Ein gnadenlos ehrlicher und verzweifelter Hilferuf (Ich M24 habe kein Leben)

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lostlife23
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Ein gnadenlos ehrlicher und verzweifelter Hilferuf (Ich M24 habe kein Leben)

Beitrag von lostlife23 »

Hallo ihr lieben Menschen da draußen. Seit nun 24 Jahren kämpfe ich einen Kampf mit mir selbst und auch wenn mein Kopf blockiert, zwinge ich mich jetzt endlich dazu, aufzuschreiben, was seit sehr langer Zeit schief läuft, da ich endlich eine externe Einschätzung und Rat brauche. Und mich beschleicht der Wille, ein anderes, neues Leben führen zu wollen.
In mir hat sich ein Mechanismus manifestiert, der jegliche Gedankengänge zu meinem vergangenen Erleben und Leiden ausblendet und verhindert ins Bewusstsein zu geraten, weshalb ich kaum noch wirkliche Erinnerungen an meine Kindheit habe, es ist wie eine Schranke zwischen Hirn und Mund, oder in diesem Fall die Finger die es in die Tastatur tippen sollen. Ich quäle mich jetzt dazu. Denn ich kann so nicht mehr weiter leben, es muss sich etwas ändern. Es kann sein, dass ich unbewusst einige Dinge weglasse, nachfragen ist erlaubt. Es folgt eine möglichst komprimierte Fassung meines bisherigen Lebens, das beispiellos ein Systemversagen aufdeckt und ein Hilfeschrei ist. Bitte verzeiht mir die furchtbare Grammatik.

Ich bin 2000 auf die Welt gekommen, „spätes Frühchen“ per Kaiserschnitt.
Später kamen zwei Geschwister dazu. Erzeugerin (Alkohol, Drogen, Borderline Persönlichkeitsstörung) und Erzeuger (Alkohol, Depression, Narzisst) sind selber psychisch krank, lernten sich ironischerweise in der Geschlossenen Psychatrie kennen, haben sich nie wirklich Hilfe geholt. Erzeugerin seit Jahren in unterschiedlichsten Therapien, bisher erfolglos. Das wird eine bedeutende Rolle im Verlauf spielen.

Bereits im Kindergarten zeigte ich ein sehr zurückhaltendes, ängstliches Verhalten.
Kontakte mit anderen zu knüpfen war sehr schwer und mir gelang es nie an sozialer Gruppendynamik teilzuhaben. Ich habe lieber immer andere beobachtet, anstatt selber in das Geschehen einzugreifen. Es gab schon die Situation, dass ich auch mal mit Kindern aus der Straße die typischen fantasievollen Spiele gespielt habe, wie aus Büschen ein Versteck zu bauen oder sowas. Aber es ging nie darüber hinaus, also bloß keine Verbindlichkeiten, keine Kompromisse. Schon da stand ich oft alleine rum und konnte mit Aufforderungen „spiel doch mal mit XY“ (falls es sowas überhaupt gab?!) nichts anfangen. Spontanes Rausgehen oder Besuch einladen war mir ohnehin stets untersagt. Da hat man mir die Angst bereits eingetrichtert. Das zog sich in der Grundschule fort, es gab zwar lose Kontakte, doch ich hatte schon immer das Gefühl, nicht dazu gehören zu dürfen und weniger Wert zu sein. Das hat schon emotional was mit mir gemacht, aber ich habe es einfach hingenommen.

Auch Probleme oder Unklarheiten habe ich lieber in mich reingefressen, als Erwachsene um Hilfe zu bitten. Ich habe also dann versucht zu deuten, was Menschen durch ihre Aussagen und ihr Handeln bezwecken oder was Situationen/Anweisungen bedeuten anstatt einfach Klarheit zu verschaffen. Das hat auch oft zu Konflikten geführt. Das hat sich durch die ganze Schulzeit gezogen, dass ich mich habe demütigen und anschnauzen lassen.
Leider gab es auch unter uns Geschwistern dann immer wieder körperliche Auseinandersetzungen, von denen ich heute nicht mehr sagen kann, warum ich das getan habe. Ich bin eigentlich sehr konfliktscheu, aber wenn es dann einen Konflikt gibt, steigere ich mich richtig rein, bis das Adrenalin kommt – und das kann jedes noch so absurde Missverständnis sein.

Meine Freizeit bestand tatsächlich leider schon immer aus Computern, mein Erzeuger hat bei seinem damaligen Hausmeister-1€-Job ausrangierte PCs mit nach Hause gebracht, und ich hatte schon immer eine Faszination für sowas, hab dann auch schon selber welche zusammengebaut und aufgesetzt, hab ich wohl abgeguckt. Ich hab auch lieber PC-Sachbücher als irgendwelche Kinderbücher gelesen. Das diese Gerätschaft noch über Jahrzehnte für meine Realitätsflucht sorgen sollte war da noch nicht denkbar. Als Kind habe ich da wenigstens noch dran gedaddelt, heute ist es stumpfes Scrollen und berieseln lassen. Hausaufgaben waren für mich auch immer die Hölle, weil ich innerlich Anfälle bekomme, wenn ich mich auf etwas konzentrieren muss, für das ich eine Abneigung hege, und wenn es dann auch noch Mathe war,

2008 rum habe ich dann erstmals bewusst mitbekommen, dass meine Erzeugerin ständig Rückfälle hat. Nicht selten hörte ich meine sie qualvoll schreien, weil mein Erzeuger mal wieder übergriffig wurde oder sie einfach in ihrer Psychose. Ein Geräusch, dass für immer verstört hat. Der extrem exzessive Alkoholmissbrauch hatte nicht nur zur Folge, dass sie ständig nicht zu Hause war, sondern dass sie bei wildfremden Typen landete, in Imbissen randalierte oder Polizisten angriff. 2009 sind wir in eine neue Wohnung gezogen, da hatten wir eine damals 17-jährige Nachbarin, bei der wir „abhängten“. Ich weiß noch wie ich und meine Schwester immer halbernst zu ihr sagten, sie solle doch bitte unsere Mutter sein. Die Polizei war sogar mehrmals da, weil mein besoffener Erzeuger sie um Mitternacht gesucht hat und niemand zu hause war. Anstatt ENDLICH das Jugendamt zu informieren, hat die 17-jährige Nachbarin ausführlich erklärt sie würde auf uns aufpassen, was ich ihr auch nicht verübeln kann, mein 10-jähriges Ich fand das Okay. Mein jetziges hegt Hass auf das krasse Behördenversagen.

So richtige Unternehmungen gab es also nicht mehr, höchstens den „Spaziergang“ zum Krankenhaus, wo meiner Erzeugerin im gefühlten Wochentakt in der geschlossenen Psychatrie landete, und wenn sie auf die offene gelegt wurde sind wir sie besuchen gegangen. Ich hab das als Kind alles überhaupt nicht verstanden, wieso sie dort überhaupt war.

In der Schule wurde ich immer schlechter, die Zeugnisse der 1. bis nur 10. ziert durchgehend die Feststellungen: Ich habe den Anschluss in der Klasse nicht gefunden, ich bin ängstlich, ich muss selbstständiger werden, ich muss mich mehr Anstrengen, mehr aus mir herauskommen.

2010 hat sich unsere Erzeugerin einen fremden Typen engagiert, der uns ins Frauenhaus fährt.
Dazu wurden wir in einer Blitzaktion entführt, ich kam von der Schule, meine Erzeugerin wurde an dem Tag mal wieder aus der Psychatrie entlassen, ich war am Hausaufgaben machen und hatte zum ersten mal Linux von so ner Heft-CD auf meinem Computer installiert und wollte das unbedingt testen. Als ich dann realisierte, dass meine Erzeugerin jetzt unbedingt mit uns weg will, merkte ich sofort, dass hier etwas überhaupt nicht stimmte. Mein Herz begann zu rasen, ich bekam Panik und Todesangst, als sie uns versuchte in ein Auto zu zerren das bereits auf uns wartete. Meiner Eigenart „sei Dank“ wäre ich nie auf die Idee gekommen einfach wegzurennen (ich hasse mich dafür) sondern bin brav auf dem Grundstück geblieben, jedoch dann wenigstens aus Verzweiflung in die Wohnung der Nachbarn gestürmt. Mittlerweile tränenüberströmend und nach Luft jauchzend habe ich die minderjährige Nachbarin angefleht uns zu verstecken. Doch das alles half nichts, trotz all dem Lärm hat niemand die Polizei gerufen und wurden schlussendlich erfolgreich ins Frauenhaus entführt.

Es klingt wie eine ganz schlechte Geschichte, doch sie geht so weiter:
Dort versuchte man mich mit meinem PC-Fable zu beruhigen und steckte mich in so ne Abstellkammer wo noch PCs aus den 90ern rumlagen. Man wollte mir nicht sagen wo ich mich befinde und auch ein Telefonverbot zum Erzeuger bekam ich. Mein Leben in der alten Stadt war damit beendet. Einen einzigen Schulfreund hatte ich dann doch und den schätzte ich sehr, da wir uns bereits im Kindergarten kennenlernten. Seine Familie stammt aus einem komplett anderem Umfeld, er ging in die Musikschule, seine Mutter war dort glaube Lehrerin. Und dann gabs mich, aus diesem prekären versifften Umfeld, aber wir verstanden uns prima, gingen sogar mittwochs in die Kinderkirche. Da wusste ich schon er sollte aufs Gymnasium gehen und ich in die Sekundarschule, aber privat hätte man sich bestimmt noch getroffen. Auch in diesem Frauenhaus (wo Alkoholverbot herrscht) gab es dann Ausnahmesituationen, wo meine Erzeugerin 2 Uhr nachts besoffen auf der Bundesstraße liegt und dort Polizisten biss, die sie aufsammeln wollten. Die anderen Frauen aus dem Schutzhaus haben mich in ein Zimmer gesperrt, das hat alles nur noch schlimmer gemacht. Irgendwann rückte eine Bereitschaftsmitarbeiterin an und sagte nur ich soll schlafen. Mein Herz raste stundenlang unentwegt, dieses Gefühl der Hilflosigkeit, der Ungewissheit, ich spüre es heute noch.

Ich hatte noch nie eine enge liebevolle Bindung weder zu meinem Erzeuger, noch zu meiner Erzeugerin. Mit 12 habe ich sie nur noch beim Vornamen genannt, weil "Mama und Papa" sehr befremdliche Ausdrücke für mich waren.

Irgendwann kam unangemeldet eine Mitarbeiterin des Jugendamts vorbei und wollte mich zu den Eltern befragen, ich mittlerweile psychisch total verstört labere einfach irgendwas, was ich für richtig hielt vor mir hin und musste mir dann anhören „Du spielst deine Eltern gegeneinander auf“.
Erst heute weiß ich, wie abartig die Tatsache ist, dass sowas von einer empathielosen Jugendamtstante kam, die sich rechtswidrig Zugang zu uns verschaffte.
Erst heute weiß ich aus Erzählungen, dass mein Erzeuger immer Druck auf meine Erzeugerin ausübte, wir Kinder mussten immer leise sein, am besten keinen Mucks geben und keine Bedürfnisse haben, damit er das Kindergeld versaufen kann, und das hat er dann auch noch einige Jahre gemacht. Durch ihr Borderline hat sie sich abhängig von ihm gemacht.

Die Sommer“ferien“ waren vorbei und ich musste in einer neuen Stadt in die Sekundarschule starten. Der erste Tag ist immer noch präsent für mich: Maximale Überforderung, total panisch verstört ängstlich, ich kannte niemanden, ich wollte gar nicht da sein. In der Hofpause bin ich total overloaded über den Schulhof gelaufen, schließlich kannte ich niemanden und ich wollte mich nicht zu wildfremden Leuten setzen, ich konnte auch Lehrer und Schüler nicht mehr auseinanderhalten, ich setzte mich auf eine Bank und begann zu heulen, doch auch das nahm niemand wahr. Ich hatte mittlerweile Tics entwickelt, die sich darin äußerten dass ich willkürlich meine Oberlippe mit der Nase ansaugte oder heftig Zwinkern musste, mit den Stimmbändern erzeugte ich unfreiwillig ein Geräusch. Vermutlich wegen des Stress’. Ich begann meine Schritte genau zu kontrollieren, weil auch mein Gang für Spott reichte. Bis heute kann ich deshalb draußen nicht normal laufen. Für all das wurde ich nicht nur in der Schule, sondern auch von meinem Erzeuger gemobbt, ich solle das doch bitte unterlassen und normal sein.

Da der Weg zum Frauenhaus weit war musste ich jeden Tag aus dem Sekretariat aus meine Erzeugerin herbeiordern was den Zorn der Schule auf sich zog, weil ins Handynetz telefonieren so teuer sei. Deshalb verweigerte mir das irgendwann und ich musste ihr blind entgegenlaufen.
Den Rest der Schulzeit kürze ich ab: Ich fand den Anschluss nicht, habe nie Körperpflege beigebracht bekommen, begann zu stinken, lange Fingernägel, fettige Haare, etc. Wurde also ausgegrenzt und gemobbt. Im Unterricht konnte ich mich nie konzentrieren. Ab der 9. Klasse entwickelte ich Panikattacken die mich jeden Tag an die Grenze brachten. Ich traute mittlerweile niemand mehr anzugucken oder gar ein Mucks von mir zu geben. Doch ich sagte nichts, ich wusste ja nicht, dass das nicht normal ist. Ich konnte mit niemandem reden.

Zwischendurch hab ich auch Scheiße gebaut, ganz absurd: Den Physiklehrer gefilmt und online gestellt weil ich dachte das wäre cool und lustig… Keine Ahnung, ich war dumm und blöd.
Irgendwann ging ich mit Bauchschmerzen zum Kinderarzt und wollte mich immer wieder krankschreiben lassen. Heute weiß ich, das waren psychosomatische Schmerzen, ich dachte damals ich simuliere nur besonders gut. Irgendwann hatte ich Fehltage und das Ordnungsamt wollte mich in Jugendarrest stecken. Noch immer hat niemand begriffen, dass ich hier längst psychisch zerstört war. Die Luft war längst raus aber ich funktionierte irgendwie weiterhin.
Achja, zuhause wohnten mit kurzer Unterbrechung immer noch Erzeuger und Erzeugerin, er saß den ganzen Tag in der Küche und soff sich den Pegel schön während sie zeitweise im Altersheim arbeitete aber dann wieder abrutsch.

Ich hatte nur billige kaputte stinkende KiK-Klamotten, ernährte mich immer ungesünder.
Wir hatten Meerschweinchen zur Ablenkung, die jedes mal erkrankten und qualvoll gestorben sind. Das hat mich unglaublich belastet. Vor allem, weil die Erzeuger so stumpfsinnig einfach immer neue geholt haben, als wäre das irgendwie austauschbare Ware, mit denen man seine Kinder ruhigstellen könne. Leider fing ich an, meine Schwester zum Abprall des angestauten Stress zu benutzen, auf deutsch: Gewalt war im Spiel. Vermutlich war ich eifersüchtig, weil sie es trotzdem geschafft hatte, Freunde zu finden und konnte am Wochenende immer woanders schlafen, sie hatte auch mehr Geld bekommen und ein renoviertes Kinderzimmer. Ich bin eingegangen, das Haus habe ich 6 Jahre lang nur für die Schule verlassen. Umgeben von komplett gestörten Eltern, einer verwahrlosten Wohnung, mit der Gewissheit, dass mich alle Hassen, eine komplett falsche Wahrnehmung der Realität. Ich hatte nicht mal den Freiraum oder die Umgebung, eine Pubertät zu haben. Meine Erzeugerin zog 2017 mit meiner Schwester aus, ich und mein Bruder mussten weiter beim Erzeuger versauern.

Mit Beginn der Pubertät bin ich mir erstmals ein wenig der Tatsache bewusst geworden, dass ich ein sehr seltsames Leben führe, dass sich extrem von der Normalität unterscheidet. Ich fühlte mich falsch auf der Welt, war der tiefsten Überzeugung dass die ganze Welt mich hasst. Ich habe mich jeden Abend in den Schlaf geheult, aber so, dass es niemand hörte. Irgendwann drehte ich mir ohrenbetäubend laute Musik auf um Schlafen zu können.

Das Jugendamt hatte zwischenzeitlich einen ambulanten Betreuungsauftrag, aber irgendwie waren die entweder Blind oder meine Erzeuger haben es irgendwie geschafft die Situation als völlig in Ordnung zu verkaufen. Man muss immer bedenken, dass ich nie in der Lage war, meine wahre Gefühlslage zu äußern. Denn einerseits habe ich eh immer alles in mich hineingefressen und auf der anderen Seite kannte ich es nicht anders. Auch Polizei und Feuerwehr mussten mal anrücken, weil meine Erzeugerin unter Drogeneinfluss den Freitod ankündigte, während ich gefühlslos und ausgebrannt nur noch zusehen konnte. Und wieder wurden wir nicht ins Heim gebracht. Der narzisstische Erzeuger schaffte es, das wahnwitzigste Lügengebilde vorzugaukeln, es sei doch alles okay.

Ich habe es auf wundersame Weise trotz ausgelöschter Seele geschafft, 2016 den einfachen Realabschluss zu erlangen. Und ab da war ich dann nur noch zuhause. Berufsorientierung? Nie dran gedacht. Mein Erzeuger hat auch stets alle Briefe einfach weggeschmissen. Hier begann ich
endgültig mich ins Internet zu flüchten und widmete die Zeit fortan nur noch meiner damaligen Beschäftigung mit dem Fernsehempfang. Also ich saß nicht stumpf da und lies mich berieseln, sondern analysierte Rundfunksignale und die Datenströme, schnitt Sendungen mit die anfällig für Pannen waren, tauschte mich bei YouTube und in Foren mit Gleichgesinnten aus. Ich habe damit 2014 begonnen, als ich wochenlang mit einer schweren Grippe im Bett lag und nur Fernsehen schauen konnte.

Ich habe mich nicht mehr geduscht, ich hatte keine sauberen Klamotten, ich hatte keine Manieren, keine Knigge, wusste nicht mal wie man mit Messer und Gabel isst. Ich hatte keine Freunde (auch nicht online), dadurch dass man mit mir als Kind nie zum Kieferorthopäden ging, habe ich krumm und schiefe Zähne bekommen. Ich habe Popel an Textilien geschmiert weil man mir das Naseputzen nicht beibrachte, ich konnte keine Schnürsenkel. Ich hatte kein Taschengeld und war nie selber einkaufen gegangen. Über all die Jahre bekamen wir vom Erzeuger Mikrowellen-Fertigfraß serviert, beschweren durfte man sich nicht. Das Verhältnis zum Erzeugnis war mittlerweile extrem giftig, der rastete bei jeder Kleinigkeit aus, z.B. weil ich eine Brummstimme durch die Pubertät entwickelte und eine „typisch“ schwule und autistische Gestik an mir habe.

Ich hatte zu dem Zeitpunkt eine heftige Derealisation entwickelt und wollte dies irgendwie meinem ebenfalls völlig aus der Realität abgedrifteten Erzeuger erklären, so verzweifelt war ich.
Die Welt da draußen war für mich unzugänglich, wie ein Tor zur Hölle – dachte ich zumindest, die wahre Hölle war ja die Wohnung.

Irgendwann habe ich wegen der kleinsten Unsicherheit eine Panikattacke entwickelt, das steigerte sich zur somatischen Form, dass ich der festen Überzeugung war krank zu sein (was ja in gewisser Weise ja stimmt) und hörte fortan ständig meinen Herzschlag ab.
Dann war es so weit: Ich sah eine Sendung (Hirschhausens Quiz des Menschen) wo es um das Herz ging und bekam eine Panikattacke von der ich mich nicht mehr erholte. Mein besoffener verpeilter Erzeuger wollte den Rettungsdienst nicht rufen, sonst würde ja das Lügengebilde auffliegen. Am nächsten Morgen habe ich ihn klar gemacht, dass ich gerade am sterben sei, dann endlich wurde ich in der Notaufnahme behandelt, hatte einen Puls von 180. Und der hat sich erst nach 48h beruhigt. Man ging zunächst von einem Herzinfarkt oder Drogenmissbrauch aus, doch bis auf meinen damals übermäßigen Energy-Konsum habe ich keine Drogen genommen.

Ich blieb Stationär auf der Kinderstation und wurde mit dem Ergebnis generalisierte Angststörung und Panikstörung entlassen. Als meine Erzeugerin dann doch mal eine nüchterne Phase und sowas wie Verantwortungsbewusstsein hatte, meldete sie mich auf der Psychosomatikstation des selben Krankenhauses an, wo ich dann aufgenommen wurde.

Der Kontakt zu anderen Jugendlichen hat mich überfordert, das Bewusstsein keine Tischmanieren zu haben hat mich gekränkt und für mein Äußeres habe ich mich zutiefst geschämt.

In der Psychotherapie konnte ich erstmals grob skizzieren, was all die Jahre schief gelaufen ist.
Allen Beteiligten war klar: Ich muss zuhause raus und in eine Hilfeeinrichtung. Nur ich habe mich voller Angst daran geklammert, nicht nochmal in eine neue Umgebung ziehen zu müssen. Der Tatsache dass die alte mich zerstört hat war ich mir da nicht bewusst. Aber das Frauenhaus-Drama hat sich so tief in mir verankert, dass ich absolut Panik davor habe, mit fremden Menschen in einer fremden Unterkunft zu wohnen. Auf der Psychosomatikstation entwickelten sich Konflikte, ich bin wohl aggressiv geworden, habe mich auch daneben benommen und wurde beurlaubt. Heute erinnere ich mich nur noch wenig daran, weiß aber, dass sie es versuchten auf die Antidepressiva zu schieben. Dass ich einfach alles angestaute irgendwo rauslassen und nachholen muss, wollte niemand als Argument haben. Sie versuchten mich auch zu einer Berufsausbildung zu zwingen, aber das war mit zu dem Zeitpunkt total unrealistisch.

Ich hab ich schlussendlich zunächst ambulant für eine Jugendhilfe entschieden, ehe die starte musste ich das mit der Tagesklinik überbrücken. Doch die bestand nur aus Puzzle und Backen, oberflächliche Therapiegespräche. So sollte ich lernen, andere Leute anzusprechen oder minutenlang einfach grundlos irgendwo rumzustehen. Leider habe ich das nicht gemacht und die Therapeutin belogen, um sie nicht zu enttäuschen. Viel gebracht hat das nicht, ich hing zuhause trotzdem weiterhin nur am PC.

Eingebrannt hat sich die Bitte der Therapeutin, ich solle mir dringend einen Zahnarzt suchen. Die Angst war zu groß, ich hatte keine Unterstützung, daher habe ich es nicht gemacht. Heute weiß ich: Mit 17 hätte mit die Krankenkasse noch die Zähne begradigt. Ein fataler Fehler.

Die Jugendhilfe begann auch holprig, so bin ich zunächst einfach nicht mehr hingegangen als ich mir den Fuß umgeknickt habe. Statt zur Notaufnahme bin ich einfach wieder nach Hause gegangen.
Aber mein verwahrloster Erzeuger hatte wohl auch eine Sekunde der Erkenntnis und ging mit mir zusammen zur Notaufnahme wo ich eine Bandage bekam. Nach Wochen ging es dann weiter.

Die anderen Jugendliche, der rauere Ton, das Flair hat mich abgeschreckt. Ich konnte mich nie auf eine Ebene mit den Sozialarbeitern begeben sondern habe mich immer unterworfen, was ein sichtlicher Kontrast zu den anderen Jugendlichen war, die dort wegen Straf- und Drogenproblemen wohnten. Jeder Tag war von der Angst, angeschnauzt zu werden oder was falsch zu machen begleitet.

2018 zog ich in die WG des Hilfeträgers ein und bekam erstmals durch das Jugendamt Taschengeld.
Damals besaß die WG noch keine eigene Sozialarbeiterin, das hat sich alles erst geändert als ich da ausgezogen bin. So musste ich, auf mich alleine gestellt ohne Unterstützung ein Bankkonto eröffnen. Niemand kam auf die Idee mit mir mal zum Arzt zu gehen, das kam alles erst später. Zu spät. Denn ich bekam riesige Löcher in meinen Frontzähnen, die mein nicht vorhandenes Selbstbewusstsein noch mehr auslöschten. Trotz der Erlösung des Erzeuger-Haushalts ging es mir weiterhin elend. Ich fühlte mich einsam, mit den Krawalljugendlichen irgendwie zu interagieren habe ich zunächst wochenlang vermieden. Doch dann kam ausgerechnet einer der Sozialarbeiter (der mit den anderen Bewohnern auf Kumpel machte) auf die Idee, ich solle doch mal ein Bier probieren. Bis dahin hatte ich keinen Schluck Alkohol getrunken. Nach dem ersten Schluck wurde mir schwindlig und das war für alle belustigend, in mir Löste es eine Panikattacke aus. Und niemand hätte mich ernst genommen. Jugendamt hat hier wieder vollkommen versagt.

Ich musste mich irgendwann der Tatsache täglich mit den Jungs zu tun zu haben ergeben und habe schnell angefangen nun regelmäßig Alkohol zu trinken, da die Wirkung etwas befreiendes hatte. Plötzlich war man ein anderer Mensch. Es hat nur einen Monat gedauert bis es eskalierte, da sich alle besoffen hatten. Zwischenzeitlich versuchte man mich in ein BBW in Dresden zur Ausbildung zu bewegen, doch das war alles zu viel, auch dort habe ich den Kontakt zu anderen gescheut und habe mich im Wohnheim verbarrikadiert, in den Bildungsstätten konnte ich mich nicht auf die Sache konzentrieren und war auch vom rauen Ton der Ausbilder verstört.

Später versuchte man es mit einer BvB-Maßnahme in der ich erstmals einige aus der Grundschule wiedersah, doch nichts war wie es einmal war. Ich war von den Menschen überfordert, war der festen Überzeugung zu nichts fähig zu sein, alles falsch zu machen und habe alles völlig überinterpretiert, jeden Blick jeden Atemzug. Es gab nur Holz-/Metallbearbeitung und Großküche/Sozialkaufhaus. Die Abneigung war extrem, es hat mich zermürbt. Auch das brach ich ab. Bis Ende 2019 habe ich dort noch gewohnt und trotz mehrmaliger Erziehungsmaßnahmen trank ich weiterhin Alkohol. Das stumpfe hirnrissige Chaos mit den anderen Bewohnern, besser als nichts, dachte ich mir wohl.

Die Angst, angeschnauzt zu werden oder was falsch zu machen blieb übrigens bis zum Ende. Zahnarzt und Impfungen wurden mittlerweile nachgeholt. Aber auch hier kam es, wie es kommen musste, irgendwann entwickelten sich Konflikte, mal wieder ausgelöst durch die Tatsache dass ich offenbar nicht angemessen das Gespräch suchen kann und lieber Feindseligkeiten in Form von Fehlinterpretationen usw. „suche“. Das Ende vom Lied: Ich sollte raus, endlich in eine eigene Wohnung.

Ich wollte eigentlich in eine Großstadt ziehen um mich für komplett neu zu beginnen, doch man vertröstete mich wieder auf die Stadt, wo ich ehemals hin entführt wurde. Wenigstens hier unterstützte man mich etwas mit den Möbeln. In dieser Wohnung wohne ich bis heute.

2020: Die Jugendhilfe lief aus und ich sollte mich für eine Rehabilitationsmaßnahme für Psychisch Kranke anmelden, mit dem drohenden Unterton „wenn du das auch abbrichst, gibts nicht mehr“.
Ich hatte zu diesem Zeitpunkt immer noch absolut kein Selbstbewusstsein, keine gesellschaftlichen Umgangsformen, keine Freunde und keine Perspektive. Man stellte mir einen gerichtlichen Betreuer an die Seite, den ich bis heute habe, aber den letzten Kenntnisstand von 2020 hat.
Zum ersten Mal hatte ich den Drang von mir aus, endlich Kontakte zu knüpfen, wenn auch nur online. Auch die ersten sexuellen Erfahrung habe ich hier gemacht, auch wenn ich mich dazu gezwungen habe weil ich wusste bald 20 zu werden. Ich werde nie vergessen, welch ein Selbstwertgefühl da zum ersten Mal aufkam und für eine Woche anhielt. Aber so richtige Kontakte entstanden wieder nicht.

Die Reha-Maßnahme war zunächst medizinisch, wegen Corona deutlich später beruflich ausgelegt. Auch hier hatte ich nicht das Gefühl, dass die Gespräche mit Therapeuten zielführend waren.
Rückblickend weiß ich, dass ich auch hier Abneigungen hatte und die toxische Bequemlichkeit in mir wollte, dass ich da nicht mehr hingehen muss. Ich muss aber gestehen, dass ich mit kritischen Worten und Selbstreflektion damals absolut nicht umgehen konnte. Die Motivation lies nach, auch hier war ich wieder total empfindlich und feindselig eingestellt, auf die Therapie konnte ich mich nur widerwillig einlassen. Erstaunlicherweise wurde ich als arbeitsfähig entlassen, was mir schon damals extrem spanisch vorkam. Den Kontakt zu meinem Erzeuger brach ich 2018 ab, den zu meiner Erzeugerin 2020 als sie wieder mal meine Grenzen nicht respektierte.

Während der Reha habe ich in einer Furry-Gruppe auf Telegram meinen ersten Partner kennengelernt. Das ging erstaunlich einfach: Ich hatte zwar nicht viel mit der Furrykultur am Hut aber schrieb einfach mal eine Person die ein Bild von sich drin hatte an und wir haben bis in die Nacht geschrieben. Die erste Person, die keine Vorurteile über meine Lebensgeschichte hatte. Schon fast naiv. Er hatte gerade seinen Job verloren und war froh jemanden zum reden zu haben.
Wir schrieben dann wochenlang weiter, haben uns so hineingesteigert in die Textbausteine so dass er tatsächlich nach einer Beziehung fragte.

Ohne überhaupt zu wissen, wie sich das anfühlt, ob das richtig ist habe ich dem zugesagt und er wollte sich unbedingt treffen. Doch dann holte mich die Realität wieder ein: Ich bin ein Nichtsnutz, ein Alien, ein unsoziales Wesen, hässlich noch dazu.
Egal, er wollte es, ich sagte mit großen Bauchschmerzen zu und machte mich aus dem Weg in die Großstadt zum Bahnhof. Eine Panikattacke des Todes durchströmt meinen Körper, aber da musste ich durch. Als ich ihn zum ersten Mal sah fiel eine große Last ab. Noch nie hatte ich so einen unkomplizierten Menschen begegnet. Wir umarmten uns, setzten uns in die Straßenbahn Richtung meiner Stadt und schauten gemeinsam YouTube-Videos.

Dass wir in einer Beziehung waren und uns wo weird kennengelernt haben, begriff ich erst nach und nach. Ich war einfach froh, dass da jetzt ein Mensch ist, der vorgibt, mich bedingungslos zu mögen und Zeit mit mir verbringt. Nichts mehr als das hatte ich mir die 10 Jahre davor gewünscht. Erst Wochen später entwickelte ich auch echte Gefühle für ihn.
Die Reha neigte sich dem Ende zu, ich wurde in Praktika gedrängt, zunächst in ein Museum und später, das war mein Glückstreffer: Ein Bürgerradio. Hier konnte ich erstmals zeigen, was ich drauf habe. Nebenbei habe ich mich für eine Berufsbildende Schule zur Ausbildung angemeldet, mit Erfolg. Auch habe ich mich erstmals selbstständig um einen Zahnarzttermin gekümmert und die Praxis war ein Volltreffer.

Wir besuchten uns immer wieder gegenseitig an den Wochenenden. Ich lernte nach etwas Hinauszögern seine Mutter kennenlernen und somit erstmals eine gesunde Familie, wo es menschlich zugeht. Wir hatten sogar bereits geplant, zusammen zuziehen (in seinem Ort). Wir fuhren mit Fahrrädern die Seen entlang und mein Fokus war immer nur die ganze Zeit darauf gerichtet, was die anderen über mich denken.

Ich war noch längst nicht fein mit mir. Abgestumpft, narzisstisch und empathielos bin ich wohl. Ich begann wieder aus Nonsens einen Streit vom Zaun zu brechen, anstatt ihn sachlich zu lösen.
Leider wurde mir hier erstmals bewusst dass ich wohl wirklich kein Einfühlungsvermögen habe, denn mit Konflikten konnte ich nicht umgehen und ich habe versucht einfach alles schön zu reden. Dass da dann doch mehr Arbeit drin steckt als nur den ganzen Tag zu kuscheln, war mir nicht klar.
Ich wollte doch einfach nur diesen Menschen und seine körperliche Nähe bei mir haben.

Die Rosarote Brille verschwand allmählich und nach ein gutes viertel Jahr verging, aber wir wurden uns immer fremder. Ich habe oft Grenzen überschritten, indem ich ihm nicht seinen Freiraum lies und sogar bei seiner Arbeit belästigte. Er wollte dann zwei Wochen Auszeit. Auch hier schaffte ich es nicht ihn nicht zu kontaktieren. Ein letztes Mal fuhr er zu mir um die Beziehung zu beenden, ich habe bis heute Respekt davor. Mit einem toten gefühlskaltem Blick lässt er mich eine Stunde lang in seine Schulter heulen, ich verbrauchte eine ganze Packung Taschentücher. Mindestens noch drei Wochen bin ich täglich mit einem Heulen aufgewacht und habe dabei nach Luft geschnappt, wie damals bei der Entführung ins Frauenhaus. Vielleicht sogar noch schlimmer. Das ist übrigens die einzige Erinnerung, über die ich heute noch weinen kann. Alles andere lässt mich kalt. Aber diese Trennung hat den ganzen vermeintlichen Fortschritt wieder zunichte gemacht. Die Schule begann und die einst vorhandene Motivation und die Gewissheit endlich ein neues Leben zu führen wurde von der Trennung zerstört. Ich habe mein ganzes Ego auf diesen geliebten Menschen aufgebaut.

Im Bürgerradio war ich von nun an ehrenamtlich tätig und besuchte nebenbei die Schule. Niemand konnte mich trösten, ich hatte extra nochmal einen Termin bei der Reha um über die Trennung zu sprechen, aber alles half nichts. Mit einem riesigen Pessimismus und der Angst vor Ausgrenzung absolvierte ich die ersten beiden Ausbildungsjahre, Monat zu Monat ging es mir schlechter, es entwickelte sich schleichend eine Depression.

Der Alkoholkonsum nahm wieder zu. Jedes Wochenende musste es ein Sekt sein, später zwei Flaschen Wein. In der Klasse fand ich wieder keinen Anschluss, aber ich hatte endlich den Mut mich selbstständig zu melden. Natürlich lies ich mich auch von der Klasse verleiten Alkoholmissbrauch zu begehen was nicht schön war. Nur weil man so gut Spicken konnte und die Anforderungen relativ gering waren konnte ich die Ausbildung erfolgreich beenden. Meine toxische manifestierte Abneigung gegenüber anderen sorgte hier wieder, dass ich keine Leute hatte. Abgestumpft, depressiv, einsam und mit einer völlig veränderten toxischen Persönlichkeit nahm meine Lust immer mehr ab. Im Bürgerradio fand ich ebenfalls keinen Anschluss, schottete mich immer in die Technik ab und übernahm Schichten wo niemand da war.

Für den Fall, dass ich On Air ging spielte ich eine selbstbewusste Person was mir ziemlich viel Kraft und Selbstrespekt geraubt hat. In der Zeit von 2020 bis 2023 hat sich bei mir in erstaunlich kurzer Zeit Haarausfall gebildet, der mich wie Mitte 30 aussehen lässt. Das hat den Selbsthass und die Verzweiflung enorm verstärkt, davor hatte ich relativ volles dichtes Haar. Hier begann die endgültige Hoffnungslosigkeit.

Im Oktober 2022 wollte ich mich in ein Krankenhaus stationär einweisen lassen um mich zu behandeln, doch beim Vorgespräch war ich wieder ängstlich und voreingenommen, der Arzt äußerte sich voreingenommen über den Verein bei dem ich tätig war und meinem Eingeständnis, dass ich in der Tagesklinik damals die Übungen nicht gemacht habe, begegnete er mit „Warum sollte ich Ihnen jetzt glauben?“. Das führte dazu, dass ich nicht aufgenommen werden wollte und weiter zur Schule ging.

Ich bewarb mich für die Fachoberschule um endlich einen besseren Abschluss zu haben, da hatte ich längst keine Kraft mehr. Die Sommerferien 2022 und 2023 verbrachte ich damit, mich jeden Tag zu betrinken und in meiner überhitzten vermüllten Wohnung zu vereinsamen. Als die FOS im Sommer 2023 begann, kam ich in eine große Klasse die zum Teil aus unseren Ausbildungsleuten bestand. Das war zu viel für mich, wieder die ganze Zeit nur darauf gedachtet ob und wer über mich lästert. Dem Unterricht konnte ich mittlerweile nicht mehr folgen, ich entwickelte Kreislaufprobleme und psychosomatische Symptome. Nach nur einem Monat meldete ich mich krank und besuchte die Schule nicht mehr.





Ab 2022 fing ich an, die Wohnung wie eine Messimüllhalde vollzumüllen.
Schon während der Beziehung tat ich mich damit schwer, die Wohnung sauber zu halten. Auch in der WG der Jugendhilfe, und da war es nur ein Minizimmer, hat es sich wie eine schwere Last angefühlt, Dreck wegzukehren und zu wischen. Der Boden ist mittlerweile extrem dreckig, lauter Verpackungs- und Essensreste liegen auf Tischen, Schränken und dem Fußboden. Mein Bettlaken habe ich vor einem halben Jahr das letzte Mal gewechselt. Seitdem sage ich mir jeden Tag „morgen räumst du das alles auf“. Doch ich schaffe es nicht, es sieht immer noch aus wie ein Saustall.
Während ich vor einem Jahr noch Panik geschoben hätte wenn jemand unangekündigt aufkreuzt bin ich mittlerweile so gefühlstot, dass ich mich der Bloßstellung ergeben würde.
Mit dem Alkohol habe ich voll alleine aufgehört, weil ich den nicht mehr vertrage und ich dadurch sehr schnell träge und müde werde.

Ich habe bei einem Psychater immer nur leere Worthülsen und Krankschreibungen, aber nie eine echte Diagnosen erhalten, auch waren die verschriebenen Antidepressiva stets von Nebenwirkungen geprägt und das schon bei der geringsten Dosis.
Im Januar habe ich mich widerwillig in die Notaufnahme begeben weil mein Gesicht aufgrund einer Nervenentzündung gelähmt war (Ich hatte eigentlich erhofft dass man im MRT einen zur unkenntlichkeit entzündeten Kopf durch meine Depressionen sieht)
Dort äußerte ich meine psychische Notlage und verwies man auf die Psychotherapiestation, doch die Erinnerung an das Vorgespräch 2022 schreckten mich ab. Meine Tätigkeit im Bürgerradio habe ich – wie soll es anders sein, mit einer konfliktreichen Auseinandersetzung niedergelegt.

Mittlerweile fehle ich seit einem halben Jahr in der Schule, was zur Folge hatte, dass ich vor einer Woche rausgeflogen bin und der Sozialpsychatrische Dienst vor der Tür stand. Nun ist auch mein „Heile Welt“-Lügengebilde zusammengestürzt. Ich habe nun einen stationären Psychotherapieplatz und begebe mich in 2 Wochen dort hin. Mein gerichtlicher Betreuer muss nach 4 Jahren Utopie die Wahrheit erfahren und sich dringend darum kümmern, dass ich Bürgergeld statt Bafög beziehe. Unser Kontakt bestand bisher nur aus „Wie gehts Ihnen?“ „Gut.“

Es müssen Strukturen geschaffen werden, die mich nicht nochmal so zurückfallen lassen können.
Ich projiziere mich in andere Menschen rein und fange an sie unbewusst zu hassen, da sehr lange das Vorurteil des seelisch behinderten Menschen, der externe Hilfe braucht hatte. Der wollte ich nie sein. Aber der bin ich.

Ich befinde ich in einer erbärmlichen abartigen Einsamkeit
Perspektivisch möchte ich diese Stadt dauerhaft verlassen und ich sehe mich nach langfristiger Unterstützung und natürlich echten Freundschaften.
Was ich noch gar nicht erwähnte: Ich hatte noch nie den Drang, mich selbst zu verletzten oder Suizidgedanken. Das ist es, warum man mich nicht ernst nimmt.
Das schlimmste ist, ich kann mich selbst nicht ernst nehmen. Ich kann darüber nicht mal heulen.

Nach meinen Schilderungen kann nun alles in mir drin stecken: empathieloser social awkward schwer depressiver angstgestörter Autist mit AD(H)S und Sozialphobie mit Inselbegabung für IT und Rundfunkinfrastruktur. Oder ist es am Ende weitaus komplexer/einfacher/komplett anders?

Ich möchte endlich raus aus dieser Hölle. Aber die Hölle befindet sich in meinem Kopf. Zu dieser Erkenntnis hat es sehr lange gebraucht. Seid gnadenlos ehrlich, ich möchte eure Gedanken und Tipps haben.

Falls das für euch zu viel des guten ist, hier eine TLDR-Zusammenfassung (mit Unterstützung von KI):

Ich bin ein 24-jähriger Mann, der mit einer Vielzahl von persönlichen und psychischen Herausforderungen zu kämpfen hat. Meine Kindheit war geprägt von Eltern mit psychischen Erkrankungen und Suchtproblemen, was zu einer schwierigen häuslichen Umgebung führte. Ich habe Schwierigkeiten, soziale Kontakte zu knüpfen und mich in Gruppen einzufügen, was sich sowohl in meiner Kindheit als auch in meiner Schulzeit zeigte.
Mit 10 Jahren wurde ich zusammen mit meinen Geschwistern in ein Frauenhaus gebracht, was eine traumatische Erfahrung für mich war. Die darauffolgenden Jahre waren geprägt von Schulproblemen, mangelnder sozialer Integration und einer zunehmenden Flucht in die Welt der Computer und des Internets.
Ich habe Schwierigkeiten, meine Gefühle und Gedanken zu äußern, und neige dazu, Probleme in mich hineinzufressen. Dies hat zu einer Reihe von psychischen Problemen geführt, darunter generalisierte Angststörung und Panikstörungen. Trotz mehrerer Versuche, Hilfe zu suchen, einschließlich stationärer und ambulanter Therapie, habe ich das Gefühl, dass meine Probleme nicht angemessen angegangen wurden.
In den letzten Jahren habe ich eine Beziehung eingegangen und wieder beendet, was zu weiteren emotionalen Schwierigkeiten führte. Ich habe auch mit Alkoholmissbrauch zu kämpfen und leide unter Depressionen. Trotz dieser Herausforderungen habe ich es geschafft, eine Ausbildung abzuschließen und ehrenamtlich in einem Bürgerradio zu arbeiten.
Aktuell lebe ich in einer vermüllten Wohnung und fühle mich extrem einsam. Ich habe vor, mich in zwei Wochen in eine stationäre Psychotherapieeinrichtung zu begeben und hoffe, dass dies mir helfen wird, meine Probleme anzugehen und mein Leben zu verbessern. Ich sehne mich nach langfristiger Unterstützung und echten Freundschaften und möchte diese Stadt dauerhaft verlassen. Ich hatte noch nie den Drang, mich selbst zu verletzten oder Suizidgedanken. Ich möchte endlich aus dieser Hölle herauskommen, aber die Hölle befindet sich in meinem Kopf. Ich bitte um eure ehrlichen Gedanken und Ratschläge.
Anne Blume
Moderator
Beiträge: 1666
Registriert: 7. Dez 2006, 13:25

Re: Ein gnadenlos ehrlicher und verzweifelter Hilferuf (Ich M24 habe kein Leben)

Beitrag von Anne Blume »

Hallo lostlife,
ich schreibe Ihnen zu Ihrem "Einstand" im Diskussionsforum Depression und möchte darauf hinweisen, dass die Moderation aufgrund Ihres ersten Beitrags hier, den Eindruck hat, dass ein Selbsthilfeforum bezüglich Ihres Anliegens an Grenzen stößt.
Ganz konkret heisst das, das Sie unbedingt Unterstützung "im realen Leben", wie Sie das ja auch angedeutet haben, in Anspruch nehmen sollten.
Hier im Diskussionsforum geht es ganz konkret um das Thema Depression und die gegenseitige Unterstützung bei der Bewältigung. Das setzt immer auch voraus, das Sie in einer einigermaßen gefestigten Situation sind. Wir können uns dürfen hier keine Krisenintervention leisten.

Herzliche Grüße
Anne Blume

PS. Vielleicht können Sie sich Ihren Beitrag hier ausdrucken und mit zum Behandler/in die Klinik nehmen. Diesen Tipp gibt man sich hier ab und an, weil das hilfreich sein kann.
GoodEnoughParent
Beiträge: 3
Registriert: 8. Apr 2024, 19:40

Re: Ein gnadenlos ehrlicher und verzweifelter Hilferuf (Ich M24 habe kein Leben)

Beitrag von GoodEnoughParent »

Moin lostlife,

ich habe eine Weile gebraucht, um (annähernd) alles durchzulesen und überlegt, ob ich überhaupt etwas dazu sagen kann, da das alles so unfassbar klingt. Die Lebenssituation als Kind, das anscheinende Versagen des Jugensamtes, ...

Ein großes Lob möchte ich aussprechen für das ausführliche Aufschreiben. Das ist eine Leistung!
Frau Blume hat es bereits erwähnt: Nimm' Deinen Beitrag mit zur Psychotherapie, die ja in zwei Wochen beginnt. Der Kontext ist für die Behandelnden sicher sehr wertvoll.

Ich drücke Dir fest die Daumen, dass Deine nächste Therapie etwas Licht ins Dunkel bringt.
Liebe Grüße!
lostlife23
Beiträge: 2
Registriert: 26. Okt 2023, 19:02

Re: Ein gnadenlos ehrlicher und verzweifelter Hilferuf (Ich M24 habe kein Leben)

Beitrag von lostlife23 »

Vielen lieben Dank, das werde ich machen!
Reve
Beiträge: 753
Registriert: 4. Jun 2008, 17:35

Re: Ein gnadenlos ehrlicher und verzweifelter Hilferuf (Ich M24 habe kein Leben)

Beitrag von Reve »

Guten Morgen lostlife,

ich habe auch alles gelesen, kaum vorstellbar,... und kann mich nur anschließen: es ist hervorragend zusammengefasst und ge(be)schrieben, auch hier hast du neben deiner Leidenschaft für PC... große Stärken und Potential. Das beweist auch schon deine Tätigkeit beim Bürgerradio.
Genau, unbedingt ausdrucken und mitnehmen und dann bleibt nur zu hoffen, dass die stationäre Psychotherapie dir endlich Erleichterng bringen wird.

Carin
MaWe
Beiträge: 173
Registriert: 8. Feb 2020, 10:03

Re: Ein gnadenlos ehrlicher und verzweifelter Hilferuf (Ich M24 habe kein Leben)

Beitrag von MaWe »

Lieber lostlife,

kaum zu glauben, was für extreme Schicksale es gibt. Ich wünsche dir von Herzen, dass du Therapeut*innen kennenlernst, die dich wertschätzen und dir weiterhelfen können. Wichtig fände ich, dass du an Behandler*innen gerätst, die sich mit Traumata auskennen; dass du eine schwere Traumastörung hast, scheint mir fast offensichtlich, vermutlich sogar eine Komplexe Postraumatische Belastungsstörung (https://de.wikipedia.org/wiki/Komplexe_ ... %C3%B6rung - kannst dir ja den Wikipedia-Artikel mal durchlesen; vermutlich wirst du viele von deinen Symptomen wiederfinden). Traumata und besonders auch die Komplexe Traumastörung werden psychotherapeutisch anders behandelt als andere Störungen. Deshalb wäre es gut, wenn du auf eine spezialisierte Traumastation kommen könntest - dort würden sie vermutlich deine Probleme besser verstehen und behandeln können als auf einer normalen Psychotherapiestation. Wichtig fände ich auch, dass du dir möglichst schnell eine/n ambulante/n Psychotherapeut*in suchst, die/der dich über längere Zeit begleiten kann.

Ich hoffe, dir ein wenig weitergeholfen zu haben und wünsche dir, dass dir auf dem weiteren Weg jede Menge Warmherzigkeit und Verständnis begegnet - es GIBT da draußen Leute, die Menschen wie dich verstehen und behandeln können. Wie gesagt: Stichwort Trauma fände ich für die Behandlung sehr wichtig.

Zur Erläuterung: Ich bin selbst von chronischer Depression betroffen, aber auch ausgebildeter Psychologischer Psychotherapeut. Ja, sowas gibt es auch. ;)

Alles erdenklich Gute wünscht Dir
MaWe
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