Der erste Schritt. Wie geht es jetzt weiter?

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PBar86
Beiträge: 2
Registriert: 22. Apr 2024, 10:36

Der erste Schritt. Wie geht es jetzt weiter?

Beitrag von PBar86 »

Hallo!

Ich bin neu hier und habe bisher nur ohne Registrierung ein wenig mitgelesen. Seit mehreren Monaten leide ich unter Antriebslosigkeit, alles kostet mich so unfassbar viel Kraft und ich bekomme kaum noch etwas auf die Reihe, dass über das Minimum hinaus geht. Ich hatte in den letzten 25 Jahren immer wieder Phasen die von extremer Traurigkeit, und Antriebslosigkeit und Selbstzweifel geprägt waren, aber irgendwann war das vorbei und es ging mir wieder "okay". Nun kamen in den letzten Jahren diese Phasen in immer kürzeren Abständen, waren intensiver, dauerten länger. Mittlerweile ist es so, dass ich mich im Büro kaum noch konzentrieren kann. Sobald ich weiß dass mein Mann da ist und unser Sohn gut versorgt, fährt mein System irgendwie runter und ich lege mich ins Bett und liege teilweise die Wochenenden drin. Meine Arbeit und mein Kind waren die letzten "Inseln" in meinem Alltag, die noch halbwegs funktioniert haben. Und nun bricht nach und nach alles unter meinen Füßen weg. Besonders bei meinem Kind leide ich so sehr darunter, dass ich so gerne würde, aber einfach nicht kann. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass unsere innige Bindung irgendwie gekappt ist. Das alles führt natürlich zu enormen Selbstzweifeln und Schuldgefühlen. Das ganze geht soweit, dass mir auch immer wieder der Gedanke kommt, dass mein Kind und mein Mann ohne mich besser dran wären... Nun ja. Das mal grob zu meinem Ist-Zustand.

Ende Februar habe ich mich meinem Partner anvertraut, mit allen Details meiner Gedanken- und Gefühlswelt. Erst gestern habe ich mich getraut, meinen Hausarzt zu kontaktieren. Ehrlichweise nicht mal das, ich habe meinen Mann gebeten anzurufen, weil ich einfach nicht ausdrücken konnte was mein Problem ist. Ich dachte ich bekomme dort erstmal einen Termin, stattdessen habe ich jetzt eine AU bis ende nächster Woche und eine Überweisung zum Psychiater/Psychotherapeuten mit der Verdachtsdiagnose "leichte depressive Episode" und "Akute Belastungsreaktion" sowie einen Überweisungscode. Und irgendwie weiß ich nicht wie es jetzt weitergeht und was auf mich zukommt. Das macht mir Angst.

Zudem fühle ich mich wie ein Hochstapler und frage mich die ganze Zeit, ob das was ich empfinde wirklich "echt" ist oder ob ich mir das nur einbilde, ob es mir wirklich so schlecht geht. Tja und dann gibt es auch mal einen guten Moment und ich denke mir "schau, jetzt hast du es heute geschafft die ganze Wohnung aufzuräumen, so schlecht kann es dir ja nicht gehen, läuft ja alles doch irgendwie". Genau das ist es, was mich bisher immer daran gehindert hat mich jemandem anzuvertrauen. Es geht halt doch irgendwie weiter...

Kennt ihr diese Gedankengänge des Hinterfragens auch? Wie seid Ihr die ersten Schritte gegangen? Habt ihr Tipps für mich? Ist es sinnvoll sich an eine psychosoziale Beratungsstelle zu wenden?

Viele Grüße und Dankeschön für eure Zeit!
Senif
Beiträge: 1255
Registriert: 23. Jul 2023, 21:42

Re: Der erste Schritt. Wie geht es jetzt weiter?

Beitrag von Senif »

Hallo PBar,

oh ja, und wie ich das kenne. Dein IST - Zustand klingt nicht nach einer leichten depressiven Episode sondern schon nach mindestens einer mittelschweren. Letztendendes ist die Einteilung aber egal, dir geht es nicht gut und brauchst Hilfe. Und es ist auch ok, die Hilfe anzunehmen.
Ich hab auch immer gedacht, ich müsste mich nur etwas zusammen reißen, bin faul, usw.... das stimmte aber nicht, ich war wirklich krank. Das Zusammenreißen hat dann irgendwann auch nicht mehr geklappt.
Je früher du dir Hilfe suchst, um so besser. Den Termin bei einem Psychiater würde ich Dir auf jeden Fall empfehlen. Und es ist wichtig dort mit offenen Karten zu spielen.
Eine psychosoziale Beratungsstelle ist auch erstmal zur Überbrückung nicht schlecht. War selbst mal da und die haben auch ambulant betreutes Wohnen angeboten.
Das was du empfindest ist echt, zwar durch die Psyche verursacht, aber nicht eingebildet. Das ist ein Unterschied.
Ich brauchte dann auch Medikamente, ohne Antidepressiva wär ich da nicht rausgekommen. Zusätzlich hatte ich dann Therapie, bei der ich mich nach langer Zeit endlich weiter entwickeln konnte. Du brauchst keine Angst zu haben, die Spezialisten kennen das alles, und sie werden dich dafür nicht verurteilen.
Ich hoffe, Du bekommst zeitnah Termine. Das ist ja heutzutage nicht mehr so einfach leider. Aber da hilft nur dran bleiben.
Ich wünsche Dir alles Gute.

:hello: Senif
PBar86
Beiträge: 2
Registriert: 22. Apr 2024, 10:36

Re: Der erste Schritt. Wie geht es jetzt weiter?

Beitrag von PBar86 »

Hey Senif,

vielen Dank für deine Rückmeldung und deinen Erfahrungen! Wie gesagt, ich habe mir meinem Hausarzt nicht gesprochen, die ganze Kommunikation lief über meinen Mann und den Arzthelfer. Ich bleibe dran, auch wenn ich gerade innerlich Kämpfe ausfechte ob es nun nötig ist oder nicht...
Undjetzt
Beiträge: 304
Registriert: 15. Feb 2024, 11:13

Re: Der erste Schritt. Wie geht es jetzt weiter?

Beitrag von Undjetzt »

Hallo PBar,

erst einmal finde ich es wahnsinnig toll, dass du dich deinem Partner anvertraut hast. Das würde ich an seiner Stelle als großes Geschenk sehen. Da steckt viel Vertrauen dahinter.
Diese Gefühle ein Hochstapler oder ähnliches zu sein, sind typisch. Dein Selbstwertgefühl ist im Keller. Eine Depression lässt einen nichts wahrnehmen, was nicht da ist, sie verzerrt es nur komplett ins Negative. Dabei ist es super, dass du dir Hilfe suchst und annimmst. Wenn du anderweitig krank bist, gehst du ja schließlich auch zum Arzt.
Und auch gute Momente sind immer wieder da. Da schafft man viel. Dann gibts wieder Tiefs, da geht gar nichts mehr. Das Hinterfragen ist, ohne Behandlung und Medikamente bei mir Alltag gewesen. Es war keine Entscheidung möglich. Ich konnte keine klare Aussage zu nichts treffen. Jede Situation wird bis ins absurdeste katastrophisiert. Wenn ich beim Einkaufen etwas vergesse? Horror! Das wäre ja ein gravierender, nicht wieder gut zu machender Fehler!
Auch das bildet man sich nicht ein. Man empfindet es, in genau diesen Momenten tatsächlich.

Und nun zum "es geht ja eigentlich".
Ja. Auch das kann so eine Depression ganz wunderbar. Dir vormachen, dass das alles ganz normal ist. Dass es nie anders sein wird und irgendwann vergisst du, wie es einmal war. Ich denke das problematischste ist, dass man depressive Zustände irgendwann als seinen Normalzustand anerkennt. Man kennt es gar nicht mehr anders. Ich war neulich bei einer Feier. Da hab ich plötzlich etwas gespürt, dass ich erst einmal verarbeiten musste. Nein, nichts schlimmes. Da waren Menschen überglücklich, dass ich da bin. Und ich musste mich kaum anstrengen lustig zu sein. Es ging einfach. Da wurde mir klar. "Ey... du warst wirklich fröhlich. Du hast wirklich etwas positives gespürt. Du hattest wirklich Spaß". Ich konnte es erst danach deuten. Ich kannte es gar nicht mehr, Glück zu spüren.

Ich wünsche dir alles Gute. Du hast den richtigen Weg eingeschlagen. Nimm jede Hilfe an, die du kriegen kannst.
Du kannst auch auf obeon*punkt*de reinschauen. Da kann man dir auch Anlaufstellen empfehlen und du kannst dich mit anderen austauschen.
face
Beiträge: 5
Registriert: 8. Apr 2024, 21:14

Re: Der erste Schritt. Wie geht es jetzt weiter?

Beitrag von face »

Zudem was die Vorredner gesagt haben möchte ich gar nicht viel hinzufügen. Aber vielleicht hilft dir folgendes aus meinem Leben.

Ich habe mich gut 25 Jahre davor gedrückt mir Hilfe zu suchen (obwohl ich sie wirklich dringend gebraucht hätte) wie das geht schreibst du ja eigentlich schon selber :-). Erst als ich wirklich am absoluten (psychischen) Tiefpunkt in meinem Leben angekommen war habe ich den Schritt gemacht und mir dabei genau die gleichen Fragen gestellt wie du. Vor ein paar Monaten habe ich zu meiner Therapeutin folgenden Satz gesagt "Ich bereue eigentlich nur das ich den Schritt zur Therapie nicht schon Jahrzehnte früher gemacht habe, so viel vergeudete Zeit"

Ich will jetzt hier auch nicht blenden, es ist bei mir jetzt nicht alles immer super und happy. Jetzt habe ich andere Probleme zu bewältigen ABER trotzdem geht es mir ganz massiv besser als vor meiner (andauernden) Therapie.
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