Depressiver Partner möchte sich trennen

[Käferretterin]

Hallo und guten Tag in die Runde ,
mein Name ist Sabine und ich hab gerade die Freischaltung erhalten…bin also ganz neu hier.
Ich würde mich gern als Partnerin eines Mannes mit der Diagnose Depression hier zu Wort melden…
Wir sind nun seit fast 2 Jahren zusammen…diese depressive Phase dauert nun schon eineinhalb Jahre an.
Aber er ist schon weit gekommen…war lange krank geschrieben…wir haben einen Therapeuten gesucht und jetzt auch gefunden, er geht in Reha demnächst und ist seit Dezember medikamentös eingestellt.Danach hat sich eine gewisse Gleichgültigkeit entwickelt…
Er „funktioniert“ irgendwie…seit ein paar Monaten ( nach meinem Gefühl nach dem Beginn der Tabletteneinnahne?)
sagt er mir immer wieder wie leer er sich fühlt, zerrissen, gefangen in sich selbst.
Ich war bei ihm, bin den Weg mitgegangen, hab alles mitgetragen,viel investiert, wenig gefordert, immer Unterstützung angeboten, da, wo er es annehmen konnte.
Jetzt hat vor drei Wochen die Therapie angefangen…und nun möchte er die Trennung…er hat Schuldgefühle, weiß nicht, ob er jemals meine Erwartungen erfüllen kann..
Er sagt, er liebt mich …sehr…ich gehöre zu den drei wichtigsten Menschen in seinem Leben…zu denen es noch irgendeinen Bezug gibt…
Trotzdem denkt er , er muss „aufbrechen“ alleine weitergehen…und ich soll ihn gehen lassen …
Er kann im Moment nichts Alltägliches von heute auf morgen entscheiden…es ist alles zuviel…
Ich weiß nicht mehr weiter…ich kann ihn nicht loslassen…weil er so tief in meinem Herzen verwurzelt ist …
Und auch, weil ich mich natürlich um in sorge…ich weiß einfach nicht, was ich machen soll..
Ich erwarte jetzt hier keine „Handlungsempfehlung“,
Aber vllt kommt das dem ein oder anderen Betroffenen bekannt vor …
Danke und liebe Grüße
Sabine

PS Hatte das Thema schon an anderer Stelle angesprochen, dort es aber nicht so hingepasst…deshalb noch mal hier

[Blackrabbit]

Guten Morgen, mir kommt deine ganze Situation bekannt vor. Hier ist es auch so.
Wir sind getrennt aber verbringen sehr viel Zeit miteinander, weil wir hoffen, es liegt an den Depressionen. Wir versuchen normal weiter zu machen. Ohne Zärtlichkeiten.
Letzte Woche wollte er es doch wieder beenden, weil er kein Ende sieht und mich nicht leiden lassen möchte. Gestern wieder die Nachricht, er möchte es weiter versuchen und gucken wie es sich entwickelt.
Es ist anstrengend und Kräftezehrend. Auch ich bin langsam am Ende.
Ich habe leider keinen Tipp für dich oder sonst was aber du bist nicht alleine.

[Käferretterin]

Guten Morgen,

danke für deine Nachricht.
Wie lange geht das bei Euch schon so?
Ich könnte besser damit umgehen, wenn er einfach sagen würde, er liebt mich nicht mehr…Aber so finden sich einfach so viele Widersprüche in dem , was er sagt und in dem, was er tut…
Er meint, er mag Zurückweisung nicht und möchte mich nicht verletzen, deshalb „bleibt er stehen“, aber für ihn fühle es sich falsch an .
Ich wiederum hab ein Riesenproblem damit, ihn in dem Zustand hängen zu lassen…

[Blackrabbit]

Es geht schleichend seit September ungefähr. Im Februar kam das mit den fehlenden Gefühlen dazu und die Trennung. Seitdem ist es ein auf und ab. Er sagt es fehlt dieses Gefühl aber seine Taten etc. Sprechen etwas anderes. Ich kann es nicht beschreiben.

[Käferretterin]

Das musst du nicht beschreiben…Ich verstehe genau, was du meinst…
Das meinte ich mit Widersprüche…es passt einfach nichts zusammen…es gibt nichts Eindeutiges, keine Richtung…
Und ich bin im Zwiepalt zwischen gehen oder bleiben…man darf halt den Punkt nicht verpassen, wenn für einen selbst „das Eis dünn wird“…

[Undjetzt]

Hallo Käferretterin,

ich begrüße dich einmal mit "willkommen im Club".
Auch bei mir springt es von "es ist aus", zu "du bist mir enorm wichtig", über "ich habe jemanden kennengelernt", zurück zu " es ist traurig, wie es gerade zwischen uns ist"....
Allerdings habe ich vor kurzem gemerkt, ich wäre absolut nicht bereit für etwas neues, bin mit dem Kopf ganz woanders. Und solang es mir nicht schadet, halte ich weiter aus. Mein Therapeut meinte, die Chancen stehen gar nicht so schlecht, dass es noch einmal etwas wird. Nur das Wann kann eben keiner beantworten. Ein Jahr ist da nichts.
Aus ihr spiest die blanke Unsicherheit.

[Käferretterin]

Hallo und danke für die Aufnahme im Club
Versteh ich dich richtig? Du bist der gesunde Part und bist in Therapie? Deswegen?
Ich frage, weil ich auch schon überlege, mir professionelle Hilfe zu holen…
Ich kann auch noch „aushalten“, weil …er ist es einfach …
Ich habe eher Bedenken, dass er die Flucht ergreift…
Ich komme mir auch ein bisschen „schlecht“ vor, weil ich ihn und seine Bedürfnisse quasi übergehe…

[Undjetzt]

Ne... das ist das etwas schwierigere bei uns... ich bin keineswegs der gesunde Part. Haben beide so unsere Probleme. Aktuell bin ich wegen meiner Depression in Behandlung.
Ich kann dir aber nur raten, dir auch Hilfe für dich zu suchen. Es ist schon wahnsinnig belastend. Und er übergeht deine Bedürfnisse doch auch- auch wenn nicht unbedingt absichtlich.
Stell dich auf eine lange Zeit, voller Kälte und Abweisung ein. Widersprüche noch und nöcher...

[Käferretterin]

Dann kennst du ja beide Seiten…
Und das mit den Bedürfnissen hab ich so noch gar nicht gesehen…aber es stimmt eigentlich…
Es fällt mir halt nur schwer, zu beurteilen, aus welcher Motivation heraus, er so handelt…möchte er WIRKLICH die Trennung oder handelt er Aus Schuldgefühlen oder handelt einfach nur die Depression?….

[Mayana]

Hallo Käferretterin,
Vielleicht stellst du deinem Partner einfach die Warum?-Frage, aus welchen Gründen er die Trennung möchte?

[Käferretterin]

„ … einen Weg anzufangen, auf dem ich Arbeiten an mir und damit an meinem Leben verrichte bedeutet, das Ehrlichkeit die die Basis ist. Srin muss, unbedingt. Mir selbst gegenüber, und auch allen und allem um mich herum.
Etwas zu tun oder auch nur zuzulassen, das etwas unehrlich ist gefährdet das, und einen liebenden Menschen wie Dich in Erwartung, Sehnsucht, hoffnung und damit ebenso in Verzweiflung über das zu erwartende zu halten ist unehrlich“

Ich hab ihn gefragt …

[Käferretterin]

Gleichzeitig sagt er aber , er liebt mich, ich gehöre zu den wichtigsten Menschen, er fühlt sich wohl mit mir , ist gern mit mir zusammen

[Käferretterin]

Ich weiß, dass mir hier niemand bei der Entscheidung helfen kann, aber es schon entlastend zu lesen, dass es Anderen ähnlich geht …

[Undjetzt]

Dann kennst du ja beide Seiten…
Und das mit den Bedürfnissen hab ich so noch gar nicht gesehen…aber es stimmt eigentlich…
Es fällt mir halt nur schwer, zu beurteilen, aus welcher Motivation heraus, er so handelt…möchte er WIRKLICH die Trennung oder handelt er Aus Schuldgefühlen oder handelt einfach nur die Depression?….

Ich habe meiner (Ex-) partnerin in Aussicht gestellt, dass ich mich vollkommen aus ihrem Leben zurückziehen und in Zukunft wie eine völlig fremde Person behandeln könnte. Da reagierte sie recht entsetzt, warum ich das denn tun sollte.
Sie kann sich also ein Leben, so ganz ohne mich nicht ausmalen, möchte es auch nicht.

Das ist ein eindeutiges Zeichen, dass die Trennung für sie wirklich eine schwere Entscheidung ist und sie immer noch voller Zweifel ist.

In wie fern ist denn seine Motivation für dich relevant? Wenn er die Trennung "wirklich" will, musst du sie genau so akzeptieren, als wenn sie aus der Depression heraus geschieht.
Prinzipiell macht die Depression einem nichts vor, was ganz und gar nicht da ist. Positives verschwindet jedoch aus dem Blickwinkel und negatives wird hervorgehoben/ verstärkt. Aus so einem Blick wirkt eine Trennung schnell als unausweichlich. Denn man sieht und fühlt nichts positives mehr.
Ebenso kann es sein, dass er so schlecht von sich denkt, dass er sich sicher ist, du wirst ihn eh bald verlassen. Somit will er dir nur zuvor kommen. Das schmerzt dann zwar auch- aber nicht so sehr.
Du wirst hier keinen finden, der exakt nachvollziehen kann, was in deinem Partner vorgeht. Das kann er wohlmöglich nicht einmal selbst.
Meine Hoffnung ist, das meine (Ex-) Freundin irgendwann merkt, dass die Trennung ihr keine Verbesserung beschert, und sie sich eben doch mit ihren Gefühlen auseinander setzen muss.

[Mayana]

Ich kann nur von meinen Erfahrungen berichten. Die treffen nicht auf alle Depressiven zu, wahrscheinlich noch nicht einmal auf die Mehrheit, aber vielleicht hilft es ja etwas.
Ich wollte damals die Trennung, um meinen Partner nicht mit runterzuziehen. Alles, was mit mir zu tun hatte, war wie vergiftet und das wollte ich für ihn nicht. Ich habe ihm das mehr als einmal gesagt, es fand jedes Mal eine Diskussion statt, an deren Ende er sagte, dass er selbst entscheiden könnte in was er Zeit und Gefühle investiert. Weil ich ihn liebe, habe ich das mit Bauchschmerzen so akzeptiert (irgendwann mal).
Heute bin ich froh, dass ich das getan habe. Bei ihm finde ich Halt, und auch wenn es mir sehr schlecht geht sehe ich doch, dass auch ich ihm etwas zurückgebe.

[DieNeue]

„ … einen Weg anzufangen, auf dem ich Arbeiten an mir und damit an meinem Leben verrichte bedeutet, das Ehrlichkeit die die Basis ist. Srin muss, unbedingt. Mir selbst gegenüber, und auch allen und allem um mich herum.
Etwas zu tun oder auch nur zuzulassen, das etwas unehrlich ist gefährdet das, und einen liebenden Menschen wie Dich in Erwartung, Sehnsucht, hoffnung und damit ebenso in Verzweiflung über das zu erwartende zu halten ist unehrlich“

Damit sagt er eigentlich, was er will. Nur vielleicht ein bisschen kryptisch ausgedrückt. So widersprüchlich ist sein Verhalten nicht, finde ich. Man kann sich bei jemandem wohlfühlen, gerne Zeit mit jemandem verbringen, ihn sogar lieben, aber sich trotzdem dagegen entscheiden, mit der Person zusammen zu sein - aus Respekt vor der Person und weil man integer sein möchte.
Er hat das Gefühl, er kann deine/seine Erwartungen nicht erfüllen, er fühlt sich zerrissen, in sich gefangen, will dich nicht verletzen damit. Er könnte dir jetzt auch was vormachen und so tun, als wäre mit ihm alles in Ordnung. Dann würde es dir vielleicht besser gehen, weil du nicht merkst, wie es ihm geht. Aber er will dich nicht belügen - aus Respekt vor dir.
Mit der Situation, wie es durch die Depression gekommen ist, geht es dir nicht gut. Das weiß er. Er kennt seine Situation, weiß, was seine Gefühllosigkeit und die anderen Symptome mit ihm und der Beziehung machen, und so eine Beziehung möchte er dir nicht antun.
Er handelt nicht irrational oder depressiv, sondern einfach vernünftig, weil er ehrlich sein will.
Dass sowas für euch widersprüchlich aussieht, kommt daher, weil ihr nur einen Teil von dem seht, was innen abläuft.
Das wäre jetzt meine Interpretation von dem, was du über ihn geschrieben hast. Vielleicht kannst du ja damit was anfangen?
Auf mich macht er einen starken Eindruck, als wäre er fest entschlossen sein Leben mit der Therapie zu ändern. Für die Therapie und um an sich zu arbeiten, braucht es viel Ehrlichkeit, auch sich selbst gegenüber. Vielleicht ist das der Grund, dass er dir gegenüber so ehrlich sein will. Nicht obwohl du ihm wichtig bist, sondern gerade weil (!) du ihm so wichtig ist.

[Käferretterin]

Das war jetzt viel Input…muss ich erst mal drüber nachdenken…
Aber danke dafür