Loslassen

Lee
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Loslassen

Beitrag von Lee »

Zum Thema "Thread kaputt machen" bzw. "sich (ab)lenken lassen":

"Killerphrasen sind pauschale und abwertende Angriffe. […] Sie sind nicht an der Sache orientiert, sondern zielen immer auf die emotionale Seite des Gegenübers. In der richtigen Situation an die richtige Person gebracht, können sie enorme Schlagkraft entwickeln, Gespräche oder Auseinandersetzungen beenden oder eskalieren lassen, Gesprächsthemen vom Tisch wischen und Gesprächspartner auf der Stelle mundtot machen.

Killerphrasen sind dann erfolgreich, wenn sie wunde Punkte treffen. […] Ob eine Killerphrase Sie trifft oder weitab vom Ziel ins Leere geht, hängt also von Ihren Schwachstellen ab, von Ihrer aktuellen Befindlichkeit und vom Kontext, in dem sie ausgesprochen wird.

[…]

1. Killerphrasen orientieren sich nicht wirklich am gerade aktuellen Gesprächinhalt.

[…]

2. Killerphrasen sollen den Gesprächspartner bzw. die Gesprächspartnerin verunsichern und damit zum Schweigen oder aber in Rage - und damit aus dem Konzept - bringen. Wenn es mithilfe einer solchen Phrase gelingt, das emotionale Gleichgewicht des Gegenübers zu stören, ist das schon der halbe Sieg. Und das Gegenüber verfolgt ein unangenehmes Thema nicht weiter. Entweder weil er oder sie sich gänzlich zurückzieht, sich in Rechtfertigungen verstrickt oder mit einem Gegenangriff antwortet.

3. Killerphrasen bringen Sie in die Defensive. Sie fühlen sich gezwungen, zu reagieren und nicht mehr zu agieren. Dadurch können Sie ein Gespräch nicht länger auf Ihr Ziel hin steuern, sondern werden (ab)gelenkt - vom Angreifer und von den eigenen Emotionen.

Je länger Sie in der Defensive verharren, um so schwieriger wird es, wieder einen aktiven Part zu übernehmen. Daher ist die wichtigste Maßnahme, rasch wieder in eine offensive Position zu kommen. Das heißt […] Ihr Thema weiterzuführen und Ihr Ziel im Auge zu behalten."

Lit: A. Cicero, J. Kunderna: Clevere Antworten auf dumme Sprüche, Paderborn 2001, S. 11 - 13.
Xenia
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Re: Loslassen

Beitrag von Xenia »

Hi Lee,

meiner Meinung nach kann man Situationen, Gefühle usw. erst dann verändern, wenn man sie akzeptiert, nicht mehr gegen sie ankämpft. Und auch nicht mehr verzweifelt an Dingen, die sich nicht ändern lassen.

Wofür verachtest Du Dich? Daß Du ein Mensch mit Gefühlen, Erinnerungen und Wünschen bist? Das ist nicht verachtenswert, finde ich.

Hilft Dir vielleicht, die Wut, die Du bestimmt auch auf Deinen Ex-Therapeuten hast, rauszulassen? Schreibe ihm einen wütenden Brief oder beschimpfe ihn am Telefon oder so. Was ist eigentlich damals, als Du nochmal Kontakt zu ihm hattest rausgekommen? Ich meine, konntet Ihr irgendetwas so klären, daß Du damit zurechtkommen kannst?

Alte Verletzungen anschauen ohne darin zu versinken geht meines Erachtens nur dann, wenn man eine Begleitung hat, die einen vor dem Ertrinken rettet. Ich glaube, daß man sich diese Verletzungen nicht alleine anschauen kann, so lange sie noch so schmerzen.

Anscheinend hat das Erlebnis mit diesem Therapeuten ja zu einer Retraumatisierung geführt. Vielleicht ist es so, daß Dir Deine Psyche damit sagen möchte, daß die Zeit gekommen ist, mal ganz genau auf die alten Verletzungen zu schauen. Hmm, keine Ahnung, ist nur so ein Gedanke von mir.

Das fieseste in einer - wie auch immer gearteten - Beziehung ist Vertrauensbruch, finde ich. Das sind Verletzungen, die nicht mehr heilen. Oder zumindest nicht so schnell.

Hast Du das, was Du in Deinem Posting geschreiben hast, eigentlich mal Deinem Ex-Therapeuten direkt gesagt? Vielleicht ist er sich nicht bewußt, daß er einen riesigen Scheiß gebaut hat.

Alles Liebe

Xeni
°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*




ТЪПАЦИ!!!
mohnblume
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Re: Loslassen

Beitrag von mohnblume »

Hallo Lee,
bin hier noch ziemlich neu (ist es eigentlich üblich, sich hier vorzustellen und wenn ja, wo?), hab noch nicht viel geschrieben und kenne deine Geschichte nicht, drum weiß ich nicht, ob ich blödes Zeug schreibe.
Mich jemandem geöffnet zu haben, der dann das Wissen gegen mich verwendet, das kenne ich auch - das ist TOTAL schmerzhaft! Aber im Nachhinein hab ich in den meisten Fällen gemerkt, dass in solchen Fällen auch der andere oft sehr verletzt/gekränkt ist und deshalb zu diesem Mittel greift.
Wie es zu den Bemerkungen deines Ex-Therapeuten kam, weiß ich natürlich nicht. Aus dem Zusammenhang heraus empfinde ich sie jedenfalls als sehr kränkend, und ich finde es überhaupt nicht kindisch, deshalb verletzt zu sein.
Einen ganz tollen Rat hab ich nun nicht gerade. Nur so viel: Es hat nicht alles nur was mit dir zu tun. Therapeuten sind Menschen wie du und ich. Eine solche Aussage ist KEINE objektive Wahrheit über dich, in ihr ist auch viel von dem enthalten, was sich im Therapeuten abspielt. Und dazu kann ich natürlich nichts sagen, da ich deine Geschichte und die Gründe für das Ende der Therapie nicht kenne. Was ist denn da vorgefallen?
Zum Thema "Feststecken im Kleinkindalter": Auch das kenn ich zu gut. Aber ich hab die Erfahrung gemacht, je mehr ich mir zugestehe, solche Kleinkindergefühle zu haben, desto eher komme ich da auch wieder raus. Keine Angst haben, hinschaun, spüren und irgendwann wirst du merken, dass er NICHT dein Richter, sondern auch nur ein Mensch ist.
Jetzt höre ich auf, da ich einfach zu wenig weiß und wünsche dir auf alle Fälle ein bißchen Gelassenheit.
Liebe Grüße,
Mohnblume
Snowflake
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Re: Loslassen

Beitrag von Snowflake »

Hallo Lee,

eigentlich kann ich mir nur den beiden vor mir anschließen... es gibt nichts, was verletztender ist. Es tut bis in die tiefsten Ecken der Seele weh. Man möchte brüllen, heulen, Aggression loswerden.. und das Gute ist, dass das alles ganz normal ist.
Es gibt nicht den "gesunden" Menschen, der abgehoben stets und ständig im Leben über den Dingen steht, niemals über Grenzen hinausschießt und ganz pragmatisch nur aus der Distanz agiert.
Das empfinde ich als krank.

Gefühle müssen wohl oftmals so wild sein. Und das ist doch auch ganz gut so. Ich denke, man würde sonst ersticken.

Dass Du Dich auf der anderen Seite mit den tiefsten Wunden in Deinem Herzen, mit Deiner Vergangenheit, auseinandersetzen solltest, ganz genau hinsehen und auch über den Schmerz, der damit verbunden ist, versuchen solltest, mit solchen Situationen besser klar zu kommen, ist hier auch schon gesagt worden. Und ich denke genauso. Ohne das wird es auf Dauer nicht gehen.

Und ein Therapeut ist ja nun eine ganz besondere Bezugsperson. Ich kann irgendwie auch jedem anderen eher "Vertrauensbrüche" verzeihen - kommt natürlich immer auf die Schwere an - als meiner Therapeutin. Gerade weil man sich dort ganz und gar "ausliefert". Jede Mauer fallen lässt und alles, was man ist und kann, offenbart. Ich hab mich auch niemals verletzlicher gefühlt als bei ihr. Es kennt mich aber auch niemand so gut wie sie.

Ich würde mit ihr reden. Ich würde ihr sagen, dass sie mich zutiefst verletzt hat.

Vielleicht solltest du Dich wirklich mit Deinem Therapeuten auf die eine oder andere Weise versuchen, auseinanderzusetzen. Vielleicht wäre ein Brief nicht schlecht. Es muss irgendwie von Dir verarbeitet werden, sonst hat ja auch eine eventuelle weitere Therapie keinen Sinn.

Und die "Kinder in uns" sind schon eine feine Sache. So ist das, wenn man vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht und da ist doch eine Warnglocke in uns, die uns dann immer wieder sagt, dass etwas total aus dem Ruder läuft. Und so bekommen wir ja auch mit, was uns eigentlich fehlt.

In diesem Sinne wünsche ich Dir alles Gute.

Liebe Grüße

Snowflake
Barbra
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Re: Loslassen

Beitrag von Barbra »

Hallo liebe Lee!

Ich denke, kompetente Antworten hast Du schon genügend bekommen. Davon abgesehen bin ich auch gar net imstande, was vernünftiges dazu von mir zu geben.

Möchte Dich eigentlich nur lieb grüßen und Dir wünschen, dass Du da so bald möglich durchkommst und net zu arg leiden musst

Lieben Gruß
Barbara
Lee
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Re: Loslassen

Beitrag von Lee »

Bellasus
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Re: Loslassen

Beitrag von Bellasus »

Liebe Lee,

der Druck und die Verzweiflung in dir müssen kaum noch auszuhalten sein, und ich habe auch das Gefühl, dass sich das nicht von alleine auflöst.

Du kommst mir so empfindsam vor wie nie, und ich möchte dich am liebsten in ganz weiche Decken, am besten Federn betten, damit du nicht zerbrichst. Trotzdem versuche ich meine Gedanken zu der Geschichte rüberzubringen - was für dich nicht stimmt - ignoriere es.

Ich wünsche mir, dass du dir Hilfe suchst und gleich am Anfang klarmachst, dass jede weitere Verletzung eine Katastrophe wäre - an der Reaktion darauf kannst du vielleicht erkennen, ob dieser Mensch eine Chance hat an dich heranzukommen. Und ob du mit dessen Hilfe die Möglichkeit erhältst, mit diesem Trauma leben zu lernen.

Im Gegensatz zu den anderen denke ich, dass es nicht notwendig und vielleicht auch gar nicht gut ist, nochmal mit deinem Ex-Thera Kontakt aufzunehmen, damit du Wut loswirst und er die Kränkungen zurücknimmt. Wie mit den Kindheitstraumata - sie sind geschehen, lassen sich nicht rückgängig machen, und oft genug ist der Verursacher gar nicht mehr erreichbar. Das hieße ja, dass es unmöglich wäre, damit fertigzuwerden, es muß also einen anderen Weg geben - mit Hilfe von Dritten.

Mir sind ja in der Tagesklinik auch sehr verletzende Dinge gesagt worden, und ich hatte anfangs auch den Impuls, es mit denen zu klären. Aber was, wenn das schiefgeht? Sie haben sich ja nicht geändert, und wenn sie insgeheim mir Recht geben, sich aber weigern das zuzugeben? Dann ist mein Problem größer als vorher.

Was mir geholfen hat, war einzig und allein die Bestätigung meiner Therapeutin, dass das nicht richtig war. Damit hat sie meine Wahrnehmung und meine Gefühle gewürdigt und mir geholfen, von dem Urteil der Tagesklinik unabhängig zu werden.

Vielleicht wäre es für dich auch schon gut, von professioneller Seite zu hören, dass solche Äußerungen in einer Therapie nicht zu suchen haben, und sehr wichtig finde ich auch den Hinweis von Mohnblume (willkommen im Forum ), dass seine Worte ebenso viel mit ihm wie mit dir zu tun haben. Wer weiß, was er für Probleme hat, die du da angerührt hast? In der TK kam es mir auch so vor, als ob sie ihre Persönlichkeit nicht von den therapeutischen Äußerungen trennen konnten.

Ich habe jetzt einfach meine Gedanken runtergeschrieben. Heute habe ich meiner Thera auch etwas anvertraut, was absolut noch kein Mensch auf der Erde wußte, und habe auch sehr große Angst, wie es damit weitergeht. Ich wage es, ihr zu vertrauen, sonst hätte ich gar nichts davon gesagt, aber ich fühle mich auch ein Stück ausgeliefert, habe etwas von mir preisgegeben. Es ist ein Meilenstein in meiner Therapie, und ich hoffe nur dass alles gutgeht und sie mir so hilft, dass ich damit umgehen kann. Komme mir wirklich ungeschützt vor.

Lee, alles was du erlebst, auch dieses Feststecken in den Kindheitsgefühlen, macht so viel Angst und Schmerz, aber du mußt das nicht alleine bewältigen, kein Mensch erwartet das von dir. Und wenn du das von dir erwartest, verlangst du mehr von dir, als wenn du das Wagnis eingehst, nochmal jemandem zu vertrauen. Damit kannst du ein Stück Verantwortung abgeben, wenn du zugibst, es nicht alleine zu schaffen, genau wie ich meiner Thera überlasse, den richtigen Weg zu finden. Vielleicht ist das falsch, aber im Moment entlastet es mich, es nicht mehr alleine herumzutragen.

So, Roman beendet, ich wünsche dir dass du ganz bald eine Lösung findest.

Herzliche Grüße
Annette




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Xenia
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Re: Loslassen

Beitrag von Xenia »

Liebe Annette,

tolles Posting, ehrlich!

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Liebe Lee,

wieso hast Du denn den Text wieder rausgenommen? Ich fand ihn interessant.

Ich denke auch, daß Du das Problem mit der Retraumatisierung nicht alleine wirst lösen können. Klar, ich verstehe auch Deine "Unlust", nochmal eine Therapie zu machen.

Aber diesen Kindheitstraumakram zu bewältigen... Dazu braucht man Hilfe, ich glaube, daß das kaum jemand alleine schaffen kann. Und letzten Endes geht es ja auch nicht darum, was Dein Ex-Therapeut ausgesprochen hat, oder? Geht es nicht vielmehr darum, endlich das zu bearbeiten, was früher an Mißachtung und Aggression geschehen ist?

Ich hoffe, daß Du nicht ins Bodenlose fällst.

Liebe Grüße

Xeni
°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*




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Lee
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Re: Loslassen

Beitrag von Lee »

0204
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Re: Loslassen

Beitrag von 0204 »

Hallo Lee,

ich weiß eigentlich viel zu wenig von all dem, aber kannst Du ihm nicht einen Brief schreiben und ihm dsa alles so erklären? Vielleicht gibt es ja doch noch einen Weg zur Klärung?

bea
Xenia
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Re: Loslassen

Beitrag von Xenia »

Hallo Lee,

>Einmal rief er in voller Rage an: Er fühle sich angeklagt und bedrängt, er sei "sehr verärgert". Es sei "nun mal so gekommen."

Also das finde ich echt eine unprofessionelle Aussage… Ich meine, nichts „kommt nun mal so“. Zumindest nicht in der Therapie. Außerdem müßte er damit umgehen können, wenn er „sehr verärgert“ ist. Ich finde es nicht okay, wenn Therapeuten so unreflektiert irgendwelche Sätze raushauen. Er hätte es Dir ruhig erklären können, wieso er auf seine damalige Meinung gekommen ist.

>Aus. Auf die Metaebene ist er nie gegangen.

Und warum nicht??? Will er vielleicht nicht zugeben, daß ihm ein Fehler unterlaufen ist?

>Ich fühle mich dadurch in meinem Denken bestätigt, dass mit mir irgendetwas nicht stimmt, vielleicht nie in Ordnung kommt

Den Schuh solltest Du Dir echt nicht anziehen! Man kann genauso argumentieren, daß mit ihm etwas nicht stimmt (nämlich daß er keine Fehler zugeben kann, daß er narzißtisch ist [und sich damit als unfehlbar fühlt], daß er deshalb gerne Macht ausübt usw.). Okay, das ist jetzt ziemlich kraß von mir, aber vielleicht ist es ja so. Hätte er mal in der Supervision ansprechen sollen oder gehört er zu der Sorte Therapeuten, die meinen keine Supervision zu brauchen?

>Solange ich mir beharrlich und zielsicher Menschen suche, die genau in mein Muster passen, werde ich natürlich auch immer wieder in meinem negativen Selbstbild bestätigt.

Da ist natürlich was dran. Aber nichts, was Du Dir vorwerfen solltest. Wir Menschen werden halt sehr geprägt von unserer Kindheit. Und wie soll ein Mensch anders reagieren können, wenn er als Kind ständig suggeriert bekam, absolut nichts wert zu sein? Wenn er nicht gelernt hat, daß die eigenen Wünsche und Gefühle durchaus ernstgenommen werden müssen? Wenn man früh lernt, daß man es niemandem recht machen kann, kann man auch als erwachsener Mensch nicht so einfach aus diesen Mustern rauskommen. Das ist ein Programm, das sich immer und immer wieder abspult. Da hilft auch die tollste kognitive Einsicht nicht viel. Das ist eine Geschichte, die sich m.E. nur auf der emotionalen Ebene lösen läßt, indem man die Situationen von damals in der Therapie „durchspielt“ (Stichwort Exposition in der Bewältigung traumatischer Erlebnisse).

>Für dieses Nachlaufen, Flehen und Betteln. Kein Stolz oder erwachsenes Handeln, sondern Bittebitte, sei doch wieder gut...

Weißt Du, in meinen Augen hast Du Dir wirklich nichts vorzuwerfen (aber das weißt Du wahrscheinlich…): ein Kind, das keine Zuneigung oder Achtung von seinen Eltern bekommt, muß zwangsläufig denken, das mit ihm etwas nicht stimmt und es deshalb okay ist, keine Liebe zu bekommen. Da ein Kind aber den Haß oder die Wut, die es den Eltern gegenüber haben sollte, nicht auch gegen diese richten kann, wird es diese Wut oder diesen Haß gegen sich wenden. Ich glaube, ein Kind kann nämlich nicht seine Eltern hassen, da es von ihnen abhängig ist. Sie haben ihm schließlich seine Existenz „geschenkt“… Also muß doch das Kind ständig nach Beweisen für die Elternliebe suchen, oder? Und deshalb wird es auch betteln und flehen und nachlaufen.

Stolz kann das Kind vor diesem Hintergrund schon gar nicht entwickeln. Es gibt ja nichts, worauf es stolz sein könnte. Das haben ihm die Eltern schließlich überdeutlich gezeigt.

>er beschreibt aber auch sehr anschaulich, wie Suche, Erkenntnis und Grenzerfahrung einen Menschen brechen können.

Das habe ich auch gedacht. Und habe mich in weiten Teilen auch wiedererkannt. In der psychoanalytisch orientierten Klinik, in der ich mehrere Monate war, wurde ständig in meiner Kindheit herumgewühlt. Das hat mich nicht weitergebracht nach meiner Entlassung. Im Gegenteil, danach begann das ganze Drama erst so richtig. Ich stehe mittlerweile stationären Psychotherapien bzw. stationären Traumatherapien kritisch gegenüber, da sie einerseits einen schützenden und stützenden Rahmen bieten, andererseits aber dem Patienten seinen Alltag „klauen“, seine Selbständigkeit stören können usw. Und gerade wenn es um Traumata geht, halte ich es für unbedingt notwendig, daß man in seinem Leben bleibt, keine Glocke über alles Bedrohliche. Sonst ist ein Zusammenbruch nach der Klinik quasi vorprogrammiert. Ich war zumindest froh, daß ich meine Traumaarbeit ambulant gemacht habe…

>Ich möchte lieber daran glauben, dass ich dazulernen und mein Leben in Zukunft befriedigender gestalten kann.

Das kannst Du auch!!!

>Ich glaube nicht, wie der Autor des o.g. Beitrags, dass es eine "letzte", definitive Erkenntnis geben kann, sondern, dass sich der Mensch zeit seines Lebens weiterentwickelt und dass persönliche Grenzen erweiterbar sind.

Das finde ich auch nicht. Der Mensch ist ständig in der Entwicklung. Schon aufgrund der Erfahrungen und Erkenntnisse, die er im Laufe seines Lebens macht.

Liebe Grüße zurück

Xeni
°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*




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Lee
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Re: Loslassen

Beitrag von Lee »

orangezimt
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Re: Loslassen

Beitrag von orangezimt »

Liebe Lee,

weißt Du, nach dem, was ich von Dir lese, erscheinst Du mir als eine sehr, sehr reflektierte Person, die im Grunde genau durchschaut hat, was da abgelaufen ist.
Mich schüttelt es, was ich lesen muß von Deinem Therapeuten. Es ist furchtbar und ich kann mir vorstellen, wie man da im Quadrat laufen kann vor Wut. Vielleicht hilft es Dir einfach, daß hier einige Leute über diesen Therapeuten nur den Kopf schütteln können. Und wie die anderen würde ich Dich bestärken, auf Deine Kompetenzen zu vertrauen und stolz darauf zu sein, was Du bisher TROTZ der schwierigen Geschichte alles geleistet hast. Und ich kann mir vorstellen, das ist Einiges, ohne Dich zu kennen.

Übersehene Warnblinklichter: das ist glaube ich Übungssache. Ich habe auch schon so einige übersehen. Manchmal zieht es einen richtiggehend in die Wiederholung - vielleicht genau aus dem beschriebenen Gefühl: daß man als kleines Kind die Realität verleugnen mußte, um weiterleben zu können. Aber wenn man sich immer wieder sagt, wie eine "Schallplatte mit Sprung" : diese Erfahrung brauche ich jetzt nicht noch einmal, dann glaube ich, schafft man das rechte Maß der Distanz irgendwann.

Das Gegengewicht zur therapeutischen Regression sollte eine intakte Selbstbestimmung sein. Deshalb kann ich auch Xenia (viele Grüße!!) nachvollziehen: der Umgang und die Arbeit mit traumatischen Erfahrungen braucht absolute Professionalität und dann als Basis das Gefühl, weiter funktionieren und sein Leben trotz allem weiter gestalten zu können. Dieser Drang nach Selbstbestimmung ist das, was "uns" immer wieder aus der Krise holt, glaube ich. Ich empfinde ihn als etwas sehr Starkes.
Liebe Grüße,
orangezimt.
Xenia
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Re: Loslassen

Beitrag von Xenia »

Guten Morgen Lee!

>Kann aber auch sein, dass er irgendwas nicht erkannt hat.

Klar, das kann schon sein. Aber dann ist es an ihm, sich soweit in Deine Welt einzufühlen, daß er versteht…

>in einer VT ist die Beziehung zwischen Therapeut und Patient nicht Gegenstand der Betrachtung.

Hmm, das würde ich so nicht sagen. Die therapeutische Beziehung war bisher in meinen Therapien immer ein mehr oder großes Thema (was natürlich auch daran liegen kann, daß ich zu den „Bösen“ gehöre: den manipulierenden Borderlinern. Nein, im Ernst, ich finde, daß die therapeutische Beziehung das A und O einer sinnvollen Therapie ist. Denn nur dann kann ich mich öffnen und darüber sprechen, was wirklich ist. Genauso wichtig war es für mich auch, daß der Therapeut mir mitteilt, wie er die Beziehung sieht, was mein Verhalten mit ihm macht und so. Half mir auch in Zeiten heftiger Suizidalität, mein Therapeut hat mir einmal gesagt, daß er nachts nicht schlafen kann, weil er Angst hat, am nächsten Tag zum Dienst zu erscheinen und zu erfahren, daß ich mich suizidiert hätte. Das war insofern wichtig für mich, als daß ich zum einen gemerkt habe, daß ihm wirklich etwas an mir liegt, die Situation ernstnimmt, zum anderen wollte ich auf gar keinen Fall, daß er Ärger meinetwegen bekommt… Ich konnte mich so im positiven Sinn etwas zusammenreißen (okay, später gab es dann nochmal einen Ausflug auf die geschlossene Station, aber das war etwas anderes).

>Und dann hat er mir plötzlich mitgeteilt, dass er in drei Monaten die Praxis schließt (eine Woche vorher sagte er noch, ich solle über eine Verlängerung der Therapie nachdenken, und ich wollte ihm gerade sagen, dass ich das brauche...).

Wieso hat er denn so kurzfristig die Praxis geschlossen? Ich meine, das weiß man doch eine längere Zeit vorher. Übrigens hat das oft ganz üble Folgen. Ich habe in meinem ehemaligen Borderline-Bekanntenkreis zwei Frauen, die nach so einer Situation völlig zusammengebrochen sind…Also: Dein Absturz liegt nicht daran, daß Du zu blöd bist oder so…

>Ich glaube, er hat die Lage einfach falsch eingeschätzt,

Naja, aber dann muß er sich Rat holen. Oder die ganze Therapiesituation mal kritisch betrachten…

>Zur Retraumatisierung kommt auch noch das Problem der Unwirklichkeit, die ich in der Therapiesituation empfinde. Nichts gegen Therapeuten oder Psychotherapie. Beide können ohne jeden Zweifel sehr hilfreich sein. Ich glaub nur nicht, dass man mich ein weiteres Mal "affizieren" kann.

Welche Unwirklichkeit meinst Du? Und wieso bist Du Dir so sicher, daß man Dich nicht mehr affizieren kann? Wegen des fehlenden Vertrauens?

>Hälst du es für möglich, eine Therapie ohne die sagenhafte "therapeutische Beziehung" durchzuführen?

Auf gar keinen Fall. Kann ich mir echt nicht vorstellen (s.o.). Ohne Beziehung bliebe die Therapie immer nur an der Oberfläche (mein Therapeut sprach mal von einem „therapeutischen Kaffeekränzchen“, als ich mich weigerte über Wichtiges zu sprechen…)


Ich werde es erst einmal allein versuchen, d.h. jetzt erst recht das Risiko eingehen, dass Kritik "furchtbare" Folgen hat, und Konturen zeigen.

Naja, weißt Du, ich glaube, daß so ein Alleingang nicht unbedingt gut ist. Denn ich denke halt, daß das keine Frage des Willens ist sondern des Könnens. Und was ist, wenn Du Dich das erste Mal durchsetzt und Dich wichtig nimmst, aber damit auf Ablehnung stößt? Ich kann mir gut vorstellen, daß Dich das erstmal umhaut. Und da wäre es schon ziemlich wichtig, daß Du jemanden an der Seite hast, mit dem Du die Situation durchsprechen kannst und analysieren kannst, wie Du vorgegangen bist und warum das Gegenüber ablehnend reagiert hat. Es ist doch so, daß wir Menschen eher auf das hören, was ein „Vertrauter“ sagt…

>Mit meinem Vertrauen werde ich in Zukunft allerdings sehr vorsichtig sein.

Das sollst Du auch! Aber eine Therapie kann trotzdem funktionieren. Vor allem, wenn Du schon am Anfang erzählst, was Dir passiert ist und welche Folgen das hatte für Dich.

>Insofern bin ich an dem ganzen Schlamassel nicht unbeteiligt. Wieder einmal verloren...

Natürlich warst Du auch beteiligt an dem Schlamassel. Aber das ist ja eben das Problem Deiner Geschichte, daß Du die alten Muster wiederholen mußt. Und wenn jemand beteiligt ist an einer Situation heißt das noch lange nicht, daß er schuld daran ist!!! Net immer gleich werten, meine Liebe!

Liebe Orangezimt,

>Aber wenn man sich immer wieder sagt, wie eine "Schallplatte mit Sprung" : diese Erfahrung brauche ich jetzt nicht noch einmal, dann glaube ich, schafft man das rechte Maß der Distanz irgendwann.

Das sehe ich genauso. Ich mußte lächeln, denn in der DBT gibt es eine Technik die genauso heißt: „Kratzer auf der Schallplatte…

>Deshalb kann ich auch Xenia (viele Grüße!!)

Ebenfalls viele Grüße zurück!

So, Ihr Lieben, ich muß mich jetzt beeilen, denn ich muß gleich zur Arbeit *würg*. Naja, es sind nur noch vier Wochen. Ich habe mit meiner Chefin nämlich einen Aufhebungsvertrag geschlossen und kann dann endlich „richtig“ studieren *freu*.

Viele liebe Grüße

Xeni
°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*




ТЪПАЦИ!!!
Xenia
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Re: Loslassen

Beitrag von Xenia »

nochmal ich.

Die therapeutische Beziehung kann übrigens auch ein sehr gutes Übungsfeld sein, finde ich. Man kann lernen zu kritisieren und andererseits auch lernen, Kritik anzunehmen und nicht gleich als Angriff auf die eigene Person zu werten.

Ich habe z.B. gelernt, daß aufgrund einer Meinungsverschiedenheit nicht zwangsläufig die Beziehung beendet ist. Wobei mir das heute immer noch schwerfällt so zu denken...
°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*




ТЪПАЦИ!!!
Lee
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Re: Loslassen

Beitrag von Lee »

Bellasus
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Re: Loslassen

Beitrag von Bellasus »

Meine Güte, das Gelesene müßte ich jetzt eigentlich erst mal sortieren und in Ruhe überlegen, bevor ich schreibe, aber es drängt mich...

Liebe Lee,
ich glaube nicht, dass du verloren hast in diesem Drama in ca. 17 Akten. Du hast auf jeden Fall etwas gewonnen, auch wenn dir das jetzt vielleicht noch nicht so klar ist. Du hast dich verändert. Momentan gehts dir kein Stück besser als vorher, im Gegenteil, du hast Probleme, die vorher so nicht da waren. Aber wer weiß, wofür das Ganze gut ist?

Vielleicht brauchst du jetzt eine Zeit, in der du reflektierst, vielleicht spürst du mit der Zeit, dass du zwar an "dem Schlamassel beteiligt" warst, aber eben nicht schuld warst, denn du als hilfesuchende Patientin konntest nur so und nicht anders empfinden und handeln. Das ist Aufgabe des Therapeuten, mit den Reaktionen des Patienten verantwortungsvoll und so umzugehen, dass er dem Patienten nicht schadet.

Was ich eigentlich sagen wollte: Auch wenn die größte Sch... passiert ist, habe ich eigentlich immer sofort oder im Nachhinein entdeckt, dass es mir irgendeinen neuen Weg geöffnet hat oder ich etwas gelernt habe. Die Sch.. in der TK war wahrlich nicht witzig, ich dachte echt, ich drehe völlig durch - aber ich habe viiieeel über mich selbst gelernt dabei, und endlich erlaube ich mir auch mal ein Urteil über andere und suche nicht die ganze Schuld bei mir und es interessiert mich nicht die Bohne, was die von mir denken.

Die Wege des Herrn sind unergründlich
Bin nicht wirklich religiös, aber es gibt eine Überzeugung in mir, dass alles sich so fügt, wie es gut für mich ist, wie es eben kommen soll. Vielleicht triffst du irgendeinen Menschen, Therapeut oder sonstwas, den du nicht getroffen hättest, wenn du bei dem Möchtegern-Thera geblieben wärst. Und jetzt hör endlich auf, ihn zu entschuldigen bzw. Erklärungen für sein Verhalten su suchen!!! Selbst wenn es so war - es ist für dich heute unerheblich!!! Viel erheblicher ist, dass viele viele Menschen ganz anders sind!

Zu den Warnlämpchen, dem Bauchgefühl: Die Heilpraktikerin meiner Therapiegruppe gab einer Frau die Aufgabe, erstmal ganz bewußt wahrzunehmen, wann das Lämpchen angeht. Ohne gleich zu überlegen, wie jetzt weiter. Einfach nur hinspüren und registrieren. Und vielleicht formuliert sich dabei ja ganz von alleine ein "Halt, das will ich nicht, da stimmt was nicht" o.ä. Nicht beiläufig fühlen, dass irgend etwas unstimmig ist, sondern rausfinden, was es ist - das erleichtert das reagieren ungemein.

Ich bin ganz sicher, dass du dir Hilfe holst, wenn es nicht mehr anders geht, und vielleicht mußt du vorher noch Unmengen nachdenken und reflektieren.

@Xenia: Danke für die Blumen!

Das beschäftigt mich alles ganz schön, auch das mit den Meinungsverschiedenheiten, die nicht zwangsläufig die ganze Beziehung in Frage stellen - das ist für mich nämlich ein Naturgesetz *gr* und die Schuld immer bei sich zu suchen.

Ich hoffe, nicht zu wirr geschrieben zu haben, schaue bald wieder rein und wünsche dir, Lee, ein gutes Gespür für dich selbst.

Liebe Grüße an alle
Annette




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Lee
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Re: Loslassen

Beitrag von Lee »

Xenia
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Re: Loslassen

Beitrag von Xenia »

Liebe Lee,

>Ihr ahnt gar nicht, wie sehr ihr mich mit euren Beiträgen (unter)stützt... Ich fühl mich hundeelend und bin froh, dass ihr im Netz unterwegs seid.

Danke für dieses Feedback! Manchmal bin ich nämlich sehr am Zweifeln, ob ich nicht nur Müll von mir gebe…

>Ich hatte das absolute Vertrauen, dass ich Kritik bei meinem Therapeuten äußern darf, ohne dass es die oben beschriebenen, katastrophalen Folgen hat, Xeni. Reingefallen...

Hmm, Du hast mich fast von Deiner Schlechtigkeit, Blödheit, Unreflektiertheit und der Reinheit und Edelmütigkeit Deines Therapeuten überzeugt… aaaaba: halt nur fast

Nein, ich sehe es so wie Annette: Höre auf, ihn zu entschuldigen und Dich anzuklagen… Ist leicht gesagt, ich weiß. Aber nur so kannst Du Deinen persönlichen Teufelskreis durchbrechen. Du bist nicht automatisch schuld, wenn etwas schiefgeht. Du suchst Dir Menschen, die in Dein dysfunktionales Muster passen. Nicht mehr und nicht weniger. Und dafür kannst Du Dir weder im Privaten und erst recht nicht in der Therapie irgendeine Schuld geben. Du hast ein Teil der Verantwortlichkeit, indem Du das Geschehene möglich werden ließest. Aber Deine Verantwortlichkeit liegt allein darin, daß Dich ganz alte Muster nicht in Ruhe lassen. Ich suchte auch immer eine Bestätigung meines Weltbildes: ich bin zu doof, ungebildet, häßlich, fett usw., so daß ich es gar nicht anders verdient habe. Irgendwie habe ich dann angefangen, die negative Zuwendung, die ich bekam aufzuwerten. Erst einige Jahre später ist mir dann aufgefallen, daß ich zu abhängig war (und leider immer noch bin), daß andere mich bemerken, daß ich ihnen nicht egal bin. Dafür habe ich auch Übergriffe seitens meines psychopathischen Ex-Mannes in Kauf genommen. Mir ist erst später klar geworden, daß dieses Programm lautete: lieber negative Zuwendung als dem anderen gleichgültig zu sein… Krank.

Aber weißt Du, wir können gar nicht anders, denn das ist eine Art Beziehungsgestaltung, die uns bestens vertraut ist. Und so ist es gar nicht wirklich möglich, etwas anderes zu finden. Ich habe diesen Kreislauf auch noch nicht so wirklich durchbrochen…

>Therapeuten sind mitnichten beziehungsfähiger als Ottilie Normalverbraucher.

Da hast Du meine vollste Zustimmung!!! Und mir ist eben gerade aufgefallen, daß Therapeutinnen da irgendwie anders funktionieren. Ist zumindest mein Gefühl. Gescheiterte therapeutische Beziehungen und Kontaktabbrüche habe ich nur mit männlichen Therapeuten erlebt. Komisch…

>Aber, wie kann man wissen, warum mein Gegenüber ablehnend reagiert hat? Das kann nur Spekulation bleiben? Zumal ich auch immer nur meine subjektive Version der Dinge beisteuern kann?

Indem der Therapeut versucht, sich in Dein Gegenüber einzufühlen kann er doch schon helfen, Deine absolut subjektive Sicht vielleicht etwas abzuschwächen, neue Aspekte reinbringen. Und wenn er Dich bestärkt, richtig gehandelt zu haben, so beruhigt Dich das ja vielleicht auch irgendwie?

>Ich hab nur eine Ahnung, welche Muster ich wiederhole - und ich habe im Moment keine Kraft, das Muster erst mit einem anderen Therapeuten zu wiederholen, um zu sehen, was läuft.

Wieso alles nochmal durchmachen? Du kannst doch dieses Muster auch aufdecken (zumindest teilweise) ohne alles nochmal durchmachen zu müssen, finde ich zumindest. Und in einer funktionalen therapeutischen Beziehung wirst Du auch in der Lage sein, Deine inneren Warnzeichen wahrzunehmen, sie zu respektieren und Dich von ihnen leiten zu lassen.

>Ich habe mir fest vorgehommen, bei der nächsten ähnlichen Gelegenheit den Mund aufzumachen.

Guter Plan!!!!

>Ja, erstens deswegen – ich werde mich nie wieder so ausliefern –

Sich in einer funktionalen Beziehung zu öffnen, die Fassade fallen zu lassen ist für mich nicht gleichzusetzen mit sich ausliefern. Sich auszuliefern bedeutet für mich, daß das Gegenüber die Arg- und Wehrlosigkeit ausnutzen wird. Und in einer funktionalen Beziehung wirst Du niemals arg- und wehrlos sein. (Äh, das Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit ist übrigens aus meinem Juristendeutsch-Fundus… Ist eines der Mordmerkmale).

>und zweitens habe ich hinter die Kulissen der Psychotherapie geschaut. Damit ist der Zauber verflogen.

Hmm, Du wirst mir wohl zustimmen, daß ich auch ausreichend hinter die Kulissen geschaut habe. Und für mich ist das gerade andersherum: ich weiß, was läuft, ich weiß, wie es funktioniert (zumindest meine ich das zu wissen). Mir hat das vielleicht geholfen, meine therapeutischen Beziehungen neutraler zu gestalten. Bin mir gerade nicht so sicher, aber ich halte es für durchaus möglich. Und in der DBT ist es sogar ein Grundsatz, daß die Patientin aufgeklärt über das Krankheitsbild und die Therapie sein soll. Marsha Linehan, die Begründerin der DBT ist der Meinung, daß Therapie möglichst transparent und authentisch sein soll. Das finde ich auch…

>Was bekam ich zu hören: "Wenn Ihnen gar nichts mehr einfällt, dann erpressen Sie."

Ich weiß ja nicht genau, welche Diagnose Du hast. Aber die haben Dich bestimmt für eine Borderlinerin gehalten (wie oft mußte ich mir diesen Scheiß von irgendwelchen halbgebildeten Leuten anhören!). In meiner Hausarbeit über BPS habe ich die These aufgestellt, daß es nicht als störungsspezifisch eingestuft werden kann, wenn ein Patient über Suizidalität redet, mit Suizid droht, Suizidversuche unternimmt usw. War mir unsicher, das zu schreiben, weil ich damit gegen DSM IV und ICD-10 „verstoße“. Aber meine Professorin fand’s gut. Okay, das gehörte hier jetzt nicht her.

>Nee, im Ernst, das ist ein Dilemma oder mache ich hier einen Denkfehler nach dem anderen?

Beides, glaube ich…

So, mehr kann ich gerade nicht denken.

Liebe Grüße

Xeni, die sich gerade fragt, was für eine Rasselbande Du füttern mußt
°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*




ТЪПАЦИ!!!
orangezimt
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Re: Loslassen

Beitrag von orangezimt »

Liebe Lee,
ich wollte ebenfalls sagen, daß es schön zu hören für mich ist, daß Du Dich unterstützt fühlst. Den klugen Worten von Anette und Xenia kann ich sonst gerade gar nichts hinzufügen.
Außer: Deine Reihe mit negativen Erstgesprächen... eine kleine Reihe derart habe ich auch schon hingelegt. Und ich kann im Nachhinein einfach nur schmunzeln, welche seltsamen Gestalten mir da begegnet sind. Vielleicht kannst Du Dir auch irgendwann ein Lächeln abringen? Es sind doch wirklich zu komische Menschen auf der Welt, leider nur manchmal in den falschen Berufen...Das wäre ein Zeichen von Distanz.
Und ich bin ebenfalls sicher, daß Du jemand finden kannst, mit dessen Hilfe sich das Festgefahrene ein bißchen auflösen wird, ohne "maligne Regression"- (so ein schreckliches Wort,) sondern nach Deinem eigenen Fahrplan, mit Dir als Chefin Deiner selbst...und trotzdem in kundiger Begleitung.
Ganz liebe Grüße,
orangezimt
orangezimt
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Re: Loslassen

Beitrag von orangezimt »

Huhu, ich bins nochmal, mit einem Literaturtip:
Manuel Smith: Sage Nein ohne Skrupel. Landsberg 1988.
Das hab ich noch nicht gelesen. Aber daher kommt die Übung "Schallplatte mit Sprung". Dort wird sie angewendet auf eine Alltagssituation, die ich so köstlich fand, daß ich es mal zitiere:

Dialog zwischen einem Vertreter (für einen Kinderatlas) und Petra

Vertreter: Es ist doch sicher Ihr Wunsch, daß Ihre
Kinder schneller lernen.
Petra: Sicher ist das mein Wunsch, aber ich bin
an einem Kauf nicht interessiert.
Vertreter: Ihr Mann würde den Altas sicher gern für
seine Kinder haben.
Petra: Das kann sein, aber ich bin nicht
interessiert.
Vertreter: Schrecklich heiß heute, könnte ich wohl
hereinkommen und einen Schluck Wasser
trinken?
Petra: Ich verstehe Sie, aber ich bin nicht
interessiert.
Vertreter: Heißt das, dass Sie mir nicht mal einen
Schluck Wasser geben wollen?
Petra: Ich verstehe, was Sie wollen, aber ich bin
nicht interessiert.
Vertreter: Sie verstehen eben nicht, sonst würden Sie
diese Bücher für Ihre Kinder kaufen wollen.
Petra: Ich verstehe Ihren Unmut, aber ich bin
wirklich nicht interessiert.
Vertreter: Sie sagen immer nur "ich verstehe".
Können Sie nichts anderes sagen?
Petra: Das könnte ich, aber ich bin nicht
interessiert.
Vertreter: Ich möchte nur eine Frage an Sie stellen:
wie alt sind Ihre Kinder?
Petra: Ich verstehe Ihre Frage, aber ich bin nicht
interessiert.
Vertreter: Sie wollen mir nicht mal sagen, wie alt Ihre
Kinder sind?
Petra: Ich will Ihnen sagen, ich bin nicht
interessiert.
Vertreter: Was, Sie wollen mir nicht eine einzige
Frage beantworten?
Petra: Ich kann nur sagen, ich bin nicht
interessiert
Vertreter: Wenn Sie nicht mit mir reden wollen, dann
gehe ich eben. Glauben Sie, daß Ihre
Nachbarin an dem Altas interessiert sein
könnte?
Petra: Ich verstehe Sie, aber ich bin nicht
interessiert.

(aus: Alexa Mohl: Ich wart nicht bis der Prinz mich küßt. Freiburg 2005)

Und Vertreter der Kategorie "Mensch A" wären doch ein gutes Übungsfeld...
Grüße an alle..
orangezimt
Lee
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Re: Loslassen

Beitrag von Lee »

Lee
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Re: Loslassen

Beitrag von Lee »

(war doppelt)
Xenia
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Re: Loslassen

Beitrag von Xenia »

Liebe Lee,

leider bin ich heute abend nur noch todmüde und daher schreib- und denkunfähig...

Nur eines: Das mit der Transparenz habe ich auf darauf bezogen, daß der Therapeut mitteilt, was er gerade denkt oder fühlt in bezug auf meine Person bzw. was mein Verhalten mit ihm macht. Ich finde das sehr wichtig.

Aber morgen schreibe ich noch ausführlicher dazu. Du siehst, Du hast keine Chance, mir zu entkommen

Es freut mich sehr, daß wir Dir mit unseren Sichtweisen Denkanstöße geben können!

Gut's Nächtle

Xeni
°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*




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Lee
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Re: Loslassen

Beitrag von Lee »

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