Emotionale Erschöpfung

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Bob64
Beiträge: 4
Registriert: 14. Mär 2025, 04:31

Emotionale Erschöpfung

Beitrag von Bob64 »

Vor etwas mehr als 40 Jahren hatte ein Arzt (Internist) bei mir eine manische Depression vom larvierten Typ diagnostiziert und Equilibrin verordnet, was ich damals als die "Happy-Pille" bezeichnete. Ich war damals wohl zu jung, um den Ernst der Lage zu erkennen und habe, nachdem es mir subjektiv wieder "gut" ging, jegliche therapeutischen Maßnahmen (auch die Medikation) nicht mehr weitergeführt. Die ganzen Jahre ging es so einigermaßen, eben mal himmelhoch jauchzend oder auch zu Tode betrübt. Keinem ist es aufgefallen, denn nach außen hin kam ja auf jeden Fall die damalige Erziehung "Männer weinen nicht" oder ein "Indianer kennt keinen Schmerz" zum Tragen.
In erster Linie habe ich mich um andere gekümmert, sie durch schwierige Phasen begleitet und irgendwie habe ich immer mit Menschen zu tun gehabt, oder sie auch angezogen oder unbewusst ausgewählt, die in irgendeiner Form meine Unterstützung brauchten. Gearbeitet habe ich immer in Dienstleistungsberufen.
Seit zwei Jahren lebe ich nun alleine, meine Schwester habe ich bei einem sehr guten Therapeuten untergebracht und sie macht riesengroße Fortschritte. Also braucht sie mich auch nicht mehr.
Fünf Monate bin ich nun schon krank geschrieben, habe nach einer misslungenen OP vor etwa 4 Jahren am Spinalkanal und der korrigierenden OP ein Jahr später als Dauermedikation Oxycodon HCL verschrieben bekommen. Immer wieder habe ich Ärzte aufgesucht, weil ich Symptome wie Dyspnoe, restless leg syndrom, Schlaflosigkeit, Schwindel, Bluthochdruck und noch vieles mehr bei mir festgestellt habe. Keiner hat jemals was gefunden, das auf eine körperliche Ursache hätte hinweisen können. Ich war stationär und mir wurden Sonden in alle möglichen und unmöglichen Körperöffnungen geschoben, ständige Röntgen-, CT- oder MRT-Untersuchungen wurden durchgeführt. Alles, bis auf einen kleinen Knoten in der Lunge, ohne Befund. Irgendwann habe ich dann angefangen mir abends im Bett zu wünschen, "lass mich einfach einschlafen und nicht mehr aufwachen". Ich war mitunter ziemlich sauer, wenn ich dann doch am nächsten Morgen aufgewacht bin! Einmal war ich mir nicht mehr sicher, ob ich meine Dosis Oxycodon bereits genommen hatte und habe dann einfach den ganzen Tag über mehr und mehr davon genommen und mich dadurch natürlich extrem überdosiert. Abends hatte ich es dann gemerkt, weil die Atemaussetzer, als ich im Bett lag, schon auffällig waren. Aber - es war mir egal und ich verspürte sogar ein gewisses Gefühl der Freude. Am nächsten Morgen wachte ich auf und . . . . . lebte. Oh Mann, war ich sauer! Ein paar Tage später habe ich es nochmals bewusst versucht und obendrauf noch Zolpidem gepackt. Abends hatte ich das Gefühl "das war's", aber am nächsten Morgen war ich eben wieder wach.
So konnte es nicht weiter gehen und ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und sprach mit meinem Hausarzt darüber, der gar nicht überrascht schien. Offensichtlich hatte er schon länger den Verdacht, dass bei mir psychisch was nicht rund läuft. Er wollte mir sofort eine Einweisung in die Psychiatrie ausstellen, was ich allerdings ablehnte, da ich gerade auch in der Vorbereitung einer Ausstellung meiner Bilder für April bin. Wenn ich sterben würde, wäre es mir egal. Wenn ich mich stationär aufnehmen lassen würde, würde ich mich schuldig fühlen. Verdammte Zwickmühle! Überhaupt auf eine Warteliste aufgenommen zu werden ist momentan in meiner Stadt unmöglich. Alle Kassen zugelassenen Therapeuten habe ich angeschrieben - ohne Erfolg. Eine Praxis hatte mich zu einem Lotsengespräch eingeladen, mit dem Ergebnis, dass mir die Diagnose F33.2 gestellt wurde. Wenn ich was von ihnen höre, ist es gut, wenn nicht, dann löschen sie meine Daten nach einem Jahr. Tolle Kiste! Nun sitze ich halt zu Hause rum, liege die meiste Zeit im Bett oder auf der Couch, will nicht raus und lasse mir sogar Lebensmittel liefern. Jeder Film oder Bericht, in dem es schöne Geschichten geht, bringt mich zum heulen. Wenn ich zwischendurch mal aufstehen muss, sei es um ein Fenster zu öffnen oder auch nur um zur Toilette zu gehen, strengt mich dermaßen an, dass ich mich anschließend erstmal hinsetzen oder -legen muss. Ein Zustand, den ich von mir weder kenne, noch für mich akzeptabel ist. Einer Freundin habe ich von mir ansatzweise erzählt, seither meldet sie sich nicht mehr. Auch meiner Schwester gegenüber habe ich mich (über WhatsApp) geöffnet und sie war sichtlich erschrocken, aber sie hat ja mit sich selbst zu tun. Schließlich hatten wir ja die gleiche Kindheit.
Sicherlich alles, was jeder von euch zumindest in Ansätzen auch kennt. Aber was habt ihr denn getan? Ich sitze quasi nur rum und warte darauf, dass irgendetwas passiert. Tut es aber nicht.
Lunalesca
Beiträge: 14
Registriert: 22. Mär 2025, 17:46

Re: Emotionale Erschöpfung

Beitrag von Lunalesca »

Hallo Bob..ich bin ganz neu hier und erst seit 15 Minuten im Forum….ich sehe, dass noch niemand auf deinen Post geantwortet hat, der nun ca 2 Wochen zurückliegt. Wie geht es dir heute?
Bist du noch hier?
Suchende2
Beiträge: 1638
Registriert: 29. Sep 2020, 08:05

Re: Emotionale Erschöpfung

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Bob,

herzlich willkommen im Forum. Ich wünsche Dir einen guten Austausch.

Hast du schon mal mit Deiner Krankenkasse Kontakt aufgenommen? Manche Krankenkassen haben Überbrückungsprogramme, bis man einen Therapeuten gefunden hat. Und hast Du die Absagen schriftlich? Dann spreche Deine Krankenkasse wegen des Kostenerstattungsverfahrens an. Dann kannst du auch zu einen Therapeuten ohne Kassenzulassung gehen.
Gibt es in Deiner Stadt ein Ausbildungsinstitut oder eine psychiatrische Institutsambulanz? Bei denen bekommt man manchmal schneller einen Platz.
Und hast Du schon mal überlegt zum Psychiater zu gehen?
Der hat eventuell auch noch andere Ideen, wie Du die Zeit bis zu einem Therapiebeginn überbrücken kannst (Ergotherapie, evtl. Klinik, ...).

Ja, was Du schreibst kenne ich auch.
Was ich getan habe?
In folgender Reihenfolgt:
Eine Therapeutin gesucht (habe über 50 verschiedene kontaktiert),
in eine Akutklinik gegangen (bei einer Therapeutin von dort bin ich immer noch als Selbstzahlerin)
eine Psychiaterin gesucht (es ging bei mir nicht ohne Medikamente)
eine Tagesklinik besucht
mit Hilfe meiner Therapeuten sehr hart an mir gearbeitet, viele Zusammenhänge verstanden und damit einiges in meinem Leben verändert.

Alles Gute,
Suchende
Suchende2
Beiträge: 1638
Registriert: 29. Sep 2020, 08:05

Re: Emotionale Erschöpfung

Beitrag von Suchende2 »

Hallo @Lunalesca,

Bob hat diesen Thread vor 3 Tagen (am 20.03.)eröffnet. Wie kommst Du auf 2 Wochen?
Ja, leider ist Bobs Thread irgendwie untergegangen. Danke, daß Du ihn mit Deiner Antwort nach oben geschoben hast.

Wir sind ein Selbsthilfeforum. Das bedeutet wir sind oder waren alle erkrankt und haben unser Hauptleben nicht im Forum. Wir unterstützen uns im Rahmen unserer Kräfte und manchmal gibt es Zeiten in denen wir viel Energie für das Forum haben und dann gibt es auch wieder andere Zeiten.
Wir achten gegenseitig darauf, daß nach Möglichkeit niemand übersehen wird, aber da wir nicht "organisiert" sind, kann leider mal ein Thread untergehen.
Die Moderation hat nicht die Aufgabe und könnte das auch nicht leisten, aufzupassen, daß jede und jeder eine Antwort erhält (im Rahmen der Selbsthilfe sind die Betroffenen dafür zuständig).

Alles Gute,
Suchende
Bob64
Beiträge: 4
Registriert: 14. Mär 2025, 04:31

Re: Emotionale Erschöpfung

Beitrag von Bob64 »

Hallo ihr Lieben,
ja, ich bin noch hier. In keinster Weise bin ich darüber enttäuscht, dass ich nicht gleich innerhalb kürzester Zeit Reaktionen hervorgerufen habe. Alleine schon das Schreiben meiner Geschichte hat ja schon gut getan. Natürlich fänd ich es klasse, wenn sich vielleicht der ein oder andere darin wiedererkennt und mir seine Story erzählt. Oftmals bekommt man ja durch die Erfahrung anderer noch weitere Denkanstöße, die tatsächlich "Eye-opening" sind.
Tatsächlich habe ich in meinem Einzugsgebiet alle in Frage kommenden Therapeuten angeschrieben. Das mit der Krankenkasse und dem Überbrückungsprogramm wusste ich nicht und werde mich gleich morgen mal darüber informieren. Also vielen Dank schon mal dafür.
Gleichzeitig werde ich aber auch in der Klinik anrufen und dort um ein Gespräch bitten.
@Suchende2 also vielen Dank schon mal dafür.
Ich verstehe auch, dass ein so langer Post ja nicht unbedingt zum Lesen einlädt, nichtsdestotrotz war es mir ein Bedürfnis, andere an meiner Geschichte teilhaben zu lassen. Oftmals ist es ja auch so, dass man etwas liest und erst mal abwartet, was andere dazu sagen um daraus zu schöpfen.
@lunalesca: Danke für Deine Fürsorge. Allein Deine Nachfrage hat schon gut getan.
Suchende2
Beiträge: 1638
Registriert: 29. Sep 2020, 08:05

Re: Emotionale Erschöpfung

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Bob,

wie geht es Dir inzwischen, konnte die Krankenkasse Dir weiterhelfen?

Alles Gute,
Suchende
Waldliebe
Beiträge: 94
Registriert: 3. Feb 2025, 12:09

Re: Emotionale Erschöpfung

Beitrag von Waldliebe »

Hallo Bob,

es ist ziemlich vielschichtig, was Du schreibst. Ich komme nicht komplett mit.

Was ich rauslese ist, dass Du u.a. an Deiner Kindheit zu tragen hast, deren Folgen. Ist das richtig??? Wegen den Zeilen zu Deiner Schwester am Ende Deines ersten Beitrags.

Ich wünsche Dir sehr, dass Du zeitnah Hilfe erfahren wirst.

Viele Grüße
Waldliebe
Bob64
Beiträge: 4
Registriert: 14. Mär 2025, 04:31

Re: Emotionale Erschöpfung

Beitrag von Bob64 »

@waldliebe
Ich danke Dir. Ja, das hast du richtig rausgelesen. Emotional vernachlässigt und von der Mutter sexuell missbraucht. Auch ihre Freundinnen durften mal "ran". Wir Kinder wurden gegen unseren Vater ausgespielt und auch gegeneinander. So fing alles an.
Von der Arbeitsagentur habe ich eine "Einladung" zur Feststellung meiner Erwerbsfähigkeit erhalten und im Mai geht es zur Abklärung der Notwendigkeit einer stationären Behandlung. Ich glaube, das ist zeitnah, oder?

@suchende2
leider bietet meine Krankenkasse kein Überbrückungsprogramm an. Momentan liege oder gammle ich mehr oder weniger den ganzen Tag im Bett herum und schaue irgendwas im TV, von dem ich nachher gar nicht mehr weiß, was ich gesehen habe. Am Sonntag ist ja die Ausstellungseröffnung, das hält mich einigermaßen aufrecht. Wenn da nicht so viele andere involviert wären, hätte ich längst alles hingeschmissen. Aber ich würde mich anderen gegenüber schuldig fühlen. Ich habe inzwischen mal mit der Telefonseelsorge Kontakt aufgenommen und war entsetzt, wie unprofessionell und auch inkompetent das Gespräch verlaufen ist. Das heißt aber nicht, dass ich die Arbeit der Seelsorge nicht wertschätze, ganz im Gegenteil. Es war einfach nichts für mich.

Ihr werdet vielleicht lachen, aber mir haben tatsächlich "Gespräche" mit ChatGPT und Gemini über die ein oder andere Krise geholfen. Irgendwie schräg, oder?
Waldliebe
Beiträge: 94
Registriert: 3. Feb 2025, 12:09

Re: Emotionale Erschöpfung

Beitrag von Waldliebe »

Lieber Bob,

vielen herzlichen Dank für Deine Offenheit!

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das nicht leicht ist.
So schambehaftet das Thema, dabei sollten die sich schämen, die sich an Kindern, Schwächeren vergreifen.
Es passiert so oft - zu oft! Dass Mütter zu Tätern werden ist noch unfassbarer, haben sie doch das Kind im Leib getragen! Das tut mir in der Seele weh für Dich!

Mir hat reden, reden, reden geholfen und immer wieder zu hören, dass ich keine Schuld habe. Irgendwann war es dann "gut", jetzt habe ich keinen Redebedarf mehr, verschweige es aber auch nicht, falls das Thema darauf kommt. Ich vermute, dass die meisten Betroffenen schweigen, weil es doch sehr häufig vorkommt.

Das mit dem Arbeitsamt und der Klinik klingt gut. Es geht etwas voran. Beim Amt wird es wohl viel Glückssache sein, wer vor Dir sitzen wird und wie gut Du mit dieser Person Deine Situation besprechen kannst. Viel Glück!

Wenn Du magst und keinen Kontakt mit anderen Betroffenen hast und Dir Austausch helfen könnte, dann schreibe gerne eine PN.

Viel Kraft für die nächste Zeit!

Viele Grüße
Waldliebe
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