Soll ich manchen Angehörigen nichts erzählen?

Antworten
Kassettenkind
Beiträge: 802
Registriert: 16. Nov 2020, 19:21

Soll ich manchen Angehörigen nichts erzählen?

Beitrag von Kassettenkind »

Hallo zusammen,

meine Frage an euch: Wen erzählt ihr von euren Problemen, seelischen Tiefs, depressiven Verstimmungen und Ängsten im Familien- und Freundeskreis?

Ich hatte am Wochenende bemerkt, dass unser 21-jähriger Sohn mit einigen meiner Ängste, Sorgen und Problemen nicht so gut umgehen kann.
Wir haben offen darüber geredet und später meinte er, dass er ein Problem hat, wenn ich ihm zu viel von meinen "Baustellen" erzähle.
Ich kann das natürlich verstehen und akzeptiere und respektiere das. Unser Sohn hat momentan mit seinem Freiwilligendienst, Seminaren, Freundin und Suche nach einem Studienplatz seine eigenen Probleme.

Anfänglich hatte ich dann ein schlechtes Gewissen, dass ich zu viel erzählt habe und ihn damit belastet habe.
Mein Mann meinte, dass ich das ja nun nicht wissen kann und nichts falsch gemacht habe. Nur ist es gut, dass unser Sohn eine Grenze gezogen hat.
Die Dinge, die ich unserem Sohn erzählt hatte, gingen ausschließlich um meine Mutter, also seine Oma.
Ich weiß auch, dass er da sensibler ist. Mein Verhalten werde ich ab jetzt ändern und nur mit meinem Mann oder anderen Freunden oder Familienangehörigen über gewisse Dinge sprechen.
Ich bin manchmal einfach mit der Verantwortung und gewissen Situationen bezüglich meiner Mutter überfordert. Da kommen auch Dinge aus meiner Kindheit hoch. Deswegen beginne ich auch hoffentlich bald mit einer Therapie (spätestens nächstes Jahr).
Es kommt ab und zu eine Traurigkeit, Wut und Hilflosigkeit in mir hoch. Ich mache dann Atemübungen. Meditation und Bewegung an der frischen Luft helfen auch.
Meine engsten Angehörigen, wie mein Mann, Schwiegereltern, Schwägerin und ein paar Freunde verstehen mich und können mit meinen Problemen umgehen.
Wem könnt ihr von eurer Krankheit und euren Problemen erzählen und wem nicht?

Was habt ihr für Erfahrungen gemacht?

LG Kassettenkind
Ich lerne, das Geräusch meiner Schritte zu lieben, wenn ich mich von Dingen entferne, die nicht für mich gedacht sind.
Tomml
Beiträge: 5
Registriert: 17. Mär 2024, 19:37

Re: Soll ich manchen Angehörigen nichts erzählen?

Beitrag von Tomml »

Hallo Kassettenkind,

bei mir ist es so, dass ich es Zuhause eher weniger erzählen kann und wenn, dann nur sehr oberflächlich und nicht ausladend. Meine Frau kann damit nicht gut umgehen. Ist blöd, aber ich akzeptiere es. Ich habe eine gute Freundin, welcher ich praktisch alles erzählen kann. Dadurch belaste ich meine Frau nicht übermäßig und habe dennoch ein "Ventil" und bekomme Feedback. Und sie ist tatsächlich der einzige Mensch in meinem privaten Umfeld, mit der ich über meine Probleme und Sorgen reden kann und möchte. Liegt aber auch daran, dass ich es sonst einfach niemand anderem erzählen möchte. Da bin der limitierende Faktor dann eher ich selbst.

Mit wem man über was reden kann findet man erst raus, wenn man es macht. Das weiß man am Anfang ja nicht. Du hast Sorgen und wolltest darüber reden. Das ist legitim und für mich ist es mittlerweile wichtig, nicht alles mit mir selbst auszumachen. Du hast geschrieben, dass es Menschen gibt, mit welchen du darüber reden kannst und welche dich verstehen. Das ist sehr viel Wert und wenn dein Sohn es jetzt gerade nicht kann, dann beziehe das bitte nicht auf dich. Du hast nichts falsch gemacht. Also so sehe ich das.
Freiwasser
Beiträge: 39
Registriert: 16. Jan 2024, 12:26

Re: Soll ich manchen Angehörigen nichts erzählen?

Beitrag von Freiwasser »

Guten Morgen,
Meiner Meinung nach haben Kinder einen Sonderstatus, auch wenn sie erwachsen sind. Fürsorge und Schutz sind da bis zu einem gewissen Grad eine Einbahnstraße von Eltern zu Kind. Vielleicht dreht es sich, wenn die Eltern richtig alt sind. Gut, dass Du jede Menge tolle Beziehungen zu anderen Erwachsenen hast, wo Du Dein Herz ausschütten kannst. Gut, dass Dein Sohn so kompetent war, seine Überforderung zu artikulieren. Ihr habt anscheinend eine sehr gute Beziehung.
Liebe Grüße!
Undjetzt
Beiträge: 229
Registriert: 15. Feb 2024, 11:13

Re: Soll ich manchen Angehörigen nichts erzählen?

Beitrag von Undjetzt »

Hallo Kasettenkind,

nun, ich kann mir vorstellen, auch wenn dein Sohn schon erwachsen ist- die Mutter ist ja für ihre Kinder immer der sichere Halt. Dier Rückzugspunkt, die Geborgenheit. Nun hat diese Person aber Probleme, die man selbst nicht nachvollziehen kann, nicht versteht. Das verschreckt einen dann schnell. Ich gebe deinem Mann recht. Du hast nichts falsch gemacht und keine Schuld. Dein Sohn gehört dann wohl zu denen, mit denen du nicht darüber reden kannst.
Ich selbst bin Angehöriger. Ich kann nur mit "ausgewählten" , guten Freunden darüber sprechen. Dazu ist auch eine Menge Vertrauen erforderlich. Nun hast du den Vorteil, dass du überhaupt darüber reden kannst. Meine Partnerin z.B. redet so gut wie gar nicht darüber, auch wenn ich es mir sehr wünsche. Sie ist (durch die Krankheit selbst) fest davon überzeugt, dass ich es eh nicht verstehen könnte.

Gern kannst du, als zusätzliches Ventil, hier auch schreiben, was dich bedrückt. Dafür ist das Forum da. Wenn man etwas nieder schreibt, kann man immer wieder nachlesen, reflektieren,.. und lernt sich selbst besser zu verstehen. Auch findest du hier Menschen in ähnlichen Situationen. Das erleichtert ungemein.
Kassettenkind
Beiträge: 802
Registriert: 16. Nov 2020, 19:21

Re: Soll ich manchen Angehörigen nichts erzählen?

Beitrag von Kassettenkind »

Hallo Tommi,

ok, Danke dir. Finde ich interessant, dass du deiner Frau deine Probleme eher nicht erzählst.
Hauptsache ihr beide seid euch einig und du hast jemanden mit dem du vertrauensvoll sprechen kannst ;-)
Du hast recht, man sollte nicht alle seine Sorgen für sich behalten.
Unsere Katze hört auch aufmerksam zu. Ich habe das Gefühl Haustiere helfen auch, sie beruhigen jedenfalls ein wenig :-)
Ich lerne, das Geräusch meiner Schritte zu lieben, wenn ich mich von Dingen entferne, die nicht für mich gedacht sind.
Kassettenkind
Beiträge: 802
Registriert: 16. Nov 2020, 19:21

Re: Soll ich manchen Angehörigen nichts erzählen?

Beitrag von Kassettenkind »

Freiwasser hat geschrieben: 20. Mär 2024, 07:30 Guten Morgen,
Meiner Meinung nach haben Kinder einen Sonderstatus, auch wenn sie erwachsen sind. Fürsorge und Schutz sind da bis zu einem gewissen Grad eine Einbahnstraße von Eltern zu Kind. Vielleicht dreht es sich, wenn die Eltern richtig alt sind. Gut, dass Du jede Menge tolle Beziehungen zu anderen Erwachsenen hast, wo Du Dein Herz ausschütten kannst. Gut, dass Dein Sohn so kompetent war, seine Überforderung zu artikulieren. Ihr habt anscheinend eine sehr gute Beziehung.
Liebe Grüße!
Hallo Freiwasser,

Danke für deine Worte. Das wird mir oft gesagt, dass ich anscheinend eine gute Beziehung zu unserem Sohn habe. Vor allem von Ärzten, Freunden und anderen Familienangehörigen. Darauf bin ich stolz.

LG Kassettenkind
Ich lerne, das Geräusch meiner Schritte zu lieben, wenn ich mich von Dingen entferne, die nicht für mich gedacht sind.
Kassettenkind
Beiträge: 802
Registriert: 16. Nov 2020, 19:21

Re: Soll ich manchen Angehörigen nichts erzählen?

Beitrag von Kassettenkind »

Guten Abend undjetzt,

ich habe vor allem meine Angst davor ausgesprochen, dass meine Mutter, also die Oma von unserem Sohn, wieder schwer stürzt..da sie nun mal alleine wohnt. Das geisterte immer in meinem Kopf. Davon möchte ich loslassen, da ich das nicht beeinflussen kann. Nur meine Einstellung zu den Dingen kann ich ändern. Laut meiner Psychologin die ich online über pflegen-und-leben.de habe, soll ich mich besser abgrenzen. Nur wenn ich gut für mich selbst sorge und auf mich aufpasse, kann ich auch für meine Mutter da sein. Dafür sollte ich ja körperlich und seelisch einigermaßen stabil sein.
Das ist eben schwer, wenn die eigene Mutter fast jeden Tag Dinge sagt wie: "ich möchte meinen Löffel abgeben" oder "warum wurde ich im Stich gelassen"(wegen der späten Scheidung von meinem Papa). Diese Sätze sind wie eine Endlosschleife...Psychologische Hilfe lehnt meine Mutter ab, genauso wie Antidepressiva. Deswegen kann ich mich nicht aufopfern und irgendwas erzwingen, das sagen auch die Ärzte und das Pflegepersonal.
Wenn ich schlecht drauf bin und meine Mutter ruft uns an, geht mein Mann ans Telefon, der kann sich da emotional besser abgrenzen.
Nachts haben wir unser Festnetz ausgestellt, wir sind sonst ständig innerlich in Aufruf und können nicht durchschlafen. Meine Mutter hat auch einen Hausnotruf. Der Knopf hängt mit der Kette an der Küchentür und ein Knopf ist auf ihrem Nachtzimmertisch...
Hier lehnt sie auch das Tragen am Körper ab. Meine Mutter ist ein Starrkopf. Damit klar zu kommen, ist nach wie vor schwierig für mich.

Euch allen einen schönen Abend!

LG Kassettenkind
Ich lerne, das Geräusch meiner Schritte zu lieben, wenn ich mich von Dingen entferne, die nicht für mich gedacht sind.
Antworten