Entscheidungen treffen!

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Slin97
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Entscheidungen treffen!

Beitrag von Slin97 »

Moin zusammen,

das leidige Thema, Entscheidungen treffen (während einer depressiven Episode)!
Ich möchte gerne meine Erfahrungen teilen und hoffe auf Resonanz, um mich dahingehend reflektieren zu können.

Aus eigenen Erfahrungen kann ich jedem Menschen raten, KEINE schwerwiegenden Entscheidungen (Arbeit,Familie,Freunde,Freizeit,Wohnort) während einer depressiven Episode zu treffen. Die eigene Wahrnehmung der Welt und der äußerlichen Eindrücke/Reize, ist so massiv negativ verfärbt, dass dies nur zu Katastrophen führt, welche ich später bitter bereut habe. Oft waren es impulsive, stark emotionalisierte Entscheidungen, die jegliche Rationalität ausgeblendet haben. Wenn sich ein Mensch in diesem Erleben dazu gezwungen fühlt, jetzt eine Entscheidung zu treffen (die alles verändern wird), ist das ein Trugschluss. Die Depression ist bei mir geblieben, und Entscheidungen wurden bereut.

Während eienr schweren depressiven Episode, konnte ich nicht mal entscheiden, was ich heute essen möchte und war dahingehend (schon) überfordert.
Auf mein Umfeld wirkte ich stark ambivalent, und habe auch meine engsten Mitmenschen leider stark irritiert.
Ich sagte etwas, handeltet aber gegensätzlich (aus Verzweiflung!).

Das Vermögen eine nachhaltige, tragfähige Entscheidung zu treffen ist mit einer Depression eine große Herausforderung, ein Marathonlauf ohne Sieg.

Wie geht ihr mit dem Thema Entscheidungen treffen um? Habt ihr den Mut verloren, zweifelt ihr stark, grübelt ihr ohne Ende und findet trotzdem keinen klaren Entschluss?

Ich erlebe es zum Teil, als die Hölle auf Erden, in dieser Multioptionsgesellschaft sich zu entscheiden und mit der Entscheidung auch langfristig zufrieden zu sein.
Mayana
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Re: Entscheidungen treffen!

Beitrag von Mayana »

Hallo Slin,
Dass du unter Druck Entscheidungen treffen musstest, tut mir leid. Auch ich musste schon einige Male so wichtige Entscheidungen treffen, die letzte (mein Studium abzubrechen) erst vor kurzem. Manchmal geht es nicht anders, es ist wichtig, sich im Anschluss nicht die ganze Zeit den Kopf zu zerbrechen, ob es denn die richtige Entscheidung war. Sie wurde nun mal so gefällt, und jetzt heißt es damit umzugehen.

Auch die kleinen Entscheidungen (was esse ich heute? Soll ich jetzt aufstehen oder später?) verlangen mir sehr viel ab. Teilweise esse ich dann garnicht, bis mein Mann nach Hause kommt, und teilweise esse ich dann zu viel und/oder ungesund, weil es einfacher ist.
Slin97
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Re: Entscheidungen treffen!

Beitrag von Slin97 »

Hallo Mayana,
möchtest du mir damit sagen, dass unter den Umständen und den Zeitpunkt also schlichtweg keine andere Entscheidung möglich gewesen wäre? Also die Akzeptanz der Entscheidung, anstatt sie zu wiederrufen oder zu bereuen?

Ja das mit dem Essen kenne ich, es ist erstaunlich wie lange der Körper ohne feste Nahrung überleben kann:D
Mayana
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Re: Entscheidungen treffen!

Beitrag von Mayana »

Hallo Slin,

Ich kenne deine Situation nicht gut genug, um zu sagen ob die jeweilige Entscheidung die einzige sinnvolle Möglichkeit war, aber bei mir war es das, die Akzeptanz dieser Entscheidung halte ich für unerlässlich. Um nicht ständig zu hadern, zu grübeln, wieder alle Eventualitäten durchzugehen.

Ich lebe nicht alleine, also über kurz oder lang nehme ich dann doch irgendetwas zu mir, aber wenn ich für die Zubereitung zuständig bin, wird es meistens nur etwas einfaches.
Meine Therapeutin hat mir einen Vorschlag gemacht: in einem etwas besseren Moment verschiedene Möglichkeiten auf Zettel schreiben und in eine Schüssel legen. Wenn ich mich nicht entscheiden kann, was ich essen will, brauche ich also nur einen Zettel ziehen, keine aktive Entscheidung nötig.
Slin97
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Re: Entscheidungen treffen!

Beitrag von Slin97 »

Hallo Mayana,

das klingt ja mal nach einer sehr sinnvollen Lösung! :D Routine, und Rhytmus ist meines Erachtens auch sehr hilfreich gegen das ständige Grübeln und Abwägen. Nur fällt es schwer, diesen Zustand während einer depressiven Episode zu erhalten.
Ich grübel teilweise so stark, dass ich wie gelähmt im Bett liege.
Mayana
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Re: Entscheidungen treffen!

Beitrag von Mayana »

Hallo Slin,

Ja, Tagespläne für Rhythmus hatte ich auch schon, aber wenn die Depression voll da ist schaff ich nichts mehr. Selbst grübeln schaffe ich dann nicht, ich lieg oder sitze einfach nur und mache nichts mehr.
Slin97
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Re: Entscheidungen treffen!

Beitrag von Slin97 »

Hallo Mayana,

oh diesen Zustand kenne ich auch. Wie gelähmt sein, einfach nur existieren. Grausam...

Lieben Gruß
Suchende2
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Registriert: 29. Sep 2020, 08:05

Re: Entscheidungen treffen!

Beitrag von Suchende2 »

Hallo,

das kenne ich auch. Inzwischen habe ich ein paar Regeln für mich aufgestellt, die ich meistens befolge.
Das wichtigste ist jedoch das Wissen, daß ich an die wenigsten Entscheidungen lebenslänglich gebunden bin.

Für jede Entscheidung gebe ich mir nur eine bestimmte Zeit, die ich meistens einhalte.

Wenn die Entscheidung getroffen wurde, dann wurde sie getroffen. Ich untersage mir das nachgrübeln (Beispiel Entscheidung Gerät xy zu kaufen, bis es bei mir ist, zweifel ich meine Entscheidung nicht mehr an).

Ich weiß, daß ich meine Entscheidungen nach besten Wissen fälle und verurteile mich nicht, wenn die Entscheidung dann doch nicht ideal war. Zu dem Zeitpunkt war es die richtige Entscheidung im Rahmen meines Wissens, meiner Kraft und meiner Kapazitäten.

Wenn ich mich überhaupt nicht entscheiden kann, dann nehme ich "das Bekannte". Beispiel: Meinen Toaster habe ich von meiner Oma geerbt. Der hat "ewig" gehalten. Als er dann doch aufgab, kauften wir einen Toaster von derselben Marke. Der hält jetzt auch schon ewig.
Eventuell hätte es zu der Zeit bessere, günstigere Toaster gegeben. Aber dieser macht genau das, was er soll. Bei Lebensmitteln dasselbe:
Welche Nudeln? Dieselben wie letztes Mal (wenn ich mich nicht entscheiden kann), solange ich mit denen zufrieden war.

Wenn ich andere Menschen vor einer Entscheidung über deren Erfahrungen und Rat befrage, mache ich mich mit den Antworten nicht verrückt. Ich darf trotzdem etwas anderes entscheiden. Da ich ein anderer Mensch bin, kann auch etwas anderes für mich passender sein. Viel interessanter ist zu hören, warum sie für dieses oder jenes sind (ist mir das auch wichtig?).

Ich frage mich, was geschieht, wenn ich jetzt "ewig" für diese Entscheidung benötige. Was für Nachteile hätte ich dadurch? Werden diese aufgehoben durch eine Entscheidung, wenn ich mich nicht für das "Beste" entscheide. Beispiel: Schaffe ich es meine Wohnung regelmäßig zu fegen, wenn ich für die Entscheidung eines Staubsaugerroboters Wochen oder Monate benötigen würde? Oder wäre es für mich wichtiger, die Wohnung regelmäßig saugen zu lassen und dafür eventuell nur das für mich zweitbeste Modell zu haben?

Das klappt bei mir nicht immer, aber mit der Zeit und Übung immer besser. Ich habe gelernt mir zu verzeihen und mir meine Kräfte besser einzuteilen.

Alles Gute,
Suchende
Slin97
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Re: Entscheidungen treffen!

Beitrag von Slin97 »

Hallo Suchende2,

deine Worte haben mir eine Perspektive und kurzzeitge Erleichterung verschafft. Gerade sich selbst zu verzeihen fällt mir unheimlich schwer, und nach Entscheidungen mit negativen Konsequenzen quäle ich mich oft danach immer selbst. Was natürlich nichts besser macht.

Ich denke es ist genau das nachgrübeln nach einer Entscheidung das wirklich toxische.

Alles Gute dir,
Slin
AlexandreCharles
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Re: Entscheidungen treffen!

Beitrag von AlexandreCharles »

Hallo Slin97,
wirklich hilfreiches kann ich Dir gar nicht liefern: in einer akuten depressiven Phase ging bei mir jedesmal genau gar nichts. Zum Problem "Entscheidungen" komme ich dann erst gar nicht, ich liege im Bett und mache nichts mehr. Essen, duschen, was auch immer - völlige Fehlanzeige. Bisher wurde ich dann von meiner Frau jedes Mal in die Klinik gebracht - etwas anderes hätte sie auch nicht machen können.
Heute bin ich geschieden und lebe alleine. Solange keine akute depressive Episode kommt läuft alles gut - was aber diesmal passiert, sollte so eine Episode mal wieder anstehen, will ich mir gar nicht ausmalen. Das darf einfach nicht passieren, den alleine liege ich im Bett und mache nichts. Das wäre... oh je, oh je.
Möge das Schicksal diesmal gnädig mit mir sein.
Liebe Grüße
Alex
Ich bin zu alt um jung zu sterben.
Slin97
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Re: Entscheidungen treffen!

Beitrag von Slin97 »

Hallo Alex,

Ich hoffe, dass dir so eine depressive Episode nie wieder begegnen wird und du aus eigener Kraft gegen die Depression ankommst. Ich kenne diese Phasen auch, nur dachte ich, es sei ein interessantes Themenfeld. Da es bei Menschen mit Depressionen oft der Fall ist, dass sie nichts Entscheiden können.

Liebe Grüße,
Slin
AlexandreCharles
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Re: Entscheidungen treffen!

Beitrag von AlexandreCharles »

Slin97 hat geschrieben: 1. Jul 2024, 19:32 Hallo Alex,

Ich hoffe, dass dir so eine depressive Episode nie wieder begegnen wird und du aus eigener Kraft gegen die Depression ankommst. Ich kenne diese Phasen auch, nur dachte ich, es sei ein interessantes Themenfeld. Da es bei Menschen mit Depressionen oft der Fall ist, dass sie nichts Entscheiden können.

Liebe Grüße,
Slin
Oh je, bitte verstehe mich nicht falsch: es ist ein interessantes Themenfeld! Ohne Frage! Das war nur meine persönliche Erfahrung, nicht mehr: in depressiven Episoden bin ich gar nicht in der Lage, irgendwelche Entscheidungen zu treffen - nichts. Nur einmal habe ich etwas entschieden, ein einziges Mal - davon soll ich aber im Forum nichts schreiben, da Nachahmung drohen könnte. Und es war falsch von mir, nur soviel...
Ich bin zu alt um jung zu sterben.
Slin97
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Re: Entscheidungen treffen!

Beitrag von Slin97 »

Das ist ja aber auch eine Erkenntnis, dass Entscheidungen während einer depressiven Episode garnicht möglich sind. Wir also nur eine tragfähige Entscheidung treffen können, wenn wir "gesund" sind.

Ich hoffe sehr, dass du nie wieder deine besagte Entscheidung treffen wirst!

Mit vielen herzlichen Grüßen,
Slin
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