Meine Mama hat Depression

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anna-si
Beiträge: 1
Registriert: 15. Apr 2024, 09:02

Meine Mama hat Depression

Beitrag von anna-si »

Meine Mama hat mit Depressionen zu kämpfen, solange wie ich sie kenne. Sie war früher auch bereits in Therapie, zuletzt war sie in therapeutischer Behandlung vor 2 Jahren. Seitdem merkt man extreme Schwankungen bei ihr. In dem einen Moment ist sie die liebevolle Person und im nächsten Augenblick ist sie komplett aggressiv, meinem Papa gegenüber oder auch mir gegenüber.
Jetzt ist es aktuell so, das sie kaum noch mit mir spricht und das ist absolut nicht normal für unsere Verhältnisse. Wir haben eigentlich regelmäßigen Kontakt, aber seit drei Wochen ca. distanziert sie sich immer mehr von mir. Und wenn wir uns sehen ist sie sehr kühl, keine Umarmung, kaum Blickkontakt und in ihrer Stimmlage null Emotion (kein Lächeln, kein Schmunzeln, nichts).
Mittlerweile bin ich an dem Punkt angekommen, das ich mich selbst auch abkapseln möchte, da es mir sehr schwer fällt so mit ihr in Kontakt zu kommen, da ich von Haus aus eine Frohnatur bin. Allerdings bereitet es mir Sorgen, ich möchte sie so nicht mehr und mehr alleine lassen, da ich glaube dass das der falsche Weg ist. Ich traue mich allerdings nicht das Thema anzusprechen, auch wenn wir eigentlich immer offen und ehrlich miteinander gesprochen haben. Aber ich kann sie im Moment null einschätzen und weiß nicht wie sie auf die Konfrontation reagieren würde.

Hat hier jemand ähnliche Erfahrungen mit einem Elternteil und kann mich in meiner Entscheidung unterstützen?

Liebe Grüße
Constance
Beiträge: 10
Registriert: 11. Apr 2024, 12:24

Re: Meine Mama hat Depression

Beitrag von Constance »

Liebe Anna, gerne möchte ich Dir Erfahrungen mitteilen, die jedoch nicht 1:1 mit Deiner Situation verglichen werden können. Aber vielleicht hilft es Dir trotzdem ein wenig. Genetisch bedingt haben in meiner Familie alle weiblichen Familienmitglieder mit Depressionen unterschiedlichster Ausprägung zu kämpfen. Deshalb habe ich Erfahrungen hinsichtlich der von Dir angesprochenen Aggressivität und Emotionslosigkeit in unterschiedlichen Rollen erlebt. Gerne würde ich mehr von Dir wissen, um besser einschätzen zu können. Wie alt bist Du und welche Therapien hatte Deine Mama gemacht? Nimmt sie derzeit Tabletten? Tatsächlich ist es so, das Depressionen im Laufe der Zeit bestimmte Gehirnareale beeinflussen und ändern können. Das wurde uns von der Psychiaterin meiner Oma bestätigt und dies habe ich auch in einer Dokumentation im TV gesehen. Auch Antidepressiva haben eine sehr große Wirkung auf die Emotionen des Patienten. Des Weiteren können weitere Faktoren das Aggressions-/Emotionspotenzial beeinflussen wie Schilddrüsenerkrankungen oder bestimmte Vitamin-Mangel. Deshalb empfehle ich allen Personen, die mich bzgl. Depressionen um Rat frage, auch die Schilddrüse und Vitamin-Werte abchecken zu lassen.

Meine Mutter hatte eine schwerere depressive Episode erst im mittleren Alter, vor ca. 12 Jahren. Das war dann auch der Zeitpunkt, wo sie das erste Mal Antidepressiva nahm. In dieser Zeit, bis die Medikamente eine gute Wirkung hatten, war sie gefühlt auch unausstehlich. Sie war sehr schnell gereizt, ohne Grund. An einem Tag wollte ich aus meiner Wohnung raus und sie rein und da hat sie mich einfach im Flur zur Seite gedrängt. Das war dann der Punkt, wo ich sie darauf angesprochen hatte. Sie hat es selbst gar nicht so bemerkt.

Ich selbst habe seit meiner Jugendzeit Depressionen und seit 2 Jahrzehnten Schilddrüsenerkrankungen (in meiner Familie leider auch sehr verbreitet). Ich weiß noch, das ich in meinen "reizbaren" Zeiten sehr provokativ gegenüber meiner Familie reagiert habe und auch tatsächlich schon mal was auf den Boden geschmissen habe. Das waren alles Impulse, die ich nicht mehr so gut unter Kontrolle bekommen hatte. Das ist natürlich keine Entschuldigung, aber für denjenigen ist es ein innerlicher Kampf.
Heute geht es mir besser und ich bin total entspannt. Wenn ich mich reflektiere, dann ist es mir rückblickend sehr unangenehm und ich habe oft Schuldgefühle meiner Familie gegenüber. Aber ich weiß eben auch, das ein innerlicher Druck war. Wenn man diesen "abließ", ging es einen aber auch nicht besser.

Meine älteste Tochter hatte seit ihrer Jugendzeit auch ein sehr hohes Aggressions-/Emotionspotenzial bis sie ca. 19 Jahre wurde, danach wurde sie ruhiger. Das war eine sehr anstrengende Zeit. Man verliert irgendwann die Geduld, doch dann habe ich mich immer wieder durchgerungen, auf sie einzugehen, weil ich ihre Mutter bin. Sie hat auch oft gesagt, das wäre wie, als wenn ein "kleiner Mann" in ihrem Kopf sitzt und sie diese Sachen machen lässt.

Es kann unterschiedliche Gründe haben, warum deine Mama derzeit so reagiert. Gerade wenn man Medikamente nimmt, kann die Stimmung auf andere total kühl und monoton wirken, was man selbst gar nicht so mitbekommt.

Es tut mir sehr leid, das Du diesen Leidensdruck als Tochter erlebst. Gerade in Familien ist es sehr schwer, sich zu lösen, weil man Schuldgefühle bekommt oder Zweifel. Es kann sogar passieren, das man selbst in eine Negativspirale gerät.

Letztendlich kannst Du wahrscheinlich momentan nur soviel für Deine Mama da sein, wie sie auch annehmen möchte. Um ihr das zu signalisieren, kannst Du ihr ggf. einen Brief schreiben.

Dich ein Stück weit zu entfernen, heißt ja nicht, sie alleine zu lassen. Du hast ja trotzdem ein eigenes Leben und das Recht darauf, dies zu leben. Es ist unabhängig von der Erkrankung der Mama zu betrachten.

Wie ist eure Wohnsituation. Wie oft habt ihr euch in der Vergangenheit getroffen oder telefoniert? Vielleicht hilft auch eine andere Struktur festzulegen.

Melde Dich einfach, wenn Du denkst, Dir würde der Austausch helfen. Ich würde Dich gerne weiter unterstützen.
Maxegon
Beiträge: 2426
Registriert: 25. Mai 2021, 11:33

Re: Meine Mama hat Depression

Beitrag von Maxegon »

Constance hat geschrieben: 16. Apr 2024, 13:45
Es kann unterschiedliche Gründe haben, warum deine Mama derzeit so reagiert. Gerade wenn man Medikamente nimmt, kann die Stimmung auf andere total kühl und monoton wirken, was man selbst gar nicht so mitbekommt.
...
Letztendlich kannst Du wahrscheinlich momentan nur soviel für Deine Mama da sein, wie sie auch annehmen möchte. ...
Ich kann mich @Constance nur anschließen.
Bei meiner Mama begann es mit ihrer Altersverrentung, ganz langsam, kaum merklich.
Sie wurde oft mürrischer, nicht immer, je nach Tagesform.
Manchmal war sie aufmerksam und tolerant, manchmal erschien sie sehr hilflos und war es sicher auch.
Nun, verrentet mit 65 Jahren, fehlte ihr plötzlich eine Aufgabe, sie lebte allein und wusste auch diesen Luxus zu schätzen, doch ihr fehlte gebraucht zu werden.

Ihre beiden erwachsenen Kinder lebten ihr eigenes Leben, an anfänglichen europaweiten Busreisen verlor sie nach ein paar Jahren das Interesse - kurzum, ihr fehlte der soziale Kontakt, der den sie sich wünschte ...
sie vereinsamte langsam.

Irgendwann kam eine Krebsdiagnose mit dementsprechenden Medikamenten, was sicherlich noch mehr auf die Psyche schlug.

Wir Kinder sind da oft "betriebsblind".
Ich war es jedenfalls lage, sehr.
Wir, voll eingebunden in Job und unseren Beziehungen, können uns kaum vorstellen, wie sich ein langsam alternder Mensch fühlt.
Wenn die Kontakte langsam zum erliegen kommen, sei es weil einige einfach wegsterben oder noch schneller abbauen/komischer werden, wie man selbst.

Meine Mutter, eigentlich immer fit im Kopf, sehr tolerant und zukunkftsorientiert, kontaktfreudig und interessiert, konnte wenig mit Gleichaltrigen oder Älteren anfangen, die entweder nur noch meckerten oder von ihren Krankheiten erzählten - das war nie ihr Ding.

Schilddrüse oder ähnliche "Mängel" trafen auf meine Mama nicht zu, auch kein nervender Ehemann o.ä..

Ich erkläre es mir so: die langsame Vereinsamung, der Mangel an Freude, Erfolgserlebnissen war die Hauptursache ihrer Wesensveränderung, mit der immer schlimmer werdenden Kreberkrankung und der Nebenwirkung der zahlreichen Medikamente nahm der Zustand sicherlich zu.
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