Muß man die Diagnose dem Arbeitgeber mitteilen?

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Irielle
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Registriert: 16. Okt 2005, 01:25

Muß man die Diagnose dem Arbeitgeber mitteilen?

Beitrag von Irielle »

Hallo zusammen,
da ich diese Frage bzw. Antwort hier noch nicht gefunden habe, stelle ich sie mal hier, hoffe, das ist ok.
Also, zum ersten war ich bisher noch nie so lange krankgeschrieben (bis zum Krankengeld schon) und kenne mich damit nicht so aus, irgendwie alles Neuland.
Tja, und dann habe ich in der Firma noch immer nicht so recht rübergerückt mit der Diagnose.
Muß ich die denn überhaupt angeben?
Ist es klug oder nicht?
Ich habe da einen Hintergrund am Rande, und zwar ist ein sehr guter Kollege vor 3 Jahren an Erschöpfungsdepression, jobbedingt erkrankt, hat 2 Jahre gefehlt. Es war bekannt, daß er Depressionen hatte und auch warum (Burnout wegen seines Jobs). Man hat sich darüber lustig gemacht, Personalchef, Abteilungsleiter, alle. Ich fand das furchtbar.
Ich möchte weder stigmatisiert noch verlacht werden.
Ich möchte aber auch nicht, daß der AG denkt, mir sei das alles egal.
Würde es denn reichen, wenn ich mit einem Betriebsratsmitglied spreche, dem das warum und wieso erkläre?
Was meint Ihr? Wie lief das bei Euch?
Danke!
LG Irielle.
triste
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Registriert: 22. Jun 2003, 16:38

Re: Muß man die Diagnose dem Arbeitgeber mitteilen?

Beitrag von triste »

Hallo Irielle,

es ist ganz typisch, dass Du in Deiner derzeitigen Situation, in der Du -offenbar wegen Depressionen- krankgeschrieben bist, darüber nachdenkst, inwieweit Du Deinem Arbeitgeber Rechenschaft schuldig bist...das ist typisch depri

Die Antwort lautet: nein. Du mußt niemanden über den Grund Deiner Krankschreibung informieren. (Ausser die KK) Und aus genau dem Grund, den Du schilderst (der andere Kollege) werden z.Bsp. Krankschreibungen, die der Arbeitgeber erhält, auch ohne Diagnose ausgestellt.

Da Du bereits erlebt hast, wie in Deiner Firma mit solchen Diagnosen umgegangen wird, liegt es wohl nahe, Deine Erkrankung zu verheimlichen.
Ich selbst war 2,5 Jahre krankgeschrieben und ging bei meiner Rückkehr in die Firma offen mit meiner Erkrankung um, jeder weiß es inzwischen und ich erzähle sogar Anekdoten aus der Psychiatrie. Das hat zum einen viel damit zu tun, dass ich selbst erst seit ungefähr eineinhalb Jahren meine Diagnose annehmen kann, die Erkrankung als Teil von mir erlebe und versuche, selbstbewußt damit umzugehen. aber auch, weil ich es wichtig finde, dass Depressionen enttabuisiert werden und kein Stigma mehr bedeuten.

Bis ich das konnte, ist aber sehr viel Zeit vergangen.
Mute Dir nicht zuviel zu und versuch´, Deinem Gefühl nachzuspüren, womit es Dir besser geht.
Ein Recht auf Information hat Dein Arbeitgeber nicht, und daran ändert auch das schlechte Gewissen eines krankgeschriebenen Arbeitnehmers nichts.

Alles Gute!
Virginia
270792
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Registriert: 6. Jun 2004, 20:45
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Re: Muß man die Diagnose dem Arbeitgeber mitteilen?

Beitrag von 270792 »

Hallo Irielle!

Du bist nicht verpflichtet, Deinem Arbeitgeber die Diagnose mitzuteilen, wie Virginia schon geschrieben hat, steht sie deshalb auch nicht auf dem Krankenschein.
Ich habe es meinem Arbeitgeber und dann auch den Eltern beim Elternabend gesagt, um eventuellen Gerüchten vorzubeugen. Wenn die Krankschreibung vom Psychiater bzw einer psychiatrischen Klinik kommt, kann sich der Arbeitgeber sowieso denken, dass es um eine psychische Erkrankung geht.

Vielleicht kannst Du Deinem Arbeitgeber sagen, dass Du aufgrund Deiner familiären Belastung mit dem schwerbehinderten Kind häufig krank bist und deshalb in eine Klinik gehen möchtest, um solche Fehlzeiten in der Zukunft vermeiden zu können.
Meine bisherige Chefin (das wechselt, weil mein Arbeitgeber ein Elternverein ist, wenn die Kinder des Vorstands in die Schule kommen) hat mir sogar empfohlen, eine solche Kur zu machen und gesagt, es sei besser, ich fehle einige Wochen wegen einer Kur und bin dann wieder fitt, als wenn ich immer wieder für einige Tage ausfalle.

Als ich letztes Jahr in der Akutpsychiatrie war, haben mich einige Mütter dort sogar besucht, obwohl die Klinik außerhalb meines Wohnortes war.

Weiß Dein Arbeitgeber, dass Du ein autistisches kind hast? Ich habe es letztes Jahr beim Vorstellungsgespräch gesagt.
Was ich damals noch nicht wusste, dass einer meine Kollegen im Zweitjob als Lehrer im Autismustherapiezentrum arbeitet, eine Kollegin dort während ihrer Erzieherausbildung ein Praktikum gemacht hat und die oben genannnte Mutter Mitarbeiterin der Amtsärztin war, die bei meinem Sohn die Diagnose gestellt hat und die komplette Geschichte und Akte meines Sohnes kannte. Insofern hatte ich das große Glück, sehr viel Verständnis zu bekommen.

> (Burnout wegen seines Jobs). Man hat sich darüber lustig gemacht, Personalchef, Abteilungsleiter, alle. Ich fand das furchtbar.

Das kann ich nachvollziehen, so etwas ist wirklich gemein. Aber bei Dir ist die Ursache ja eine andere und viele Menschen zeigen Verständnis und Mitgefühl, wenn man ein schwerbehindertes Kind hat. Als bei mir dieses Jahr der erneute Klinikaufenthalt anstand, habe ich dem Vorstand den Erstbericht der Einrichtung, in der mein Sohn jetzt lebt, zum Lesen gegeben, damit sie nachvollziehen können, was es heißt, ein solches Kind jahrelang rund um die Uhr zu betreuen. Die Eltern waren sehr betroffen und haben gesagt, ich solle mir die Zeit nehmen, die ich zum Gesundwerden brauche. Leider ist das nicht selbstverständlich.
In der freien Wirtschaft wäre ich wahrscheinlich längst entlassen worden, ich war in den 19 Monaten, dich ich dort beschäftigt bin, 7 1/2 Monate krank, das sind 40 % der Beschäftigungsdauer.

Die Entscheidung, ob, wie und wem, Du es sagst, musst Du aber selbst treffen. Ich wünsche Dir sehr, dass Du eine Lösung findest.

Liebe Grüße


Annette
Nichts im Leben ist hoffnungslos traurig; selbst eine Träne, die die Wange hinabrollt, kitzelt.
Irielle
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Registriert: 16. Okt 2005, 01:25

Danke für Eure Antworten!!

Beitrag von Irielle »

Hallo Ihr beiden,
danke für Eure verständnisvollen Antworten, das hilft doch gleich wieder einen Schritt weiter.
Den Betriebsratsvorsitzenden will ich wohl noch sprechen, allein, um auch zu wissen, wie ich mich am besten verhalte.
Aber zu wissen, daß ich -insbesondere bei den eher unsensiblen Chefs- die Diagnose nicht sagen muss, stärkt mir insgeheim den Rücken.
LG Irielle.
zwerf
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Registriert: 26. Okt 2005, 16:04

Re: Muß man die Diagnose dem Arbeitgeber mitteilen?

Beitrag von zwerf »

Hallo Irielle,

klar ist ja, dass du nie irgendeine Diagnose deinem Arbeitgeber mitteilen musst, das gilt ja für alle Krankheiten.

Aber ich sehe es jetzt aus meiner Sicht als Arbeitgeber, wenn mir einer unserer Mitarbeiter eine Krankmeldung rein reicht bin ich erst einmal skeptisch (ein paar "Blaumacher" haben da vieles für die sehr vielen Ehrlichen verbaut...) aber wenn mir dann einer im Vieraugengespräch nähere Gründe erklärt, dann seh ich manches doch schon ganz anders und habe Verständnis. Vielleicht solltest du einfach mal mit deinem Personalchef unter 4 augen reden, das ändert dann vielleicht seine Sichtweise und es verhindert, dass so ein Mobbing wieder in Gange kommt.

liebe grüsse

Ralf
Adson
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Re: Muß man die Diagnose dem Arbeitgeber mitteilen?

Beitrag von Adson »

Ich würde Dir, so wie Du die Verhaltensweisen in dem Unternehmen beschreibst, davon abraten, Dich zu outen. Eine Verpflichtung hierzu besteht nicht. In meiner neuen Tätigkeit habe ich die Thematik auch nicht umfangreich kommuniziert, lediglich meine Vorgesetzte und der Bereichsleiter wissen es. Und das genügt völlig. Der Rest kann alles essen, aber nicht alles wissen.

Aber: ich würde auf jedenfall auch beobachten, wie die Erkrankung auf Deine Arbeit und Dein Verhalten dort durchschlägt.

Ggf. solltest Du mit einem Mitglied des Betriebsrates, günstigenfalls mit der Schwerbehindertenvertretung sprechen. Hoffe, daß es so etwas in dem Unternehmen gibt. Auch GEwerkschafter sind für derartiges gute Ansprechpartner.

Grüße, Jörg
Berlin - Wohnsitz, 39 Jahre, Single.
steppenwolf1

Re: Muß man die Diagnose dem Arbeitgeber mitteilen?

Beitrag von steppenwolf1 »

Hallo,

ich kann Jörg da nur zustimmen. Ich hab auch einen neuen Job und habe es nicht angegeben. Ob ich es packen werde, keine Ahnung ... hab das Gefühl, dass es meine letzte Chance ist. Aber seien wir mal realistisch. Kein Personaler stellt jemanden ein, der ihm offenbart, er hat psychische Probleme, Depris oder war gar schon in einer Klinik.

Es gibt beim Vorstellungsgespräch durchaus Fragen, die man mit Lügen beantworten kann und dazu gehören Fragen wie ... Sind Sie Schwanger ? Oder sind Sie krank ? Haben Sie AIDS etc. ...

Leider weiss ich aber aus eigener Erfahrung zu arbeiten und zu arbeiten und das Gefühl zu haben das Geld nicht Wert zu sein, was man verdient und sei es unter 100 € im Monat bei 8h. Ich war zu diesem Zeitpunkt so fertig, dass ich meinen Arbeitgebern (ok, ich machte ein Praktikum, war aber fertig mit meiner Ausbildung) mitteilte, dass ich ein Problem habe. Das ging auch, da ich in einer Wiedereingliederungsmaßnahme war und sie somit eigentlich sich zusammenreimen konnten, dass etwas nicht stimmte. Sie haben mir damals gesagt, dass sie viel zu sozial wären, um jemanden deshalb rauszuschmeißen. Na ja, ich war ja auch nur eine billige Arbeitskraft. Ich arbeitete teilweise für umsonst und nur als Praktikant.

Ich habe bisher von wenigen Beispielen gehört, wo die Arbeitgeber bei voller Arbeitskraft Verständnis hatten und das ist in dieser Gesellschaft auch nicht gewünscht. Ich würde mich hüten eine Diagnose mitzuteilen nur wenn es nicht mehr anders geht und sowieso der Job auf dem Spiel stehen würde.

Viele Grüße, steppenwolf
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