Einschränkungen durch Depressionen

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Lithium
Beiträge: 11
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Einschränkungen durch Depressionen

Beitrag von Lithium »

Hallo, mein Beitrag "Ohne Medikamente geht es nicht" erscheint mir etwas emotionslos.

Schließlich versucht diese Erkrankung seit einigen Jahren mein Leben zu zerstören.
Ich habe mich schon tausendmal gefragt, warum gerade ich dieses Los gezogen habe.
Die D. sind ja sehr quälend. Exzessives Zwangsgrübeln, starke Ängste... .
Desweiteren sind auch die Auswirkungen auf das Leben verheerend. In depressiven Phasen kann ich fast nichts mehr. Symptomfrei bin ich seit 1998 gar nicht mehr. Ich habe seit dem immer Konzentrationsprobleme und Schwierigkeiten mich auf Dinge einzulassen.

Dabei kann das Leben so UNENDLICH GEIL sein. Es gibt so viel zu tun. Ich möchte so viel machen. Ich liebe die Musik (Klavierspiel), die bildenden Künste. Ich liebe Mathematik und Sport. Ich arbeite gerne und auch gerne viel. Ich möchte viel schaffen. Ich möchte kreativ tätig werden. Ich möchte Verantwortung.
Ich bin richtig ausgehungert nach all diesen Dingen und werde doch immer wieder von dieser Erkrankung eingeholt.
Die letzten Jahre waren alle von D. geprägt. Ein einziger K(r)ampf!
Ich musste mir alle Freiheiten neu erkämpfen. Ständig musste ich mich gegen Ängste zur Wehr setzen. Das war Krieg, Krieg im Kopf.
Auch eine Beziehung war in all den Jahren nicht möglich. Man will, aber es geht nicht!
Ständig laufen einem attraktive Frauen über den Weg, aber man ist in sich gefangen, ohne Selbstwertgefühl, es gibt keine Chance. Das macht einen irgendwann fertig.

Warum fühlt man sich als Depressiver so mies. Es reicht nicht aus zu sagen, der Erkrankte quält sich mit Zwangsgrübeleien rum und kriegt sein Leben nicht mehr auf die Reihe.
Vielmehr sind hierbei die Ursachen für Wohlbefinden und Zufriedenheit des Menschen mit einzubeziehen.
Wohlbefinden und Zufriedenheit muss sich jeder Mensch zunächst einmal grundsätzlich erarbeiten. Was muss er dafür genau tun? Was beachten?
Hier kann man die Bedürfnispyramide des Menschen zu Rate ziehen. Zunächst einmal müssen die Grundbedürfnisse befriedigt werden. Der Mensch braucht außerdem Sicherheit. Danach folgen soziale Kontakte, Anerkennung und zuletzt Selbstverwirklichung.
Werden all diese Bedürfnisse befriedigt, geht es dem Menschen gut.
Dies erfordert, wie bereits angesprochen viel Einsatz.
Anerkennung bekommt man in unserer Gesellschaft vor allen Dingen für Leistung. Diese muss erstmal erbracht werden. Auch Selbstverwirklichung erfordert Einsatz und Disziplin. Man muss z.B eine Ausbildung machen, studieren um letztendlich seinen Traumjob zu bekommen.
Auch das private Glück erfordert Eigeninitiative. Zunächst gilt es den passenden Partner zu finden. Auch an einer Beziehung muss im Prinzip ständig gearbeitet werden, um das Glück aufrechtzuerhalten.
Letztendlich ist dauerhafte Zufriedenheit kein Zustand der irgendwann einmal erreicht wird. Sie erfordert lebenslänglichen Einsatz, Regulation... .

Beim Depressiven können höhere Bedürfnisse nicht befriedigt werden. Dies möchte ich anhand von mir selbst verdeutlichen.
Durch die D. lebe ich seit vielen Jahren sehr eingeschränkt. Ich habe und hatte Konzentrationsprobleme und konnte mich daher beruflich nicht vernünftig positionieren. Anerkennung fällt somit schon mal weg. Auch an der Selbstverwirklichung konnte nicht effektiv gearbeitet werden. Ich habe mit Mühe und Not eine Ausbildung geschafft, fühle mich aber fachlich total unsicher, stehe nun am Anfang eines Studiums... . Ich konnte in den letzten Jahren weder meinen alten Freundeskreis halten, noch einen neuen aufbauen. An eine Beziehung war gar nicht zu denken. Sozialkontakte-Fehlanzeige!
Somit wurden in den letzten Jahren wichtige Bedürfnisse nicht befriedigt.
Wohlbefinden und Zufriedenheit sind also mit einer depressiven Erkrankung nicht vereinbar.
Im Gegenteil, aus der Erkrankung resultieren Unbehagen und Frustration.

Ein weiterer wichtiger Faktor für Wohlbefinden und Zufriedenheit ist ein gesunder Lebensrhythmus. Dazu gehören Spannung (Herausforderungen) und Ruhephasen, gesunde Ernährung, ausreichend aber nicht zu viel Schlaf, körperliche Betätigung (Sport, Garten...), Sex usw.
Durch die D. konnte und kann ich diesen gesunden Lebensrhythmus nicht leben.
1.Herausforderungen konnte ich gar nicht annehmen, da ich ihnen nicht gewachsen gewesen wäre.
2.Zur Ruhe bin ich aber auch nicht gekommen.
3.Frust habe ich über ungesunde Ernährung kompensiert.
4.ich habe viel zu viel geschlafen
5.körperliche Betätigung fiel oftmals schwer.

Somit wirken sich Depressionen und Ängste auch aus dieser Richtung negativ auf die Lebensqualität aus.

Depressionen reduzieren die Lebensqualität massiv. Ein normales Leben ist mit ihnen nicht möglich. Ein normales Leben war für mich seit 1998 nicht drin. Nun hoffe ich endlich den Turn Around zu schaffen. Die Voraussetzungen sind nicht schlecht. Mit Ängsten kann ich nach so vielen Jahren gut umgehen und die Depressionen kann ich durch die entsprechende Medikation unterbinden.

Ihr hört von mir, Lithium
anniko
Beiträge: 30
Registriert: 16. Okt 2005, 13:23

Re: Einschränkungen durch Depressionen

Beitrag von anniko »

Hallo Lithium,
Du schreibst Ich arbeite gerne und auch gerne viel. Ich möchte viel schaffen. Ich möchte kreativ tätig werden. Ich möchte Verantwortung.
Ich bin richtig ausgehungert nach all diesen Dingen und werde doch immer wieder von dieser Erkrankung eingeholt.
Das könnte glatt von mir sein, da es mir im Prinzip genauso geht. Ich habe recht viele Talente und Interessen, doch die Depression vermiest mir alles. Wobei ich letztes Jahr nach meinem Psychiatrieaufenthalt einen regelrechten Kreativ-Flash hatte und ständig nur am Basteln, Sägen, Malen usw. war.
Wie machst Du das, dass Du trotz des großen Schlafbedürfnisses und der Grübeleien Deinen "Arsch hochkriegst" und die Dinge in Angriff nimmst? In mir ist eine so starke Lähmung, dass ich oft einfach nur nichts tue, obwohl alles in mir danach schreit, endlich aktiv zu werden.

Ratlose Grüße
Anke
Das, was vor uns liegt

und das, was hinter uns liegt

ist nichts verglichen mit dem,

was in uns liegt.
jes
Beiträge: 681
Registriert: 14. Okt 2004, 00:48

Re: Einschränkungen durch Depressionen

Beitrag von jes »

Hallo Lithium,
ich kann dich gut verstehen, was hier wohl sehr viele können, weil sie die gleichen Erfahrungen gemacht haben.
Mir hat man mal in einer Klinik gesagt ich hätte mir über Jahre hinweg die Sozialkontakte abtrainiert
Ja toll, das sicher nicht mit Absicht weil ich daran spass hatte allein zu sein. Seit Jahre quäle ich mich nun auch allein durchs Leben. Von einem Freundeskreis kann man nicht sprechen, geschweige den von einen Freund/Partner. Neben der Diagnose Depression habe ich dann irgendwann auch die Diagnose soziale Phobie um die Ohren gehauen bekommen.
Die Bedürfnisse aber bleiben. Das ist ganz schön traurig. Bin ich jetzt deswegen ein hoffnungsloser Fall ? Ich bin nich mal besonders häßlich, aber wer mächte schon mit einen depressiven zusammen sein? Das ist doch viel zu anstrengend *seufz*
Ich kann es also nur allzu gut verstehen, auch wenn ich jetzt ein wenig abgeschweift bin vom Thema.
Hier bist du zumindest schon mal nicht allein.
Liebe Grüße Jessica

~ Engel fliegen einsam ~
Sich selbst zu lieben ist der Anfang einer lebenslangen Romanze.

(Oscar Wilde)
Lithium
Beiträge: 11
Registriert: 10. Aug 2003, 13:17

Re: Einschränkungen durch Depressionen

Beitrag von Lithium »

Hallo Anke,

auch mich haben die Depressionen die letzten Jahre stark behindert. Die innere Lähmung kenne ich nur zu gut. Meine Aktivität schwankt je nach Gesundheitszustand. Die letzten Wochen war ich sehr aktiv. Leider hatte ich Anfang dieser Woche einen Rückfall (s.a meinen Text:"Ohne Medikamente geht es nicht")
Nun fühle auch ich mich wieder wie gelähmt.

Die depressive Symptomatik kann so ausgeprägt sein, dass ein aktives Leben beim besten Willen nicht möglich ist.
Und zu Kreativität kann ich mich sich sowieso nicht zwingen. Wenn ich keine Lebensfreude empfinden kann, kann ich auch nicht kreativ sein.

Bis dann, Lithium
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