Angststörung und Depressionen durch Corona - und was ist mit mir ?
Verfasst: 19. Mär 2024, 15:38
Hallo zusammen.
Ich lese seit einigen Wochen bei vielen Beiträgen mit, denn ich bin auch ein "Angehöriger", genauer gesagt ist meine Partnerin
damals in der Corona-Pandemie während unserer ersten Infektion(+2 Kinder) in eine tiefe Depression mit Angststörungen gerutscht.
Ich sehe viele Parallelen bei den Beteiligten dieses Forums und habe mir über Wochen den Mut zusammengenommen, meine Situation zu schildern.
Ausschlaggebend war, dass uns ein Familienmitglied am 22.12.20 mit Corona (also kurz vor Weihnachten)ansteckte und wir somit die ganzen Weihnachtstage bis Mitte Januar in Quarantäne steckten. Die Symptome waren recht mild, ich hatte das Gefühl einer mittelmäßigen Grippe, aber der Rest war wohl auf.
Um die Sache kurz zu machen, entwickelte meine Frau in dieser Zeit Angststörungen im Bezug auf alles möglicherweise krank machende, tötende und sonst in irgendeiner Weise Gesundheit beeinträchtigende. Corona war bereits möglicherweise tödlich und ich als gefährdete Person war ohnehin noch mehr gefährdet.
Es entwickelte sich recht zügig, dass sie immer mehr Probleme in unserem Haushalt fand, die für sie als "bedenklich" galten und potenzierte dessen Gefahren ins Unermessliche. Sie fing an, nichts mehr anzufassen und wusch sich die Hände hunderte Mal am Tag. Sie suchte in allen möglichen Haushaltsgegenständen Giftstoffe und warf wortwörtlich den halben Hausstand weg auch im Gedanken, dass sie die Kinder vor allen diesen Dingen "beschützen" wollte. Ich war nicht einmal mehr in der Lage zu kochen, weil sie beschichtete Töpfe und Pfannen wegwarf, Plastik-Schüsseln und Küchenutensilien aussortierte und Gewürze und Zutaten entsorgte. Plötzlich war alles Gift.
Zeitgleich wuchs die Depression in ihr, über welche ich ihr über mehrere Monate hinweg versuchte hinweg zu helfen, indem wir uns unterhielten und lange nachtübergreifende Gespräche führten.
Es führte dazu, dass wir bis mitunter 4 Uhr redeten und ich um 7 Uhr wieder zur Arbeit fuhr. Ich bemerkte irgendwann, dass ich nicht in der Lage war, ihr den Sprung aus der Depression zu ermöglichen, viel mehr gab sie ihr Vertrauen in mich und allem auf. Irgendwann waren meine Batterien schlichtweg leer.
Ich hatte keine Energie mehr und auch keine Möglichkeit, diese wieder aufzuladen. Ich fühlte mich schlecht, ich versuchte ein wenig Abstand zu gewinnen und flüchtete mich vor den Computer während ich ihr zu erklären versuchte, dass ein Therapeut ihr besser helfen könnte. Allerdings heizte es die Sache noch viel mehr auf, dass sie doch nicht verrückt wäre, sondern ich ihr helfen muss, sie müsste nur "heilen".
Viele Wochen und Streits später trat sie ihren Weg dann zu einem Psychiater an, sehr widerwillig und definitiv hatte ich mir ihren Zorn eingehandelt.
Anstelle, dass sie offen über ihre Situation sprach, schwieg sie und bekam "lediglich" ein Präparat gegen innere Unruhe.
Trotz Allem, schien der Psychiater seine Arbeit zu machen, verschrieb ihr einige Sitzungen später ein Antidepressivum und schickte sie zu einer Psychotherapeutin.
Es sollte sich jedoch herausstellen, dass sie auch dort nicht alles erzählte, nur mein Verhalten stigmatisierte und die Therapeutin ihr sogar(lt. Aussage meiner Frau) riet, nicht auf mich zu hören, sich von mir zu distanzieren und sonst "ihr" Ding zu machen.
Ein paar Wochen später brach Sie die Therapie ab und nahm auch die Medikamente nicht mehr - sie würde ihren Weg schon alleine schaffen.
Heute, fast 3 Jahre später gibt es gute Momente, aber auch sehr viele Schlechte.
Sie lebt immer noch mit ihrer Angststörung und hat depressive Momente. Sie hält immernoch die Kinder an, bspw. den mit Farbe gestrichenen Treppenhandlauf nicht anzufassen und wenn doch, sich sofort die Hände zu waschen.
Mir wird bis heute vorgeworfen, dass ich für ihre Lage verantwortlich bin und dass ich ihr nicht helfe bzw. geholfen habe.
Wir streiten uns fast täglich und haben kaum noch gemeinsame Meinungen. Es wird wegen Kleinigkeiten diskutiert und alle Handlungen haben Konsequenzen.
Wenn ihr etwas nicht passt, dann streitet sie bis zum bitteren Ende. Sie lässt keinen Raum für Meinung und wenn ich versuche den Streit zu beenden, oder ich versuche wegzugehen, läuft sie mir jeden Zentimeter hinterher oder wird noch wütender.
Heute, fast 3 Jahre später, bin ich es wohl, der Depressionen aus den letzten Jahren davongetragen hat.
Ich bin lustlos, habe kaum noch Freude an Dingen und das wirft sie mir vor. Sie verurteilt meine Teilnahmslosigkeit und meine Passivität.
Sie nennt mich einen Narzissten und torpediert fast jede Handlung von mir, falls ich mal in meinem eigenen Interesse handle.
Wir haben uns auseinandergelebt, obwohl wir uns eigentlich noch lieben. Eine Paartherapie lehnt sie aus Prinzip ab und sollte ich mal mit einem gemeinsamen Freund über unsere Situation gesprochen haben, weil über die Jahre immer weniger Freunde blieben, wirft sie mir vor, dass ich die Beziehung zu diesem gemeinsamen Freund für sie kaputt gemacht habe.
Ich stand schon 2 Mal kurz vor der Trennung, bzw. einmal hatte ich es sogar ausgesprochen, aber sie diskutiert es kaputt und streitet weiter.
Und dann stehen da noch unsere beiden Kinder, das Haus und unsere Verbindlichkeiten.
Und ihre Aussage, dass sie mich "ausziehen" würde.....
Ich kann mir vorstellen, dass es sicher kein Patentrezept für meine Situation gibt, aber gibt es dort draußen jemanden, der/die vielleicht einen Schritt weiter ist ?
Ist es möglich, dass sie ihre Dämonen erkennt ? Ich mein, ich verstehe nicht weshalb sie sie nicht helfen lassen will.
Ist sie einfach noch nicht so weit ? Ich kann es mir kaum vorstellen, so viel Tränen, Streit und Traurigkeit hinterlassen doch auch an ihr Spuren.
Danke fürs Lesen und danke für eure Ideen..
Ich lese seit einigen Wochen bei vielen Beiträgen mit, denn ich bin auch ein "Angehöriger", genauer gesagt ist meine Partnerin
damals in der Corona-Pandemie während unserer ersten Infektion(+2 Kinder) in eine tiefe Depression mit Angststörungen gerutscht.
Ich sehe viele Parallelen bei den Beteiligten dieses Forums und habe mir über Wochen den Mut zusammengenommen, meine Situation zu schildern.
Ausschlaggebend war, dass uns ein Familienmitglied am 22.12.20 mit Corona (also kurz vor Weihnachten)ansteckte und wir somit die ganzen Weihnachtstage bis Mitte Januar in Quarantäne steckten. Die Symptome waren recht mild, ich hatte das Gefühl einer mittelmäßigen Grippe, aber der Rest war wohl auf.
Um die Sache kurz zu machen, entwickelte meine Frau in dieser Zeit Angststörungen im Bezug auf alles möglicherweise krank machende, tötende und sonst in irgendeiner Weise Gesundheit beeinträchtigende. Corona war bereits möglicherweise tödlich und ich als gefährdete Person war ohnehin noch mehr gefährdet.
Es entwickelte sich recht zügig, dass sie immer mehr Probleme in unserem Haushalt fand, die für sie als "bedenklich" galten und potenzierte dessen Gefahren ins Unermessliche. Sie fing an, nichts mehr anzufassen und wusch sich die Hände hunderte Mal am Tag. Sie suchte in allen möglichen Haushaltsgegenständen Giftstoffe und warf wortwörtlich den halben Hausstand weg auch im Gedanken, dass sie die Kinder vor allen diesen Dingen "beschützen" wollte. Ich war nicht einmal mehr in der Lage zu kochen, weil sie beschichtete Töpfe und Pfannen wegwarf, Plastik-Schüsseln und Küchenutensilien aussortierte und Gewürze und Zutaten entsorgte. Plötzlich war alles Gift.
Zeitgleich wuchs die Depression in ihr, über welche ich ihr über mehrere Monate hinweg versuchte hinweg zu helfen, indem wir uns unterhielten und lange nachtübergreifende Gespräche führten.
Es führte dazu, dass wir bis mitunter 4 Uhr redeten und ich um 7 Uhr wieder zur Arbeit fuhr. Ich bemerkte irgendwann, dass ich nicht in der Lage war, ihr den Sprung aus der Depression zu ermöglichen, viel mehr gab sie ihr Vertrauen in mich und allem auf. Irgendwann waren meine Batterien schlichtweg leer.
Ich hatte keine Energie mehr und auch keine Möglichkeit, diese wieder aufzuladen. Ich fühlte mich schlecht, ich versuchte ein wenig Abstand zu gewinnen und flüchtete mich vor den Computer während ich ihr zu erklären versuchte, dass ein Therapeut ihr besser helfen könnte. Allerdings heizte es die Sache noch viel mehr auf, dass sie doch nicht verrückt wäre, sondern ich ihr helfen muss, sie müsste nur "heilen".
Viele Wochen und Streits später trat sie ihren Weg dann zu einem Psychiater an, sehr widerwillig und definitiv hatte ich mir ihren Zorn eingehandelt.
Anstelle, dass sie offen über ihre Situation sprach, schwieg sie und bekam "lediglich" ein Präparat gegen innere Unruhe.
Trotz Allem, schien der Psychiater seine Arbeit zu machen, verschrieb ihr einige Sitzungen später ein Antidepressivum und schickte sie zu einer Psychotherapeutin.
Es sollte sich jedoch herausstellen, dass sie auch dort nicht alles erzählte, nur mein Verhalten stigmatisierte und die Therapeutin ihr sogar(lt. Aussage meiner Frau) riet, nicht auf mich zu hören, sich von mir zu distanzieren und sonst "ihr" Ding zu machen.
Ein paar Wochen später brach Sie die Therapie ab und nahm auch die Medikamente nicht mehr - sie würde ihren Weg schon alleine schaffen.
Heute, fast 3 Jahre später gibt es gute Momente, aber auch sehr viele Schlechte.
Sie lebt immer noch mit ihrer Angststörung und hat depressive Momente. Sie hält immernoch die Kinder an, bspw. den mit Farbe gestrichenen Treppenhandlauf nicht anzufassen und wenn doch, sich sofort die Hände zu waschen.
Mir wird bis heute vorgeworfen, dass ich für ihre Lage verantwortlich bin und dass ich ihr nicht helfe bzw. geholfen habe.
Wir streiten uns fast täglich und haben kaum noch gemeinsame Meinungen. Es wird wegen Kleinigkeiten diskutiert und alle Handlungen haben Konsequenzen.
Wenn ihr etwas nicht passt, dann streitet sie bis zum bitteren Ende. Sie lässt keinen Raum für Meinung und wenn ich versuche den Streit zu beenden, oder ich versuche wegzugehen, läuft sie mir jeden Zentimeter hinterher oder wird noch wütender.
Heute, fast 3 Jahre später, bin ich es wohl, der Depressionen aus den letzten Jahren davongetragen hat.
Ich bin lustlos, habe kaum noch Freude an Dingen und das wirft sie mir vor. Sie verurteilt meine Teilnahmslosigkeit und meine Passivität.
Sie nennt mich einen Narzissten und torpediert fast jede Handlung von mir, falls ich mal in meinem eigenen Interesse handle.
Wir haben uns auseinandergelebt, obwohl wir uns eigentlich noch lieben. Eine Paartherapie lehnt sie aus Prinzip ab und sollte ich mal mit einem gemeinsamen Freund über unsere Situation gesprochen haben, weil über die Jahre immer weniger Freunde blieben, wirft sie mir vor, dass ich die Beziehung zu diesem gemeinsamen Freund für sie kaputt gemacht habe.
Ich stand schon 2 Mal kurz vor der Trennung, bzw. einmal hatte ich es sogar ausgesprochen, aber sie diskutiert es kaputt und streitet weiter.
Und dann stehen da noch unsere beiden Kinder, das Haus und unsere Verbindlichkeiten.
Und ihre Aussage, dass sie mich "ausziehen" würde.....
Ich kann mir vorstellen, dass es sicher kein Patentrezept für meine Situation gibt, aber gibt es dort draußen jemanden, der/die vielleicht einen Schritt weiter ist ?
Ist es möglich, dass sie ihre Dämonen erkennt ? Ich mein, ich verstehe nicht weshalb sie sie nicht helfen lassen will.
Ist sie einfach noch nicht so weit ? Ich kann es mir kaum vorstellen, so viel Tränen, Streit und Traurigkeit hinterlassen doch auch an ihr Spuren.
Danke fürs Lesen und danke für eure Ideen..