hier müßte sich überhaupt ein Vertreter des KND rechtfertigen, noch dazu für die überzeichnete Auslegung einer Zeit-Jounalistin, meine Güte.

Ich würde mir hier im Forum und hier in unserem Land ein bißchen mehr Demut wünschen, ein bißchen mehr Dankbarkeit, ein bißchen mehr Eigenverantwortlichkeit.

Liebe Grüße an alle,
Virginia

Re: Artikel in "Die Zeit"

Verfasst: 26. Nov 2005, 14:31
von Guitaranderl
>Nun die Frage an die Ankläger hier:

Virginia,
siehst Du kritisches Hinterfragen vor dem Hintergrund eigener, anderer Erfahrungen als Anklage?

Re: Artikel in "Die Zeit"

Verfasst: 26. Nov 2005, 14:40
von Edeltraud
Hallo,

das Buch habe ich nicht gelesen und weiß deswegen auch nicht was interpretiert wurde. Ich nehme an nur die gekennzeichntest Zitate stehen so im Buch z.B. "zwangsläufig autoritäre Entscheidung"
Irgendwo stimmt es ja, dass die Entscheidung des Arztes zwangsläufig autorität ist - schließlich hält der Arzt den Rezeptblock in der Hand. Das schließt doch nicht aus, dass der Patient z.B. konkret nach einem Medikament den Arzt fragen kann, ob dies für ihn geeignet ist und dies dann auch evtl. verschrieben wird.

Ich verstehe nicht wieso sich hier über den Satz "Eine Krankheit wie andere auch, ist behandelbar, ist heilbar" beschwert wird. Es ist doch so, es gibt auch viele Geheilte.

Edeltraud

Re: Artikel in "Die Zeit"

Verfasst: 26. Nov 2005, 14:57
von zweifler
Hallo Leute!


Das Problem ist doch ,dass wir depressive mitlerweile einen ganzen Wirtschaftszweig ernähren.Kaum einer kann uns unser Problem plausibel machen,aber alle haben ein Mittelchen dagegen.So kommt es auch ,dass mancher bis Sankt Nimmerlein therapiert wird und Pillen schluckt wo der Arzt die Nebenwirkungen verleugnen muß damit er sie an den Mann bzw. die Frau bringt.Ein gewisser authoritärer Stil ist dann schon hilfreich wenn man als Patient es wagt Bedenken zu äußern.Ich selbst habe schon vor Monaten meine Pillen ausgeschlichen aber einen Teil der Nebenwirkungen habe ich noch heute.Mein Neuro hat mir davon nix erzählt.
Naja,ernähren wir sie weiter!!??

gruß herbert

Re: Artikel in "Die Zeit"

Verfasst: 26. Nov 2005, 15:34
von Majuha10
Hallo Virginia,

seit Beginn der Diskussion gehen mir ganz viele Gedanken dazu durch den Kopf, aber es gelang mir nicht, sie geordnet und positiv zu Papier zu bringen. Deinen Beitrag kann ich Wort für Wort mit Herz und Verstand unterschreiben.

LG Maruschka

Re: Artikel in "Die Zeit"

Verfasst: 26. Nov 2005, 16:10
von Edeltraud
Hallo Sagichnicht,

"...bei beiden seine Lebensweise der Krankheit anpassen"
Es gibt auch den umgekehrten Fall, bzw schließt das eine das andere nicht aus: Krankmachende Lebensweise/Faktoren ablegen um gesund zu werden.

Viele Grüße
Edeltraud

Re: Artikel in "Die Zeit"

Verfasst: 26. Nov 2005, 16:21
von Edeltraud
Hallo Virgina,

Prof. Hegerl beschreibt aus seiner Behandlungserfahrung, dass viele Patienten ärztl. Anweisungen missachten, ADs regelmäßig oder überhaupt einzunehmen.
Damit trifft er m.E. keinen autoritären Ton. Damit lastet er doch nicht unbedingt die Noncompliance, wenn überhaupt, dem Patienten an. Compliance hängt auch vom Arzt und AD ab und das weiß sicherlich auch er.
Und es heißt auch nicht, dass der Patient zu allem Ja und Amen sagen soll.

Viele Grüße
Edeltraud

Re: Artikel in "Die Zeit"

Verfasst: 26. Nov 2005, 17:50
von Caroline1
Ihr lieben Forumler

Hätte ja nicht gedacht, dass der Artikel soooooo viel Resonanz finden würde....

Ich habe auch das Buch "Das Rätsel Depression" gelesen. Der 2. Teil des Titels "Eine Krankheit wird entschlüsselt" halte ich für eine etwas gewagte Aussage, da meines Erachtens noch so manche Rätsel dieser Krankheit nicht entschlüsselt sind.

Den Ton der Autoren finde ich nicht autoritär, denn es ist nun mal auch was Wahres dran an der Behauptung, dass es oft an der Compliance der Patienten hapert. Diese aber alleinverantwortlich zu machen für das Scheitern der medikamentösen Therapie ist genauso einseitig. Es ist eh ein Balanceakt für einen Behandler, den Patienten so viel wie nötig zu stützen ( wobei stützen auch manchmal bedeuten kann, den Patienten zum aktiven Handeln und Auseinandersetzen geradezu aufzufordern ), ohne ihm auf der andern Seite die eigene Verantwortlichkeit beim Erleben der Krankheit abzunehmen. Denn das ist so ein Punkt, bei dem viele Patienten auch ganz einfach nicht realistisch sind. Es wird niemand anders für sie die eigene Arbeit erledigen, weder das Medikamentenschlucken noch das Auseinandersetzen in einer Therapie.

Psychoanalytische Verfahren als allein seligmachend zu deklarieren, indem verhaltenstherapeutische und medikamentöse Therapien als unverantwortlich diskreditiert werden ( in meinen Augen ist das wirklich ein Diskredit ), halte ich allerdings auch für fatal. Da denke ich, dass du Virginia absolut Recht hast: jeder muss für sich ausloten, was für eine Therapie ihm am besten entspricht. Und ich glaube sogar, dass sich dieses Bedürfnis im Laufe der "Deprikarriere" gehörig verändern kann.

"Der Schmerz braucht Raum. Und muss eine Sprache finden". Dieser Aussage stimme ich zu 100% zu. Aber diese Sprache zu finden, das ist eine so gewaltige Herausforderung, an der leider viele scheitern, viele Patienten und auch so mancher Therapeut, der dem Patienten eigentlich dabei helfen sollte auf der Suche danach. Aber der Patient selbst muss sich da zu 150% einbringen in diesem Prozess, sonst ist alle Mühe umsonst, und die nächste Depression ist quasi vorprogrammiert. Ein AD kann da durchaus die Funktion übernehmen, dem Patienten Unterstützung für diesen Kraftakt zu bieten. Und daher halte ich es auch für sinnvoll, KEINE Möglichkeit auszulassen, die einem hilfreich erscheint.

Einen Aspekt fand ich in besagtem Artikel auch interessant, nämlich "Depressionen könnten von Generation zu Generation weitergegeben werden, besonders von Müttern an Töchter". Es würde mich sehr interessieren, ob diese Behauptung tatsächlich haltbar ist. Auf der andern Seite vererben Mütter noch ganz andere Dinge an ihre Töchter wie zB die Neigung zu Krampfadern u.ä und und und und. Ich fühle mich daher nicht schuldig meinen Töchtern gegenüber ( war aber vor einiger Zeit noch anders ), das ist nun einmal ihr Los, dass ausgerechnet ICH ihre Mutter bin .

Zu Herrn Labro: ich habe das Buch nicht gelesen, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass ein Manager sich bei der ersten Depriphase gleich auf eine analytische Therapie einlassen möchte. Der will doch garantiert wieder schnell funktionieren und der Alte sein. Dass da die Gabe von Chemie als Erstes ausprobiert wird, scheint mir doch nur allzu logisch, besonders auch vom Standpunkt des Patienten aus betrachtet, und ich finde das durchaus legitim. Ich mag mich ja irren, da ich das Buch nicht gelesen habe, aber mich beschleicht doch da ein etwas komisches Gefühl diesem Herrn gegenüber. Und ganz salbungsvoll hat ihn die Liebe seiner Frau gerettet.... wie schön, kann ich da nur sagen *seufz*

Liebe Grüße von

Caroline

Re: Artikel in "Die Zeit"

Verfasst: 26. Nov 2005, 19:09
von Edeltraud
Hallo Caroline,

wird denn in dem Buch behauptet, dass der Patient a l l e i n i g e r Faktor für die Non-Compliance ist? Könntest du bitte den Satz/Absatz hier reinstellen in dem dies behauptet wird.

"von Generation zu Generation weitergegeben werden, besonders von Mütter an Töchter"
Das interessiert auch mich als Mutter einer Tochter.
Steht in dem Buch darüber noch etwas ausführlicheres?
M.E. ist damit nicht ausschließlich Vererbung, Neigung gemeint in genetischem/biologischem Sinne, sondern evtl. auch zusätzliche/ausschließliche Weitergabe/Annahme von krankmachenden Verhaltens- u. Denkmustern.

Viele Grüße
Edeltraud

Re: Artikel in "Die Zeit"

Verfasst: 26. Nov 2005, 23:04
von Caroline1
Hallo Edeltraud

Ich bezog mich eigentlich nur auf besagten Artikel, dh. die Aussage über die (Non-)Compliance des Patienten stand als solche im Zeit-Artikel. Dass da ein Teil Wahrheit drin steckt, das ist meine eigene Überzeugung, die ich auch aus meiner langjährigen beruflichen Erfahrung gewonnen habe.

Die Aussage über Mütter und Töchter stammt von der Psychoanlytikerin, die auch im Artikel zitiert wird. Über dieses Thema hab ich von Prof. Hegerl bis jetzt noch nie was gelesen . Die Interaktionen zwischen weiblichen Familienmitgliedern mit der Depression als Medium sind ja auch schon öfters hier im Forum Thema gewesen, es ist und bleibt ein für mich spannendes Thema, weil ich eben selbst Betroffene bin, dadurch dass ich Töchter habe und auch dadurch weil ich eine depressive Mutter hatte. Für dich ist es ja wahrscheinlich auch deswegen interessant, oder?

Dir einen lieben Gruß von

Caroline

Re: Artikel in "Die Zeit"

Verfasst: 26. Nov 2005, 23:39
von triste
Hallo Andreas,

Deine Aussage:

">Eine Krankheit wie andere auch ist behandelbar, ist heilbar. Vorausgesetzt, betonen die Autoren, der Patient respektiere das überlegene Wissen des Arztes, folge der »zwangsläufig autoritären Entscheidung« des Behandelnden und schlucke die vorgeschriebenen Antidepressiva.<

Der oben zitierte Satz bringt mich zum Glühen. Wollen wir wieder die Herrschaft der "Weißgötter in Halb" oder was soll das?"

Wenn du mein posting gelesen hast, ist Dir sicher aufgefallen, dass ich ja gerade zu kritischem Hinterfragen aufrufe. Aber doch bitte dann das Original (Hegerls Buch)
analysieren, und nicht von einer Journalistin für ihre Zwecke aus dem Zusammenhang gerissenen Zitate nehmen, um sich aufzuregen, bzw., die reichlich fragwürdigen Aussagen dieser Frau über Hegerls Buch so lesen, als hätte er sie so geschrieben!
Der oben von Dir zitierte Ausschnitt ist aus dem ZEIT-Artikel, deren Autorin mehrmals behauptet, dass Hegerl die autoritäre Entscheidung des Arztes über die Behandlung für richtig halte, bzw., dass die Autoren selbst ihre Thesen in einem autoritären Ton formulierten.
Wenn man den Artikel mal genau liest, dann fällt auf, wie geschickt sie zitiert und Hegerl damit in ein völlig überzeichnetes Bild vom autoritären, überlegenen Arzt drängt.

Verstehst?
Es gibt immer zwei Seiten...und man sollte beide betrachten, bevor man sich ein Bild macht und aufregt.

Du kannst mir glauben, dass ich ziemlich kritisch bin, schon allein, weil ich viel Inkompetenz seitens meiner Behandler am eigenen Leib erfahren musste.
Aber dieses ewige sich Echauffieren über das Gesundheitssystem, die Ärzteschaft etc. finde ich zum Kotzen und das hat auch nichts mit kritischem Hinterfragen zu tun sondern mit der Abgabe der Eigenverantwortung für sein Leben und seine Krankheiten.
Solche Sätze wie vom Zweifler sind ein wunderbares Beispiel dafür:

"Das Problem ist doch ,dass wir depressive mitlerweile einen ganzen Wirtschaftszweig ernähren"

Verdammte Axt - ja! Klar verdient die Pharmaindustrie nicht schlecht an der Zunahme depressiver Erkrankungen, und ja! Sicherlich sind die Marketingstrategien der Industrie zu hinterfragen.
ABER:
was täten wir ohne diese Medikamente? Wieviele Depressive haben sie schon davon abgehalten, sich umzubringen? Wieviele Kranke können mit AD wieder ihren Lebensunterhalt verdienen und müssen nicht in der unwürdigen Situation des von Ämtern abhängigen, von der Gesellschaft Ausgesonderten führen?
Und wem also wollen wir danken, dass solche Medikamente erforscht und entwickelt wurden? Oder ist eigentlich irgendjemand überhaupt dankbar dafür, dass er diese teuren Medikamente oft jahrelang bekommt? Dass er bis zu 300 Stunden Psychotherapie bezahlt bekommt?
Dass er 6 Wochen Kur bezahlt bekommt, Klinikaufenthalt, etc.pp?

Sorry, aber dafür habe ich einfach kein Verständnis.


Hallo Maruschka,
vielen Dank, das freut mich!


Hallo Edeltraud,

die These von der Weitergabe von Depressionen von Mutter zu Tochter stammt -laut Zeit-Artikel - von der Psychoanalytikerin Marianne Leuzinger-Bohleber und ist keine These aus dem Buch von Hegerl.
Die entsprechende Publikation wird im Artikel genannt (Sonderheft Psyche..), dort kannst Du sicher weiter darüber lesen.

Grüße,
Virginia

Re: Artikel in "Die Zeit"

Verfasst: 27. Nov 2005, 10:50
von Maria