Sorgen und Angst, aber wovor?

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mSkill91
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Sorgen und Angst, aber wovor?

Beitrag von mSkill91 »

Hallo,

ich bin 33 und bin seit einem Jahr mit meiner Frau (32) verheiratet. Wir kennen uns schon seit 8 Jahren und lebten seit 5 Jahren zusammen.

Mit 25 schloss ich mein Ingenieursstudium ab und wollte endlich arbeiten. Nach ca. 4 Monaten hatte ich endlich meinen neuen Job. Ich schraubte meine Ansprüche niedriger und startete mit "nur" 3.100 Euro brutto als Objektleiter für Gewerbeimmobilien. Der Job machte mir sehr viel Spaß.

Nach 1,5 Jahren konnte ich viele Erfolge vorweisen, die bis dato keiner geschafft hatte. Mein Chef war sehr glücklich mit mir. Ich war sehr motiviert, arbeitete bis spät abends. Jede Herausforderung nahm ich dankend an. Ich steckte jedoch jeden morgen und Abend im Stau fest, was natürlich viel Sprit schluckte und ich wollte 200 Euro brutto mehr Gehalt und zeigte auf meine Erfolge. Mein Chef war für mich, aber die Personalabteilung nicht.

Die Projekte wurden abgeschlossen und es war wirklich fast nichts zu tun. Ich wechselte den Job und bekam 700 Euro mehr Gehalt. War ich zufrieden? Nein! Ich merkte, dass ich sofort überfordert war und dachte, dass es an der Langeweile lag. Ich kam aber nicht mehr rein. Mein alter AG nahm mich mit offenen Armen auf und bekam sogar plötzlich 150 Euro mehr. Aber weniger als zuvor.

Wie dem auch sei fragte mich mein Vater Ende 2019, ob ich zu ihm kommen möchte. Er schafft in einer komplett anderen Branche. Ich dachte mir, wieso nicht. Ich probiere es.

Es fing sehr gut an und konnte auch eigene Erfolge aufstellen. Auch wenn die Zahlen 2023 gefallen sind, war es dennoch gut.

Ich wohne mit meiner Frau, die auch als stellv. Stationsleitung gut verdient, in der abbezahlten Eigentumswohnung meiner Eltern und zahle quasi nur die Umlagen. Meine Eltern leben in ihrem abbezahlten Haus mit meinem Bruder zusammen.

Ich arbeite nie 8h durch, so viel Arbeit haben wir nicht. An manchen Tagen arbeite ich sogar nur ein paar Stunden und denke mir, dass ich viel mehr machen könnte, aber wie? Seit dieser langen "Langeweilezeit" ist mir fast jede neue große Herausforderung zu viel.

Für mich ist es auch anstrengend Geschäftsreisen zu unternehmen. Mein Vater hingegen liebt es und ist vom Charakter viel aufgeschlossener und gesprächiger. Auch in seiner Freizeit redet er viel und gerne über die Arbeit mit seinen Freunden. Mittlerweile habe ich festgestellt, dass die "Boomer" gerne über die Arbeit reden. Oft bereut er es aber, dass er früher wenig Zeit für uns hatte und nun viele Krankheiten hat und dadurch auch verhindert ist.

Ich bin ihm trotzdem sehr dankbar, dass er unseren Wohlstand dadurch gesichert hat. Er ist für mich mein Vorbild und Held, dass er das alles geschafft hat. Als Migrantenkind wurde er damals mit 14 Jahren in Deutschland ohne Geld zurückgelassen und hat nie aufgegeben.

Das Einzige was ich an ihm kritisiere (habe ich ihm auch gesagt), dass er mich und meinen Bruder immer dazu gedrängt hat, Berufe zu machen, bei denen man auch viel Geld verdienen könnte. Ich interessierte mich immer sehr für Erdkunde, Geschichte und Religionen. Nur mit Spaß können man kein Geld verdienen meinte er. Bei meinem Bruder ähnlich, der sehr gerne Konditor werden wollte. Dort würde man wenig Geld verdienen.

In den letzten Jahren sind leider sehr viele Menschen im Umfeld gestorben oder stark erkrankt. Auch meine Frau hatte Gebärmutterhalskrebs, welcher zum Glück operiert werden konnte und aktuell am verheilen ist. Aber es macht ihr zu schaffen.

Auch bei meinem Vater merke ich, wie ihn die Selbstständigkeit krank gemacht hat. Er ist extrem vergesslich und oft durcheinander im Kopf, seine Krankheiten fördern es leider umso mehr. Ich merke bei mir selbst, wie er durch seine Hektik, Vergesslichkeit etc. mich ebenfalls total durcheinander bringt. Auch der Stress schafft einen, hatte oft schlaflose Nächte nach Reklamationen und das soll ich min. 30 Jahre noch machen?

Jetzt sind zwei sehr junge Menschen gestorben und haben Kinder zurückgelassen. Für mich stand fest, ich muss mehr Zeit mit meinen Liebsten verbringen.

Vor zwei Monaten stritt sich mein Vater mit seinem Geschäftspartner in der 2. Firma, bei der ich ebenfalls tätig bin, jedoch haben wir seit Jahren kein Gehalt bezogen, weil unser Ziel es war, die 2. Firma mit dem Partner aufzubauen.

Die Situation ist mittlerweile mehr oder weniger gelöst. Ende April werden beide getrennte Wege gehen. Ein ganz großer Verlust ist es eigentlich nicht für uns.

Und irgendwie war das der extreme Knackpunkt. Seit dem schlafe ich gar nicht mehr, habe extreme Stimmungsschwankungen. In einem Moment bin ich motiviert und sobald was negatives kommt total demotiviert, manchmal sogar kurz vorm Heulen. Habe 5 kg abgenommen, mache mir ständig Gedanken weil ich Angst habe, dass es in unserer Firma auch nicht mehr laufen könnte, obwohl es aktuell ganz gut läuft. Schaue jeden Tag auf die Uhr und merke, dass mir die Zeit wegrennt. Bin 9-10h auf der Arbeit, komme um 17:30 nach Hause, kochen und essen bin ich bei 19 Uhr. Was dann? Meinem Hobby nachgehen Zocken, Angeln oder Golfen? Freunde treffen?

Verbringe aktuell die Zeit nur noch mit meiner Frau, weil sie auch einfach die beste ist. Immer ein Gehör für mich und unterstützt mich.

- Ich habe Angst davor zu versagen, was werden die anderen Leute denken? "War klar dass er nicht in die Fußstapfen treten kann."

- Ich habe Angst vor meiner Zukunft, obwohl ich nicht müsste. Habe mir bereits ein Polster aufbauen können und einen neuen Job werde ich definitiv finden, auch wenn dieser sicherlich nicht so gut bezahlt sein wird.

- Angst davor, meinen Vater zu enttäuschen, obwohl er immer wieder sagt, egal was er aktuell für die Firma macht, macht er für mich und ich muss immer zustimmen. Ich habe Angst ihm zu sagen, dass ich nicht wie er bin. Nicht so ehrgeizig bin was die Arbeit angeht und lieber weniger verdiene, aber dafür ruhiger leben möchte. Am Anfang meiner Karriere war das anders rum.

- Angst davor, gegebenenfalls im anderen Job auch nicht mehr glücklich zu werden, weil ich da auch schon seit über 4 Jahren raus bin

Versuche schon Hilfe zu suchen, habe bereits ein Buch durchgelesen und weitere bestellt bzw. angefangen.

Manchmal denke ich mir, bei meinem alten Job habe ich zwar deutlich weniger verdient, aber solange ich irgendwie meine Arbeit gemacht habe lief die Bude. Da oben andere Leute für alles gesorgt haben.

Ich weiß auch, dass viele Menschen es viel härter haben als ich. Die täglich für ihr Brot hart arbeiten und kämpfen müssen. Ich versuche mir immer wieder einzureden, worüber ich mir so extreme Gedanken mache, ich kann froh und glücklich eigentlich sein. Aber naja, leider komme ich nicht voran und es ist erst so heftig geworden nach dem Streit mit dem Partner. Unsere eigene Firma steht gut dar, aber wir müssen ständig wachsen und wachsen, nie ist Ruhe, immer mehr und mehr, sonst schlucken die Konkurrenten einen.

Es tut zumindest für den Moment gut, wenn ich mal aus der Seele schreiben kann. Vielleicht haben einige hier im Forum ähnliche Erfahrungen machen können.

LG!
Senif
Beiträge: 1158
Registriert: 23. Jul 2023, 21:42

Re: Sorgen und Angst, aber wovor?

Beitrag von Senif »

Hallo mSkill,

Versagensangst kenne ich auch sehr .... nur bei mir war es dann auch wirklich eingetreten. Schwer krank landete ich im betreuten Wohnen.
Jetzt wieder in der eigenen Wohnung. Was ich bei mir festgestellt habe, ist, dass ich meine Erwartungen extrem runter schrauben musste. Und es geht. Es geht nicht mehr darum, ob ich viel Geld verdiene, sondern darum, ob ich Freude empfinden kann. Bei ganz kleinen Dingen, die Sonne, meine Haustiere, die Nutrias, die ich gesehen haben usw.... ich habe auch lang im Hartz4 verbracht, und auch da kann man sich schöne Momente schaffen. Es kommt halt darauf an, wie man die Dinge bewertet und wie wichtig einem das Geld ist.

Jetzt war aber in der Depression mein Bewertungsrahmen völlig aus den Fugen. Es hat sehr lang gedauert zu dem jetzigen IST-Zustand zu kommen.
Zukunftsangst ist glaub ich ganz typisch für Depressionen. Bist du denn in Behandlung und nimmst du Medikamente ? Ich wäre ohne Medikamente da nicht rausgekommen. Sie haben mich überhaupt erst therapiefähig gemacht. Depression ist ein Erkrankung und nicht einfach mal nur eine Unzufriedenheit, die einfach zu beheben ist.

Was die Auslöser angeht: die können vielseitig sein. Von Jobverlust, über Tod von Angehörigen oder Freunden, oder einfach aus der Entwicklungsgeschichte heraus, genetische Disposition, Trauma usw.... also durchaus denkbar, dass der Streit dich aus dem Gleichgewicht gebracht hat. Vielleicht spielen aber auch die anderen Sachen mit rein. Da könntest du ja in der Therapie genauer drauf schauen.

LG Senif :hello:
Bauchtänzer
Beiträge: 391
Registriert: 13. Jul 2019, 20:38

Re: Sorgen und Angst, aber wovor?

Beitrag von Bauchtänzer »

" - Ich habe Angst davor zu versagen, was werden die anderen Leute denken? "War klar dass er nicht in die Fußstapfen treten kann."


- Angst davor, meinen Vater zu enttäuschen, obwohl er immer wieder sagt, egal was er aktuell für die Firma macht, macht er für mich und ich muss immer zustimmen. Ich habe Angst ihm zu sagen, dass ich nicht wie er bin. Nicht so ehrgeizig bin was die Arbeit angeht und lieber weniger verdiene, aber dafür ruhiger leben möchte. Am Anfang meiner Karriere war das anders rum."

Du schreibst sehr viel über Verdienst und Karriere.
Wenn du zustimmen würdest, dass das, was ich oben zitiert habe, in etwa die zentralen Punkte deiner Probleme sind, würde ich (Boomer ;-) ) dir aus eigener Erfahrung raten, die Ablösung von deinem Vater dringend anzugehen! Am besten mit Hilfe eines Therapeuten.

Solltest du der Konfrontation mit deinem Vater weiter aus dem Weg gehen und den vordergründig bequemeren Weg weitergehen (Mietfreie Wohnung, Anerkennung durch andere etc.), ist die Gefahr hoch, dass du dein Leben verfehlst. Du wirst deine mangelnde Konfliktbereitschaft im späteren Leben bereuen, aber es wird zu spät sein.
mSkill91
Beiträge: 3
Registriert: 10. Apr 2024, 08:01

Re: Sorgen und Angst, aber wovor?

Beitrag von mSkill91 »

Danke für die tollen Kommentare! Ich habe so viele Freunde im Umfeld, die weniger haben, aber glücklicher wirken. Wobei ich auch stets glücklich wirke nach außen und erst seit ein paar Monaten innerlich aufgefressen werden.

Habe Leute im Umfeld, die wohnen mit Anfang 30 bei den Eltern, haben weder Frau noch Job, aber machen sich irgendwie auch keinen Druck.

Meinem Vater war tatsächlich Karriere immer wichtig, hat er seit einigen Jahren abgelegt, als die Krankheiten bei ihm kamen. Oft hat er früher gesagt, dass mein Ziel sein sollte, mehr zu verdienen als er und ich dachte mir als Jugendlicher, ach du scheiße, er bekommt bei seiner aktuellen Arbeit 8000 € im Monat.

Zu unserer Firma sagt er, er weiß, dass ich das Zeug habe es viel besser als er zu machen. Was heißt das für mich? Noch mehr zu arbeiten um das zu schaffen, denn von nichts kommt nichts.

Etwas Verständnis habe ich für ihn. Kinder von den Gastarbeitern hatten es wirklich schwer gehabt, sie hatten wenig Kontakt zu den Eltern. Meine Großeltern waren von morgens bis abends arbeiten und waren kaputt. Mein Vater war alleine und hat die dreckigste Arbeit gemacht und möchte natürlich nicht, dass seine Kinder auch das durchmachen müssen. Dennoch arbeitet man bis mittlerweile zum Lebensende, es muss Spaß machen. Deswegen war ich traurig, dass mein Bruder nicht mal die Chance hatte Konditor zu werden, es wurde ihm gleich ausgeredet. So wie mir ausgeredet wurde, dass 2.000 € netto im Monat nicht ausreichen werden zum Leben und mehr machen muss.

Ich bin sehr emotional und höre oft auf dem Beziehungsohr und müsste es ablegen. Z. b. ist mein Schwiegervater sehr wortkarg und antwortet auf Nachrichten kaum, nur wenn es sein muss. Er ist ein total lieber Mensch und meint es nie böse. Aber ich bin immer traurig und beziehe es auf mich.

Ich habe nicht nur Angst davor, meinen Vater zu enttäuschen, sondern dass die Leute Recht behalten, falls die überhaupt so denken. Mein Vater trichtert mir seit langem ein, dass viele Leute aus dem Umfeld sich freuen würden, wenn wir versagen. Sicherlich trifft das auf einige zu. Aber sobald Menschen die ich nicht besonders leiden kann versagen, freut es mich und ich hasse dieses Gefühl, möchte ich loswerden, weil es einfach asozial ist!

Schaue ich meine Familie an, auch die von meiner Frau, gibt es nur den angeheirateten Onkel der mehr erreicht hat. Gönn ich ihm, er hat viel dafür getan. Dann gibt es noch den Mann der Cousine, als Quereinsteiger mit Mitte 30 hat er es in seinem Job weitgebracht! Gönn ich ihm sehr, ich mag ihn, was ich nicht mag ist jedoch, dass er damit gerne prahlt wie viel er verdient und ich denke dann wieder, der würde sich freuen, wenn ich wieder unten bin. Wahrscheinlich wäre er auch traurig wenn mir das passiert...

Ich verdanke vieles mein Vater, aber eines hat mich sehr negativ von ihm geprägt, immer mehr Geld zu verdienen als die anderen im Umfeld. Das hat ihn angetrieben und erfolgreich gemacht, aber auch krank. Meine Mitarbeiter haben z. B. Freunde, die sind stinkreich, zwei kenne ich sogar persönlich. Stört sie überhaupt nicht. Ich hasse dieses Gefühl selbst in mir, immer besser zu sein
GoodEnoughParent
Beiträge: 3
Registriert: 8. Apr 2024, 19:40

Re: Sorgen und Angst, aber wovor?

Beitrag von GoodEnoughParent »

Hi,

ich kann meinen Vorrednern zustimmen und erkenne ebenfalls zwei zentrale Punkte (um es nicht direkt Glaubenssätze zu nennen, aber so abwegig finde ich es nicht).

1. "Ich darf meinen Vater nicht enttäuschen"
2. "Ich muss mehr Geld verdienen als andere, sonst wird es mir schlecht gehen".

Letztendlich hast Du die negativen Konsequenzen schon aufgezeigt. Die Sache ist, dass man mit "mehr verdienen" nie fertig wird, das ist ein unendliches Spiel, genau wie das Leben selbst. Du musst zu Dir selbst finden. Was möchtest _Du_?

Ganz konkret würde ich Dir raten: Nimmt dir erstmal mind. 3 Wochen frei und höre in Dich hinein. Finde heraus, was Dir abseits der Arbeit Freude macht. Wie ich verstanden habe, hast Du keine Kinder, daher hindert sich bis auf die Arbeit keine Verantworung daran. Wenn Du jetzt schon merkst, dass das "nicht geht", so lange nicht zu arbeiten, dann kennst Du Dein nächtes Ziel: Ermögliche das.

Zwar kannst und darft Du Deinem Vater dankbar sein für alles, was er getan hat. Aber Du bist ihm nichts schuldig. Und das sage ich sowohl als Sohn als auch als Vater. "Erfolg" darsft Du ganz allein für Dich definieren.

Ist es nicht ein toller Erfolg, wenn man fast jede Nacht gut schläft? Wenn man Zeit hat, Spazieren zu gehen? Am Wochenende ausschlafen (für mich die nächste Jahre ausgeschlossen!)? Ein gutes Gespräch? In Ruhe Essen? Es (zusammen) kochen? Freude empfinden?

Und braucht es 8.000€ im Monat dafür? Überlege Dir, Du hättest das Geld aber könnest nie durchschlafen. Oder hättest ständig Kopfschmerzen oder halt Depressionen. Ich denke viele können mitfühlen wenn ich sage, dass es das Geld nicht wert ist.

Und Deinem Bruder wünsche ich, dass er trotzdem zumindest einmal ausprobiert, wie es als Konditor ist.

Liebe Grüße und gute Nacht
Der Vater der versucht, gut genug zu sein.
Seras
Beiträge: 20
Registriert: 16. Aug 2022, 21:01

Re: Sorgen und Angst, aber wovor?

Beitrag von Seras »

Grüße dich, also mich erinnert das an die Geschichte von dem Fischer der auf der Bank sitzt und auf das Meer hinaus schaut, glaube es war ein Auszug aus dem Buch der alte Mann und das Meer von Ernest Hemingway.

Es geht in dem Auszug um einen Fischer der rausgefahren ist und ein paar Fische für den Tag gefangen hat und dann schon recht früh Feierabend machte und auf einer Bank in der Sonne sitzt.
Dann kommt ein junger Unternehmer zu ihm und fragt ihn warum er denn nicht wieder rausfährt es sei doch erst Mittag.
Der Mann antwortet: Der Fang reicht für den Tag aus.
Daraufhin fängt der junge Mann an ihm zu erklären: Wenn ihr jetzt wieder rausfahrt und mehr Fische fangt könnt ihr sie verkaufen und euch irgendwann von dem Geld ein neue Schiff kaufen, dann eine Crew und in einigen Jahren vielleicht sogar eure eigene Fangflotte.
Der andere Antwort darauf: Wieso sollte ich das wollen ?
Verdutzt antwortet der junge Mann: Damit ihr reich werdet und das Leben genießen könnt.
Der Fischer lächelt sanft und sagt: Das kann ich doch jetzt schon.

Ich finde in dieser kleinen Geschichte steckt ziemlich viel Weisheit.
Aus persönlicher Erfahrung und das ich schon sehr lange mit Depressionen kämpfe kann ich nur sagen das Gesundheit und glückliche Momente im Leben etwas sind das man mit keinem Geld der Welt aufwiegen kann.
Suchende2
Beiträge: 1207
Registriert: 29. Sep 2020, 08:05

Re: Sorgen und Angst, aber wovor?

Beitrag von Suchende2 »

Hallo mSkill91,

ich kann mich den VorschreibernInnen anschließen.
Du und Dein Bruder, ihr könnt nur selbst entscheiden, was Euch auf Dauer glücklich macht.
Als Konditor könnte Dein Bruder zum Beispiel eine eigene Kette gründen und sehr reich werden.
Er könnte aber auch einfach Angestellter sein und glücklich leben.

2 Erfahrungen aus meiner Familie und Schwiegerfamilie möchte ich mit Dir teilen.

Meine Mutter durfte keinen Realschulabschluß machen und nicht ihren Wunschberuf lernen.
Sie machte in dem erlernten Beruf Karriere, war schnell Abteilungsleiterin.
Mit 21 (damals war man erst mit 21 volljährig), zog sie von zu Hause aus, erlernte tagsüber ihren Traumberuf und in der Abendschule holte sie den notwendigen Realschulabschluss nach (hatte dafür eine Sondererlaubnis). Meine Großmutter war darüber sehr enttäuscht, sauer, ...
Was sollen denn die Leute denken? Ihre Tochter putzt jetzt fremder Kinder Po sauber!
Ja, meine Mutter wurde Erzieherin.
Sie war ihr ganzes Berufsleben lang glücklich in diesem Beruf und diese Berufszufriedenheit hat ihr viel Kraft gegeben, daß nicht einfache Leben zu meistern. Meiner Großmutter hätte sie es nie recht machen können, auch wenn sie im erlernten Beruf geblieben wäre.
Ich finde, sie hat die richtige Entscheidung getroffen. Sie hat einen Preis dafür gezahlt, aber der Preis im ungeliebten Beruf zu bleiben wäre auf Dauer wesentlich höher gewesen.

In der Schwiegerfamilie sind 3 Söhne. Die Eltern haben einen Handwerksbetrieb aufgebaut. 2 Söhne erlernten einen Beruf um den Betrieb weiterführen zu können, aber arbeiteten nicht lange in diesen Berufen. Sehr lange sah es so aus, als ob der Betrieb nicht in der Familie weitergeführt werden kann. Durch verschiedenen lebensgeschichtliche Ereignisse entschieden sich 2 Söhne mit über 40 Jahren doch noch in den Familienbetrieb zu gehen. Das war und ist nicht immer einfach. Es war aber sehr gut für die Söhne, daß sie nicht ihr ganzes Berufsleben im Familienbetrieb verbracht haben. Es ist sehr schwierig, wenn der Vater einen Betrieb aufbaut und die Söhne ihn dann zukunftsfähig machen wollen, aber der Vater nicht mitgehen kann. Mit über 80 Jahren möchten die Eltern immer noch Einfluß auf den Betrieb nehmen. Und da sie sich nicht vollkommen zur Ruhe setzen, können sie das noch immer. Es ist nicht einfach für die Söhne. Auch der Spagat, privates (Eltern) und berufliches (Eltern sind Mitinhaber) zu trennen, kostet viel Kraft.

Menschen, die auf Dich herabschauen, weil Du "zu wenig" verdienst, auf deren Meinung brauchst Du keinen Wert legen. Der Wert eines Menschen liegt nicht im Gehalt, daß er erhält sondern in seiner Fähigkeit glücklich zu sein und Menschen in seiner Umgebung glücklich zu machen. Und zu Menschen in seiner Umgebung glücklich zu machen, gehört NICHT, sich selbst zu verbiegen, die eigenen Grenzen zu überschreiten.

Alles Gute,
Suchende
mSkill91
Beiträge: 3
Registriert: 10. Apr 2024, 08:01

Re: Sorgen und Angst, aber wovor?

Beitrag von mSkill91 »

Vielen Dank für die guten und netten Antworten!

Ich hatte ein intensives Gespräch mit meinen Eltern, meine Frau war auch dabei. Es hat gut getan. Es liegt am Ende an mir, dieses ungute Gefühl loszuwerden.

Ich sagte meinem Vater, dass ich seit Monaten unter der Dauerangst leide, dass die Firma irgendwann zugrunde gehen könnte. Erst kam er damit an, dass man stets als Unternehmer neue Produkte finden muss, wie wir auch immer gemacht hätten. Aber das wollte ich nicht hören. Als er dann aber sagte, dass die Firma dann halt Pleite geht na und? Ich könnte ja auch was anderes machen. Und das hat gut getan zu hören.

Er kritisierte an meiner Schulzeit, dass ich immer ein Minimalist war und immer nur das Nötigste gemacht hätte. Das hätte sich stark bei mir geändert, worauf er stolz sei. Sowohl im Studium als auch als Arbeitnehmer habe ich immer mehr geleistet. Auch in der Selbstständigkeit, merke aber langsam, dass ich wieder auf Minimalismus runterrutsche.

Ich muss einfach von den Gedanken wegkommen, was werden die anderen denken, wenn es mit meiner Firma nicht läuft und ich wieder Arbeitnehmer werde?

In meinem ersten Job hatten wir so eine Kollegin. Aus der Selbstständigkeit kam die zu uns. Weil ihr langweilig sei, sie hätte ihre Firma verkauft. Jeder hat sich gewundert, warum die jetzt hier bei uns schafft, wenn sie doch Kohle hat... Ich hasse es, wenn Leute negativ über mich denken.

Ich würde auch manchmal gerne so leben wie der Schwiegervater. Er sagt immer, er lebt hier und jetzt und wenn er das Motorrad haben möchte, dann holt er es sich und macht sich nichts daraus, was andere denken wie viel Kohle er hat. Denn wir alle wissen, so viel hat er nicht.

Klar so überhaupt nicht an die Zukunft denken ist auch nicht gut, aber bei mir ist es ja in den allermeisten Fällen so, dass ich ständig auf die Zukunft fixiert bin.
Senif
Beiträge: 1158
Registriert: 23. Jul 2023, 21:42

Re: Sorgen und Angst, aber wovor?

Beitrag von Senif »

mSkill91 hat geschrieben: 14. Apr 2024, 09:11

Es liegt am Ende an mir, dieses ungute Gefühl loszuwerden.
Hallo mSkill,

das ist ein super erster Schritt zu erkennen, dass wir da die Verantwortung für uns selbst haben und es an uns liegt da was zu ändern.
Bei mir hängt sehr viel an meinem Selbstwertgefühl. Das war auch sehr weit unten, bald nicht mehr da.
Und alles wurde besser als ich spürte, ich bin ok so wie ich bin - auch mit Ecken und Kanten. Auch als erwerbsgemindert, wenn ich nichts leiste. Und ich bin jetzt (nicht immer, aber ich versuche das zu festigen) in mir sicherer. Und dann kommt nämlich auch der Effekt, dass es völlig egal ist was andere denken, sagen und tun. Du kannst das Problem viel besser beim anderen lassen, denn du bist nicht nur was wert, wenn du was leistest und viel Geld verdienst.
Alles in allem hat mich das auch sehr viel ruhiger und zufriedener gemacht. Ich wurde sogar kritikfähiger, weil es ok ist, sachliche Kritik zu üben, und ich deshalb nicht das Letzte bin, sondern es gibt mir die Chance, Dinge zu verändern - wenn ich das möchte. Es ist dann meine Entscheidung. Aber Kritik tut nicht mehr so weh, weil ich in mir sicher bin trotzdem ok zu sein.
Ich habe sehr lang gebraucht, dahin zu kommen und hatte dazu Unterstützung von einer tiefenpsychologisch arbeitenden Therapeutin. Kann dir nur empfehlen dich in Behandlung zu begeben, gerade auch bei den oben beschriebenen Symptomen.
Nur Mut.

:hello: LG Senif
Überdosis
Beiträge: 251
Registriert: 25. Nov 2021, 23:01

Re: Sorgen und Angst, aber wovor?

Beitrag von Überdosis »

Ich glaube, dass ist leider die Generation unserer Eltern, dass die irgendwie ihre Vorstellungen von ihren Kindern haben, mit was sie ihr Geld verdienen sollen und sie hohe Ansprüche an einem stellen, die kaum zu erfüllen sind.

Ich bin 35, also nur minimal älter als wie du und meine Eltern sind da leider sehr ähnlich gestrickt.
Wollte immer was mit Tieren machen, wurde auch schlecht geredet und mir ausgeredet.
Sollte statt dessen Arzthelferin werden, hab ich auch gemacht und hasse den Beruf von Beginn meiner Ausbildung an.
Da ich keinen Job in dem Beruf fand und eh nicht darin arbeiten wollte nach der abgeschlossenen Lehre, machte ich wieder leider nur irgendwas, was mir keine Freunde macht, aber ich davon leben kann.

So richtig heftig wurden sie aber beim Haus, dass sie mal hatten und die Erwartung an mich stellten, dass ich dort Wohnen bleibe um das Haus mit abzubezahlen.

Egal, wie oft ich denen extra Geld für das Haus gab, es war nie genug, immer hieß es, dass zu knapp sei und das Haus drohte zu verlieren.
Gleichzeitig investierten sie aber dennoch verschönerungen im Garten, die nicht wenig kosteten.
Letztlich konnte ich den Druck, den sie bei mir verursachten nicht mehr aushalten, ich bin so dermaßen tief in die Depression gerutscht, dass ich mich am liebsten umgebracht hätte.
Hab dann die Koffer gepackt und bin 80km weit weg von denen gezogen.
Ich hatte dadurch zwar 2 Jahre Ärger mit ihnen (wie konnte ich nur....) und 3 Jahre nazu keinen Kontakt, aber im Nachhinein hätte ich das viel, viel , viel eher tun sollen, denn mich haben diese hohen Erwartungen und den permanenten Druck von ihnen richtig krank gemacht.

Ich liebe meine Eltern, ehrlich und das Haus war auch mit nur guter Absicht von ihnen gekauft worden.
Nur gut gemeint ist nicht automatisch gut gemacht und wenn 10 Jahre nur Druck und Stress herrscht, obwohl man um weniger Druck und Stress bittet... ist es leider absolut nicht mehr gut gemacht.


Ich kann dir, wie die anderen, auch nur ans Herz legen aus diesem "Zug" abzuspringen, in dem du gerade fährst.

Dein Vater setzt dich doch immer noch total unter Druck, dass er dein minimum aus der Schulzeit kritisierte und er jetzt nur stolz ist, weil du dich verausgibst.
So ganz raus aus seinen hohen Erwartungen dir gegenüber scheint er irgendwie doch immer noch nicht zu sein oder?


Und was die Arbeit betrifft:
Ich hab in meinem jetzigen Job auch so gedacht: "Bin doch noch jung, muss da doch dann die schwere Arbeit auf der Unreinen auch machen. Denn, wie sieht das denn doch sonst bei den anderen aus?"

Mir hat da letztlich geholfen die wahre Geschichte von der Sissi zu lesen. Nicht den Film, der ist abweichend, sondern die Wahrheit über sie.
Die litt auch unter Depressionen, weil sie auch nicht leben durfte, wie sie es wollte.
Nur war die so clever und hat ihre Erkrankung vorgetäuscht um mal von dem Hof weg zu kommen und als es ihr wieder besser ging und sie bereit war zurück zu kehren hat sie es getahn. Aber ab da wurde alles so gemacht wie SIE es wollte und nicht mehr wie die ANDEREN es ihr Vorgaben.

Und das hab ich mir auch so ermöglicht.
Schichtdienst? Keins mehr.
Unreine Seite? Vorbei.

Es ist mir sowas von schnuppe was die Kollegen darüber denken. Ich war wegen der Depression über 6 Monate krank, größtenteils wegen der Arbeit, meinen Eltern und deren Druck und Unzufriedenheiten.
Egal wie sehr man sich verausgabt, irgendwen wird es immer nur so gerade reichen oder noch mehr verlangen, weil man dem nicht gutgenug ist.
Sich krank zu schuften, dafür dankt einem niemand und gesundheit ist so ein Glück und nicht selbstverständlich.
Schütze es, so gut du kannst.

Mach dein eigenes Ding. Vergiss die anderen.
Nur du weißt, was dir guttut niemand sonst.
Auch deine Eltern nicht.


Liebe Grüße
Susan
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