Gefühl von Wertlosigkeit - Amt/Arbeitsmarkt

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Muli07
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Gefühl von Wertlosigkeit - Amt/Arbeitsmarkt

Beitrag von Muli07 »

Hallo zusammen,

ich würde mir unter diesem Post etwas Austausch wünschen. Ich werde in 3 Monaten ausgesteuert und habe mich direkt auch um alles gekümmert. Aber ich fühle mich jetzt so nutzlos und wertlos, weil es mir vor Augen führt, dass ich nicht leistungsfähig bin.
Zur Info ich habe die ganzen Dinge auch nicht alleine geschafft, sondern nur mit Hilfe meines Partners, weil ich von den kleinsten Dingen überfordert bin und direkt Panik ausgelöst wird (chronische Panikstörung).
Hinzu kam auch noch das meine zweite ambulante Therapie nicht genehmigt wurde und meine Therapeutin jetzt einen Zusatzantrag stellen musste. Ich habe das Gefühl ich mache Menschen nur Arbeit und falle zur Last.

Wie seid ihr bisher mit diesem Gefühl von Wertlosigkeit umgegangen? Rational weiß ich, dass ich trotzdem etwas wert bin, auch wenn ich dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe. Aber ich vergleiche mich zu viel mit meinem Umfeld. Ich würd mich über einen Austausch freuen, wenn es jemanden ähnlich geht.

Vielen Dank!
SonneundDunkenheit
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Registriert: 25. Jul 2021, 09:24

Re: Gefühl von Wertlosigkeit - Amt/Arbeitsmarkt

Beitrag von SonneundDunkenheit »

Hallo muli07,

das was du beschreibst, kommt mir sehr bekannt vor. Ich weiß nicht wie alt du bist und wie dein Umfeld auf deine fehlende Leistungsfähigkeit reagiert.

Ich wurde vor gut 2 Jahren ausgesteuert nach 25 Jahren auf der selben Stelle. Ein Antrag auf EMR war die Konsequenz auf die fehlende Leistungsfähigkeit. Das Verfahren war zermürbend seitens der DRV, aber zielführend. Ich hatte große Probleme zu akzeptieren, dass arbeiten nicht möglich ist. Während ich mich kraftlos durch den Tag quälte, lief das Leben im Außen weiter.

Mittlerweile bin ich deutlich gelassener. Meine EMR wurde um weitere 3 Jahre verlängert. Mein GdB deutlich erhöht. Mein Arbeitsvertrag ruht, aber theoretisch ist eine Rückkehr möglich...das beruhigt mich.

Ich habe viele Therapiestunden mit dem Thema "Arbeit" gefüllt. Ich fühlte mich wertlos, hatte nichts Abrechenbares am Ende des Tages, konnte schwer akzeptieren eine Sozialleistung zu beantragen wobei mein persönliches, berufliches und medizinisches Umfeld überhaupt kein Problem damit hatten....deren Notwendigkeit klarer sahen als ich selbst.

Heute bin ich dankbar für die Arbeitsjahre, definiere mich aber nicht mehr darüber. Ich bin ja trotzdem wertvoll als Mutter, Ehefrau, Freundin, Zuhörer, Schwester, als Annahmestelle für die Pakete der arbeitenden Hausbewohner...

Mit Ämtern habe ich eher gute Erfahrungen gemacht, sieht man vom ersten Rentenverfahren ab.

Mein Verlängerungsantrag auf Psychotherapie (weitere 20h im noch nicht ausgeschöpften Kontingent) wurde übrigens auch abgelehnt und auch das zusätzliche Schreiben der Therapeutin hat nichts daran geändert...war frustrierend, aber nüchtern betrachtet ist es der Job der Therapeutin... Teil ihrer Arbeit.

Was wirst du nach der Aussteuerung tun? ALG beantragen, eine Reha (medizinische und oder berufliche),...?

Gib dir Zeit und such dir ein Umfeld wo du dich angenommen fühlst.

Alles Gute für dich
Muli07
Beiträge: 36
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Re: Gefühl von Wertlosigkeit - Amt/Arbeitsmarkt

Beitrag von Muli07 »

Guten Abend,

und vielen Dank für deine Antwort!
Es tut gut zu lesen, nicht alleine damit zu sein.
Mein Ziel ist es eigentlich noch vor der Aussteuerung wieder mit einer Wiedereingliederung anzufangen. Aber ich muss einfach sehen, wie sich alles entwickelt. Ich bin gerade erst aus einer Klinik entlassen und muss erstmal wieder ankommen.
Ich bin noch recht jung, bin 27 Jahre alt und kämpfe schon seit Jahren mit chronischen psychischen Erkrankungen und habe lange einfach weitergearbeitet und es verdrängt. Vor etwas mehr als einem Jahr ging dann allerdings nichts mehr.


Mein nahes Umfeld unterstützt mich zum Glück und auxh mein Arbeitgeber. Nur ich mache mir selbst so einen extremen Druck..leider :D
Senif
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Re: Gefühl von Wertlosigkeit - Amt/Arbeitsmarkt

Beitrag von Senif »

Hallo Muli,

ich kenne das auch. Aber auch dieses fertig machen im Arbeitsleben ala Du kannst nichts, du bist nichts etc....
Ich würde an Deiner Stelle nicht zu früh wieder anfangen, auch wenn die Aussteuerung im Raum steht. Ich habe jahrelang im Hartz4 verbracht, weil nichts ging. 4 Rehas scheiterten, auch weil ich mit dem Kopf durch die Wand wollte.
Eine Rente ist nicht das Ende, auch wenn man den Gedanken da erstmal so haben kann, er ist aber falsch. Ich bin auch berentet, sogar unbefristet, und starte jetzt nach vielen Jahren einen neuen Versuch. Und glaub mir, ich glaube keiner hat dann etwas dagegen, wenn ich wieder arbeite. :D
Was für mich aber sehr sehr wichtig war, ein stabilisierender Pfeiler war genau diese unbefristete Rente. Ich konnte dort erstmals loslassen und aus diesem Hamsterrad aussteigen. Es gibt dann immer noch die Möglichkeit ehrenamtlich etwas zu machen oder einen Minijob. Das kann man dann ja sehen.
Und es ist auch ein Lernprozess zu erfahren, dass man auch was wert ist, wenn man nichts leistet. Das Gefühl von außen bekommen, ist gut - aber wirklich richtig wichtig, ist zu lernen, dass man sich auch selbst den Wert gibt. Selbstwert ist auch bei mir ein zentrales Thema.

:hello: LG Senif
SonneundDunkenheit
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Re: Gefühl von Wertlosigkeit - Amt/Arbeitsmarkt

Beitrag von SonneundDunkenheit »

Hallo muli,

du bist wirklich noch sehr jung.

Eine Wiedereingliederung ist eine gute Idee, wenn du dich stabil genug fühlst und die Rahmenbedingungen stimmen. Ich habe auch zwischen zwei langen AU Phasen diesen Weg gewählt. Ich brauchte diesen Schritt und die damit verbundenen Erfahrungen. Der Antrag auf EMR erfolgte nach dem (missglückten) Versuch. Aus heutiger Sicht war er nicht wirklich missglückt, sondern eine erkenntnisreiche Phase, die ich nicht missen möchte.

Bei dir gibt es ja vielleicht noch die Möglichkeit über eine berufliche Reha wieder Fuß zu fassen.

Alles Gute für dich und zunächst einmal ein Wiederankommen im Alltag

Gute Nacht
SonneundDunkenheit
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Re: Gefühl von Wertlosigkeit - Amt/Arbeitsmarkt

Beitrag von SonneundDunkenheit »

@senif: 4 Rehas klingt (zu) viel? Kommt vielleicht auch auf die Abstände an.

@ Muli zu früh anfangen, würde ich auch vermeiden, wenn möglich. Ich würde aber alles austesten was hilft zurück in den Job zu kommen und sinnvoll aus deiner Perspektive ist.
Senif
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Re: Gefühl von Wertlosigkeit - Amt/Arbeitsmarkt

Beitrag von Senif »

4 Rehas klingt (zu) viel? Kommt vielleicht auch auf die Abstände an.
@SonneundDunkelheit 1. in einem BTZ (nach 11 Monaten abgebrochen), 2. wieder in einem BTZ (6 Monate durchgezogen), 3. Umschulung angefangen (abgebrochen), 4. nochmal Umschulung angefangen (auf dem Zahnfleisch durchgezogen, danach berentet) - rausgeschmissenes Geld gewesen, aber ich wollte mit dem Kopf durch die Wand :shock:
Und jetzt mach ich meine eigene Reha :D
SonneundDunkenheit
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Re: Gefühl von Wertlosigkeit - Amt/Arbeitsmarkt

Beitrag von SonneundDunkenheit »

@senif: ich glaube (hoffe) dass heute besser auf auf die Sinnhaftigkeit von Maßnahmen geschaut wird. Die Einrichtung müssen jährlich Eingliederungszahlen vorlegen und zwar bis 12 Monate nach Ende der Maßnahme (egal ob erfolgreich abgeschlossen oder nicht).

Die Kostenträger schauen schon auf das Kosten Nutzer Verhältnis wobei da auch schräge Entscheidungen getroffen werden.

BTZ (kostentechnisch der Mercedes unter den möglichen Maßnahmen) kann gut sein und hat schon viele Menschen wieder in Arbeit gebracht. Für andere war es nur ein Versuch und im Ergebnis stand der Rentenantrag. Das finde ich ehrlich gesagt aber nicht so verwerflich. Man hat sich ausprobiert und die Realität hat gezeigt was geht und was nicht. Allerdings sollte es Grenzen geben also nicht eine Maßnahme nach der anderen...auf Teufel komm raus.

Ich habe selbst in dem Bereich der beruflichen Reha gearbeitet und kenne die Landschaft sehr gut mit ihren Chancen und Risiken.

"Eigene Reha" klingt gut.

Ist die IT dein Basisberuf oder bist du auf Umwegen dazu gekommen?

Allen ein erholsamen Feiertag
Senif
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Re: Gefühl von Wertlosigkeit - Amt/Arbeitsmarkt

Beitrag von Senif »

Ja, ich war damals richtig verbohrt und habe immer gesagt, du MUSST - aus heutiger Sicht ein großer Fehler. Die IT ist mein Erstberuf und ich dachte lange Zeit, ich bin nicht geeignet, kann dem Druck nicht standhalten und das liegt an dem Beruf an sich. Heute weiß ich, dass es nicht am Beruf lag, sondern an meiner Erkrankung. Deshalb hatte ich auch die Umschulung gemacht, um eben den Beruf zu wechseln, was aber eine totale Fehlentscheidung war. Denn eigentlich liebe ich die IT - es war nur verschüttet.
Heute kämpfe ich noch mit diesen Minderwertigkeitsgedanken bezüglich Arbeit. Daran arbeite ich noch.

Ich hatte mir das BTZ erkämpft beim Jobcenter. Aber ich denke, dass das BTZ da eben auch verdienen wollte - und so die Realitäten nicht gesehen wurden. Und dann war es auch so, dass ich ja keinen Stempel auf der Stirn hatte "krank" - meines Erachtens müssten in solchen Einrichtung mehr richtige Psychologen arbeiten und nicht nur Heilpraktiker und Sozialarbeiter etc... Psychologen gab es nur vereinzelt, die das hätten vielleicht besser einschätzen können.
Im Jobcenter selbst habe ich nur eine wirklich in meinen Augen gute Rehaberaterin kennengelernt. Die anderen hatten subtil immer dieses "sie will nicht" übergebügelt. Dabei konnte ich nicht. Das hat am Ende vielleicht auch zu Fehlentscheidungen beigetragen.

Eigene Reha finde ich auch echt gut. Ich bin freier in meinen Entscheidungen und in meinem Tempo. Niemand der dann irgendwelche Beurteilungen an das Jobcenter schickt etc... mit der Firma hatte ich echt Glück, dass die diesen Weg mit mir versuchen wollen

:hello: Senif
SonneundDunkenheit
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Re: Gefühl von Wertlosigkeit - Amt/Arbeitsmarkt

Beitrag von SonneundDunkenheit »

@ senifs:
Es gibt BTZ's für psychisch kranke Menschen. Dort arbeiten speziell ausgebildete Menschen...der Anteil der psychosozialen Mitarbeiter ist sehr hoch. Hilft dir jetzt auch nicht mehr, aber eventuell Mitlesern.

Du gehst deinen Weg. Bin gespannt wo er lang führt. Hin und wieder frage ich mich aus der Ferne warum du auch Zuhause (am Wochenende) an Tickets grübelst/ arbeitest ...das verfälscht doch die "reale" Leistungsfähigkeit. Arbeit sollte in der Arbeitszeit bleiben. Wenn dem nicht so ist, führt es früher oder später zur Schieflage.
Du wirst wissen, was du tust.
Liebe Grüße
Senif
Beiträge: 1252
Registriert: 23. Jul 2023, 21:42

Re: Gefühl von Wertlosigkeit - Amt/Arbeitsmarkt

Beitrag von Senif »

Es gibt BTZ's für psychisch kranke Menschen.
Ja, in so einem war ich. Aber ich glaube, die hatten unter den psychosozialen Mitarbeitern nur 2 Dipl. Psychologinnen und die anderen hatten andere Berufe, zwar auch im psychischen Bereich, aber dennoch glaube ich, dass ich dort völlig falsch beurteilt wurde.
Hin und wieder frage ich mich aus der Ferne warum du auch Zuhause (am Wochenende) an Tickets grübelst/ arbeitest ...das verfälscht doch die "reale" Leistungsfähigkeit. Arbeit sollte in der Arbeitszeit bleiben. Wenn dem nicht so ist, führt es früher oder später zur Schieflage.
Ja, das ist so ein Thema für sich und die Ursache ist, dass ich mich für zu schlecht halte und ich mir erst einen Grundstock erarbeiten muss, um dann wirklich guten Gefühls in der Arbeitszeit bleiben zu können. Aber letztendendes ist die Ursache das Gefühl, zu schlecht zu sein und es kompensieren zu müssen. Es ist schon etwas besser geworden, aber noch lange nicht da, wo ich hin möchte. Das was du ansprichst mit der Schieflage ist mir durchaus bewusst und es ist auch kein Dauerzustand.

Edit: und ich hatten durchaus schon Tage, an denen ich das Gefühl hatte, ich kann nicht mehr. Seit dem versuche ich das auch zu begrenzen, und zu akzeptieren, dass ich für gewisse Dinge einfach mehr Zeit brauche als andere. Nur schwebt halt bei mir auch immer das Damoklesschwert Kündigung seitens AG im Raum. Das ist meine Angst, weil ich früher nie lange einen Job behalten konnte. Sicher durch mein psychisches Gerüst, ja aber es macht halt was mit einem.

:hello: LG Senif
Senif
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Re: Gefühl von Wertlosigkeit - Amt/Arbeitsmarkt

Beitrag von Senif »

O.G. Thema ist noch Hauptthema in meiner Therapie. Ich hab jetzt noch eine 2 - stündige innere Kindsitzung. Ich bin mir aber nicht sicher, ob mir das bezüglich Arbeit hilft. Im Grunde war meine 1. Reha im BTZ genauso abgelaufen, wie es eigentlich nicht sein sollte: da ich immer dachte, ich bin eine fachliche Niete, hab ich noch zusätzlich zu Hause gemacht, Server aufgezogen etc ..... bis zum Tag X als ich von heute auf morgen das Gefühl hatte ich sterbe - jeden Tag. Monatelang machte ich mit dem Gefühl die Reha weiter, oft mit Ruhepausen im Ruhezimmer - mit Unterbrechung für einen Klinikaufenthalt - am Ende wurde es doch abgebrochen. Unnötige Quälerei war das. Ich selbst hätte den Schlussstrich ziehen müssen, aber bis heute verstehe ich nicht, warum die Einrichtung das so lange hat laufen lassen.
lt.cable
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Re: Gefühl von Wertlosigkeit - Amt/Arbeitsmarkt

Beitrag von lt.cable »

Stellt sich für mich auch die Frage: Wer leistet denn bitte nichts? Es kann schon eine große Leistung sein, morgens aufzustehen, eine gewisse Körperhygiene zu halten und bei den Verrichtungen des heimischen Alltags hier und da mitzumachen. Je nach momentaner Situation und Befindlichkeit.

Ob andere Menschen das sehen oder anerkennen wollen und können, sollte nebensächlich sein. Wobei die Abhärtung gegen mangelndes Mitgefühl auch das Risiko birgt, dass sich Menschen, die einem gegenüber ohnehin negativ eingestellt sind, dadurch eher provoziert und in ihren Vorurteilen gegenüber psychisch Kranken bestärkt sehen.

Ich würde in deiner Situation nichts überstürzen. Lieber mit etwas Geduld und Ruhe wieder aufbauen und dann Schritt für Schritt vorwärts.
Ein Nilpferd wollte zum Ballett
als schönster aller Schwäne.
Nur war es fürs Ballett zu fett.
So scheitern viele Pläne.
- Charles Lewinsky
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