Egoismus, gibt´s den in "gesund" und in "krank", 2. Teil

deary
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Egoismus, gibt´s den in "gesund" und in "krank", 2. Teil

Beitrag von deary »

deary
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Egoismus, gibt´s den in "gesund" und in "krank" ?, 2. Teil

Beitrag von deary »

Alter Link:http://www.kompetenznetz-depression.de/ ... 1132510110



neuer Thread, da der andere überquillt:

letzter Beitrag von Thomas:
Hi Data,

das mit dem "wahren Selbst" ist etwas sehr Unkonkretes, das weiß ich wohl. Man kann nicht darüber sprechen, ohne sich sofort über bestimmte Annahmen und Modelle verständigen zu müssen. Denn das "wahre Selbst" kann vom Standpunkt desjenigen, der es nicht hat, mit beliebigen Attributen versehen werden. Vor allem ist es nicht von außen bestimmbar sondern nur von innen. Es ist weder möglich, eine sichere Methode anzugeben, wie man dorthin gelangt noch kann erklärt werden, was es ist, eben weil es nur innen gefunden werden kann. Alles was möglich ist, sind Hinweise von denjenigen, die es haben oder bereits auf dem Weg dorthin sind. Leider ist das ziemlich unbefriedigend aber nicht zu ändern. Da befinden wir uns in einer Situation die einem Kind ähnelt, dem man nichts darüber erzählen kann, wie es sich anfühlt, ein Erwachsener und kein Kind mehr zu sein. Man kann nur sagen, dass es warten muss, bis es soweit ist. Der Unterschied zum sog. "Selbst" ist allerdings, dass ein Kind sich alleine zum Erwachsenen entwickelt, das ist eine von der Natur vorgegebene Entwicklung. Die andere Entwicklung, die ich meine, muss aus eigener Kraft geschehen, es ist eine Selbst-Evolution und sie geschieht durch Verwicklung, Leiden und Suchen. Fast jede(r) hier im Forum sucht etwas und spürt, dass er/sie so nicht ist, wie er/sie sein sollte, dich eingeschlossen. Und dabei geht es meist um sehr viel mehr als nur darum, gesund zu sein. Es ist bereits die Suche selbst, die Entwicklung hervorbringt ( es wurde gesagt: Suchet, so werdet ihr finden) aber niemand, der keinen Grund dazu hat, wird suchen. Alle Sucher hier suchen nur deshalb, weil sie leiden.
Tja, für dich, der es gerne sehr konkret hat und logisch nachvollziehbar, ist das nicht recht befriedigend, das weiß ich. Aber es lässt sich nichts Logisches darüber sagen.

Ich finde dein Beispiel mit dem Fleisch sehr treffend übrigens. Das ist genau so ein Punkt, an dem ich mich entscheiden muss zwischen dem Ruf des Appetits d.h. der eigenen Lust und einem "höheren" Impuls, der im Grunde nichts als eine Idee ist. Die Idee nämlich, das andere auch was essen wollen und dass es gut ist, das zu berücksichtigen. Es gibt dann eben 2 verschiedene "Wollen" in dir, die sich auseinandersetzen müssen. Genau so geschieht Entwicklung. Die interessante Frage dabei ist ja, wie kam das Wollen der Idee in dich hinein und warum kann sie in dir einen Impuls auslösen der dich zweifeln lässt, ob das mit dem Fleisch jetzt wirklich sein muss ? Man kann vermuten, dass dies eine Erziehungssache ist aber ich denke, das ist höchstens die halbe Wahrheit. Ich glaube fest, dass diese Idee ein Bestandteil der menschlichen Seele ist (wasn das schon wieder ), dass sie sozusagen in unserem Wesen bereits enthalten ist und nach Verwirklichung drängt. Genau wie die Idee der Nächstenliebe ist auch das berühmte "Selbst" bereits als Idee in dir vorhanden und auch die drängt nach Verwirklichung. Aber wir wissen nicht genau, was diese Idee beinhaltet und sie ist bei jedem Menschen eine andere Idee Wir können etwas davon ahnen aber nicht wissen. Wäre es anders, dann wären wir bereits wir selber. So ist Leben eigentlich nichts anderes, als ein Umkreisen des eigenen Selbst und eine ständige Suche danach, ein Sich-Herantasten durch Irrtum und Schmerz.

So, das ist nun einfach wieder ein Philosophie-Vortrag geworden aber etwas anderes kann auch nicht dabei herauskommen, wenn man sich diesen Problemen nähern will.

Grüße von

Thomas


P.S. Sorry, hab grade ein leeres Feld gepostet
deary
deary
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Re: Egoismus, gibt´s den in "gesund" und in "krank", 2. Teil

Beitrag von deary »

Liebe Emriye,

Das war ja ein echter "Nager-Spaziergang" bei Dir heute...

Danke für die schönen Photos,
ich fotografier auch ab und zu. Die Bilder sind sehr schön geworden.



Zu Deiner Frage später, bin grad erst vom Sport nach Hause gekommen und gehe jetzt erstmal duschen.

Bis später...
deary
Maria
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Re: Egoismus, gibt´s den in "gesund" und in "krank", 2. Teil

Beitrag von Maria »

Hier noch was zum Thema "Obst" aus der Bergpredigt:

An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.


deary
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Re: Egoismus, gibt´s den in "gesund" und in "krank", 2. Teil

Beitrag von deary »

Liebe Emriye!

Du fragst, wieso mich Thomas´ Abhandlung über seine Kindheit nicht so tief runter gezogen hat, wie andere hier.

Nun, so eine Art Abstand kann man sich antrainieren.
Und die Therapie hilft mir sicher dabei.
Man sollte eher "mitfühlen" als "mitleiden", denn wie kann ich dann dem anderen helfen, wenn ich selber so tief sinke wie der /die andere?
Aber es ist vor allem so eine Hornhaut, an genau der Stelle bei mir gewachsen, die Thomas getroffen hat.
Ich habe selber ganz ähnliche Erlebnisse gehabt.
Es ist wie beim Gitarre spielen (hallo Andreas ):
An der linken Hand , womit man die Töne greift , wächst eine dickere Hornhaut als an der rechten Hand, womit man "nur" die Seiten zupft.
Genauso ist es bei mir. Die Stelle , die Thomas ansprach, ist meine "linke Hand ", gut geschützt mit Hornhaut.
Aber andere Dinge, die ziehen mich runter, zb. wenn jemand über eine oft tödlich verlaufende Krankheit schreibt, zb. die Krankheit, die Rudi Carell grade hat. (ich traue mich nicht mal , die Krankheit zu benennen, wie du siehst)
Das ist meine "rechte Hand", das kann ich überhaupt nicht up.
Ich habe damit keinerlei Erfahrungen gemacht.

Aber mit psychisch kranken Menschen hatte ich viel zu tun.
Ein Freund von mir hat eine Psychose, ein ehemaliger Kollege in der Buchhandlung hatte sogar eine schizophrene Psychose.

Ich kenne mehrere Mädels und junge Frauen, die vergewaltigt wurden und sich an Jahre ihres Lebens gar nicht erinnern können, weil sie sie einfach ausgeblendet haben.
Diese Jahre sind weg, einfach futsch aus ihrem Hirn, verstehst Du?
Oh.Gott, ich hoffe, das zieht dich jetzt nicht runter, wo´s Dir nicht so gut geht.

Aber all diese Dinge sind für mich nicht bedrohlich, einfach weil ich tagtäglich mit solchen Menschen umgegangen bin.

Das ist alles, Emriye, ....
Dass Du das im Moment nicht abstoßen kannst, liegt einfach daran, dass es Dir nicht so gut geht.

Ich habe von Dir aus anderen Zeiten auch schon Mails gelesen, die ganz ganz anders waren.
Eine ganz andere Emriye, eine starke und lebenslustige Emriye...

und da kommst Du auch wieder hin!!!!

Einen schönen Abend Dir und Grüße an ´s Hundi (Bandit?)

deary
tomroerich
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Re: Egoismus, gibt´s den in "gesund" und in "krank", 2. Teil

Beitrag von tomroerich »

Liebe Deary,

deine Erklärung ist für mich völlig einleuchtend. So geht es mir auch. Ich mache ja eine ehrenamtliche Tätigkeit als Krisenbegleiter in suizidalen Krisen und habe schon viele sehr erschütternde Lebensgeschichten gehört. Das heißt, sie werden eben so gemeinhin als erschütternd bezeichnet aber ich fühle mich dadurch duchaus nicht erschüttert. Manche Menschen können das ganz und gar nicht verstehen und meinen, das könnten sie nie und nimmer ertragen. Warum ertrage ich es so gut? Bin ich vielleicht abgestumpft? Das glaube ich nicht, denn mitfühlen kann ich. Eine seelische Hornhaut habe auch ich mir zugelegt.

Lieben Gruß von

Thomas
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Emriye2
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Re: Egoismus, gibt´s den in "gesund" und in "krank", 2. Teil

Beitrag von Emriye2 »

Liebe Diary,

deine Erklärung leuchtet mir auch ein, aber ich denke dazu bedarf es einer großen inneren Stärke und die fehlt mir halt noch.
Mach ja jetzt auch schon ein paar Jährchen Therapie und wenn ich mich mit meinem Therapiebeginn vergleiche gabs schon große Veränderungen - aber eben, alles braucht unglaublich viel Zeit, Geduld und kostet enorm Kraft. Ich habe mich ja gefühlt als würde ich nie wieder in meinem Leben eine Depression bekommen und jetzt hats mich wieder eiskalt erwischt..

Momentan fühle ich mich wie eine gekochte Tomate mit einer ganz dünnen, rissigen Haut - einfach zu durchlässig.

Aber da tun einem Menschen besonders gut die so eine Stärke ausstrahlen und sie hier im Forum weitergeben.

Ich wünsche euch allen eine gute Nacht
emriye

P.S Liebe Acedia, wie gehts dir?? Hat dir Thomas Posting auch so gut getan?? Ich wünsche dir, dass du da ein Fünkchen Wahrheit erkennen konntest, auch wenn du es noch nicht fühlen kannst...
Ich wünsche dir alles Liebe und grüß den Marathon-Man
emriye


P.P.S Hi Diary, jetzt hab ich ja fast deine Frage zu meinem Hundi vergessen. Er heißt Bandi, ist wirklich die Abkürzung von Bandit - diesen Namen hatte er im Tierheim, aber wir haben ihn dann in Bandi umgetauft..
grüß dein Hasi von uns. Wir haben auch ein Kaninchen und Bandi schläft oft neben ihm.
Hier hab ich dir noch ein Bildchen von meinem Energiebündel, das mich jeden Tag an die frische Luft befördert und mir so schöne Momente beschert

emriye
Clown
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Re: Egoismus, gibt´s den in "gesund" und in "krank", 2. Teil

Beitrag von Clown »

http://www.das-labyrinth.de/images/sandlabyrinth.jpg

>>>So ist Leben eigentlich nichts anderes, als ein Umkreisen des eigenen Selbst und eine ständige Suche danach, ein Sich-Herantasten durch Irrtum und Schmerz.<<<
(schrieb Thomas)

...und manchmal ist man ganz dicht dran am Zentrum, aber dann führt der Weg doch erst noch in eine andere Richtung...

Liebe Grüße an die Data-Tomate, die reifen will und neue Früchte hervorbringen wird.

Clown
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Eckhart Tolle
tomroerich
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Re: Egoismus, gibt´s den in "gesund" und in "krank", 2. Teil

Beitrag von tomroerich »

Hallo Maria, du "Früchtchen"

eine tiefsinnige Bemerkung.

Grüßle

Thomas
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Edeltraud
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Re: Egoismus, gibt´s den in "gesund" und in "krank", 2. Teil

Beitrag von Edeltraud »

Da will ich mich auch mal unter die Denker, Philosophen, Komentatoren und anderen im Obstkorb Befindlichen mischen *g* - in novalischen Fragmenten:

Langwierige Krankheiten - Lehrjahre der Lebenskunst und Gemütsbildung
Guitaranderl

Re: Egoismus, gibt´s den in "gesund" und in "krank", 2. Teil

Beitrag von Guitaranderl »

>Ich frage mich nämlich, wie man es schaffen kann, nicht mehr so arg an seinen eigenen Schmerz erinnert zu werden! Es hat mich jetzt zwar nicht aus den Latschen gehauen, hab keine Albträume bekommen und ich konnte bei mir im Jetzt und Hier bleiben - aber trotzdem kroch wieder dieser Schmerz in mir hoch

Liebe Emriye,

zu Deinen Sätzen würde ich gern noch etwas sagen; vielleicht kann ich Dir damit auch für heute ein Kilo Energie nach ? schicken:
Ich weiß nicht, ob der Sinn einer Therapie darin bestehen kann, nicht mehr erinnert zu werden oder z.B. keine Angst mehr zu haben. Möglicherweise sind das eben wirklich goldene Äpfel, die einmal zu hoch hängen und deren Besitz vielleicht sowieso fragwürdig sein könnte. (Goldener Apfel= Ideal) So gesehen, könnte das Streben danach mit permanenter Enttäuschung verbunden sein und zugleich die erreichte Realität vernebeln.

Aber wie wäre es denn, wenn wir den Schmerz/die Erinnerung zulassen dürfen, er/sie aber nicht mehr von uns Besitz ergreifen kann und dadurch eine unangemessene Macht erhält, die unsere Lebendigkeit erstickt. Letzteres ist nach meinem Eindruck genau das, was Du oben beschrieben hast. Kannst Du sehen und auch wertschätzen, dass Du damit schon sehr weit gekommen bist?

Herzliche Grüße aus Hamburg-Winterwonderland
Andreas
Kroki
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Beitrag von Kroki »

Acedia
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Re: Egoismus, gibt´s den in "gesund" und in "krank", 2. Teil

Beitrag von Acedia »

Lieber Thomas,
hallo Mitleser!

Erst einmal Danke, dass du so ausführlich und freundlich auf meine Bitte geantwortet hast. Deine Antwort hilft mir insofern, dass ich mein Denken und Fühlen besser begreifen kann und Zweifel bezüglich Schuld noch einmal genauer hinterfrage. Auch wenn es für mein Leben zu spät kommt, so hilft doch die Erkenntnis, um nicht weiter im Dunkeln herumzustochern und immer nach dem Warum zu fragen.

Allerdings kamen mir beim Lesen deines Beitrages verschiedene Fragen und Gedanken, die ich hier einmal aufschreiben möchte.
Kann man wirklich alles Verhalten damit entschuldigen, dass es unbewusst geschieht, dass es "einfach passiert"? Wie eine Naturkatastrophe, wie du sagst? Quälen und Erniedrigen alle Eltern ihre Kinder unbewusst? Entspricht das dem Bibelsatz: "... denn sie wissen nicht, was sie tun."? Ist das die Weisheit des Lebens? Und wenn ich das jetzt weiss, ist dann alles gut, müsste ich dann nicht alles Leid vergessen können, weil erklärbar? Reicht diese Erkenntnis aus, um nicht nur den Teufelskreis zu durchbrechen, sondern auch neue Wege zu gehen und somit erleichterter zu leben?

Ist es wirklich so, dass ich niemals persönlich gemeint war und mir niemand wirklich schaden wollte? Dein Beispiel mit dem Blumentopf hinkt insofern, dass der Blumentopf nicht denken kann und somit tatsächlich nicht mich meint, auch wenn er meinen Kopf trifft. Aber Vater, Mutter, Lehrer, Mitschüler, Kollegen schaden, ärgern, quälen mich doch nicht rein zufällig, weil ich ihnen grad übern Weg laufe, sondern meinen mich ganz persönlich. Oder wo ist hier mein Denkfehler?

Deinem Post entnehme ich, dass es überwiegend eine Frage des Intellekts ist, inwieweit es einem gelingt, sich seines Selbst bewusst zu werden. Vor diesem hohen Anspruch schrecke ich fast automatisch zurück und ich höre mich sagen: das schaffst du nie, dafür bist du viel zu blöd. Weil ich mich aber gerne verändern möchte, suche ich nach Antworten und stelle wenigstens hier, weitestgehend anonym, die Fragen, obwohl es mir immer peinlich ist, dass ich das alles nicht weiss. Verstehst du, was ich meine? Du und auch einige andere hier können immer so wunderbar präzise und gelehrt antworten und ich selber bleibe im Kleinkram stecken. Das ist schon zum Verzweifeln, finde ich.

Ich kann erst etwas ändern, wenn es mir bewusst ist. Dazu ein Beispiel. Meine Tochter erzählte mir, dass es sie als Kind stark getroffen hat, als ich ihren Teddybär wegwarf. Zuerst war ich zutiefst erschrocken und meine erste Reaktion war zu sagen: Du musst dich irren, das habe ich niemals getan. Aber ich hielt inne und stellte mich diesem Vorwurf und versuchte mich mit Hilfe meiner Tochter daran im Detail zu erinnern. Folgendes spielte sich damals ab: Meine Tochter erbrach sich in der Nacht auf diesem Teddy. Da man diese Bären nicht einfach waschen konnte, befand ich, dass der nicht mehr zu säubern geht und warf ihn weg, ohne den ideellen Wert für mein Kind zu bedenken. Ich selber hatte verlernt, mein Herz an irgend welche materiellen Dinge zu hängen, weil sie einem jederzeit weggenommen werden konnten und übertrug das auf mein Kind. Es war mir nicht bewusst!!Ich sah nur, dass ich ihn nicht mehr sauber bekam und war mir sicher, dass auch meine Tochter ihn so nicht mehr wollte.

Ich bin froh, dass mir meine Tochter – wenn auch verspätet – die Augen dafür geöffnet hat. Was bleibt sind natürlich Schuldgefühle, denn das kann ich nicht mehr rückgängig machen. Doch dass ich die Möglichkeit hatte, mich zu entschuldigen, finde ich gut und ich bin mir sicher, dass meine Tochter es nicht an ihrem Sohn weitergibt.

Liebe Grüße
Acedia


Hallo liebe Emriye,

konnte leider nicht früher antworten, weil ich auf Thomas‘ Beitrag ja auch nicht nur mit drei Sätzen reagieren wollte. Habe zur Zeit viel Stress auf Arbeit, und zu Hause mit dem Marathon-Man ist es auch nicht immer leicht. Wir haben bestimmt viel zusammen erreicht und auch versucht zu verändern. Doch manchmal finde ich mich an einem Punkt genau wie am Anfang unserer Krise wieder. Wir nehmen beide eine sehr unterschiedliche Entwicklung einzeln, aber auch innerhalb unserer Beziehung. Leider finden „Machtkämpfe“ immer wieder statt, aber ich bin nicht mehr immer die, die am Boden liegt (bitte nicht falsch verstehen, ist nur bildlich gemeint!). Mein Mann liest hier im Forum nicht mehr mit, so kann ich einigermaßen ungezwungen schreiben.
Danke für deine Grüße.

Alles Gute für dich und dass es dir hoffentlich bald wieder besser geht

wünscht Acedia
deary
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Re: Egoismus, gibt´s den in "gesund" und in "krank", 2. Teil

Beitrag von deary »

Lieber Thomas,

ich glaube, viele hier werden mir zustimmen, wenn ich sage, dass ich Dich keinesfalls für abgestumpft halte, genau das Gegenteil trifft zu. Du überwindest Dich immer wieder selbst, um anderen zu helfen, auch wenn es Dich viele Worte "kostet" ( und auch eine beträchtliche Zeit deines Lebens...)....

Du fühlst immernoch mit ( ein abgestumpfter Mensch kann das nicht mehr!!!) und ich kann mir eine ehrenamtliche Tätigkeit bei Dir sehr gut vorstellen, toll das Du soetwas machst...


Ich glaube, Du kannst vielen verzweifelten Menschen helfen.
Wobei ich nicht denke, dass das jetzt jeder machen MUSS, der so etwas wie wir erlebt hat.
Ich denke, das kann man erst, wenn man selber schon wieder sehr stark ist.
Aber im kleinen, -jeder an seinem Platz- kann man seine bittere Erfahrung SEHRWOHL ummünzen in gute Taten am Nächsten.

Eine schöne Vorstellung, wie ich finde...



Übrigens, es ist immer etwas heikel, wenn man aus einem langen Text, zb. wie dein letzter ,lieber Thomas, an Data, einzelne Dinge herausnimmt: Wie bei Kroki zitiert:

>>>So ist Leben eigentlich nichts anderes, als ein Umkreisen des eigenen Selbst und eine ständige Suche danach, ein Sich-Herantasten durch Irrtum und Schmerz.


Ich glaube nicht, dass Du ausdrücken wolltest, dass das Leben nichts anderes als ein Kreisen um sich Selbst ist,

das wäre ja konträr zu allem, was wir bisher in diesem Thread erarbeitet haben!?

Ich denke, man muß diese Worte im Zusammenhang sehen, denn das Leben im sozialen Bereich ist doch GENAU die Balance zwischen Eigen- und Nächstenliebe....

Und jemand, der " immer um sich selbst kreist" ist ja schon fast sprichwörtlich ein Egoist!

Ich wünsche allen einen schönen Abend aus dem stürmischen Rheinland....



liebe Grüße
deary
Maria
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Re: Egoismus, gibt´s den in "gesund" und in "krank", 2. Teil

Beitrag von Maria »

tomroerich
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Re: Egoismus, gibt´s den in "gesund" und in "krank", 2. Teil

Beitrag von tomroerich »

Liebe Deary,

ich meinte mit "Kreisen um das Selbst" nicht, dass man sich auf egoistische Weise um sich selbst dreht. Ich meinte, dass man diesen Punkt, wo man das ist, was man ist und es auch so lebt und ausdrückt, umkreist aber doch verfehlt. Man selbst zu sein ist nicht egoistisch, es ist das Gegenteil davon. Wenn man man selbst ist, benötigt man ja nichts mehr, um sich wertvoller zu machen. Man muss dann nichts mehr an sich reißen, denn man genügt sich ja selber.

Liebe Grüße

Thomas
Betroffene für Betroffene

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Clown
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Re: Egoismus, gibt´s den in "gesund" und in "krank", 2. Teil

Beitrag von Clown »

Wusst' ich's doch, dass du das richtigstellen würdest, Thomas!

Lieben Gruß,
Clown
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Eckhart Tolle
Emriye2
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Re: Egoismus, gibt´s den in "gesund" und in "krank", 2. Teil

Beitrag von Emriye2 »

Liebe Andreas,

".....Aber wie wäre es denn, wenn wir den Schmerz/die Erinnerung zulassen dürfen, er/sie aber nicht mehr von uns Besitz ergreifen kann und dadurch eine unangemessene Macht erhält, die unsere Lebendigkeit erstickt. Letzteres ist nach meinem Eindruck genau das, was Du oben beschrieben hast. Kannst Du sehen und auch wertschätzen, dass Du damit schon sehr weit gekommen bist?"


ja ich kann es schon sehen und wertschätzen geht eigentlich auch - wenn ich nicht in einer Krise stecke. Momentan neige ich schon wieder etwas dazu zu denken, dass alles für die Katz ist...

meine Therapeutin versucht mir das auch vor Augen zu halten und ich kann es ja schon sehen und bin auch froh darüber durch die heftigen emotionalen Zeiten gegangen zu sein und dabei für mich sehr viel aufgearbeitet habe.

Aber, jetzt kommt wieder das aber, die Waagschale kann auch auf einmal wieder in die andere Richtung auspendeln und dann ist man wieder gezwungen, die Gewichte vorsichtig in die Hand zu nehmen und zum 100. Mal umzuschichten, anzuschauen, mit dem Staubläppchen bearbeiten oder einfach zur Seite zu legen. Es tut weh und ist nicht einfach...naja, aber trotzallem, wird mein depressiver Zustand nicht schlimmer, wie ich letzte Woche schon befürchtet habe. Es geht mir seit den 2 Paniktagen stabil besser und darüber freue ich mich...und das trotz mancher Widrigkeiten.

Danke dir und wünsche dir ein schönes Wochenende in den eisigen Norden hoch...

Noch eine Frage, gibt dir/euch (Thomas, Diary usw..), die für meine Verhältnisse so viel geben hier im Thread, gibt Euch der Thread auch so viel?? Ich fühle mich grad einfach als die Nehmerin und ihr seit die GeberInnen hier...würde da gerne etwas zurückgeben...vielleicht auch deshalb mein plumper Versuch etwas zurückzugeben mit den Fotos.

Liebe Grüße
emriye
deary
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Re: Egoismus, gibt´s den in "gesund" und in "krank", 2. Teil

Beitrag von deary »

Lieber Thomas,

ja , so gefällt mir der Wortlaut auch viel besser.

Ich habe auch nicht gedacht, dass Du es anders gemeint hast, das Zitat war nur aus dem Zusammenhang gerissen, ich fand das nicht so glücklich gewählt, deswegen....

Es ist gut, dass Du es richtig gestellt hast.

In dem Zusammenhang finde ich "Sich-Selbst-Genügen" ein ganz wichtiges Stichwort, dann hat man den Egoismus, den falschen oder wie auch immer man es nennen mag, in dieser Form "nicht mehr nötig"...


Ich kann es jetzt nicht mehr so ausführen, (ist schon so spät) hoffe, ihr versteht in etwa wie ich es meine....

Ich gehe jetzt erstmal selbstgenügsam an der Matratze horchen.

Gute Nacht allen,

deary
deary
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Re: Egoismus, gibt´s den in "gesund" und in "krank", 2. Teil

Beitrag von deary »

Liebe Emriye,

dieser Austausch gibt mir unendlich viel!!!



Ich empfinde nicht, dass ich mehr "gebe" als Du oder jemand anders.

Wir tauschen Erfahrungen aus, oder nicht?

Jeder aus seiner Warte, mit der Lebenserfahrung ,die er hat, aus der Lebenssituation , in der er ist, wie kommt es bei Dir zu so einem Eindruck???

(Das kann sicher Thomas erklärn ,.... )

Ok. das war ein kleiner Rückfall in die Denke " andere könne es besser" , was ja schon öfters Therapiethema war....( bei mir)

Ich habe zum Beispiel keine Kinder, Du schon. Da kannst Du mir sicher viel drüber erzählen, da kann ich nur staunen....

kann es sein, dass Du dich grade schwächer machst als Du bist??????

Entschuldigung, ich habe grade Sauerkraut im Gehirn....

Wieso hast Du das Bedürfnis , immer etwas zurückgeben zu MÜSSEN, wenn Du etwas bekommst?
So ist das Leben doch gar nicht.

Man MUSS nicht immer das geben, was man bekommt und umgekehrt.
Da herrscht eine relativ große Freiheit....

Ach, Emriye, mach´s Dir doch nicht so schwer,

und schick´trotzdem weiter Fotos, ja!!!???
Dein Bandi ist supersüß

Wie sieht denn wohl dein Hase aus!!!!!?????

gute Nacht,

eine am Computer fast einschlafende deary

tomroerich
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Re: Egoismus, gibt´s den in "gesund" und in "krank", 2. Teil

Beitrag von tomroerich »

Liebe Acedia,

Kann man wirklich alles Verhalten damit entschuldigen, dass es unbewusst geschieht, dass es "einfach passiert"? Wie eine Naturkatastrophe, wie du sagst? Quälen und Erniedrigen alle Eltern ihre Kinder unbewusst? Entspricht das dem Bibelsatz: "... denn sie wissen nicht, was sie tun."? Ist das die Weisheit des Lebens? Und wenn ich das jetzt weiss, ist dann alles gut, müsste ich dann nicht alles Leid vergessen können, weil erklärbar? Reicht diese Erkenntnis aus, um nicht nur den Teufelskreis zu durchbrechen, sondern auch neue Wege zu gehen und somit erleichterter zu leben?

Du rührst hier an Fragen, die wirklich sehr zentral sind und wenn du dieses Zitat aus der Bibel anbringst, dann kann ich nur sagen,dass es in dem Zitat in meinen Augen wirklich genau um dieses Problem geht, ob wir einen freien Willen haben oder nicht.

Heute wurden die Eltern des verhungerten Mädchens verurteilt und der Richter kam zu der Überzeugung, dass sie "bewusst" den Tod des Kindes herbei geführt haben. Der Verteidiger hatte geltend gemacht, dass die Mutter selbst das Opfer einer grausamen Kindheit geworden war. Wer hat da Recht?
Ich glaube nicht, dass man von Bewusstheit sprechen kann, wenn Eltern so etwas tun. Denn es fehlte völlig der Bezug auf das Kind. Das Kind wurde einfach nicht wahrgenommen, es war aus dem Bewusstsein ausgeblendet. So wie sicher auch die Mutter erlebt hat, dass sie einfach nicht im Bewusstsein ihrer Eltern war.

Ich meine damit nicht, dass die Eltern oder deine Eltern nicht wussten, dass du da bist. Aber sie nahmen dich nicht wahr als das, was du bist. Du hast selbst Kinder und du weißt, dass Kinder jemand sind. Sie haben Eigenschaften, Neigungen, sie haben ein Profil, sind unverwechselbar, von Anfang an. Nur wer keine Kinder hat, kann in der Theorie annehmen, dass Kinder erst dadurch zu etwas werden, indem man ihnen einen Stempel aufdrückt. Wer welche hat weiß, dass das Blödsinn ist.
Wenn es für ein Kind optimal läuft, dann hat es Eltern, die so bewusst sind, dass sie das Kind wahrnehmen können als das, was es ist- sie können das Wesen des Kindes wahrnehmen. Und dann werden sie diese Wahrnehmung in den Mittelpunkt ihres Umgangs mit dem Kind stellen und dem Kind dadurch zeigen, was es ist. Das Kind wird dann eine Persönlichkeit entwickeln, die im Einklang mit dem steht, was es ist. Aber, das ist extrem selten. Es kommt praktisch nicht vor weil es nur sehr wenige Menschen gibt, die so bewusst sind.

Das andere Extrem sind Eltern, die das Kind gar nicht wahrnehmen als ein Wesen mit eigenen Zügen und einer eigenen Seele, die man hegen muss wie ein Pflänzchen. Sie übertragen in einer völlig mechanischen Weise ihre eigene zerstörte Welt auf das Kind, indem sie wiederholen, was sie selbst erlebt haben oder in anderer Weise unreflektiert das ausleben, was sie an seelischen Impulsen in sich tragen. Das "Du" ist ihnen kein Begriff. Sie haben nie gelernt, über das zu reflektieren, was ihnen widerfahren ist. Sie nehmen es einfach als ein Muster, das sie weitergeben.
Deshalb meine ich, du warst nicht gemeint. Du wendest ein, der Blumentopf könne nicht denken und das sei der Unterschied. Aber solche Menschen haben sehr viel mit einem Blumentopf gemeinsam. Entweder sie stehen da stumm oder sie fallen herunter wie ein Stein und töten jemanden ohne es zu wollen. Sie haben nie danach gefragt, wer du bist und was du brauchst. Das ist unendlich traurig aber doch gilt, dass du nicht gemeint warst.

Das erlöst dich nicht aber es kann dich ja doch vom Hauptübel freisprechen- dass mit dir etwas nicht stimmt, dass du verdient hast, was geschehen ist. Dass deine Kinderseele nicht anders konnte als es so anzunehmen, dass du so bist, wie man es dir gespiegelt hat, das konnte nicht anders geschehen, weil sich Menschen eben auf diese Weise entwickeln müssen. Aber gerade dein ganzer Schmerz zeigt doch so deutlich, dass du so nicht bist. Er ist doch der Beweis dafür, dass das, was man aus dir gemacht hat, nicht im Einklang steht mit dem, was du bist. Wäre es anders, dann wärst du glücklich und zufrieden.

Zum Schluss noch etwas zum Verzeihen und Entschuldigen. Ich kenne eine Frau, die wurde seit ihrem 4. Lebensjahr von ihrem Vater missbraucht und die Mutter schaute zu. Nun kommt heute die Mutter daher und meint, es sei ein christliches Gebot, verzeihen zu müssen. Aber die Mutter hat selbst nie ihrer Tochter etwas erklärt, hat nie ihre Schuld eingestanden. Sie will nur heil aus der Sache rauskommen und spielt wieder einmal den Ball der Tochter zu. Die soll verzeihen. Was hältst du davon? Ich meine, dass zu verzeihen ein gegenseitiger Prozess ist. Der Täter wird sich bewusst, was er getan hat und er sieht nun, dass es nicht richtig war. Dazu muss er eine Entwicklung gemacht haben. Dann, aber nur dann, kann er fragen, ob man ihm vergeben kann. Und dann ist es möglich, dass das Opfer seinen Schmerz loslässt und ihn an den Täter zurückgibt. Beide, Opfer und Täter, können sich dadurch heilen und nur zusammen können sie es auch, indem sie etwas auslöschen. Aber einfach zu verlangen, aus christlicher Nächstenliebe gar, dass das Opfer zu verzeihen habe, das ist schon ein unglaublicher Fall von Egoismus.

Liebe Grüße von

Thomas
Betroffene für Betroffene

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Kroki
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Registriert: 15. Mär 2004, 17:50

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Beitrag von Kroki »

oktober

Re: Egoismus, gibt´s den in "gesund" und in "krank", 2. Teil

Beitrag von oktober »

Ein herzliches Hallo an alle

Ich lese die ganze Zeit nur mit, nun mag ich auch ein bisschen was schreiben. Allerdings weiß ich nicht, ob das so wahnsinnig konstruktiv sein wird wie viele andere Beiträge hier - mir geht beim Lesen immer mal wieder so einiges im Kopf rum...
Das erste Mal, als Thomas so ausführlich auf Acedia eingegangen ist und die Frage beantwortet hat, inwieweit den Eltern bewusst ist, was sie eigentlich anrichten. Ich fand den Beitrag super, er entsprach dem, was ich auch denke - und trotzdem lag ich später im Bett, und war innerlich aufgewühlt.
Als Teenie hab ich meine Eltern gehasst, war todunglücklich zuhause und fest davon überzeugt, ich hätte das Unglück dieser Welt für mich gepachtet und niemand sei so bedauernswert wie ich. Selbst der Gedanke an Menschen, die unter widrigsten Umständen um ihr Leben kämpfen müssen, erschien mir weitaus weniger schlimm - diese Leute WOLLTEN immerhin...
Als ich zuhause auszog, hab ich ziemlich schnell alles entschuldigt bzw. das Verhalten meiner Eltern verstanden: ihr Unvermögen, es besser zu machen, und fehlendes Bewusstsein, null Reflexion. Im Prinzip tue ich das auch heute noch - aber es steckt meiner Ansicht nach auch ne große Gefahr in dieser Sichtweise. Nämlich die, seinen eigenen Gefühlen ihre Berechtigung abzusprechen. Ich konnte und durfte nicht wütend sein.
Das musste ich aber, damit das Gefühl dort zurückgelassen werden kann, wo es hingehört - und nicht mich trifft und lähmt.
Eine Therapeutin von mir fragte mich, ob ich als Teenie den Tod meiner Eltern gewünscht hätte... Ja, das habe ich (und mich sehr dafür geschämt) - sie meinte: Gut so! Ich war etwas irritiert, nun verstehe ich es. Meine Gefühle waren "richtig" - und hätte ich sie haben dürfen, hätte ich sie besser überwinden können.
Ein Beispiel dafür ist auch das Verhalten von jüngeren Kindern: Ein Streit mit dem besten Freund/der besten Freundin, man will ihn NIE wieder sehen, ist verzweifelt, findet den-/diejenige total "blöd". Am nächsten Tag spielt man wieder friedlich miteinander...
Von Erwachsenen belächelt, läuft hier etwas ganz wichtiges ab: Die tiefe Verzweiflung ist echt (kenne diese Situationen von meiner Tochter), und sie zu durchleben schafft erst Platz für etwas Neues.
Weiß nicht, ob man das jetzt verstehen konnte (?).

Auch ich habe diesen Prozess, von dem Andreas berichtet hat, mitverfolgt... Und natürlich denke ich auch, dass die Eltern schwer gestört sein müssen, um sich so zu verhalten, wie sie es getan haben. Dass sie auch Opfer waren.
Ich finde das Urteil jedoch "richtig". Im Prinzip bräuchte jeder Kriminelle ne Therapie, denn ich denke, es steckt immer ein "tiefer liegender" Grund dahinter. Jemand, der mit sich selbst im Reinen ist dadurch, dass er Liebe und Respekt erfahren durfte, wird kaum zu einem Mörder werden.
Aber darüber könnte man wohl ellenlang diskutieren...

Mir geht`s übrigens ähnlich bei der Begegnung mit Leid wie einigen anderen: Ich hab´ ´ne Art Hornhaut auf der Seele und es belastet mich nicht, auch die schlimmsten Geschichten zu hören.
Anders ist es, wenn etwas gerade stattfindet - und das können mitunter Kleinigkeiten sein. Wenn ich beobachte, wie Eltern ihr Kind bspw. auslachen, betrifft mich das sehr. Ich bin sehr empfänglich, gerade die "kleinen Verletzungen" der Seele zu bemerken - und erschüttert darüber, wie normal es ist, keinen Respekt für das eigene Kind zu haben (nicht nur in problematischen Familien). Man muss nur aufmerksam durch die Stadt laufen und kann unzählige Situationen beobachten, in denen Kinder nicht als eigenständige Persönlichkeiten respektiert werden.

So, nun hab ich einiges geschrieben... Hoffe, es ist okay, wenn`s nur einige Gedanken waren und ich nicht eine in sich geschlossene druckreife Argumentation (@ Thomas: Wie machst du das?)

Liebe Grüße an alle und ein schönes Wochenende,

Petra
Guitaranderl

Re: Egoismus, gibt´s den in "gesund" und in "krank", 2. Teil

Beitrag von Guitaranderl »

>die für meine Verhältnisse so viel geben hier im Thread, gibt Euch der Thread auch so viel?? Ich fühle mich grad einfach als die Nehmerin und ihr seit die GeberInnen hier...würde da gerne etwas zurückgeben...vielleicht auch deshalb mein plumper Versuch etwas zurückzugeben mit den Fotos.


Liebe Emriye,
schau doch, was ich u.a. im 1. Teil dazu schrieb. Es gibt mir unendlich viel und ich kann sehen, wo ich wirklich stehe. genauso wie ich Dir signalisieren wollte, wo Du stehst; in Wirklichkeit stehst, Deine Depression Dich aber (noch) nicht sehen lassen will. Mit dem Verstand kannst Du es sehen, aber nicht mit dem Herzen.. noch nicht.

>"Mir stockt der Kaffee im Mund und ein Mix aus Mordlust und traurigem Mitgefühl macht sich in mir breit, wenn ich all diese Grausamkeiten lese. Aber Ihr helft mir auch mit der Erkenntnis, mein eigenes Schicksal ganz anders bewerten zu können/müssen. Auch darin liegt Heilung begründet"

Noch was: Du wärest wahrscheinlich nicht "Du", wenn Du die Gelegenheit für ein fettes Schuldgefühl auslassen würdest , Aber ich sage Dir, es ist nicht nötig. Es ist wahrscheinlich eine alte, schlechte Angewohnheit, gegen die der Wille bekanntlich nichts ausrichten kann. Es ist ganz typisch für Menschen, die lange Zeit eher mit der Bedürfniserfüllung für Andere befasst waren, sich reflexartig schlecht zu fühlen, wenn sie ihre eigenen Bedürfnisse wahrnehmen. Nimm ruhig, es ist genug da! Aber den letzten, dicken roten Apfel, den lässt Du bitte für unseren Obstmann vom Raumschiff Enterprise liegen. ( )

Sehr herzliche, schmunzelnde Grüße
Andreas
tomroerich
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Re: Egoismus, gibt´s den in "gesund" und in "krank", 2. Teil

Beitrag von tomroerich »

Liebe Petra,

doch, ich glaube genau zu verstehen, was du meinst mit dem Beispiel von den Kindern, die sich untröstlich weh tun und doch ganz schnell wieder dick Freunde sein können. Und es ist natürlich unendlich wichtig, an diese Wut und die ganze Enttäuschung heranzukommen, die mit unseren Peinigern (die sie ja meist nicht nur waren) zusammenhängt. Aber die Situation ihnen gegenüber ist doch sehr viel verwickelter als unter Kindern. Acedia sagt ja, dass sie sich bis auf den heutigen Tag ekelhaft und schuldig fühlt. Ich glaube, ihre Situation wärer heute eine andere, wenn ihre Peiniger sie hätten wissen lassen, dass sie eigentlich gar nicht gemeint war sondern dass es sich z.B. um unkontrollierbare Wutausbrüche oder was auch immer gehandelt hat. Aber genau das passiert praktisch nie sondern diese Gewalt ist praktisch immer mit dem Signal verknüpft, dass die "Strafe" berechtigt ist, dass sie sein muss weil das Kind schlecht ist.

Genau das ist dann der Grund, warum das Kind keine Wut haben kann bzw. warum es sie gegen sich selbst richten muss. Es wird ihm gesagt "Du bist selbst Schuld an deinem Leid. Dein ganzer Schmerz ist von dir selbst verursacht, weil du schlecht bist." Diese furchtbare Lüge ist Teil des Spiels, das sonst gar nicht funktionieren würde. Der Peiniger kann aus seiner Sicht gar nicht die Verantwortung übernehmen, sonst würde es ihm unmöglich werden, weiterhin zu peinigen. Er schiebt sie dem Kind zu und das Kind glaubt es, weil es seinen Peiniger liebt und ihnen vertraut.

Meine Mutter z.B. sagte mir immer wieder, dass ich eine schlimme Last sei für sie, dass sie unter mir leiden müsse und ich ihr Leben belaste. So etwas geschieht sehr häufig zwischen Eltern und Kindern. Kannst du dir vorstellen, was das für ein Kind für eine ausweglose Situation ist? Es liebt seine Mutter über alles, ist völlig abhängig von ihr und muss erfahren, dass es für die geliebte Person schlecht und schädlich ist. Es kann gar nicht anders, als sich dafür selbst zu hassen. Das ist der Boden,auf dem Depressionen gedeihen und es ist sehr viel Wahres dran, dass Depr. nach innen gerichtete Wut ist. [Wenn man sich mal vor Augen hält, dass es heute ganz normal ist, Kinder irgendwo zu parken, vor der Glotze z.B., weil keine Zeit ist, dann kann man sich unschwer vorstellen, dass auch diese Kinder sich als Störfaktor fühlen und als Last.]

Wichtig ist mir noch folgender Punkt: Wenn man sich vorstellt, so wie ich das ja darstelle, dass Eltern nicht im eigentlichen Sinne ihre Kinder schädigen wollen sondern dass sie aus Unbewusstheit etwas wiederholen oder tun, was in sie hineingelegt wurde, dann könnte man schnell auf die Idee kommen, dass sie dann ja auch nicht schuldig zu sprechen sind und man folglich auch keine Wut auf sie haben und sie auch nicht bestrafen darf (Jessica). Das sehe ich aber überhaupt nicht so. Es ist eine ziemlich verzwickte Frage, ob man jemanden als verantwortlich bezeichnen kann, wenn er etwas tut, was als Motiv eine selbst erlebte seelische Schädigung hat. Ich sehe es so, dass nur ein Mensch auch Verantwortung übernehmen kann, der eine Wahl hat, der also frei ist, zu entscheiden. Aber das heißt nicht, dass er deshalb nicht dafür bezahlen muss für das, was er anderen antut. Das ist ein geistiges Gesetz, das keine Ausnahme kennt und auch für den Täter der einzige Weg, sich seelisch zu befreien von seinem eigenen Seelenmüll. Verantwortung und Schuld sind deshalb 2 ganz verschiedene Dinge in meiner Anschauung.

Wie ich das mache? Ist halt eine Begabung von mir, für die ich nichts kann. Ich sitze vor der Tastatur und jemand in mir diktiert mir die Sätze. Ist echt so Konnte schon in der Schule gute Aufsätze schreiben und bekam einige Auszeichnungen dafür in Wettbewerben. Möge bloß niemand glauben, ich mache das absichtlich, um groß aufzutrumpfen. Ist eher so, dass ich nicht anders kann. Bei dir klingt ja schon etwas an, dass du dich dadurch verunsichert fühlst und meinst, du musst das nun auch so können. Bitte nicht!

Herzliche Grüße

Thomas

P.S.
Es gibt ein wunderschönes Lied von Herman van Veen, das er für missbrauchte Menschen geschrieben hat. Es heißt "Wer" und treibt mir jedes Mal wieder die Tränen in die Augen.

Wer hat den Ernst in dein Gesicht gebracht,
wer hat das Licht gelöscht in dir?

Wer hat die roten Wangen bleich gemacht,
wer brach roh ein in dein Revier?

Wer nahm die Leichtigkeit, die Unbefangenheit,
wer brachte dich um deine allerschönste Zeit?

Wer machte deine klaren Augen blind,
wer trieb mir dir ein böses Spiel?

Wer tötete das unbeschwerte Kind,
das immer aufstand, wenn es fiel?

Wer bremste deinen Drang, wer lehrte dich den Zwang,
wer brach die Flügel dir, bevor der Flug gelang?

Wer ließ dich einfach in der Ecke stehen,
wer hat dein Spielzeug dir zerstört?

Zu wem hast du vergeblich aufgesehen,
auf wen hast du umsonst gehört?

Wer hat nur unerlaubt die Zukunft dir geraubt?
Wem hast du vorbehaltlos bis zum Schluss geglaubt?

Wem hast du vorbehaltlos bis zum Schluss geglaubt?
Betroffene für Betroffene

http://www.depressionsliga.de
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