Kann man Depressionen auch erlernen?

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freebird
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Kann man Depressionen auch erlernen?

Beitrag von freebird »

Hallo liebe Mitstreiter und Mitstreiterinnen,
Sehr gehrte Doktoren und Administratoren,

ich habe mich in letzter Zeit mal wieder ein wenig mit Fachliteratur zum Thema Depression beschäftigt.

Da ist u.a. auch die Rede davon, dass man davon ausgeht, dass Depressionen auch genetisch bedingt und somit vererbbar sind.
Mh, so weit so gut.

In meiner Familie kommt Depression vor. Meine Mutter hatte wohl neben anderen psychischen Problemen, auch eine ausgeprägte Depression, die Zeit ihres Lebens - sie starb 2001 - unbehandelt blieb.

Ich bin also, sozusagen von einer depressiven Mutter aufgezogen und erzogen worden.

Da Kinder ja vielles abschauen, um für ihr Verhalten und Leben zu lernen, frage ich mich, ob ich da vielleicht viel "falsches" - also sehr depressives Verhalten - von meiner Mutter abgeschaut habe?

Allerdings drängt sich mir die Gegenthese auf, dass ich mir ja dann auch den Alkoholismus meines Vaters abgeschaut haben müsste. Nun ich trinke so gut wie kein Alkohol, außer zu besonderen Anlässen mal ein Bier und Wein.
Mich hat das eher abgeschreckt!!!

Dann stellt sich mir noch eine zweite Vermutung zur Erlernung von Depression ein.

Wenn man als Kind in traumatischen Familienverhältnissen aufwächst, aus denen es kein Entkommen gibt, sondern erst mit Erlangen der Volljährigkeit die Flucht gelingt, lernt man da auch depressives Verhalten?

Irgendwie verwirrend. Ist die Depression nun vererbt oder erlernt? Vom Himmel gefallen ist sie jedenfalls nicht, so weit ist es für mich klar .

Ich wäre über eine weiterbringende Antwort sehr dankbar

Liebe Grüße
Corinna
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lunasol
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Re: Kann man Depressionen auch erlernen?

Beitrag von lunasol »

BeAk

Re: Kann man Depressionen auch erlernen?

Beitrag von BeAk »

Schießem mich lunasol an,

habe die gleiche depressive Familiengeschichte und sehe es bezüglich verberbung und erlernen genau so. Auch meine Tochter hat sich wegen Depressionen in Psychiaterische Behandlung begeben, sie vermutet aber das sich das noch mit der nachpupertären Phase auswächst. Meine Ansicht nach bricht die Depression durch starke anhaltende emotionale Belastungen aus.
Keken
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Re: Kann man Depressionen auch erlernen?

Beitrag von Keken »

Liebe Corinna, liebe Lunasol,

nur eine kurze Anmerkung: Depressionen, bzw. die Disposition dafür, können erblich bedingt sein. Wenn dann ein problematisches Umfeld dazu kommt, kann das dazu führen, dass man, verstärkt durch die Dispostion, negative oder destruktive Muster entwickelt (Gedanken, Verhaltensweisen, Einstellungen), die letztlich dann zum Ausbruch einer Depression führen. Aber auch Menschen ohne diese erblich bedingte Disposition können betroffen werden. Denn auch unter den Mustern von Gesunden gibt es solche, die vielleicht nicht ganz so förderlich für ein unversehrtes Auseinandersetzen mit der Umwelt sind.

Mich hat die Frage zwischenzeitlich auch ziemlich beschäftigt. Dabei bin ich zu drei Schlüssen gekommen:

1. Egal ob erblich bedingt oder erlernt: Leiden tut man beides Mal wie ein Hund.

2. Eine erblich bedingte (endogene) Depression verteufelt einen nicht zu lebenslangen Depressionen und man kann sehr wohl etwas gegen sie tun. Es ist also nicht wie ein "Todesurteil" für den Rest des Lebens. Man kann ebenso Muster lernen, die das Ausmaß der Depression einschränken und zur Gesundung führen.

3. Was man einmal erlernt hat, kann man auch wieder verlernen bzw. durch neue Muster ersetzen. Gesunde funktionieren auch so (zumindest die, die sich entwickeln). Bei ihnen tut der Prozess nur nicht so weh.
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Gert
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Re: Kann man Depressionen auch erlernen?

Beitrag von Gert »

hallo Corinna,

im STERN-Sonderheft Gesund leben 2/2005, das im wesentlichen Depressionen behandelt, steht drin, das "eine Studie ergab, das 45 % aller Erwachsenen, die an langwierigen Depressionen erkrankt waren, in Ihrer Kindheit Missbrauch, Vernachlässigung oder den Verlust der Eltern erlebt haben".

Ob man frühkindliche Erlebnisse als "erlernte" Depression bezeichnen kann, weiß ich nicht, ich würde eher sagen, das man in so jungen Jahren durch schwerwiegende Ereignisse geprägt wird, aber vielleicht ist es nur Wortklauberei

Weiter steht im Stern:
"Depressionen fallen nicht aus heiterem Himmel über einen ansonsten stabilen Menschen - vielmehr haben sie eine Vorgeschichte, aus der sich die Neigung zu den negativen Gefühls- und Verhaltensmustern erklärt. "Vulnerabilität" nennen Therapeuten das.

Eine vulnearable Seele ist in Ihrem gesunden Selbstschutz gegenüber Belastung geschwächt.

Die Vulnerabilität hält ein Leben lang (Anm.: auch wichtig zu wissen).

Ich finde den Artikel in dem Sonderheft wirklich gut (er ist natürlich noch viel länger)."

Liebe Grüße
Gert
Tim_Pfeiffer
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Re: Kann man Depressionen auch erlernen?

Beitrag von Tim_Pfeiffer »

Liebe Leute,
dazu ist schon viel Gutes geschrieben worden (s.o.). Im Prinzip sind bei Depressionen in der Regel immer biologische UND psycho-soziale Faktoren beteiligt. Deren Anteile variieren. Eine Vulnerabilität bedeutet nicht, dass es zum Ausbruch einer Erkrankung kommen muss. Sie stellt aber gewissermassen eine Prä-Disposition dar. So tragen ja sehr viele Deutsche z.B. auch das Herpes Visrus in sich - ausbrechen tut es aber nicht bei allen. Allerdings ist das Virus unabdingbar dafür, dass es zur Erkrankung kommt. Worin die Vulnerabilität bei Depressionen nun genau liegt, ist nicht endgültig geklärt. Eine genetische Komponente (Vererbung) spielt sicherlich eine Rolle, "gelerntes" Verhalten und "abgegucktes" Verhalten z.B. in der Kindheit und Jugend spielen sicherlich auch eine Rolle. Aufgabe einer Therapie ist es, das individuelle Muster zu erkennen, Funktionszusammenhänge zu identifizieren und "Hebel" zur Veränderung zu finden.

Viele Grüße
Tim Pfeiffer
Leni2
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Re: Kann man Depressionen auch erlernen?

Beitrag von Leni2 »

Hallo!

Mein Psychiater sagte mir auch, dass ich wohl mein Leben lang empfindsamer sein würde, aber wenn ich die äußeren Bedingungen stimmen würden, könnte ich auch ein "normales" glückliches Leben führen. Tatsächlich hatte ich die ganz schlimmen Phasen immer nach extremen äußeren Belastungen. Vielleicht kann man so eine Art Frühwarnsystem entwickeln, dass man mehr und rechtzeitiger auf sich aufpasst, als andere das vielleicht müssen.

Meine Mutter hat auch seit vielen Jahren Depressionen und mein Bruder neigt auch dazu. Meine Schwester allerdings nicht. Ich glaube jedenfalls, dass meine Mutter vielleicht ein Trauma erlebt hat, aber dass ich als sensibles Kind, ihre Unsicherheit und Angst etc. gespürt und übernommen habe. Deshalb habe ich wahrscheinlich auch nicht so ein starkes Urvertrauen wie andere, denn verständlicherweise konnte sie emotional nicht immer für mich offen und da sein. Weiss nicht, ob ihr das verstanden habt, jedenfalls hat sich die Angst meiner Mutter vor dem Leben ganz stark auf mich übertragen.
Dagegen kann man bestimmt was machen, selbst wenn es genetische Dispositionen gibt!!!

Schönen TAg wünscht
Lena
Alles, was man über das Leben lernen kann, ist in drei Worte zu fassen: Es geht weiter!

Keken
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Re: Kann man Depressionen auch erlernen?

Beitrag von Keken »

Lena, ich habe verstanden, was du meinst und es klingt plausibel und überzeugend.

Frühwarnsystem aufbauen finde ich gut und richtig. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass das auch Arbeit ist, die wir uns gutschreiben dürfen. Ich lese immer in so vielen Threads (und erkenne da Parallelen in meinem eigenen Denken), dass wir "weniger als andere schaffen". Es kann sein, dass wir aufgrund der Depris die gesellschaftlich angesehene Arbeit mit mehr Mühe verrichten als andere und das Output vielleicht weniger ist als bei anderen. Erinnern wir uns aber in solchen Zweifelzeiten daran, dass wir ja eben noch mit dieser Aufgabe betraut sind: Das Frühwarnsystem aufbauen. Und wir wissen wie aufwändig Neukonstruktionen, Restaurationen oder Umbauten sind. Und wir sind hier Bauplaner, Architekt, Finanzquelle, Bauarbeiter und Baustelle in einem (und was sonst noch alles dazu gehört). Der Aufbau des Frühwarnsystems ist also ein Projekt, das wir uns in unserer Tagesbilanz ruhig fett im Haben verbuchen dürfen, verbunden mit einem fetten, fetten Lob!

Kannst du mir folgen?

Grüße dich herzlich mit einem Freiburger Sonnenstrahl.

LG
Keken

PS: Jaja, diese Urvertrauensgeschichte...
das ist auch so eine Sache. Mir geht es da mit meiner Mutter ähnlich...
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Keken
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Re: Kann man Depressionen auch erlernen?

Beitrag von Keken »

Noch was, Kommentar hinsichtlich lebenslanger Vulnerabilität in Gerts Spiegelartikel:

Entschuldigung, da muss ich mich hier aber mal böse entrüsten! Was fällt diesen Redakteuren und Wissenschaftlern eigentlich ein?! Womit wollen sie bitteschön diese fatalistische und wenig aussichtsreiche These begründen? Die Erkenntnisse beruhen auf dem heutigen Stand der Wissenschaft und basieren sicherlich auf einer Reihe von Quellen, die ähnliches heraus gefunden haben. Wer sagt mir aber, dass nicht gleichzeitig Studien existieren, die ebenso neurophysiologisch/-psychologisch fundierte gegenteilige Erkenntnisse hervor gebracht haben? Und selbst wenn dies (noch) nicht der Fall sein sollte - wer maßt sich an, diese Erkenntnisse auf die breite Allgemeinheit zu übertragen? Warum kann der Einzelne nicht aus diesem Schema rausfallen? Es gibt immer Ausnahmen! Wie kann man sich anmaßen, das Leben, die Lebensperspektive des Einzelnen mit einer solchen Aussage derart zu dezimieren?

Sicherlich kann es auch hilfreich sein, zu wissen, dass man "von Natur aus" sensibler, verletzlicher, "anfälliger" ist, eine höhere "Vulnerabilität" mitbringt als andere. Dies aber als unabwendbare Lebensperspektive zu proklamieren, halte ich für unangemessen und gefährlich.

Keken

PS: Gert, das geht überhaupt nicht gegen dich, sondern gegen diese Stern-Molche und auch alle sonstigen, die solch (für mich) ätzenden Aussagen formulieren. Ist aus meiner Sicht genau so, wie wenn du einem überlebenswilligem Krebskranken sagst: Sie können sich noch so abmühen, sie werden sterben. Hallo?! Wie viele gegenteilige Fälle gibt es, wo Totgesagte weiter gelebt haben, gut weiter gelebt haben...
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Gert
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Re: Kann man Depressionen auch erlernen?

Beitrag von Gert »

Hallo Keken,

ich hoffe, Du hast wieder ein wenig beruhigt .
Der Artikel vertritt absolut nicht die These, dass man gegen Depris nichts machen kann, im Gegenteil.
Was damit gemeint ist, wie Lena's Psychiater gesagt hat, dass man lenbenslang empfindsamer und anfälliger für Depris ist als Andere.
Und ich denke, es ist wichtig für uns, das zu wissen, damit wir sorgsamer mit uns umgehen und uns nicht überfordern.
Bist Du damit etwas mehr einverstanden?

Liebe Grüße
Gert

P.S.
Ich verstehe deine Reaktion auch nicht als Angriff gegen mich,ich hab den Artikel ja nicht verfasst. Es wird übrigens in dem Artikel auch auf diese website verwiesen.
Keken
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Re: Kann man Depressionen auch erlernen?

Beitrag von Keken »

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Gert
Beiträge: 129
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Re: Kann man Depressionen auch erlernen?

Beitrag von Gert »

Hi Keken,

warum hast Du Deinen Beitrag gelöscht?
Er war doch in Ordnung.

Außerdem: Du bist eben impulsiv, das ist doch schön!

Ich hab nur gemerkt, ich hab schon wieder Fehler reingehackt, furchtbar, ich überschlag mich immer beim Schreiben.

Sonnige Grüße in den Süden
Gert
Leni2
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Re: Kann man Depressionen auch erlernen?

Beitrag von Leni2 »

Ja Keken, dein Posting hätte ich auch gerne gelesen.

"Nehmen Sie auch die Stärken und Vorteile einer Depressivität wahr. So sind depressiv veranlagte Menschen oft sehr beharrlich und zuverlässig. Sie sind leistungsbezogen, orientieren sich an sozialen Idealen und wirken bescheiden, da sie selten offen aggressiv fordern. Sie sind sehr sensibel, warmherzig und zu tiefem Erleben fähig. Als Partner sind sie anhänglich und an Nähe interessiert. Sie überstürzen nichts, sondern überlegen vieles aus Vorsicht lieber mehrfach und detailliert. Sie sind sehr selbstkritisch und stehen zu eigener „Schuld“. Sie sind die klassischen Helfer, die nicht zögern, für andere Verantwortung zu übernehmen und sich dafür notfalls aufzuopfern. In ihren Familien und auf ihren Arbeitsstellen werden sie deshalb oft sehr geschätzt"

Hab ich im Netz gefunden. Ist natürlich auch sehr pauschal, aber doch ganz positiv.
Ich für meinen teil denke schon, dass ich viel mehr an mich rankommen lasse als andere und mehr nachdenke, auch ohne Depression. Aber die Aussage von meinem Psychiater hat mich auch erstmal ein bisschen betrübt.

Liebe Grüße,

Lena
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freebird
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Re: Kann man Depressionen auch erlernen?

Beitrag von freebird »

Sehr geehrter Herr Pfeiffer,
Hallo Leute,

erst einmal danke für die vielen Antworten auf meinem Thread - wou! habe ich echt nicht mit gerechnet

Nun, ich habe auch noch viel darüber nachgedacht und auch mit meiner Thera - auch über Eure Thesen - gesprochen.

Liebe(r) lunasol:
Du schriebst:
Andererseits wüßte ich auch nicht, was es mir bringt, wenn ich mit Sicherheit wüßte das die Krankheit vererbt ist, weil das hieße ja dann, das man nur schwer was dagegen tun könnte. Und damit gebe ich mich gerade nicht zufrieden. Frag mich nicht, was ich sagen würde wenns mir schlecht geht.

Ich möchte mich auch nicht damit zufrieden geben, dass man was gegen Depris tun kann. Allerdings, denke ich auch, wie wäre es, wenn ich Deabitis hätte? Da kann man auch nur mit Medis gegensteuern, heilen kann man es nicht.
Auf jeden Fall versuche ich mich immer wieder aufzuraffen und etwas gegen die Depris zu unternehmen. Noch ist ja nicht aller Tage Abend

Liebe(r) keken:
Du sagtest:
nur eine kurze Anmerkung: Depressionen, bzw. die Disposition dafür, können erblich bedingt sein. Wenn dann ein problematisches Umfeld dazu kommt, kann das dazu führen, dass man, verstärkt durch die Dispostion, negative oder destruktive Muster entwickelt (Gedanken, Verhaltensweisen, Einstellungen), die letztlich dann zum Ausbruch einer Depression führen. Aber auch Menschen ohne diese erblich bedingte Disposition können betroffen werden. Denn auch unter den Mustern von Gesunden gibt es solche, die vielleicht nicht ganz so förderlich für ein unversehrtes Auseinandersetzen mit der Umwelt sind.
Momentmal, das würde im Umkehrschluss ja bedeuten, dass Menschen, die keine depressive Disposition haben und eine Trauma erleben, das dann locker wegstecken.

Darüber habe ich z.B. auch mit meiner Thera gesprochen und die sagte mir, dass man selbst einen Menschen, der keine depressive Disposition hat, in die Depression treiben kann, wenn man ihn nur lange genug einem Trauma aussetzt. Als Beispiel führte sie Jan Philipp Remtsma an.

3. Was man einmal erlernt hat, kann man auch wieder verlernen bzw. durch neue Muster ersetzen. Gesunde funktionieren auch so (zumindest die, die sich entwickeln). Bei ihnen tut der Prozess nur nicht so weh

Ja, die erlernte Hilflosigkeit. Es ist nur ein langwieriger und steiniger Weg.

Lieber Gert:
Ich habe mit meiner Thera auch über Deine These gesprochen. Eine vulnearable Seele ist in Ihrem gesunden Selbstschutz gegenüber Belastung geschwächt.

Die Vulnerabilität hält ein Leben lang (Anm.: auch wichtig zu wissen

Wie keken schon sagte, was man mal gelernt hat, kann man auch wieder verlernen und Vulnerabilität ist nichts anderes als erlernte Hilflosigkeit. Allerdings ist es sehr schwer dieses Verhalten neu zu erlernen, da dieses nur damit geht in dem man neue, positive Erfahrungen macht. Das möchte ich jetzt mit meiner Thera zusammen versuchen.

Liebe Herr Pfeiffer,
sie haben meine Vermutung, die ich bei der Eröffnung dieses Threades hatte mit Ihrem Statement bestätigt.
Was war zurerst da? Das Ei oder die Henne?

Liebe Grüße
Corinna
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Keken
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Re: Kann man Depressionen auch erlernen?

Beitrag von Keken »

Hallo Corinna
(bin übrigens ein Mädchen - oder war mal eines, als ich klein war )

Du schreibst: "Momentmal, das würde im Umkehrschluss ja bedeuten, dass Menschen, die keine depressive Disposition haben und eine Trauma erleben, das dann locker wegstecken."

Nee, nicht ganz: Ich sagte, Depris/ Dispo dafür KÖNNEN (ungleich sind immer) erblich bedingt sein. Sage weiterhin, dass es auch bei gesunden Menschen Muster gibt, die nicht ganz förderlich sind. Wenn diese dann ein traumatisches Erlebnis haben, stecken sie dieses noch lange nicht locker weg. Vielleicht haben sie nur andere, nützlichere Techniken entwickelt, um diesen Schock zu verarbeiten. Von "locker" kann da meines Erachtens in keinem Fall die Rede sein.
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Keken
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Re: Kann man Depressionen auch erlernen?

Beitrag von Keken »

Lena,

bezüglich der Aussage deines Psychiaters: Nichts von dem pauschal glauben; was die aussprechen, sind häufig Vermutungen. Wir entscheiden autonom und selbstständig, was gut für unsere Entwicklung ist. Die können uns nur Vorschläge machen. Da war meine alte Else (meine Freunde und ich haben uns dem Wort "Thera" ein wenig abgewandt) sehr gut, denn sie hat immer nur Vermutungen angestellt und mir alle Selbstständigkeit gelassen.

Deine Beiträge werden zunehmend zuversichtlicher. Nimmst dir mehr Zeit für ein aktives, optimistischeres Auseinandersetzen mit der Krankheit. Das ist gut (gut ist nicht, dass ich noch immer im Netz bin... grhhh).

Deine Beschreibung der Charakteristik von Depressiven trifft schon zum Teil wohl auch auf mich zu. Allerdings... ach, das muss ich in einem anderen Posting klären, muss mir selber noch GEdanken machen. Manchmal, in guten Zeiten, stelle ich eben genau das in Frage... verschone euch mit weitern Ausführungen

Keken, die Impulsive
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ursus
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Re: Kann man Depressionen auch erlernen?

Beitrag von ursus »

Hallo,

Vulnerabilität gleich erlernte Hilflosigkeit? Moment mal. Ich glaube, ganz so einfach ist die Lösung nicht zu haben. In der Tat ist es wohl ziemlich schwierig, sich an die wahren Ursachen heranzutasten. Auch glaube ich, dass gerade im Hinblick auf das Erlernen von Verhalten und Charakterdispositionen manches vom Alter abhängig ist. Zwar muss man sicherlich jedem Menschen lebenslange Lernfähigkeit zugestehen. Aber es gibt - da bin ich sicher - Charakterzüge, die ich, jetzt 37 Jahre alt, mir auch mit großer Anstrengung nicht mehr abtrainieren können werde, während das vor zehn oder fünfzehn Jahren vielleicht noch möglich gewesen wäre.

Das müssen ja keine schlechten Eigenschaften sein. So beanspruche ich für mich, ein relativ besonnener Mensch zu sein (wenn ich nicht gerade in einer Hypomanie stecke), vergleichsweise überlegt und (selbst-)kritisch zu formulieren, meistens vorsichtig und tendenziell eher zurückhaltend zu handeln. Ich glaube nicht, dass aus mir jetzt oder in Zukunft ein draufgängerischer Typ werden könnte. Dagegen gibt es im Rahmen der inzwischen relativ "fixen" Charakterdispositionen durchaus Verhaltensweisen, die ich bewusst erlernen und trainieren kann. So bemühe ich mich beispielsweise um einen offeneren Umgang mit Mitmenschen - in dem Wissen, dass aus mir niemals jemand wird, der locker in der Kneipe Kontakte knüpft, aber zugleich in dem festen Wollen, mein Verhältnis zu anderen in Richtung größerer Aufgeschlossenheit zu verändern.

Abgesehen von psychopathischen Erscheinungen tue ich mich sehr schwer damit, psychische Eigenschaften als "gut" oder "schlecht" zu etikettieren. Vermutlich trifft hier zu, dass nur das geglückte Mittel der Dinge ein ausgeglichenes Leben ermöglicht und dass man die richtige Lebensführung am ehesten von Menschen erlernt, die ein Vorbild an gelungenem Leben abgeben. Das ist übrigens eine Einsicht, die schon die Antike kannte.

Dass Depressive oder Melancholiker viele positive Seiten haben, unter deren Dominanz sie zwar leiden, die aber durchaus auch sozial nützliche Eigenschaften beinhalten, unterstützte ich unbedingt. Gerade hinsichtlich Kritikfähigkeit, Rücksicht im Umgang mit Dritten, Planung und Entwerfen haben wir anderen oft vieles voraus. Ob man diese Potentiale nutzen kann, ist leider oftmals von Rahmenbedingungen abhängig, die nicht in unserer Verfügungsgewalt stehen. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass auf längere Sicht nicht die Macher überdauern, sondern die Bedachten und Zögernden. Natürlich nur solange das Zögern nicht zur Selbstblockade wird! Es kommt eben auf das richtige, ausgeglichene Maß an.

Liebe Grüße
ursus
Leni2
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Registriert: 10. Aug 2005, 18:00

Re: Kann man Depressionen auch erlernen?

Beitrag von Leni2 »

Hallo!

Habe mal mit meiner Mutter über das Thema gesprochen, die ja auch an Depressionen leidet. Wir würden uns beide mit den oben genannten Eigenschaften zum Großteil identifizieren. Trotzdem sind wir vom Typ her sehr verschieden, sie eher extrovertiert, ich eher ruhig und zurückgezogen. Gibt es vielleicht unabhängig von Depressionen einen "melancholischen Charakter"? Ich habe schon als Kind (4-5 Jahre)gern stundenlang allein vor mich hingespielt, zurückgezogen, in meiner eigenen Welt. Ich glaub nicht, dass ich damals schon depressiv war. Ich werde eher dann depressiv, wenn ich diese Ruhezeiten nicht habe. Auch hier im Forum gibt es ja welche, die gerne lange Spazierengehen, lesen, mit sich alleine sind oder welche, die impulsiv sind , gern aktiv und unter Leuten sind. Und trotzdem haben wir alle dieselbe Krankheit.

Fällt es trotzdem den Aktiven leichter, sie zu überwinden? Meine Mutter lacht viel, wenn es ihr gut geht und kann andere mitreißen. Ich mache mir eigentlich in jeder Phase zu viele Geganken und kann selten unbeschwert sein. Oder ist das doch die Dysthymia?

Ursus, mich würde wirklich mal interessieren, wieso du denkst, das eher die Bedächtigen und nicht die Macher? Ich habe immer die Angst, dass wenn mal irgendetwas passiert, wo es wirklich um die Existenz geht, die starken Macher bestehen und ich mit als erste untergeh. Ist vielleicht aber auch nur so eine typisch depressive Katastrophenvorstellung.

Nachdenkliche Grüße,

Lena
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Gert
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Re: Kann man Depressionen auch erlernen?

Beitrag von Gert »

Hallo Corinna,

der Satz über die Verletzlichkeit der Seele und ihre lebenslange Dauer ist nicht von mir, sondern stammt von Prof. Jürgen Hoyer, Leiter der Tagesklinik für Psychotherapie der TU Dresden. Ich will mich nicht mit fremden Federn schmücken.

Ich vermute, Du hast eine Verhaltenstherapeutin? Die Verhaltenstherapeuten schieben gerne alles auf das eigene Verhalten. Die VT kann sicher viel bewirken, aber an die "Allmacht" der VT glaube ich nicht mehr. Ich hab mal per Zufall eine Frau getroffen, die selbst unter Depris leidet und jetzt Psychologie studiert. Und sie war von der VT nicht so vorbehaltlos überzeugt, sie sagte, dass die Verhaltenspsychologen mittlerweile das "Therapiegeschehen" dominieren und andere Therapieformen wegdrücken.
Was mich an der VT stört ist, dass die Verhaltenstherapeuten im Umkehrschluß dann sehr schnell sagen können, dass die Patienten an Ihrer Depression quasi selbst schuld sind, weil sie sich falsch verhalten haben.
Oder Du wirst in Zeiten leerer Kassen im Schnelldurchgang einer VT unterzogen und wenn es Dir dann nicht besser geht, dann hast Du eben nicht genug mitgearbeitet.

Solche Therapieansätze gibts leider schon und ich hab auch von Therapeuten gehört, die sowas nicht mehr mitmachen wollen, weil sie derartige Schnelltherapien für verantwortungslos halten.
Aber ich glaube, ich bin etwas abgeschweift...
Trotzdem wünsche ich Dir für die Therapie das Beste.

Hallo Ursus,
ich denke auch, dass Depressive oder melancholisch veranlagte Menschen positive Seiten haben, eben weil sie sensibler sind!
Wir (sage ich mal so) sind selbstkritscher (eine seltene, aber wichtige Eigenschaft), sozial kompetenter, kooperativer, phantasievoller und Anderes mehr.

Ich hoffe wirklich, dass Deine These, dass die Macher sich letzlich nicht durchsetzen können, sich bewahrheitet!!
Die Realität sieht z.Zt. ja leider anders auch.
Denn unter diesen hirnlosen, aggressiven Machtmenschen müssen wir leiden, auch intellektuell.

Es wäre wünschenswert, wenn auch die sensiblen Menschen sich ein soziales Netzwerk aufbauen würden, um sich gegenseitig zu unterstützen.

Hallo Lena,
ich denke, die melancholische, schwermütige Stimmung, die wir wohl beide haben, dass ist die Dysthymie. Es ist diese ständig gedrückte Stimmung.
Deine Befürchtungen kann ich gut verstehen, deshalb finde ich auch ein soziales Netzwerk so wichtig!

Liebe Grüße
Gert
tomroerich
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Re: Kann man Depressionen auch erlernen?

Beitrag von tomroerich »

Hallo an alle!

Ich bin auch einer von denen, die den Begriff "vererbt" ziemlich kritisch sehen zumal dann, wenn es um ein so komplexes Geschehen wie der Depr. geht. Blonde Haare werden vererbt, das ist klar oder wenigstens können sie vererbt werden mit einer berechen baren Wahrscheinlichkeit. Das ist bei komplexen Eigenschaften allerdings ganz anders. Hier wird nämlich nicht linear eine Eigenschaft vererbt sondern eine Vielzahl von Faktoren müssen zusammen kommen, eine Vielzahl von Genen zusammenspielen. Ich wage mal die Behauptung, dass niemand in der Lage ist, das auch nur annähernd zu verstehen geschweige denn zu rekonstruieren, und das ist so ein bisschen das Problem, wenn man von Vererbung spricht. Es entsteht damit der Eindruck einer Gesetzmäßigkeit, aber das ist so nicht richtig. Es wird auch nicht möglich sein, das "Erlernen" von Depressionen durch sozial Umstände klar von ihrer genetischen Komponente zu trennen. Ein komplexes Wesen wie ein Mensch ähnelt in gewisser Weise eher einem chaotischem System wie dem Wetter und gehorcht letzen Endes keinen mechanischen Gesetzen. Ähnlich wie beim Wetter eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht und auch beziffert werden kann, dass es Sturm gibt, kann dieser genau so gut ausbleiben. Es ist in meinen Augen nicht zulässig, statistische Ergebnisse auf sich selbst anzuwenden, weil viele Einflüsse, die in der Statistik nicht berücksichtigt wurden, zum entscheidenden Faktor werden können. Um beim Vergleich mit dem Wetter zu bleiben, kann schon der Flügelschlag eines Schmetterlings den Sturm verhindern.
Es gibt da noch ein sehr anschauliches Beispiel aus der Natur: Man kann exact sagen, in welcher Zeit eine bestimmte Menge Uran zur Hälfte zerfallen ist. Aber es ist völlig unmöglich zu sagen, wann ein bestimmtes Atom zerfallen wird. D.h. verwirrenderweise, dass für viele Atome als Gesamtheit ein Gesetzt existiert, aber nicht für das einzelne. Auch wenn der Vergleich nicht ganz übertragbar scheint ist es doch ein Grundzug der Natur, dass das Verhalten der Masse keine Rückschlüsse auf den Einzelfall erlaubt.

Sorry, falls das etwas zu abstract war.

Viele Grüße

Thomas
Betroffene für Betroffene

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