Seite 1 von 1

Offener Umgang und Akzeptanz der Krankheit?!

Verfasst: 5. Jun 2024, 08:08
von nachregenkommtsonne
Guten Morgen,
das ist mein erster Foreneintrag…
Obwohl ich (30) schon seit dem ich 13 bin mit rezidivierenden Depressionen und anderen Diagnosen zu kämpfen habe, war ich eigentlich immer hochfunktional (bis auf Ausnahmen).
Aktuell habe ich eine schwierige Phase ausgelöst durch meine Arbeitsbedingungen und privaten Stress.
Mir wird gerade das erste Mal bewusst, dass die Erkrankung was für mich und mein Leben und auch meine Zukunft bedeutet. Ich funktioniere gerade nicht mehr und kann so nicht arbeiten gehen, da ich super dünnhäutig bin, oft halb am dissoziieren, weinen muss etc.
Ich will arbeiten und ich will nicht krank sein und ich möchte auch nicht ein bisschen behindert sein. Aber leider sind das Fakten, gegen die ich mich wehre. Wie habt ihr es geschafft, das anzunehmen? Ich habe Angst davor, mich damit „kränker zu machen“ als ich bin.
Ich habe einen GdB von 50, einen Pflegegrad und war tatsächlich beim Integrationsfachdienst, um zu schauen, wie es auf der Arbeit weiter gehen kann.
Einerseits, weiß ich, dass es vernünftig ist (wahrscheinlich) auf der Arbeit mit offenen Karten zu spielen, anderseits will ich auch einfach eine normale und gesunde Angestellte sein, die keine Probleme macht.
Hat hier jemand Erfahrungen und vielleicht Tipps, wie ich mich damit anfreunden kann und ist der Integrationsfachdienst und das damit eingehende „sich dem Arbeitgeber öffnen“ hilfreich?
Liebe Grüße und Danke

Re: Offener Umgang und Akzeptanz der Krankheit?!

Verfasst: 5. Jun 2024, 09:47
von GuntherBandel
Hallo,

ich habe mich bei meinem direkten Team und meinem Chef geöffnet (da ich Vertrauen zu direkten Kollegen und Chef habe), aber nicht mit Diagnosen, sondern "nur" dass ich in der Bezirksklinik war und aktuell in Psychotherapie bin.
Ich habe damit gute Erfahrungen gemacht. Bezüglich Integrationsdienst kann ich nichts sagen, da ich hier keine Berührungspunkte habe bisher.
Habe auch noch keinen GdB.

Viele Grüße
G.

Re: Offener Umgang und Akzeptanz der Krankheit?!

Verfasst: 5. Jun 2024, 11:41
von Athinia82
nachregenkommtsonne hat geschrieben: 5. Jun 2024, 08:08 Guten Morgen,
das ist mein erster Foreneintrag…
Obwohl ich (30) schon seit dem ich 13 bin mit rezidivierenden Depressionen und anderen Diagnosen zu kämpfen habe, war ich eigentlich immer hochfunktional (bis auf Ausnahmen).
Aktuell habe ich eine schwierige Phase ausgelöst durch meine Arbeitsbedingungen und privaten Stress.
Mir wird gerade das erste Mal bewusst, dass die Erkrankung was für mich und mein Leben und auch meine Zukunft bedeutet. Ich funktioniere gerade nicht mehr und kann so nicht arbeiten gehen, da ich super dünnhäutig bin, oft halb am dissoziieren, weinen muss etc.
Ich will arbeiten und ich will nicht krank sein und ich möchte auch nicht ein bisschen behindert sein. Aber leider sind das Fakten, gegen die ich mich wehre. Wie habt ihr es geschafft, das anzunehmen? Ich habe Angst davor, mich damit „kränker zu machen“ als ich bin.
Ich habe einen GdB von 50, einen Pflegegrad und war tatsächlich beim Integrationsfachdienst, um zu schauen, wie es auf der Arbeit weiter gehen kann.
Einerseits, weiß ich, dass es vernünftig ist (wahrscheinlich) auf der Arbeit mit offenen Karten zu spielen, anderseits will ich auch einfach eine normale und gesunde Angestellte sein, die keine Probleme macht.
Hat hier jemand Erfahrungen und vielleicht Tipps, wie ich mich damit anfreunden kann und ist der Integrationsfachdienst und das damit eingehende „sich dem Arbeitgeber öffnen“ hilfreich?
Liebe Grüße und Danke
Ich kann das einerseits verstehen, denn niemand ist gerne krank. Das ist ja kein Hobby und auch nichts "Cooles".
Andererseits frag dich aber mal, was du davon hättest, wenn du jetzt wie ein gesunder Mensch behandelt werden würdest. Die Anforderungen an dich wären wahrscheinlich viel zu hoch. Die Erkrankung kannst du leider nicht einfach abschalten oder beiseite schieben, sie wird dich leider ständig begleiten. Wenn du versuchst, sie zu ignorieren und einfach weitermachst als wäre nichts, kommt irgendwann der große Zusammenbruch und dann geht es dir noch beschissener. Dann geht nichts mehr, dann war es das. Das willst du nicht. Sei lieb zu dir selbst und kümmere dich um dich selbst. Achte auf deine Grenzen und was aktuell nicht geht, geht eben nicht. Das heißt ja nicht, dass es dir nicht wieder besser gehen kann irgendwann.

Bitte pass auf dich auf.

Re: Offener Umgang und Akzeptanz der Krankheit?!

Verfasst: 5. Jun 2024, 15:08
von nachregenkommtsonne
GuntherBandel hat geschrieben: 5. Jun 2024, 09:47 Hallo,

ich habe mich bei meinem direkten Team und meinem Chef geöffnet (da ich Vertrauen zu direkten Kollegen und Chef habe), aber nicht mit Diagnosen, sondern "nur" dass ich in der Bezirksklinik war und aktuell in Psychotherapie bin.
Ich habe damit gute Erfahrungen gemacht. Bezüglich Integrationsdienst kann ich nichts sagen, da ich hier keine Berührungspunkte habe bisher.
Habe auch noch keinen GdB.

Viele Grüße
G.
Hallo G.,
danke, dass du mir Mut machst und es freut mich sehr, dass du gute Erfahrungen mit deiner Offenheit gemacht hast. Darf ich fragen, warum du dich dagegen entschieden hast genaue Diagnosen zu nennen? Ich habe Angst davor, dass sich die Menschen dann Dinge denken, die nicht stimmen und bin am überlegen auch die Diagnosen offen zu legen, einfach, damit die mich besser verstehen können..aber bin halt Seeehr unsicher.
Liebe Grüße

Re: Offener Umgang und Akzeptanz der Krankheit?!

Verfasst: 5. Jun 2024, 15:10
von nachregenkommtsonne
Athinia82 hat geschrieben: 5. Jun 2024, 11:41
nachregenkommtsonne hat geschrieben: 5. Jun 2024, 08:08 Guten Morgen,
das ist mein erster Foreneintrag…
Obwohl ich (30) schon seit dem ich 13 bin mit rezidivierenden Depressionen und anderen Diagnosen zu kämpfen habe, war ich eigentlich immer hochfunktional (bis auf Ausnahmen).
Aktuell habe ich eine schwierige Phase ausgelöst durch meine Arbeitsbedingungen und privaten Stress.
Mir wird gerade das erste Mal bewusst, dass die Erkrankung was für mich und mein Leben und auch meine Zukunft bedeutet. Ich funktioniere gerade nicht mehr und kann so nicht arbeiten gehen, da ich super dünnhäutig bin, oft halb am dissoziieren, weinen muss etc.
Ich will arbeiten und ich will nicht krank sein und ich möchte auch nicht ein bisschen behindert sein. Aber leider sind das Fakten, gegen die ich mich wehre. Wie habt ihr es geschafft, das anzunehmen? Ich habe Angst davor, mich damit „kränker zu machen“ als ich bin.
Ich habe einen GdB von 50, einen Pflegegrad und war tatsächlich beim Integrationsfachdienst, um zu schauen, wie es auf der Arbeit weiter gehen kann.
Einerseits, weiß ich, dass es vernünftig ist (wahrscheinlich) auf der Arbeit mit offenen Karten zu spielen, anderseits will ich auch einfach eine normale und gesunde Angestellte sein, die keine Probleme macht.
Hat hier jemand Erfahrungen und vielleicht Tipps, wie ich mich damit anfreunden kann und ist der Integrationsfachdienst und das damit eingehende „sich dem Arbeitgeber öffnen“ hilfreich?
Liebe Grüße und Danke
Ich kann das einerseits verstehen, denn niemand ist gerne krank. Das ist ja kein Hobby und auch nichts "Cooles".
Andererseits frag dich aber mal, was du davon hättest, wenn du jetzt wie ein gesunder Mensch behandelt werden würdest. Die Anforderungen an dich wären wahrscheinlich viel zu hoch. Die Erkrankung kannst du leider nicht einfach abschalten oder beiseite schieben, sie wird dich leider ständig begleiten. Wenn du versuchst, sie zu ignorieren und einfach weitermachst als wäre nichts, kommt irgendwann der große Zusammenbruch und dann geht es dir noch beschissener. Dann geht nichts mehr, dann war es das. Das willst du nicht. Sei lieb zu dir selbst und kümmere dich um dich selbst. Achte auf deine Grenzen und was aktuell nicht geht, geht eben nicht. Das heißt ja nicht, dass es dir nicht wieder besser gehen kann irgendwann.

Bitte pass auf dich auf.
Ganz vielen lieben Dank für die Worte und die Erinnerung. Mir fällt das total schwer..aber mein gesunder Teil weiß, dass da so viel Wahrheit drin steckt. Danke! Ich werde mir einen Screenshot von deiner Antwort machen und ihn mir anschauen, wenn ich bemerke, dass ich wieder über meine Grenzen gehe.
Danke!

Re: Offener Umgang und Akzeptanz der Krankheit?!

Verfasst: 5. Jun 2024, 15:34
von GuntherBandel
nachregenkommtsonne hat geschrieben: 5. Jun 2024, 15:08
GuntherBandel hat geschrieben: 5. Jun 2024, 09:47 Hallo,

ich habe mich bei meinem direkten Team und meinem Chef geöffnet (da ich Vertrauen zu direkten Kollegen und Chef habe), aber nicht mit Diagnosen, sondern "nur" dass ich in der Bezirksklinik war und aktuell in Psychotherapie bin.
Ich habe damit gute Erfahrungen gemacht. Bezüglich Integrationsdienst kann ich nichts sagen, da ich hier keine Berührungspunkte habe bisher.
Habe auch noch keinen GdB.

Viele Grüße
G.
Hallo G.,
danke, dass du mir Mut machst und es freut mich sehr, dass du gute Erfahrungen mit deiner Offenheit gemacht hast. Darf ich fragen, warum du dich dagegen entschieden hast genaue Diagnosen zu nennen? Ich habe Angst davor, dass sich die Menschen dann Dinge denken, die nicht stimmen und bin am überlegen auch die Diagnosen offen zu legen, einfach, damit die mich besser verstehen können..aber bin halt Seeehr unsicher.
Liebe Grüße
Hallo,

bewußt dagegen entschieden habe ich mich nicht. Es hat sich eher so ergeben. Die Kollegen wollten eher nur allgemein wissen, wie es mir geht und haben nicht näher nachgefragt, was ich genau habe. Angst davor, was sie denken könnten, habe ich nicht. Und verhindern kann man das denk ich auch nicht, wenn man die Diagnosen nennt, dass manche Menschen sich dann etwas darüber zusammenreimen.
Mein Chef zum Beispiel hat einen Partner, der einen Burnout hatte. Zudem ist der Jüngste in unserem Team 39.
Das soll jetzt nicht die jüngere Generation abwerten, aber ich denke, dass ich meinem Team vielleicht alle schon mal gewisse
Berührungspunkte mit Menschen mit psychischen Problemen hatten und habe einfach Vertrauen zu meinem Team.
Wir sind auch mit Chef nur 7 Leute, also ein eher überschaubares Team.
Der entscheidende Faktor, warum ich mich geöffnet habe war das Vertrauen in die Kollegen.
Hätte ich das nicht gehabt, wäre ich ggf. auch vorsichtiger gewesen.
Andererseits denke ich, dass aus meiner Sicht das Verstecken spielen auch anstrengend ist. Aber ich kann es natürlich verstehen, wenn man Angst
vor Konsequenzen hat. Ich habe das Glück, dass mein Arbeitgeber zu dem Thema Work-Life-Balance und zum Thema Umgang mit erkrankten Mitarbeitern u.a. eine eher wohlwollende
Stellung für die Mitarbeiter einnimmt.

Viele Grüße
G.

Re: Offener Umgang und Akzeptanz der Krankheit?!

Verfasst: 5. Jun 2024, 15:53
von Überdosis
Hallo nachregenkommtsonne,

solange du selbst nicht bereit bist, deine Erkrankungen zu respektieren und diese anzunehmen wird es schwer wieder stabiler zu werden.

Bei mir war es lange so, dass die Leute und auch meine Eltern mir die Schuld gaben, wenn es mir depressionsbedingt nicht gut ging.
"Dir geht es doch immer schlecht", "Es liegt doch nur an dir selbst" , "Du stellst dich an", "Jedem geht es mal schlecht".

All diese Worte sorgten bei mir für, dass ich mich völlig verausgabt habe und mehr leistete, wie ich konnte und auch mich nicht traute damit aufzuhören, als die Depression immer schlimmer wurde und über ein Jahr gar nicht mehr weg ging, sondern tagein tagaus wütete...
Solange bis ich zusammenbrach.

Klick hat es bei mir dann erst gemacht als ich durch Arbeitskollegen in in die Klinik geschickt wurde und ich mich dort mit anderen depressiven austausche.
Ich merkte, die haben die selben Probleme wie ich, dass meine "Probleme" in Wahrheit Symptome der Depression sind für die ich nichts kann.

Verlangt man bei jemanden der einen Schnupfen hat, dass der voll funktionieren soll oder gar aufhört zu niesen?
Würde man es, würde der einem wahrscheinlich einen Vogel einem zeigen, weil das Schwachsinn ist es zu verlangen.

Frage dich, was geht und was nicht geht und respektiere es, wenn etwas dann mal nicht geht.
Nur weil es jetzt nicht geht, muss es nicht für immer nicht gehen.

Das hat mir halt so geholfen die Erkrankung anzunehmen.


Ob es dem Arbeitgeber sagen oder nicht, würde ich davon abhängig machen, ob du Probleme wegen der Erkrankung hast oder nicht.
Läuft alles, ohne, dass du dich dabei kaputt machst gut, würde ich wohl noch warten.

Bei mir war es so, dass ich richtig oft ins Büro zum Chef gerufen wurde, dort Ärger bekam, weil ich depressionsbedingt nicht mehr vernünftig arbeiten konnte.
Auch nach Urlauben oder mitunter 6 wöchigen AUs wurde es nicht besser.
Ich riss mir wirklich ein Bein aus und gab alles was ich konnte, brachte trotzdem nichts, die Depression haute einfach voll rein.
Letztlich öffnete ich mich dann, weil ich sonst wohmöglich noch meinen Job verloren hätte.
Manche Kollegen lästern darüber, die Leitung zeigt sich mittlerweile verständnisvoll und kam mir bezüglich der Arbeitsbedingungen auch sehr entgegen.... wahrscheinlich aber auch nur, weil es zuvor in AUs meinerseits endete und sie so vermeiden wollen, dass ich wieder länger zusammenklappe und die anderen Kollegen dadurch Mehrarbeit leisten müssen.


Liebe Grüße

Re: Offener Umgang und Akzeptanz der Krankheit?!

Verfasst: 5. Jun 2024, 16:54
von nachregenkommtsonne
Hallo an alle,
vielleicht nochmal kurz zur Erklärung: ich bin aktuell krankgeschrieben. Wollte eigentlich am Montag wieder arbeiten gehen, aber ich stand davor und musste einfach weinen und bin jetzt weiter krankgeschrieben.
Habe leider vorher alle Frühwarnzeichen gekonnt ignoriert und habe auch ständig diese Stimme im Kopf, die sagt, dass ich mich „nur mehr zusammenreißen muss“..nervig.
Und nun bin ich eben am überlegen, offen mit der Erkrankung umzugehen, damit ich eventuell auch mehr Pausen etc. bekommen kann durch den Integrationsfachdienst. Aber Fakt ist auch: Der Arbeitsplatz bringt viele Stressoren mit sich, die sich nicht umgehen lassen.. aber ich will mich auch nicht so sehr einschränken lassen von der doofen Depression, weil zwischendurch ist es ja gut und ich bin hochfunktional..

Re: Offener Umgang und Akzeptanz der Krankheit?!

Verfasst: 5. Jun 2024, 19:10
von Pimpinelle
Hallo nachregenkommtsonne,

der Gedanken "Ich muss mich nur mehr zusammenreißen" kommt mir bekannt vor, gern in Kombi mit "wenn ich mehr mache und mehr Leistung erbringe, geht es mir auch gleich besser!"
Dann reiße ich mich zusammen und dann geht es eine Weile und dann bricht wieder alles zusammen.
Mir fällt auf, je mehr Runden ich durchs tiefe Tal drehe, umso mehr Spuren hinterlässt es. Gestern wurde mir ärztlich gesagt, ich kann Sie fragen, wie lange Sie das eigentlich noch machen möchten, aber die Entscheidung müssen Sie treffen.

Ich glaube, jeder kann das nur für sich allein entscheiden und jeder Prozess, egal wie man entscheidet, braucht unterschiedlich viel Zeit. Das hängt vielleicht auch vom Leidensdruck ab und vielleicht von allem, was gefühlt daran hängt? Bei mir hängt viel daran, aber ich akzeptiere es jetzt (na so zu 97%...)

Der Chefetage habe ich zur Krankschreibung auch eine Teildiagnose kommuniziert. Ob das gut war, weiß ich nicht, das ist bei mir typbedingt und ich fühle mich verantwortlich für den unkonzentrierten Murks. Von oben erhalte ich eher positive Stärkung - was mit Sicherheit auch Grenzen haben wird. Dennoch danke ich es.

Wo der Weg hingeht, weiß ich jetzt nicht so genau. Du schreibst ja, du erkennst, "dass die Erkrankung was für dich und dein Leben und auch deine Zukunft bedeutet". Vor diesem letzten Teil habe ich immer große Angst gehabt, aber andererseits denke ich, wenn ich das schon vorher akzeptiert hätte, hätte ich vielleicht schon ganz andere, hilfreichere Wege gehen können? Man weiß es nicht.

Alles Gute, und dass du die für dich und deine Gesundheit guten Wege findest, lieben Gruß,
Pimpinelle

PS: Ich mag deinen Forennamen, er macht Mut!

Re: Offener Umgang und Akzeptanz der Krankheit?!

Verfasst: 7. Jun 2024, 06:50
von nachregenkommtsonne
Überdosis hat geschrieben: 5. Jun 2024, 15:53 Hallo nachregenkommtsonne,

solange du selbst nicht bereit bist, deine Erkrankungen zu respektieren und diese anzunehmen wird es schwer wieder stabiler zu werden.

Bei mir war es lange so, dass die Leute und auch meine Eltern mir die Schuld gaben, wenn es mir depressionsbedingt nicht gut ging.
"Dir geht es doch immer schlecht", "Es liegt doch nur an dir selbst" , "Du stellst dich an", "Jedem geht es mal schlecht".

All diese Worte sorgten bei mir für, dass ich mich völlig verausgabt habe und mehr leistete, wie ich konnte und auch mich nicht traute damit aufzuhören, als die Depression immer schlimmer wurde und über ein Jahr gar nicht mehr weg ging, sondern tagein tagaus wütete...
Solange bis ich zusammenbrach.

Klick hat es bei mir dann erst gemacht als ich durch Arbeitskollegen in in die Klinik geschickt wurde und ich mich dort mit anderen depressiven austausche.
Ich merkte, die haben die selben Probleme wie ich, dass meine "Probleme" in Wahrheit Symptome der Depression sind für die ich nichts kann.

Verlangt man bei jemanden der einen Schnupfen hat, dass der voll funktionieren soll oder gar aufhört zu niesen?
Würde man es, würde der einem wahrscheinlich einen Vogel einem zeigen, weil das Schwachsinn ist es zu verlangen.

Frage dich, was geht und was nicht geht und respektiere es, wenn etwas dann mal nicht geht.
Nur weil es jetzt nicht geht, muss es nicht für immer nicht gehen.

Das hat mir halt so geholfen die Erkrankung anzunehmen.


Ob es dem Arbeitgeber sagen oder nicht, würde ich davon abhängig machen, ob du Probleme wegen der Erkrankung hast oder nicht.
Läuft alles, ohne, dass du dich dabei kaputt machst gut, würde ich wohl noch warten.

Bei mir war es so, dass ich richtig oft ins Büro zum Chef gerufen wurde, dort Ärger bekam, weil ich depressionsbedingt nicht mehr vernünftig arbeiten konnte.
Auch nach Urlauben oder mitunter 6 wöchigen AUs wurde es nicht besser.
Ich riss mir wirklich ein Bein aus und gab alles was ich konnte, brachte trotzdem nichts, die Depression haute einfach voll rein.
Letztlich öffnete ich mich dann, weil ich sonst wohmöglich noch meinen Job verloren hätte.
Manche Kollegen lästern darüber, die Leitung zeigt sich mittlerweile verständnisvoll und kam mir bezüglich der Arbeitsbedingungen auch sehr entgegen.... wahrscheinlich aber auch nur, weil es zuvor in AUs meinerseits endete und sie so vermeiden wollen, dass ich wieder länger zusammenklappe und die anderen Kollegen dadurch Mehrarbeit leisten müssen.


Liebe Grüße
Hallo,

Danke für deine Antwort. Ja. So ist es bei mir auch. Ich gebe mir selber immer wieder die Schuld..

Es ist so schwer das anzunehmen. Wie schön, dass du das geschafft hast! Ich schwanke aktuell ständig zwischen annehmen und verleugnen..

Kommst du denn trotzdem mit den KollegenInnen klar? Wie gehst du damit um, dass sie über dich reden?

Liebe Grüße

Re: Offener Umgang und Akzeptanz der Krankheit?!

Verfasst: 7. Jun 2024, 06:53
von nachregenkommtsonne
Hallo G.,

danke für die Antwort.

Wie schaffst du es, dass dir egal ist, was die KollegenInnen denken?
Das freut mich für dich, dass zumindest dein Arbeitgeber hinter dir steht! 🙂

Liebe Grüße
GuntherBandel hat geschrieben: 5. Jun 2024, 15:34
nachregenkommtsonne hat geschrieben: 5. Jun 2024, 15:08
GuntherBandel hat geschrieben: 5. Jun 2024, 09:47 Hallo,

ich habe mich bei meinem direkten Team und meinem Chef geöffnet (da ich Vertrauen zu direkten Kollegen und Chef habe), aber nicht mit Diagnosen, sondern "nur" dass ich in der Bezirksklinik war und aktuell in Psychotherapie bin.
Ich habe damit gute Erfahrungen gemacht. Bezüglich Integrationsdienst kann ich nichts sagen, da ich hier keine Berührungspunkte habe bisher.
Habe auch noch keinen GdB.

Viele Grüße
G.
Hallo G.,
danke, dass du mir Mut machst und es freut mich sehr, dass du gute Erfahrungen mit deiner Offenheit gemacht hast. Darf ich fragen, warum du dich dagegen entschieden hast genaue Diagnosen zu nennen? Ich habe Angst davor, dass sich die Menschen dann Dinge denken, die nicht stimmen und bin am überlegen auch die Diagnosen offen zu legen, einfach, damit die mich besser verstehen können..aber bin halt Seeehr unsicher.
Liebe Grüße
Hallo,

bewußt dagegen entschieden habe ich mich nicht. Es hat sich eher so ergeben. Die Kollegen wollten eher nur allgemein wissen, wie es mir geht und haben nicht näher nachgefragt, was ich genau habe. Angst davor, was sie denken könnten, habe ich nicht. Und verhindern kann man das denk ich auch nicht, wenn man die Diagnosen nennt, dass manche Menschen sich dann etwas darüber zusammenreimen.
Mein Chef zum Beispiel hat einen Partner, der einen Burnout hatte. Zudem ist der Jüngste in unserem Team 39.
Das soll jetzt nicht die jüngere Generation abwerten, aber ich denke, dass ich meinem Team vielleicht alle schon mal gewisse
Berührungspunkte mit Menschen mit psychischen Problemen hatten und habe einfach Vertrauen zu meinem Team.
Wir sind auch mit Chef nur 7 Leute, also ein eher überschaubares Team.
Der entscheidende Faktor, warum ich mich geöffnet habe war das Vertrauen in die Kollegen.
Hätte ich das nicht gehabt, wäre ich ggf. auch vorsichtiger gewesen.
Andererseits denke ich, dass aus meiner Sicht das Verstecken spielen auch anstrengend ist. Aber ich kann es natürlich verstehen, wenn man Angst
vor Konsequenzen hat. Ich habe das Glück, dass mein Arbeitgeber zu dem Thema Work-Life-Balance und zum Thema Umgang mit erkrankten Mitarbeitern u.a. eine eher wohlwollende
Stellung für die Mitarbeiter einnimmt.

Viele Grüße
G.

Re: Offener Umgang und Akzeptanz der Krankheit?!

Verfasst: 7. Jun 2024, 07:00
von nachregenkommtsonne
Hallo Pimpinelle,

„Dann reiße ich mich zusammen und dann geht es eine Weile und dann bricht wieder alles zusammen.“ Das kenne ich so gut und bisher habe ich auch so gelebt. Funktioniert, bis es nicht mehr ging. Und dann irgendwann wieder so weiter gemacht.

Ich glaube und weiß aber auch, dass ich das nicht für den Rest meines Lebens so will. Ich möchte nicht nur funktionieren und mich immer wieder aufopfern für die Arbeit und durch die krassen Überforderungen wieder in der Depression zu landen.

Leider weiß sich wirklich einfach nicht, was die Lösung ist. Es gibt so viele Möglichkeiten. Klinik, Reha, zusammenreißen und weiter funktionieren oder mich halt öffnen und mit der Schwerbehindertenvertretung und dem Integrationsfachdienst und meinem Arbeitgeber zusammen Lösungen zu suchen. Für den letzten Punkt müsste ich es aber halt hinbekommen bereit zu sein offen mit der Erkrankung umzugehen und anzuerkennen, dass ich eingeschränkt bin und Hilfe brauche.

Wie ist das denn bei dir aktuell? Gehst du gerade arbeiten?

Danke für das liebe Kompliment.

Liebe Grüße und ich wünsche dir auch alles Gute, viel Kraft und Zuversicht!
Pimpinelle hat geschrieben: 5. Jun 2024, 19:10 Hallo nachregenkommtsonne,

der Gedanken "Ich muss mich nur mehr zusammenreißen" kommt mir bekannt vor, gern in Kombi mit "wenn ich mehr mache und mehr Leistung erbringe, geht es mir auch gleich besser!"
Dann reiße ich mich zusammen und dann geht es eine Weile und dann bricht wieder alles zusammen.
Mir fällt auf, je mehr Runden ich durchs tiefe Tal drehe, umso mehr Spuren hinterlässt es. Gestern wurde mir ärztlich gesagt, ich kann Sie fragen, wie lange Sie das eigentlich noch machen möchten, aber die Entscheidung müssen Sie treffen.

Ich glaube, jeder kann das nur für sich allein entscheiden und jeder Prozess, egal wie man entscheidet, braucht unterschiedlich viel Zeit. Das hängt vielleicht auch vom Leidensdruck ab und vielleicht von allem, was gefühlt daran hängt? Bei mir hängt viel daran, aber ich akzeptiere es jetzt (na so zu 97%...)

Der Chefetage habe ich zur Krankschreibung auch eine Teildiagnose kommuniziert. Ob das gut war, weiß ich nicht, das ist bei mir typbedingt und ich fühle mich verantwortlich für den unkonzentrierten Murks. Von oben erhalte ich eher positive Stärkung - was mit Sicherheit auch Grenzen haben wird. Dennoch danke ich es.

Wo der Weg hingeht, weiß ich jetzt nicht so genau. Du schreibst ja, du erkennst, "dass die Erkrankung was für dich und dein Leben und auch deine Zukunft bedeutet". Vor diesem letzten Teil habe ich immer große Angst gehabt, aber andererseits denke ich, wenn ich das schon vorher akzeptiert hätte, hätte ich vielleicht schon ganz andere, hilfreichere Wege gehen können? Man weiß es nicht.

Alles Gute, und dass du die für dich und deine Gesundheit guten Wege findest, lieben Gruß,
Pimpinelle

PS: Ich mag deinen Forennamen, er macht Mut!

Re: Offener Umgang und Akzeptanz der Krankheit?!

Verfasst: 7. Jun 2024, 10:33
von Suchende2
Hallo nachregenkommtsonne,

ich bin von Anfang an offen damit bei den Vorgesetzten umgegangen (habe es allerdings als Burn Out bezeichnet).
Mein Betriebsrat und meine Schwerbehindertenvertretung konnten damit super umgehen.
Mein direkter Vorgesetzter nicht. Er war sehr jung und hat "Schwäche" nicht akzeptiert. Wer Schwäche zeigt, hat in der Firma nichts zu suchen.
Bei anderen direkten Vorgesetzten in der Firma wäre es besser gelaufen.

Du musst schauen, was für Kollegen und Vorgesetzte Du hast und davon Deine Entscheidung abhängig machen.

Ich persönlich bin für offenen Umgang, werde aber nach dieser Erfahrung in Zukunft etwas vorsichtiger sein.

Alles Gute,
Suchende

Re: Offener Umgang und Akzeptanz der Krankheit?!

Verfasst: 7. Jun 2024, 10:50
von GuntherBandel
nachregenkommtsonne hat geschrieben: 7. Jun 2024, 06:53 Hallo G.,

danke für die Antwort.

Wie schaffst du es, dass dir egal ist, was die KollegenInnen denken?
Das freut mich für dich, dass zumindest dein Arbeitgeber hinter dir steht! 🙂

Liebe Grüße
GuntherBandel hat geschrieben: 5. Jun 2024, 15:34
nachregenkommtsonne hat geschrieben: 5. Jun 2024, 15:08

Hallo G.,
danke, dass du mir Mut machst und es freut mich sehr, dass du gute Erfahrungen mit deiner Offenheit gemacht hast. Darf ich fragen, warum du dich dagegen entschieden hast genaue Diagnosen zu nennen? Ich habe Angst davor, dass sich die Menschen dann Dinge denken, die nicht stimmen und bin am überlegen auch die Diagnosen offen zu legen, einfach, damit die mich besser verstehen können..aber bin halt Seeehr unsicher.
Liebe Grüße
Hallo,

bewußt dagegen entschieden habe ich mich nicht. Es hat sich eher so ergeben. Die Kollegen wollten eher nur allgemein wissen, wie es mir geht und haben nicht näher nachgefragt, was ich genau habe. Angst davor, was sie denken könnten, habe ich nicht. Und verhindern kann man das denk ich auch nicht, wenn man die Diagnosen nennt, dass manche Menschen sich dann etwas darüber zusammenreimen.
Mein Chef zum Beispiel hat einen Partner, der einen Burnout hatte. Zudem ist der Jüngste in unserem Team 39.
Das soll jetzt nicht die jüngere Generation abwerten, aber ich denke, dass ich meinem Team vielleicht alle schon mal gewisse
Berührungspunkte mit Menschen mit psychischen Problemen hatten und habe einfach Vertrauen zu meinem Team.
Wir sind auch mit Chef nur 7 Leute, also ein eher überschaubares Team.
Der entscheidende Faktor, warum ich mich geöffnet habe war das Vertrauen in die Kollegen.
Hätte ich das nicht gehabt, wäre ich ggf. auch vorsichtiger gewesen.
Andererseits denke ich, dass aus meiner Sicht das Verstecken spielen auch anstrengend ist. Aber ich kann es natürlich verstehen, wenn man Angst
vor Konsequenzen hat. Ich habe das Glück, dass mein Arbeitgeber zu dem Thema Work-Life-Balance und zum Thema Umgang mit erkrankten Mitarbeitern u.a. eine eher wohlwollende
Stellung für die Mitarbeiter einnimmt.

Viele Grüße
G.
Hallo,

die Kollegen/-innen sind keine mir nahestehenden Personen.
Daher ist es mir nicht wichtig, was sie über mich denken.
Wir arbeiten zusammen, haben aber sonst keine Berührungspunkte.

Viele Grüße
G.

Re: Offener Umgang und Akzeptanz der Krankheit?!

Verfasst: 7. Jun 2024, 11:06
von GuntherBandel
nachregenkommtsonne hat geschrieben: 7. Jun 2024, 06:50
Überdosis hat geschrieben: 5. Jun 2024, 15:53 Hallo nachregenkommtsonne,

solange du selbst nicht bereit bist, deine Erkrankungen zu respektieren und diese anzunehmen wird es schwer wieder stabiler zu werden.

Bei mir war es lange so, dass die Leute und auch meine Eltern mir die Schuld gaben, wenn es mir depressionsbedingt nicht gut ging.
"Dir geht es doch immer schlecht", "Es liegt doch nur an dir selbst" , "Du stellst dich an", "Jedem geht es mal schlecht".

All diese Worte sorgten bei mir für, dass ich mich völlig verausgabt habe und mehr leistete, wie ich konnte und auch mich nicht traute damit aufzuhören, als die Depression immer schlimmer wurde und über ein Jahr gar nicht mehr weg ging, sondern tagein tagaus wütete...
Solange bis ich zusammenbrach.

Klick hat es bei mir dann erst gemacht als ich durch Arbeitskollegen in in die Klinik geschickt wurde und ich mich dort mit anderen depressiven austausche.
Ich merkte, die haben die selben Probleme wie ich, dass meine "Probleme" in Wahrheit Symptome der Depression sind für die ich nichts kann.

Verlangt man bei jemanden der einen Schnupfen hat, dass der voll funktionieren soll oder gar aufhört zu niesen?
Würde man es, würde der einem wahrscheinlich einen Vogel einem zeigen, weil das Schwachsinn ist es zu verlangen.

Frage dich, was geht und was nicht geht und respektiere es, wenn etwas dann mal nicht geht.
Nur weil es jetzt nicht geht, muss es nicht für immer nicht gehen.

Das hat mir halt so geholfen die Erkrankung anzunehmen.


Ob es dem Arbeitgeber sagen oder nicht, würde ich davon abhängig machen, ob du Probleme wegen der Erkrankung hast oder nicht.
Läuft alles, ohne, dass du dich dabei kaputt machst gut, würde ich wohl noch warten.

Bei mir war es so, dass ich richtig oft ins Büro zum Chef gerufen wurde, dort Ärger bekam, weil ich depressionsbedingt nicht mehr vernünftig arbeiten konnte.
Auch nach Urlauben oder mitunter 6 wöchigen AUs wurde es nicht besser.
Ich riss mir wirklich ein Bein aus und gab alles was ich konnte, brachte trotzdem nichts, die Depression haute einfach voll rein.
Letztlich öffnete ich mich dann, weil ich sonst wohmöglich noch meinen Job verloren hätte.
Manche Kollegen lästern darüber, die Leitung zeigt sich mittlerweile verständnisvoll und kam mir bezüglich der Arbeitsbedingungen auch sehr entgegen.... wahrscheinlich aber auch nur, weil es zuvor in AUs meinerseits endete und sie so vermeiden wollen, dass ich wieder länger zusammenklappe und die anderen Kollegen dadurch Mehrarbeit leisten müssen.


Liebe Grüße
Hallo,

Danke für deine Antwort. Ja. So ist es bei mir auch. Ich gebe mir selber immer wieder die Schuld..

Es ist so schwer das anzunehmen. Wie schön, dass du das geschafft hast! Ich schwanke aktuell ständig zwischen annehmen und verleugnen..

Kommst du denn trotzdem mit den KollegenInnen klar? Wie gehst du damit um, dass sie über dich reden?

Liebe Grüße
Hallo,

ich weiß nicht, ob sie über mich reden. Ich meinte nur, wenn sie über mich reden, könnte ich es eh nicht verhindern.
Es ist mir aber egal, wenn Sie über mich reden. Sie kennen meine Erkrankung nicht und können daher eh nur Vermutungen anstellen,
was mit mir los ist.
Ich bin allerdings in der Arbeit auch nicht auffällig weniger leistungsfähig und auch nicht öfter krank als die anderen.
Bei mir entstand die Depression hauptsächlich im Privaten und im Gesamtkontext aus beruf/Familie/Kindheit.

Viele Grüße
G.

Re: Offener Umgang und Akzeptanz der Krankheit?!

Verfasst: 7. Jun 2024, 14:00
von Pimpinelle
Hallo nachregenkommtsonne,

du schreibst, eine der Optionen sei
nachregenkommtsonne hat geschrieben: 7. Jun 2024, 07:00 mich halt öffnen und mit der Schwerbehindertenvertretung und dem Integrationsfachdienst und meinem Arbeitgeber zusammen Lösungen zu suchen. Für den letzten Punkt müsste ich es aber halt hinbekommen bereit zu sein offen mit der Erkrankung umzugehen und anzuerkennen, dass ich eingeschränkt bin und Hilfe brauche.
Das geht mir wirklich nah, denn ähnlich frage ich mich gerade, ob es an der Zeit sein könnte, dass ich anerkennen muss, dass ich nur noch eingeschränkt leistungsfähig bin und sich das auch dauerhaft auf meine beruflichen Möglichkeiten auswirkt. Für mich würde das, aufgrund des Arbeitsfeldes, womöglich die Kündigung bedeuten. Also selbst zu kündigen. Und mir Beratung und Hilfe zu holen, mich neu zu orientieren.

Ich finde gerade beim Nachlesen nicht, ob dein Arbeitgeber informiert ist von deinem schon anerkannten GdB - wenn ich das richtig verstehe, ist man ja nicht verpflichtet, das anzugeben? Ein Freund von mir hat den GdB beantragt und dann kommuniziert, einschließlich der Diagnosen und der Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit. Und sein Betrieb ist sehr sehr entgegenkommend und wertschätzend. Ihn entlastet das ungemein, er nimmt die Dinge jetzt entspannter und kann auch leichter Grenzen setzen bei zusätzlich anfallendem Workload. Ich finde das toll. Das war bei dem Betrieb auch irgendwo zu erwarten, dass das gut funktioniert, selbst bei einer Teildiagnose, die Arbeitgeber eher sehr ungern hören.

Wenn ich an diese Erfahrung denke, würde ich dir natürlich wünschen, dass du mit Unterstützung der Integrationsfachkraft und hoffentlich eines ebenso offenen Arbeitgebers auch so einen Weg findest - einfach für deine Gesundheit und Lebensqualität. (Lebensqualität ist auch so ein Stichwort vom genannten Kumpel. Ich selbst muss noch viel viel lernen dazu!)

Lieben Gruß,
Pimpinelle

Re: Offener Umgang und Akzeptanz der Krankheit?!

Verfasst: 7. Jun 2024, 14:16
von GuntherBandel
Pimpinelle hat geschrieben: 7. Jun 2024, 14:00
nachregenkommtsonne hat geschrieben: 7. Jun 2024, 07:00
Das geht mir wirklich nah, denn ähnlich frage ich mich gerade, ob es an der Zeit sein könnte, dass ich anerkennen muss, dass ich nur noch eingeschränkt leistungsfähig bin und sich das auch dauerhaft auf meine beruflichen Möglichkeiten auswirkt. Für mich würde das, aufgrund des Arbeitsfeldes, womöglich die Kündigung bedeuten. Also selbst zu kündigen. Und mir Beratung und Hilfe zu holen, mich neu zu orientieren.

Hallo,

die Frage der Leistungsfähigkeit stelle ich mir auch.
Momentan ist mein Job zwar ganz gut zu schaffen, aber im Gesamtkontext von Beruf und Privatleben frage ich mich,
ob ich jobtechnisch vielleicht Abstriche machen muss, um evtl. privat oder insgesamt besser klarzukommen.

Momentan sehe ich den Job allerdings eher als tagesstrukturgebendes Element und Ablenkung von der inneren Leere an, was also eher hilfreich erscheint gegen die Depression statt schädlich.

VG
Gunther

Re: Offener Umgang und Akzeptanz der Krankheit?!

Verfasst: 7. Jun 2024, 14:52
von Pimpinelle
Das verstehe ich, Gunther. So würde ich mir den Job wünschen, als gut handhabbares strukturgebendes Element, das mir bestenfalls auch ein bisschen Freude macht. Das wäre das Ziel.

LG
Pimpinelle

Re: Offener Umgang und Akzeptanz der Krankheit?!

Verfasst: 7. Jun 2024, 16:07
von Überdosis
nachregenkommtsonne hat geschrieben: 7. Jun 2024, 06:50
Kommst du denn trotzdem mit den KollegenInnen klar? Wie gehst du damit um, dass sie über dich reden?
Das ist leider bei mir gängig, dass dort abgelästert wird.
Das erbärmliche ist, dass es von der Stellvertretenen Schichtleitung selbst kommt und alle Mitarbeite das natürlich gleichtun.

So an sich verstehen wir uns alle untereinander, aber es ist ein offenes Geheimnis, dass dort jeder über jeden ablästert.
Daher beziehe ich das schon gar nicht mehr auf mich, sondern überhören es einfach, denn selbst wenn man versucht unauffällig zu sein, lästern sie darüber, dass man unauffällig ist.

Ich war halt mal so dumm und hatte gesagt, dass ich mich gerade überfordert und total gestresst fühle, obwohl es dort nichts überforderndes oder stressendes gab.
Seit her machen sich Kollegen darüber lustig, in dem sie in meiner Nähe lauter lächerlich sagen "ich fühle mich sooo gestreeeessst".
Ich ignoriere das halt komplett, denn darauf hoffen sie ja, dass man darauf dann mal reagiert, denn wenn man reagiert, lässt sich ja auch wunderbar über die Reaktion ablästern.

Persönlich gebe ich halt nur noch das nötigste Preis, seit dem.
Werde ich gefragt, ob es mit mit dem Nachtdienst besser geht, antworte ich nur kurz und knapp, dass die Panikattacken größtenteils weg sind, durch die entstandene Routine. Darüber gibt es halt nichts zu lästern.
Wenn gefragt wird ob ich denn auch Psychotherapie mache, verneine ich das, denn das ist was, worüber es sich ablästern lässt.
Medikamentöse Therapie, darüber gibt es nichts zu lästern, fast jeder dort nimmt irgendwas wegen irgendwelche Erkrankungen....

Manches geht sie halt nichts an.
Klar mache ich eine Psychotherapie, dank Nachtdienste kann ich es aber so wahr nehmen, dass keiner dort was von erfahren muss, weil die Arbeits- und Therapiezeit Stunden auseinanderliegt.


Liebe Grüße
Susan

Re: Offener Umgang und Akzeptanz der Krankheit?!

Verfasst: 8. Jun 2024, 07:51
von nachregenkommtsonne
Hallo Pimponelle,

ich fühle so sehr, was du schreibst. Ich hätte dir gerne privat eine Nachricht geschrieben, aber ich weiß leider nicht, wie das geht.

Mir geht es auch so, dass wenn ich 100% ehrlich zu mir bin, ich weiß, dass mein aktuelles Arbeitsfeld komplett ungeeignet ist während einer depressiven Phase.

Mein Arbeitgeber ist Informiert über den GdB und hat auch mitbekommen, dass es mir nicht gut geht gerade, da ich auf der Arbeit weinen musste und dann 1 1/2 Wochen später wiederkommen wollte und dann heulend angerufen habe um zu sagen, dass ich es nicht packe.

Ich bin sooo hin und hergerissen zwischen allen Optionen..

Mein Arbeitgeber ist jetzt die letzten Wochen damit glaube ich ganz gut umgegangen, aber die glauben halt wahrscheinlich auch, dass es mir jetzt nach den zwei Wochen Pause besser geht und ich genauso leistungsfähig bin wie vorher. Aber leider hänge ich gerade halt noch total in der doofen Phase und habe einfach Angst davor am Montag wieder zu arbeiten und was ich denen dann sagen soll.
Und gleichzeitig habe ich, wie gesagt total Angst davor offen damit umzugehen und die Unterstützungen, die es gibt anzunehmen.
Das klingt vielleicht bisschen schräg, aber ich habe Angst davor, dass wenn ich die Erkrankung annehme und meine Einschränkungen akzeptiere, dass ich dann kränker werde als ich bin. Das will ich nicht, weil eigentlich mag ich ja einfach eine normale, leistungsfähige Arbeitnehmerin sein..

Liebe Grüße
Pimpinelle hat geschrieben: 7. Jun 2024, 14:00 Hallo nachregenkommtsonne,

du schreibst, eine der Optionen sei
nachregenkommtsonne hat geschrieben: 7. Jun 2024, 07:00 mich halt öffnen und mit der Schwerbehindertenvertretung und dem Integrationsfachdienst und meinem Arbeitgeber zusammen Lösungen zu suchen. Für den letzten Punkt müsste ich es aber halt hinbekommen bereit zu sein offen mit der Erkrankung umzugehen und anzuerkennen, dass ich eingeschränkt bin und Hilfe brauche.
Das geht mir wirklich nah, denn ähnlich frage ich mich gerade, ob es an der Zeit sein könnte, dass ich anerkennen muss, dass ich nur noch eingeschränkt leistungsfähig bin und sich das auch dauerhaft auf meine beruflichen Möglichkeiten auswirkt. Für mich würde das, aufgrund des Arbeitsfeldes, womöglich die Kündigung bedeuten. Also selbst zu kündigen. Und mir Beratung und Hilfe zu holen, mich neu zu orientieren.

Ich finde gerade beim Nachlesen nicht, ob dein Arbeitgeber informiert ist von deinem schon anerkannten GdB - wenn ich das richtig verstehe, ist man ja nicht verpflichtet, das anzugeben? Ein Freund von mir hat den GdB beantragt und dann kommuniziert, einschließlich der Diagnosen und der Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit. Und sein Betrieb ist sehr sehr entgegenkommend und wertschätzend. Ihn entlastet das ungemein, er nimmt die Dinge jetzt entspannter und kann auch leichter Grenzen setzen bei zusätzlich anfallendem Workload. Ich finde das toll. Das war bei dem Betrieb auch irgendwo zu erwarten, dass das gut funktioniert, selbst bei einer Teildiagnose, die Arbeitgeber eher sehr ungern hören.

Wenn ich an diese Erfahrung denke, würde ich dir natürlich wünschen, dass du mit Unterstützung der Integrationsfachkraft und hoffentlich eines ebenso offenen Arbeitgebers auch so einen Weg findest - einfach für deine Gesundheit und Lebensqualität. (Lebensqualität ist auch so ein Stichwort vom genannten Kumpel. Ich selbst muss noch viel viel lernen dazu!)

Lieben Gruß,
Pimpinelle

Re: Offener Umgang und Akzeptanz der Krankheit?!

Verfasst: 8. Jun 2024, 07:52
von nachregenkommtsonne
Hey :)

Mir wird ehrlich gesagt ganz komisch, wenn ich lese, dass deine KollegenInnen so mit dir umgehen..das ist total daneben. Und ich wüsste, ich könnte mich davon nicht abgrenzen.
Das tut mir Leid für dich, dass du solche Erfahrungen machen musst.
Und du kannst sehr stolz auf dich sein, dass du dich da so abgrenzen kannst!

Alles Gute dir!
Überdosis hat geschrieben: 7. Jun 2024, 16:07
nachregenkommtsonne hat geschrieben: 7. Jun 2024, 06:50
Kommst du denn trotzdem mit den KollegenInnen klar? Wie gehst du damit um, dass sie über dich reden?
Das ist leider bei mir gängig, dass dort abgelästert wird.
Das erbärmliche ist, dass es von der Stellvertretenen Schichtleitung selbst kommt und alle Mitarbeite das natürlich gleichtun.

So an sich verstehen wir uns alle untereinander, aber es ist ein offenes Geheimnis, dass dort jeder über jeden ablästert.
Daher beziehe ich das schon gar nicht mehr auf mich, sondern überhören es einfach, denn selbst wenn man versucht unauffällig zu sein, lästern sie darüber, dass man unauffällig ist.

Ich war halt mal so dumm und hatte gesagt, dass ich mich gerade überfordert und total gestresst fühle, obwohl es dort nichts überforderndes oder stressendes gab.
Seit her machen sich Kollegen darüber lustig, in dem sie in meiner Nähe lauter lächerlich sagen "ich fühle mich sooo gestreeeessst".
Ich ignoriere das halt komplett, denn darauf hoffen sie ja, dass man darauf dann mal reagiert, denn wenn man reagiert, lässt sich ja auch wunderbar über die Reaktion ablästern.

Persönlich gebe ich halt nur noch das nötigste Preis, seit dem.
Werde ich gefragt, ob es mit mit dem Nachtdienst besser geht, antworte ich nur kurz und knapp, dass die Panikattacken größtenteils weg sind, durch die entstandene Routine. Darüber gibt es halt nichts zu lästern.
Wenn gefragt wird ob ich denn auch Psychotherapie mache, verneine ich das, denn das ist was, worüber es sich ablästern lässt.
Medikamentöse Therapie, darüber gibt es nichts zu lästern, fast jeder dort nimmt irgendwas wegen irgendwelche Erkrankungen....

Manches geht sie halt nichts an.
Klar mache ich eine Psychotherapie, dank Nachtdienste kann ich es aber so wahr nehmen, dass keiner dort was von erfahren muss, weil die Arbeits- und Therapiezeit Stunden auseinanderliegt.


Liebe Grüße
Susan

Re: Offener Umgang und Akzeptanz der Krankheit?!

Verfasst: 8. Jun 2024, 10:40
von Pimpinelle
Hallo nachregenkommtsonne,

Du schreibst,
nachregenkommtsonne hat geschrieben: 8. Jun 2024, 07:51 Ich hätte dir gerne privat eine Nachricht geschrieben, aber ich weiß leider nicht, wie das geht.
Nachdem ich dank deines Threads gestern das Zitieren hier gelernt habe, traue ich mich einfach mal an die PN - ich habe versucht, dir eine zu schicken, ich hoffe, es hat geklappt!

LG,
Pimpinelle

Re: Offener Umgang und Akzeptanz der Krankheit?!

Verfasst: 8. Jun 2024, 13:20
von Überdosis
nachregenkommtsonne hat geschrieben: 8. Jun 2024, 07:51
Das klingt vielleicht bisschen schräg, aber ich habe Angst davor, dass wenn ich die Erkrankung annehme und meine Einschränkungen akzeptiere, dass ich dann kränker werde als ich bin.
Meiner eigenen Erfahrung nach wird man aber gerade dann kränker, weil man keinerlei Rücksicht auf sich nimmt.
Nicht jeder hat das Glück Zeitlebens komplett gesund zu bleiben.
Krank zu sein, Handicaps zu haben ist keine Schande.
Du bist durch diese nicht weniger gut oder nicht weniger Wertvoll wie "gesündere".


Liebe Grüße
Susan

Re: Offener Umgang und Akzeptanz der Krankheit?!

Verfasst: 8. Jun 2024, 13:40
von DieNeue
Hallo nachregenkommtsonne,
nachregenkommtsonne hat geschrieben: 8. Jun 2024, 07:51 Das klingt vielleicht bisschen schräg, aber ich habe Angst davor, dass wenn ich die Erkrankung annehme und meine Einschränkungen akzeptiere, dass ich dann kränker werde als ich bin.
Die Krankheit anzunehmen heißt nicht, dass alles so bleiben muss und man nichts mehr gegen die Krankheit tut. Man akzeptiert den Ist-Zustand, man erkennt an, dass die Realität so ist, wie sie ist. Gleichzeitig kann man aber trotzdem daran arbeiten, dass dieser Zustand sich wieder ändert, denn der Zustand ist ja nicht gut. Der Unterschied ist einfach, dass man nicht mehr so damit hadert, dass es jetzt gerade so ist, wie es ist. Man kann so wieder besser nach vorne schauen, weil man nicht mehr so viel Energie damit verschwendet, damit zu hadern. Es gibt eigentlich keinen Grund, weshalb du kränker werden solltest, wenn du die Krankheit annimmst und auf deine Einschränkungen Rücksicht nimmst.

Liebe Grüße,
DieNeue