Ich werde nur noch als "kranker Mensch" gesehen. Eine Zustandsbeschreibung.
Verfasst: 20. Jul 2024, 07:37
In diesem Text stecken drei Tage harte Arbeit für mich. Ich wünsche mir einfach, das all dies mit Bedacht und Zeit gelesen wird.
Guten Tag,
ich versuche es einmal so zu beschreiben, das es keine Vorwürfe oder Provokationen gibt. Es ist sozusagen der Wunsch vorab einen Text zu schreiben, -die Gedanken einzufangen, der meine Schwierigkeiten in der Partnerschaft und Bekanntenkreis beschreibt,- die mit den Major Depressionen ,- und den stille-Borderline- Befindlichkeiten, sozusagen mitlaufen.
Ich versuche mich dem allen vorsichtig anzunähern, da die Gefahr besteht, eine undankbare Haltung zu transportieren, nicht unerheblich ist. Das alles möchte ich nicht als Anklage verstanden wissen, bitte.
Seit vielen Jahren trägt meine Partnerin alle Lasten, die meine Zustände in depressiven Phasen mit sich bringen, ohne zu klagen mit. Sie hat mich in den leistungsfähigsten Phasen meines Lebens erlebt. Also als Papa mit Volldampf im Blut, alles was eben ein hochaktives und spannendes, aber auch ein anstrengendes Leben ausmacht. Im einzelnen spielt es keine Rolle an dieser Stelle, und soll als Einstieg reichen. Jede Frau, jeder Mann kennt vermutlich diese Phasen mit viel Kraft, Vorwärtsdrängen, viel Schaffenskraft, Euphorie und in denen wenig Schlaf ausreicht, um wieder fit zu sein.
Im Freundeskreis wurde ich als hochaktiver Mensch wahrgenommen, der vor nichts zurückschreckt, allem gewachsen war.
Vor lange mehr als 10 Jahren wurde ich das erste mal krank. 9 Monate Totalausfall mit einer Major Depression. Vor 3 Jahren wiederholte ganze nochmal. Heute bezeichne ich mich als chronisch belastet, meine Leistungsfähigkeit beträgt vielleicht 20 %, ich bin seit Januar arbeitsunfähig und werde im August ausgesteuert, mit 57 Jahren,- nach einem hoch aktiven,- und für mich erfolgreichen Berufsleben. Das schreibe ich nur um den Rahmen deutlich zu machen, in dem ich mich bewege, und damit der Einstieg in mein Thema möglich ist.
Im übrigen sei nochmals angemerkt: wie immer sind alle Gedanken hier meine eigenen,- und subjektive Erlebnisse und Erkenntnisse sind wie immer der Kommentare überflüssig. Das alles dient hier mit diesem Thema nur meiner Sicht,- und Erlebenswelt einen Platz zu verschaffen, da es mich ungemein belastet, was ich schleichend erlebe. Das hat mich blind gemacht für manche Vorgänge und "Dinge" die im Zusammenleben und bei Freundschaften Einzug gehalten haben.
Nun ist es zum fast täglichen zum Thema geworden:Ich fühle mich nur noch als kranker Mann, als kranker Mensch, wahrgenommen.
Das ist die Überschrift über all dem.
Es ist wie so oft eine Sache, die aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden darf. Der eine ist aus meiner subjektiven Sicht:
Ja, ich bin tatsächlich krank, eingeschränkt und mit verschiedenen Dingen beladen,- ja teils schwer belastet, die natürlich im Aussen sichtbar werden: Artztermine, Medikamente, meiden von Menschengruppen oder Stresssituationen jeglicher Art, weniger Ausdauer bei anspruchsvollen Tätigkeiten, beim Lesen, beim Wandern, was auch immer von anderen bemerkt werden kann.
Es werden Bedürfnisse sichtbar, die unbelastete Menschen vielleicht sonderbar finde: mehr Schlafbedürfnis, mehr Ruhe,- und Pausephasen, insgesamt ein langsames und bedächtigeres Leben. Um die Seele mitzunehmen und nicht zu überfordern, tiefe Erschöpfung zu vermeiden,- das ist das für mich Grundthema in diesem Bereich.
So langsam kommen auch Eigenschaften ins Spiel, der geneigte Leser merkt es vielleicht, die nicht nur negativ sein müssen: Langsamkeit und überlegtes Handeln können auch sehr schön sein, ungehetzt durch den Alltag kommen ist durchaus auch eine angenehme Sache. Nichts gleichzeitig zu tun, sondern eines nach dem anderen. Es entstehen weniger Frustmomente, die unerledigten Aufgaben übernehmen nicht unbefriedigend die Regie.
Das was ich tue, tue ich mit aller Energie. Die Tiefe mit der ich mich mit den Dingen befasse, um die depressiven Vorgänge zu verstehen, sind unbelasteten Menschen fremd, und bleiben meist für immer ein Buch mit vielen Siegeln. Es ist kaum nachvollziehbar, was sich bei einem Schub in diesem Bereich abspielt. Aus einem leistungsfähigen, liebenswerten und begehrenswerten Menschen wird in kurzer Zeit, manchmal nur Minuten, ein bewegungsunfähiger, schweigender und hilfloser Mensch, der hochgradig auf Hilfe von aussen angewiesen ist. Meine Notfallkarte im Portemonnaie listet die Ersthelfer auf: Krankenwagen: Psychiatrische Notfallambulanz, behandelnde Ärzte und so fort.
Das intensive Beschäftigen mit den einzelnen Themen überträgt sich im Alltag auf die Tätigkeiten die allgemein anliegen,- und zwar auf angenehme Weise: Wenn ich mich mit einem Thema befasse, einem Einkauf, einer Reparatur, was auch immer, ich befasse mich dann genau mit einer Sache, gucke nicht nebenher Fernsehen, telefoniere oder tue sonst irgendetwas nebenbei. Das hat den Effekt sehr konzentriert die Dinge voranzubringen. Vielleicht schaffe ich nicht so viel, aber die 5 Dinge die ich Bewege, sind nicht nur oberflächlich bearbeitet. Also dieses gehetzte: Dieses ich muß dies und dann noch das und einkaufen auch noch, dann kann ich gleich noch hier und dahin fahren....ichbinjaehunterwegs... Das werde und kann ich nicht mehr meiner Seele zumuten ohne Schaden zu nehmen.
Alleine beim Beschreiben dieser Dinge bekomme ich als Betroffener Gänsehaut, wie sehr mich all das vereinnahmt und das Leben zumindest unterschwellig,- oft sogar heftigst begleitet.
Resümee bis hierhin: Es gibt Dinge die für Aussenstehende sichtbar werden, so wie beschrieben,- auch die schönen Seiten, und manches ist nur für mich vorhanden, wenn ich nicht davon berichte, bleiben diese Dinge eher im Verborgenen.
Nun kommt die Seite, die Sichtweise der Angehörigen, Freunde und vielleicht Arbeitskollegen, wer auch immer hier Kontakt mit mir hat:
Der ist oft krankgeschrieben. Der ist langsam, nicht belastbar, geht selten aus. Hat oft Stimmungsschwankungen, der geht manchmal einfach um 20.00 Uhr ins Bett. Verabredungen sind schwierig, da er nicht weiß wie es ihm in einer Woche geht. Unflexibel, ungeplantes ist schwierig umzusetzen, und so fort.
Die schönen Seiten, möchte ich einmal wie folgt im umreißen, im Ansatz notieren: Ein toller Gesprächspartner der gut zuhören kann. Jemand der Situationen in einer Tiefe erfasst, die beneidenswert ist. Jemand der langsam, und doch sehr intensiv lebt. Der nicht zwei Dinge gleichzeitig macht. Was liegen bleibt, bleibt liegen. Es kommt der nächste Tag, an dem er sich kümmert, wenn denn die Kraft dafür vorhanden ist.
Ein guter Beobachter, der Situationen mit Brillanz einschätzen kann. Der fast immer auch die eigenen Befindlichkeiten mit reflektiert:
Wenn ich dieses oder jenes tue: Wie geht es mir damit, kann ich damit gut umgehen, oder wird es zu viel für mich in dieser Tagesform, teile die Aufgaben auf?
Muß ich heute noch in den Baumarkt, nur weil ich es mir gestern vorgenommen habe, ein Telefonat mit einem Freund wenn ich erschöpft bin? Nein, das durchdenke ich vorher und eine falsche Pflicht wird nicht besser: Ich bin womöglich extrem genervt im Baumark, ich höre dem Freund nicht richtig zu.
Will ich so leben? Werde ich den Dingen gerecht, wenn mir die Kraft, die Nervenstärke in dem Moment fehlt?
Es sind ja nur kleinteilige Alltagsbeispiele.
Ich MUß, um so etwas ähnliches wie gesund durch den Alltag zu kommen, zwingend all diese Fragen als Betroffener beantworten, und zwar ehrlich und aufrichtig.
Warum ist das so? Was passiert wenn ich das nicht tue?
Bleibe ich bei den Beispielen, sieht es so bei mir aus: Ich werde traurig über mein Verhalten als genervter Baumarktbesucher, ich möchte als freundlicher, und nicht als genervter Mensch wahrgenommen werden. Ich bin erschöpft, hetze durch die Regale, vergesse Dinge, werde womöglich im Verkehr aggressiv , will nach Hause um meine Ruhe zu haben,- und will nicht im Stau stehen. Ich will ich will ich will, sogar beim schreiben hier merke ich wie eine solche Situation Stress bereitet.
Dann das Telefonat mit dem Freund: Ich rufe wie versprochen an, der merkt nach dem zweiten Satz, dass ich nicht "gut drauf "bin, wohin führt so ein Telefonat? Meiner Erfahrung nach: oft zu nichts. Ausser zum Austausch über die Katastrophen im Alltag: Staus, Umleitungen, Baumarkt nervt, überhaupt alles. Ich bin erschöpft, müde, traurig, ja wenn nicht sogar verzweifelt.
Und das ist genau das, was mein Umfeld dann auch sehr sensibel bemerkt: dieser Mensch ist nicht so Stressresililient, schnell genervt und etwas "anders", anfälliger oder einfach krank.
So werde ich heute von Menschen die mich über lange Zeit kennen, nur noch als krank wahrgenommen, und das wiederum, ist ziemlich grausam, da es mir die Chance nimmt ein einigermaßen erträgliches Leben zu führen.
Und was das mit mir macht, möchte ich hier ausführen.
Es kommen Fragen auf in der Partnerschaft, von Freunden, die verletzen: Schaffst Du das noch oder soll ich das lieber machen? Kann ich mich darauf verlassen? Sex mit einem Kranken? Eher nicht. Geh doch schon mal ins Bett wenn es dir nicht so gut geht. All das sind Alltagsbeispiele, die ihre Wirkung haben. Die ohne Frage teils gut gemeint sind. Und so passiert es dann: Es tritt eine Vermeidungshaltung ein, eine Schonhaltung, die Schmerzen an anderen Stellen seelischer Natur hervorruft, die grausem sein können. Meine Krankheit wird als prophylaktische Schonhaltung registriert, Vorsicht aller Orten, immerzu gucken um das schlimmste zu verhindern und offensiv bereden, besprechen und planen.
Natürlich ist da ein Widerspruch zum oben geschrieben, der feine Unterschied ist:
Einmal ist es die Schonhaltung die von aussen gut gemeint " mitgelebt wird" wird, das andere ist das, was ich mir selber gerne einteilen möchte, und nicht durch einen Aufpasser von aussen übergeholfen bekommen möchte.
Ja, es ist ein schmaler Grad, und sehr feingliederig. Der Umgang damit ist für beide Seiten immer auch eine Sache, die von Respekt getragen werden möchte, Bevormundung ist ein grausames Instrument zur Entmündigung eines depressiven, der in solchen Situationen schnell in die Defensive geraten kann, einfach weil die Kraft einen Streit auszutragen, nicht vorhanden ist. Wenn es zum Streit kommt, ist wieder die Situation da, das der Einblick des Aussenstehenden auf das, was bei einem depressiven Menschen im inneren vorgeht, nicht möglich ist,- oder einfach das Verständnis fehlt.
So manifestiert sich bei mir die traurige Situation, über lange Jahre eingeübt und eingeschlichen hat, das ich in der Partnerschaft ein kranker Mensch bin, um den sich gekümmert werden muß. Der in Freundschaften der ist," den man mit Samthandschuhen" anfassen muß.
Ich habe bis heute die Gewissheit, versorgt zu sein, auch in schlechten Phasen,- was ja auch ungemein wichtig ist, ein stabiles Umfeld zu haben, und gleichzeitig ein diffuses Entmündigungsverfahren erlebe, unbeabsichtigt unterstelle ich das hier mal, das dazu dient mir Sicherheit zu bieten, die mich aber in Wirklichkeit als Mensch verkümmern und verzweifeln lässt.
Das ist gerade meine Sichtweise auf die Welt in der ich mich befinde. Voll mit Wiedersprüchen, voll mit Schwierigkeiten, die Belastung dieser depressiven Eigenheiten dauerhaft zu tragen, und irgendwie den Alltag so einzurichten, das ich nicht daran verzweifle. All das kostet enorm viel Kraft, jeden Tag. Ich vermisse die Leichtigkeit aus vergangenen Tagen, in denen Energie und Tatendrang scheinbar grenzenlos vorhanden waren. Probleme einfach nur Aufgaben waren, die es ordentlich anzupacken galt, um sie aus der Welt zu schaffen.
Das ist das wirkliche Drama, dass ich den Vergleich aus aktiven Tagen habe,- mit dem ich den heutigen Zustand abgleichen kann, und der mich nun so vereinnahmt hat.
Das alles hier ist eine Beschreibung des Ist- Zustandes, es soll keine Schicksalsheulerei darstellen. Ich versuche mit all dem sachlich umzugehen. Danke für Eure Geduld.
Gerne Lese ich von EUREN Erfahrungen. Schön ist es, wenn das alles so stehen bleiben darf und ohne Textkopien in Euren Ausführungen auskommt, aber schlussendlich habe ich da keinen Einfluß.
Ich erwarte keine heissen Ratschläge und Tipps. Sondern freue mich über mutige und wenn möglich persönliche Erfahrungsberichte von Euch, vielleicht auch wie ihr mit den Situationen umgeht.
Das ist mein Wunsch an dieser Stelle.
Christopher
Guten Tag,
ich versuche es einmal so zu beschreiben, das es keine Vorwürfe oder Provokationen gibt. Es ist sozusagen der Wunsch vorab einen Text zu schreiben, -die Gedanken einzufangen, der meine Schwierigkeiten in der Partnerschaft und Bekanntenkreis beschreibt,- die mit den Major Depressionen ,- und den stille-Borderline- Befindlichkeiten, sozusagen mitlaufen.
Ich versuche mich dem allen vorsichtig anzunähern, da die Gefahr besteht, eine undankbare Haltung zu transportieren, nicht unerheblich ist. Das alles möchte ich nicht als Anklage verstanden wissen, bitte.
Seit vielen Jahren trägt meine Partnerin alle Lasten, die meine Zustände in depressiven Phasen mit sich bringen, ohne zu klagen mit. Sie hat mich in den leistungsfähigsten Phasen meines Lebens erlebt. Also als Papa mit Volldampf im Blut, alles was eben ein hochaktives und spannendes, aber auch ein anstrengendes Leben ausmacht. Im einzelnen spielt es keine Rolle an dieser Stelle, und soll als Einstieg reichen. Jede Frau, jeder Mann kennt vermutlich diese Phasen mit viel Kraft, Vorwärtsdrängen, viel Schaffenskraft, Euphorie und in denen wenig Schlaf ausreicht, um wieder fit zu sein.
Im Freundeskreis wurde ich als hochaktiver Mensch wahrgenommen, der vor nichts zurückschreckt, allem gewachsen war.
Vor lange mehr als 10 Jahren wurde ich das erste mal krank. 9 Monate Totalausfall mit einer Major Depression. Vor 3 Jahren wiederholte ganze nochmal. Heute bezeichne ich mich als chronisch belastet, meine Leistungsfähigkeit beträgt vielleicht 20 %, ich bin seit Januar arbeitsunfähig und werde im August ausgesteuert, mit 57 Jahren,- nach einem hoch aktiven,- und für mich erfolgreichen Berufsleben. Das schreibe ich nur um den Rahmen deutlich zu machen, in dem ich mich bewege, und damit der Einstieg in mein Thema möglich ist.
Im übrigen sei nochmals angemerkt: wie immer sind alle Gedanken hier meine eigenen,- und subjektive Erlebnisse und Erkenntnisse sind wie immer der Kommentare überflüssig. Das alles dient hier mit diesem Thema nur meiner Sicht,- und Erlebenswelt einen Platz zu verschaffen, da es mich ungemein belastet, was ich schleichend erlebe. Das hat mich blind gemacht für manche Vorgänge und "Dinge" die im Zusammenleben und bei Freundschaften Einzug gehalten haben.
Nun ist es zum fast täglichen zum Thema geworden:Ich fühle mich nur noch als kranker Mann, als kranker Mensch, wahrgenommen.
Das ist die Überschrift über all dem.
Es ist wie so oft eine Sache, die aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden darf. Der eine ist aus meiner subjektiven Sicht:
Ja, ich bin tatsächlich krank, eingeschränkt und mit verschiedenen Dingen beladen,- ja teils schwer belastet, die natürlich im Aussen sichtbar werden: Artztermine, Medikamente, meiden von Menschengruppen oder Stresssituationen jeglicher Art, weniger Ausdauer bei anspruchsvollen Tätigkeiten, beim Lesen, beim Wandern, was auch immer von anderen bemerkt werden kann.
Es werden Bedürfnisse sichtbar, die unbelastete Menschen vielleicht sonderbar finde: mehr Schlafbedürfnis, mehr Ruhe,- und Pausephasen, insgesamt ein langsames und bedächtigeres Leben. Um die Seele mitzunehmen und nicht zu überfordern, tiefe Erschöpfung zu vermeiden,- das ist das für mich Grundthema in diesem Bereich.
So langsam kommen auch Eigenschaften ins Spiel, der geneigte Leser merkt es vielleicht, die nicht nur negativ sein müssen: Langsamkeit und überlegtes Handeln können auch sehr schön sein, ungehetzt durch den Alltag kommen ist durchaus auch eine angenehme Sache. Nichts gleichzeitig zu tun, sondern eines nach dem anderen. Es entstehen weniger Frustmomente, die unerledigten Aufgaben übernehmen nicht unbefriedigend die Regie.
Das was ich tue, tue ich mit aller Energie. Die Tiefe mit der ich mich mit den Dingen befasse, um die depressiven Vorgänge zu verstehen, sind unbelasteten Menschen fremd, und bleiben meist für immer ein Buch mit vielen Siegeln. Es ist kaum nachvollziehbar, was sich bei einem Schub in diesem Bereich abspielt. Aus einem leistungsfähigen, liebenswerten und begehrenswerten Menschen wird in kurzer Zeit, manchmal nur Minuten, ein bewegungsunfähiger, schweigender und hilfloser Mensch, der hochgradig auf Hilfe von aussen angewiesen ist. Meine Notfallkarte im Portemonnaie listet die Ersthelfer auf: Krankenwagen: Psychiatrische Notfallambulanz, behandelnde Ärzte und so fort.
Das intensive Beschäftigen mit den einzelnen Themen überträgt sich im Alltag auf die Tätigkeiten die allgemein anliegen,- und zwar auf angenehme Weise: Wenn ich mich mit einem Thema befasse, einem Einkauf, einer Reparatur, was auch immer, ich befasse mich dann genau mit einer Sache, gucke nicht nebenher Fernsehen, telefoniere oder tue sonst irgendetwas nebenbei. Das hat den Effekt sehr konzentriert die Dinge voranzubringen. Vielleicht schaffe ich nicht so viel, aber die 5 Dinge die ich Bewege, sind nicht nur oberflächlich bearbeitet. Also dieses gehetzte: Dieses ich muß dies und dann noch das und einkaufen auch noch, dann kann ich gleich noch hier und dahin fahren....ichbinjaehunterwegs... Das werde und kann ich nicht mehr meiner Seele zumuten ohne Schaden zu nehmen.
Alleine beim Beschreiben dieser Dinge bekomme ich als Betroffener Gänsehaut, wie sehr mich all das vereinnahmt und das Leben zumindest unterschwellig,- oft sogar heftigst begleitet.
Resümee bis hierhin: Es gibt Dinge die für Aussenstehende sichtbar werden, so wie beschrieben,- auch die schönen Seiten, und manches ist nur für mich vorhanden, wenn ich nicht davon berichte, bleiben diese Dinge eher im Verborgenen.
Nun kommt die Seite, die Sichtweise der Angehörigen, Freunde und vielleicht Arbeitskollegen, wer auch immer hier Kontakt mit mir hat:
Der ist oft krankgeschrieben. Der ist langsam, nicht belastbar, geht selten aus. Hat oft Stimmungsschwankungen, der geht manchmal einfach um 20.00 Uhr ins Bett. Verabredungen sind schwierig, da er nicht weiß wie es ihm in einer Woche geht. Unflexibel, ungeplantes ist schwierig umzusetzen, und so fort.
Die schönen Seiten, möchte ich einmal wie folgt im umreißen, im Ansatz notieren: Ein toller Gesprächspartner der gut zuhören kann. Jemand der Situationen in einer Tiefe erfasst, die beneidenswert ist. Jemand der langsam, und doch sehr intensiv lebt. Der nicht zwei Dinge gleichzeitig macht. Was liegen bleibt, bleibt liegen. Es kommt der nächste Tag, an dem er sich kümmert, wenn denn die Kraft dafür vorhanden ist.
Ein guter Beobachter, der Situationen mit Brillanz einschätzen kann. Der fast immer auch die eigenen Befindlichkeiten mit reflektiert:
Wenn ich dieses oder jenes tue: Wie geht es mir damit, kann ich damit gut umgehen, oder wird es zu viel für mich in dieser Tagesform, teile die Aufgaben auf?
Muß ich heute noch in den Baumarkt, nur weil ich es mir gestern vorgenommen habe, ein Telefonat mit einem Freund wenn ich erschöpft bin? Nein, das durchdenke ich vorher und eine falsche Pflicht wird nicht besser: Ich bin womöglich extrem genervt im Baumark, ich höre dem Freund nicht richtig zu.
Will ich so leben? Werde ich den Dingen gerecht, wenn mir die Kraft, die Nervenstärke in dem Moment fehlt?
Es sind ja nur kleinteilige Alltagsbeispiele.
Ich MUß, um so etwas ähnliches wie gesund durch den Alltag zu kommen, zwingend all diese Fragen als Betroffener beantworten, und zwar ehrlich und aufrichtig.
Warum ist das so? Was passiert wenn ich das nicht tue?
Bleibe ich bei den Beispielen, sieht es so bei mir aus: Ich werde traurig über mein Verhalten als genervter Baumarktbesucher, ich möchte als freundlicher, und nicht als genervter Mensch wahrgenommen werden. Ich bin erschöpft, hetze durch die Regale, vergesse Dinge, werde womöglich im Verkehr aggressiv , will nach Hause um meine Ruhe zu haben,- und will nicht im Stau stehen. Ich will ich will ich will, sogar beim schreiben hier merke ich wie eine solche Situation Stress bereitet.
Dann das Telefonat mit dem Freund: Ich rufe wie versprochen an, der merkt nach dem zweiten Satz, dass ich nicht "gut drauf "bin, wohin führt so ein Telefonat? Meiner Erfahrung nach: oft zu nichts. Ausser zum Austausch über die Katastrophen im Alltag: Staus, Umleitungen, Baumarkt nervt, überhaupt alles. Ich bin erschöpft, müde, traurig, ja wenn nicht sogar verzweifelt.
Und das ist genau das, was mein Umfeld dann auch sehr sensibel bemerkt: dieser Mensch ist nicht so Stressresililient, schnell genervt und etwas "anders", anfälliger oder einfach krank.
So werde ich heute von Menschen die mich über lange Zeit kennen, nur noch als krank wahrgenommen, und das wiederum, ist ziemlich grausam, da es mir die Chance nimmt ein einigermaßen erträgliches Leben zu führen.
Und was das mit mir macht, möchte ich hier ausführen.
Es kommen Fragen auf in der Partnerschaft, von Freunden, die verletzen: Schaffst Du das noch oder soll ich das lieber machen? Kann ich mich darauf verlassen? Sex mit einem Kranken? Eher nicht. Geh doch schon mal ins Bett wenn es dir nicht so gut geht. All das sind Alltagsbeispiele, die ihre Wirkung haben. Die ohne Frage teils gut gemeint sind. Und so passiert es dann: Es tritt eine Vermeidungshaltung ein, eine Schonhaltung, die Schmerzen an anderen Stellen seelischer Natur hervorruft, die grausem sein können. Meine Krankheit wird als prophylaktische Schonhaltung registriert, Vorsicht aller Orten, immerzu gucken um das schlimmste zu verhindern und offensiv bereden, besprechen und planen.
Natürlich ist da ein Widerspruch zum oben geschrieben, der feine Unterschied ist:
Einmal ist es die Schonhaltung die von aussen gut gemeint " mitgelebt wird" wird, das andere ist das, was ich mir selber gerne einteilen möchte, und nicht durch einen Aufpasser von aussen übergeholfen bekommen möchte.
Ja, es ist ein schmaler Grad, und sehr feingliederig. Der Umgang damit ist für beide Seiten immer auch eine Sache, die von Respekt getragen werden möchte, Bevormundung ist ein grausames Instrument zur Entmündigung eines depressiven, der in solchen Situationen schnell in die Defensive geraten kann, einfach weil die Kraft einen Streit auszutragen, nicht vorhanden ist. Wenn es zum Streit kommt, ist wieder die Situation da, das der Einblick des Aussenstehenden auf das, was bei einem depressiven Menschen im inneren vorgeht, nicht möglich ist,- oder einfach das Verständnis fehlt.
So manifestiert sich bei mir die traurige Situation, über lange Jahre eingeübt und eingeschlichen hat, das ich in der Partnerschaft ein kranker Mensch bin, um den sich gekümmert werden muß. Der in Freundschaften der ist," den man mit Samthandschuhen" anfassen muß.
Ich habe bis heute die Gewissheit, versorgt zu sein, auch in schlechten Phasen,- was ja auch ungemein wichtig ist, ein stabiles Umfeld zu haben, und gleichzeitig ein diffuses Entmündigungsverfahren erlebe, unbeabsichtigt unterstelle ich das hier mal, das dazu dient mir Sicherheit zu bieten, die mich aber in Wirklichkeit als Mensch verkümmern und verzweifeln lässt.
Das ist gerade meine Sichtweise auf die Welt in der ich mich befinde. Voll mit Wiedersprüchen, voll mit Schwierigkeiten, die Belastung dieser depressiven Eigenheiten dauerhaft zu tragen, und irgendwie den Alltag so einzurichten, das ich nicht daran verzweifle. All das kostet enorm viel Kraft, jeden Tag. Ich vermisse die Leichtigkeit aus vergangenen Tagen, in denen Energie und Tatendrang scheinbar grenzenlos vorhanden waren. Probleme einfach nur Aufgaben waren, die es ordentlich anzupacken galt, um sie aus der Welt zu schaffen.
Das ist das wirkliche Drama, dass ich den Vergleich aus aktiven Tagen habe,- mit dem ich den heutigen Zustand abgleichen kann, und der mich nun so vereinnahmt hat.
Das alles hier ist eine Beschreibung des Ist- Zustandes, es soll keine Schicksalsheulerei darstellen. Ich versuche mit all dem sachlich umzugehen. Danke für Eure Geduld.
Gerne Lese ich von EUREN Erfahrungen. Schön ist es, wenn das alles so stehen bleiben darf und ohne Textkopien in Euren Ausführungen auskommt, aber schlussendlich habe ich da keinen Einfluß.
Ich erwarte keine heissen Ratschläge und Tipps. Sondern freue mich über mutige und wenn möglich persönliche Erfahrungsberichte von Euch, vielleicht auch wie ihr mit den Situationen umgeht.
Das ist mein Wunsch an dieser Stelle.
Christopher