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Und immer die Frage, ob ich mir alles einbilde

Verfasst: 8. Sep 2024, 17:22
von Fragend
Hallo liebes Forum,
ich lese schon eine Weile mit, vor allem weil ich mich frage, ob ich wirklich depressiv bin oder mir alles einbilde. Kennt jemand diese Zweifel, das gedankliche Kreisen um den eigenen Zustand?
Ich habe nicht das Problem, dass ich keine Kraft habe, Dinge zu erledigen, Kraft ist da, aber es fehlt das Gefühl, der Sinn und ich grüble ständig.

Ich hatte Anfang des Jahres eine Psychose, bin da aber gut wieder rausgekommen und ziemlich schnell. Ich konnte nach ein paar Wochen aus der Klinik entlassen werden. Zuhause habe ich gespürt, dass ich noch nicht ganz stabil war, ich hatte ziemlich viele Gedanken, konnte das Karussell aber noch stoppen und hatte noch meine Freude. Ich habe mich noch gespürt. Dann hatte ich das Gefühl, dass ich taumele. Es gab immer mehr Dinge, die mich ängstigten, z.B. die Angst, dass ich wieder depressiv werden könnte. Und auf einmal hat es sich angefühlt, als würde mein System ganz in die Angst kippen. Ich hatte auf einmal den Gedanken, dass ich mich umbringen muss. Dieser Gedanke hat so viel Angst ausgelöst, dass ich nicht mehr schlafen konnte und dann war nur noch Angst da. Ein schreckliches Gefühl. Alle schönen Gefühle waren weg. Ich bin wieder in die Klinik gegangen für einige Wochen, aber es hat nichts gebracht und ich hatte auch von Anfang an keine Hoffnung. Das Grübeln konnte ich nicht abstellen, ich konnte mich nicht mehr ablenken von den Gedanken. Ich habe Neuroleptika bekommen, aber keine Besserung gespürt.

Ich war in der Vergangenheit schon öfter "im Loch" und ich kann so schwer akzeptieren, dass es wieder so weit ist. Ich war z.B. auch verliebt, bevor ich in die Angst gekippt bin, aber das Gefühl ist jetzt ganz weg. Mein Körper fühlt sich an wie mit Stresshormonen durchflutet. Ich spüre Verzweiflung, Leere, Angst. Ich spüre nicht mehr, dass ich leben will. Ich weiß, dass ich die ganzen letzten Jahre gerne gelebt habe, das Leben gespürt habe. Ich spüre keine Verbundenheit mehr, keine Liebe, keinen Sinn, keine Geborgenheit. Das ist so schwer auszuhalten. Ich spüre keine feinen Gefühle mehr, sondern entweder eine Schwere auf der Brust, Angst im Bauch oder ein undefinierbares Knäuel in der Brust. Musik hat mir immer so viel bedeutet, jetzt kann ich sie nicht hören, weil ich sie nicht fühlen kann, ich kann nicht darin schwelgen. Ich denke so viel Unsinn, ich erkläre mir das damit, dass mein Verstand nichts Positives, Konstruktives hat, woran er sich festhalten kann und deswegen denkt er Blödsinn.

Die letzten Jahre habe ich viel an mir gearbeitet und es ging mir immer besser, ich dachte, dass jetzt alles gut wird und ich meinen Platz in der Welt finde, nun macht wieder gefühlt alles keinen Sinn. Ich denke dann, dass ich nicht mehr will, keine Kraft mehr habe. Ich weiß nicht, wie es wieder besser werden soll. Soll ich noch einmal glauben, hoffen, dass alles gut wird? Ich sehe meine Umwelt, ich sehe alles, was mir so viel Freude bereitet hat, die Natur um mich, meine Katzen, und ich spüre nur Angst und Verzweiflung. Ich denke oft, ich möchte die Zeit zurückdrehen. Ich war die Starke in den letzten Jahren, ich hab so viel geschafft und überwunden. Das fühlt sich an wie ein riesiger Rückschritt. Ich weiß, in der Vergangenheit wurden die Zustände immer dann besser, wenn ich einfach akzeptiert habe, dass es jetzt so ist. Ich weiß noch, ich habe mich auf das konzentriert, was noch da war, der Geruch von Kaffeepulver z.B. Aber ich kann so schwer akzeptieren, dass es wieder so weit ist. Ich wollte das nie wieder haben. Ich frage mich, wieso kann ich nicht einfach ein ganz normaler Mensch sein? Wieso passiert mir das schon wieder?

Wird denn jede Depression besser? Werde ich wieder Freude und Sinn spüren? Es ist so schwer vorstellbar. Gleichzeitig weiß ich, dass das Leben kostbar ist, jeder Tag, aber ich kann es nicht spüren. Ich wollte loslegen in meinem Leben, jetzt denke ich, ganz egal, was ich mache, ich werde es nicht fühlen. Und wie soll ich wieder mit mir ins reine kommen? Ich kann auch keine Dankbarkeit spüren. In der Vergangenheit war das so ein starkes tool, sich erinnern, was alles gut ist. Das geht gerade nicht. Und immer wieder der Gedanke: Bilde ich mir das alles ein oder ist es wirklich so?

Außerdem ist mein Tinnitus lauter geworden, auch das so schwer zu akzeptieren.

Sooo viele Gedanken, teilweise sind sie genau gegensätzlich... Ich bin den ganzen Tag müde. Ich konnte die letzten Jahre so gut im Moment sein, ich habe es geübt, es scheint alles umsonst gewesen zu sein. Ständig Erinnerungen von früher, der Gedanke "da ging es dir noch gut", "vor einem Jahr war noch alles gut"...

Kennt ihr diese Gedanken, Gefühle, die Zweifel?

Danke für euer Lesen
Eine Fragend(e)

Re: Und immer die Frage, ob ich mir alles einbilde

Verfasst: 8. Sep 2024, 17:39
von bee18
Liebe Fragend(e),

ich habe Tränen in den Augen, als ich deinen Text las.
Genau das, was du beschreibst, erlebe ich auch gerade.
Alles hat seinen Sinn verloren, ich fühle nichts mehr, höchstens Angst oder auch Scham.

Ich habe auch schon überlegt, ob ich mir das alles einbilde, aber man liest häufig, dass es die Depression ist, die einen so etwas einbilden oder denken lässt.

Ich habe auch große Probleme mit meinen negativen Gedanken, die mich verzweifeln lassen. Und immer wieder erwische ich mich dabei, wie ich zwanghaft versuche, irgendwas zu fühlen. Dann ist da wieder diese Leere, die Angst…

Leider kann ich dir keine Tipps geben, da ich gerade mittendrin bin. Vielleicht aber kann es für dich auch ein klitzekleiner Trost sein, dass du nicht allein bist.
Wir können uns sonst auch per PN austauschen.

Liebe Grüße
L.

Re: Und immer die Frage, ob ich mir alles einbilde

Verfasst: 8. Sep 2024, 17:47
von Senif
Hallo ihr 2,

tut mir leid, dass ihr gerade so eine schwere Phase durchmacht. Die Zweifel, dass man sich das einbildet, hatte ich früher auch oft, und ich denke, die sind genauso krankheitsbedingt.
Ich bin wieder rausgekommen, brauchte aber viel Geduld dafür. Ich hatte auch geglaubt, mein Leben ist vorbei, aber das war es nicht - es ist die Depression, die einen das denken lässt. Vielleicht macht es euch ja Hoffnung, dass man wieder rausfinden kann.

Ich hab einen Bekannten mit paranoider Schizophrenie. Neben der Positivsymptomatik hat er nach jedem Schub auch die sogenannte Negativsymptomatik - sprich Depression. Er war auch über den Jahreswechsel in einer Klinik, dann depressive Symptomatik, aber jetzt geht es ihm den Umständen entsprechend gut. Mit Medikamenten, sind bei ihm das a und o. Aber soweit ich weiß, nimmt er neben den Neuroleptika auch AD - ich weiß leider nicht mehr genau welche - aber früher weiß ich von Trazodon.

Liebe Grüße
Senif :hello:

Re: Und immer die Frage, ob ich mir alles einbilde

Verfasst: 8. Sep 2024, 17:58
von Wolfgang1
Hallo.
Ich glaube nicht, dass du dir das nur einbildest, so wie du es beschreibst. Hört sich für mich nach einer ernstzunehmenden depressiven Phase an.
Gab es denn einen oder mehrere Auslöser für diesen Zustand? Für mich ist es nur schwer vorstellbar, dass so etwas einfach aus dem Nichts heraus entsteht.
Fragend hat geschrieben: 8. Sep 2024, 17:22 Ich denke so viel Unsinn, ich erkläre mir das damit, dass mein Verstand nichts Positives, Konstruktives hat, woran er sich festhalten kann und deswegen denkt er Blödsinn.
Dieses Problem sollte sich wohl lösen lassen, indem du dir eine produktiv erscheinende Beschäftigung suchst.