Sind das Depressionen?

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Wichita
Beiträge: 1
Registriert: 30. Sep 2023, 20:23

Sind das Depressionen?

Beitrag von Wichita »

Hallo!

Ich denke ich fange einfach mal an.
Ich bin fast Mitte dreißig, seit 14 Jahren in einer Beziehung.
Ich habe zwei Kinder (6 & 9), drei Katzen, eine hübsche große Altbauwohnung, einen praktisch neuen, abbezahlten Kombi, einen 30 Stunden/Job mit den besten Kollegen der Welt...

...und ich glaube Depressionen.

Ich weiß dass ich schonmal anders war und dass ich auch schon anders gefühlt habe, aber jetzt häuft es sich dass da solche "Blockaden" sind; ich kann es schwer erklären, aber manchmal überfordert es mich schon dass ich noch die Brotdose der Großen leeren und ihre Trinkflasche spülen muss, oder ich bin absolut nicht in der Lage online nach Gummistiefeln für den Kleinen zu gucken und allein der Gedanke daran bringt mich dazu in Tränen auszubrechen und mich einfach nur unter der Bettdecke verstecken zu wollen.

Mich überfordert das ganz normale Leben. Was in meinem persönlichen Fall gar nicht so überfordernd ist. Meine Kinder machen keine Probleme, der Kleine ist sogar ein richtiges Engelchen (gar nicht "typisch Junge"), und klar, die Große hat schon so ein paar vorpubertäre Anwandlungen, aber schulisch läuft es und über ihr Verhalten in der Öffentlichkeit kann ich mich überhaupt nicht beschweren.

Nur ich fühle mich eben die ganze Zeit niedergeschlagen, ich bin gereizt, erschöpft, ich kann mich für nichts mehr begeistern und allein bei dem Gedanken daran dass das jetzt bis zu meinem Lebensende so weitergehen wird...

Da sind immer so viele Dinge zu tun, meistens kleine Dinge, aber eben viele und ich muss die alle tun und manchmal sitze ich im Auto Richtung Schule und Kindergarten und drehe fast durch weil ich glaube das ich das was ich schon seit acht Jahren fünf Tage die Woche mache (die Kinder abholen) nicht durchstehen kann.

Natürlich ist es nicht immer so. Aber es häuft sich.
Und das passiert mir in allen möglichen Situationen oder bei den verschiedensten Aufgaben.
So eine Mischung aus Panik, Verzweiflung, ich könnte sofort losheulen und wenn ich versuche darüber nachzudenken oder es anzugehen: Blockade.

Ich sage wie es ist, gäbe es meine Kinder nicht dann gäbe es mich nicht mehr.
Sie sind aber gleichzeitig auch der Grund warum ich nicht einfach sagen kann "Scheiß drauf, ich mach jetzt nichts mehr" (und leg mich aufs Sofa).
Für sie muss die Wohnung sauber (nicht ordentlich, aber sauber!) sein, sie brauchen passende Klamotten, sie brauchen (noch) Hilfe bei der Organisation ihrer Schulsachen und bei der Körperpflege, Essen muss auf den Tisch...
Die Basics halt.

Mein Freund arbeitet die übliche 40Stunden/Woche plus Überstunden (sozialer Beruf) und sorgt dafür dass wir nicht auf jeden Cent schauen müssen; mein Job ist nicht so gut bezahlt, dafür aber stressfrei und wie erwähnt hab ich ganz wundervolle Kollegen.

Haushalt und Kinder liegen damit aber zu 100 % bei mir.
Ich schaff das, aber ich möchte es gern wieder glücklich schaffen und dabei nicht die ganze Zeit "ich pack das nicht ich pack das nicht" fühlen.

Versteht mich irgendjemand?

Wenn ich mir das hier so durchlese klingt es albern, so als würde ich mich nur anstellen, und weil ich es nicht erklären kann traue ich mich auch nicht nach Hilfe zu suchen.
Ich habe das Gefühl ich übertreibe.

Zu meinem Hausarzt kann ich nicht, das ist ein Dorfarzt kurz vor der Rente, der sieht mich höchstens wenn ich mir bei einer der Schwestern eine Krankschreibung für meine Migräne abhole.

Aber wohin dann?

Und was wenn ich wirklich nur übertreibe und es allen so geht?

Aber es hat sich schonmal gut angefühlt mir das hier von der Seele zu schreiben.

Liebe Grüße!
Wichita
GuntherBandel
Beiträge: 180
Registriert: 29. Dez 2020, 13:07

Re: Sind das Depressionen?

Beitrag von GuntherBandel »

Hallo Wichita,

es gibt verschiedene Anlaufstellen zur ersten Abklärung einer möglichen Diagnose:

- niedergelassener Psychiater/Neurologe
- Institutsambulanz einer psychiatrischen Klinik
- Sprechstunde bei einem/r Psychotherapeuten/in

Viele Grüße
G.
Suchende2
Beiträge: 1396
Registriert: 29. Sep 2020, 08:05

Re: Sind das Depressionen?

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Wichita,

Ja, ich verstehe Dich und Du übertreibst nicht.

Bitte hole Dir Hilfe. Als Ergänzung zu GuntherBandels Aufzählung: Gibt es bei Euch in der Gegend einen sozialpsychiatrischen Dienst?
Der könnte auch eine erste Anlaufstelle sein.
Würde Dir eine vorübergehende Krankschreibung helfen? Dann nutze diese Möglichkeit.
Hast Du Freunde / Familie, die Dir einzelne Aufgaben vorübergehend abnehmen können und Dir somit ein wenig "Luft" verschaffen können?

Alles Gute,
Suchende
Mayana
Beiträge: 466
Registriert: 11. Jun 2023, 01:16

Re: Sind das Depressionen?

Beitrag von Mayana »

Hallo Wichita,
Ich habe jahrelang auch so gedacht:
-Geht bestimmt allen so wie mir, nur ich stelle mich mehr an
-Was soll der Arzt da schon dran machen
-Ich würde nur den „wirklich Kranken“ einen Platz wegnehmen.

Über 10 Jahre habe ich mich so mehr oder minder durchgequält. Das hat niemand etwas gebracht, mir nicht, meiner Familie und meinen Freunden nicht und erst recht nicht diesem ominösen „richtig Kranken“, weswegen ich nie zum Arzt ging.

Ich kann dir nur raten, geh zu einem Arzt. Wenn du bei deinem jetzigen Hausarzt kein gutes Gefühl hast, geh woanders hin (habe ich damals auch gemacht). Aber lass dir nirgendwo einreden, dass das normale Reaktion auf Belastung ist wenn du selbst merkst, es ist mehr als das.
Iwnm
Beiträge: 126
Registriert: 26. Jun 2023, 14:03

Re: Sind das Depressionen?

Beitrag von Iwnm »

Hallo Wichita,
ich hab nichts Neues zu dem hinzuzufügen, was man dir schon geraten hat. Ich wiederhole nur.
Du stellst dich nicht an. Dir geht's nicht gut. Lass Fachleute entscheiden wie die Diagnose lautet und nimm jede Hilfe in Anspruch die man dir bietet. Du bist es wert, gesehen und gehört zu werden.
Hier versteht dich wahrscheinlich jede(r). Die Zweifel, die Scham, die Hoffnungslosigkeit. Bitte geh zu irgendeiner Anlaufstelle und schildere deine Symptome. Mit anderen Krankheiten geht man auch zum Arzt und Apotheker ohne sich ausreden zu wollen, dass man Symptome hat und Hilfe in Anspruch nehmen darf. Wir müssen alle endlich aufhören damit, psychische Probleme anders zu behandeln als andere Krankheiten. Bitte geh zum Arzt oder einer Beratungsstelle. Und schau hier vorbei um zu erzählen, wie es läuft. Hier werden dich viele verstehen und das tut gut.
DieNeue
Beiträge: 5831
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Sind das Depressionen?

Beitrag von DieNeue »

Hallo Wichita,

ch kann natürlich keine Diagnose stellen, aber für mich hört sich das sehr nach Depression an. Vor allem diese Blockaden bei den kleinsten Sachen kenne ich nur zu gut. Es lähmt einen so. Ich stand mal vor dem Herd und war nicht mehr in der Lage, das Schnitzel in die Pfanne zu legen. Ich musste dann die Pfanne wegstellen, weil es einfach nicht ging. Ich bin berentet wegen Depressionen und die Menge an kleinen Sachen, die man erledigen muss, empfinde ich auch oft überfordernd. Es hört einfach nicht auf und man wird nie fertig. Dabei habe ich nur Verantwortung für mich alleine und wenig Stress von außen.

Wenn du nicht zu deinem Hausarzt gehen möchtest, würde ich zu einem anderen gehen. Ansonsten kannst du auch bei einem Psychiater einen Termin ausmachen.
Es ist nicht albern, was du schreibst und es geht nicht allen Leuten so.

Liebe Grüße,
DieNeue
MaWe
Beiträge: 182
Registriert: 8. Feb 2020, 10:03

Re: Sind das Depressionen?

Beitrag von MaWe »

Klingt für mich auch sehr nach Depression. Geh am besten zu dem Hausarzt und sag ihm, dass du ein SSRI-Antidepressivum verschrieben haben willst, das ist heute die erste Wahl bei Depressionen und auch anderen psychischen Störungen. Wenn du ihm deine Symptome beschreibst, kann er das eigentlich nicht ablehnen. Und wenn alles optimal läuft geht es dir vielleicht schon kurze Zeit später wesentlich besser. Das wäre der Rat für eine schnelle erste Hilfe.

Trotzdem solltest du dich auch nach einer Psychotherapie umsehen, damit du auch langfristig mit deinen Problemen zurecht kommst.

Beste Grüße,
MaWe
AlexandreCharles
Beiträge: 61
Registriert: 17. Jun 2024, 06:11
Wohnort: Emmendingen

Re: Sind das Depressionen?

Beitrag von AlexandreCharles »

Hallo Wichita,
Hallo MaWe,

Ich bin kein Arzt und kein Therapeut, ich kann nur von meinen persönlichen Erfahrungen schreiben. Mein erster Kontakt zu meiner Depression - ich hatte damals keine Ahnung was das sein sollte - führte mich zum Hausarzt. Dort bekam ich SSRI verschrieben, womit das Thema für den Hausarzt erledigt war: wird schon wieder werden. Bei mir wirkten die Medikamente jedoch überhaupt nicht, es wurde immer schlimmer und am Ende brachte mich meine damalige Frau in die Uniklinik: ich lag nur noch im Bett, konnte nicht reden oder essen und durchlebte die Hölle. Medikamente können ein wichtiger Baustein sein, aber welches davon bei welchem Patienten eine ausreichende Wirkung entfaltet kann nur durch ausprobieren herausgefunden werden. Und SSRI können kritische Konsequenzen haben: häufig kommt zuerst der Antrieb wieder, erst verzögert wird die Stimmung besser. Da kann auch in Einzelfällen mal etwas ganz schlimmes passieren, persönlich habe ich einige Studien gelesen über Suizidversuch unter dem beginnenden Effekt eines neu eingenommen SSRI - ich rate daher persönlich immer zur Einnahme unter der Begleitung durch einen Facharzt (noch besser wäre ein klinisches Setup, aber das ist vielleicht auch übertrieben vorsichtig).
Wie vorher bereits zahlreich erwähnt wurde sind begleitende Therapeuten auch ein Baustein auf dem Weg aus der Depression, den ich persönlich unbedingt empfehlen würde. Betroffene brauchen Hilfe beim Erlernen von Symptomen und dem Umgang mit der Erkrankung, da sind Therapien zeitlich breiter aufgestellt aus nur Facharztbesuche.

Liebe MaWe, ich hoffe Du bist mir jetzt nicht böse. Ich wollte Dir nicht widersprechen, nur meine kritischen Gedanken basierend auf meinen persönlichen Erfahrungen hinzufügen.

Liebe Grüße Alex
Ich bin zu alt um jung zu sterben.
MaWe
Beiträge: 182
Registriert: 8. Feb 2020, 10:03

Re: Sind das Depressionen?

Beitrag von MaWe »

@ AlexandreCharles

Nein, bin nicht böse. Du hast ja völlig recht: Eine Garantie, dass Antidepressiva wirken, gibt es nicht. Ich wollte Wichita nur einen schnellen Weg aufzeigen, der eine gute Chance bietet, ihre Situation zu verbessern.
Die Erhöhung der Suizidgefahr, die ab und zu auftritt, sollte man schon beachten, da hast du auch Recht. Gut ist es, wenn der/die Patient*in vorher aufgeklärt wird, und sich dann beim Behandler meldet, wenn ein stärkerer Drang, sich etwas anzutun, auftreten sollte. Man sollte aber bei den Antidepressiva auch nicht zu vorsichtig und ängstlich sein; das Chance-Risiko-Verhältnis ist insgesamt sehr gut.

MaWe
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