Tagesklinik - Hilfe bei Entscheidung

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Ephemera
Beiträge: 78
Registriert: 10. Jan 2022, 19:31

Tagesklinik - Hilfe bei Entscheidung

Beitrag von Ephemera »

Hallo ihr Lieben.

Ich war heute bei meinem Psychiater.
Er möchte mit mir nicht weiter mit Medikamenten „herumprobieren“, da bisher alles nur einen kurzfristig positiven Effekt hatte, der sich nach der Gewöhnung wieder in Luft aufgelöst hat.
Wir haben es mit Escitalopram (bis 20 mg) probiert. Dann auf Venlafaxin gewechselt (bis 225 mg). Dann Mirtazapin ergänzt (bis 15 mg). Nach jeder Dosiserhöhung (und spannenderweise auch nach fast jeder Senkung) ging es mir für wenige Tage bis max. 3 Wochen besser (mehr Antrieb, mehr Energie, mehr Hoffnung) und dann verlor es sich wieder.
Medikamente scheinen also nicht die Lösung zu sein.

Er schlug mir vor, es mal mit einer Tagesklinik zu versuchen.
Da habe ich bisher keine Erfahrungen. Ich war insgesamt 15 Wochen (in 4 kürzeren Aufenthalten) stationär in Psychiatrischen Krankenhäusern, aber noch nie in der Tagesklinik.
Dort soll dann intensiv Psychotherapie stattfinden, mit bis zu 3 Einzel- und 3 Gruppensitzungen pro Woche.
Ich habe eine großartige ambulante Psychotherapeutin, zu der ich seit über 2 Jahren meist wöchentlich gehe.
Ich habe viel über mich gelernt - vieles verstanden. Aber an meinem Befinden hat sich wenig gebessert. Ich bin seit über 10 Jahren durchgängig in einer Episode die von Mittel zu Schwer zu Mittel zu Leicht zu Mittel….. schwankt.
Und ich kann in der Praxis so wenig umsetzen von dem, was ich eigentlich tun will… weil es einfach an Energie und Antrieb fehlt und mich immer wieder die Hoffnungslosigkeit gefangen hält. Oft scheitere ich schon am Duschen… Es ist mir selbst unbegreiflich und ich schäme mich dafür.

Meine Arbeit ist der Teil meines Lebens, der am besten funktioniert. Da fühle ich mich nicht völlig überfordert, leer und nutzlos. Dort funktioniere ich und fühle mich manchmal sogar nützlich - so als könnte ich etwas, als hätte mein Dasein einen Wert. Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, das loszulassen. Ausgerechnet diesen Teil meines Lebens zu streichen, für einen neuen Behandlungsversuch.

Wer hat bei einer chronischen Depression von einer Tagesklinik profitiert? Konnte da etwas in Bewegung kommen?
Hat es geholfen beim Schritt von Theorie zu Praxis?
VanGogh
Beiträge: 21
Registriert: 29. Sep 2018, 19:14

Re: Tagesklinik - Hilfe bei Entscheidung

Beitrag von VanGogh »

Hallo.

Du brauchst dich nicht schämen.

Ich weiß nicht ob du aktuell vollzeit dort beschäftigt bist oder nur Teilzeit aber ich persönlich habe die Erfahrung gemacht das es manchmal wichtiger ist auf seinen Körper zu hören und erstmal eine wichtige Pause vom Beruf zu machen um sich voll auf die Regeneration konzentrieren zu können. Es gibt auch die Möglichkeiten dem Arbeitgeber zu informieren und in der Zeit der Genesung Krankengeld zu kriegen. Würde die Arbeit in deinem Fall hinten anstellen und erstmal in eine Tagesklinik gehen dort gibt es auch Selbsthilfegruppen bzw lernt man dort verschiedene Methoden um diese Krankheit besser zu verarbeiten.

Wünsche dir alles Gute!
Grüße.
Ephemera
Beiträge: 78
Registriert: 10. Jan 2022, 19:31

Re: Tagesklinik - Hilfe bei Entscheidung

Beitrag von Ephemera »

Vielen Dank für Deine Antwort.

Ich arbeite aktuell halbtags und meine Stelle ist zum Glück sicher, da ich Beamtin bin. Die Sorge da zielt also mehr auf mein schlechtes Gewissen zu fehlen obwohl ich nicht „arbeitsunfähig“ bin… Es ist mehr der Rest des Lebens, zu dem ich unfähig bin. Arbeiten geht ja eben gerade gut und gibt mir Stabilität und Sinn. Ich mag meine Arbeit auch wirklich gerne und bin sehr dankbar, sie zu haben.
Zudem ist mein Vorgesetzter sehr verständnisvoll was die Erkrankung und meine bisherigen Fehlzeiten angeht - und ich habe Sorge, seine Geduld zu erschöpfen wenn ich wieder länger ausfalle.

Andererseits möchte ich aber auch nicht den Rest meines Lebens in diesem Zustand verbringen… Es gab mal kurze Zeiten in meinem Leben, in denen alles leichter war. In denen nicht jede kleine Aktivität eine unüberwindbare Hürde war. In denen ich morgens einfach aufstehen und loslegen konnte. In denen ich einfach duschen gegangen bin, wenn es nötig war oder ich es wollte…
Nachtmensch
Beiträge: 615
Registriert: 30. Dez 2020, 06:39

Re: Tagesklinik - Hilfe bei Entscheidung

Beitrag von Nachtmensch »

Ephemera hat geschrieben: 24. Jan 2024, 20:02 Wer hat bei einer chronischen Depression von einer Tagesklinik profitiert? Konnte da etwas in Bewegung kommen?
Hat es geholfen beim Schritt von Theorie zu Praxis?
Hallo Ephemera,

Du hast ja stationär schon Erfahrungen in Kliniken machen können. Im Grunde unterscheidet sich da nicht viel, im Bezug auf einen teilstationären Aufenthalt. Außer, dass Du eben Abends und an Wochenenden zuhause bist. Meine Aufenthalte in Tagesklinken brachten mir immer verlorengegangene Tagesstruktur zurück, aber wenn Du arbeiten gehst, ist die ja durch den Job zumindest gegeben. Ein Vorteil zu vollstationären Aufenthalt war für mich auch, dass ich keine Zuzahlung leisten musste, also die 10€ fielen weg.

Auf den therapeutischen Faktor bezogen, profitierte ich persönlich von den Gruppensitzungen, sofern die Konstellation passte. Einzelgespräche gab es aber immer nur zwei, ein normal langes und ein kürzeres pro Woche. Insgesamt tat es gut, mit Menschen zu interagieren, die ein ähnlich gelagerte Problematik zu bewältigen suchten. Der Austausch neben den gemeinsamen Therapien war für mich jedenfalls überwiegend gut.

Ob Du Dich dafür entscheiden kannst, mal deinen Job für 8 oder mehr Wochen zu unterbrechen, obliegt natürlich Dir alleine und wie zuträglich Dir dann ein Aufenthalt in einer Tagesklinik dann am Ende ist, kann ich selbstverständlich nicht beurteilen. Viellicht kannst Du erkennen, das Du Dich nicht nur auf der Arbeit nützlich und wertvoll empfinden kannst, sondern eben insgesamt. Dazu kann der Umgang mit Menschen, die nicht dem alltäglichen Umfeld entspringen, durchaus nützlich sein. Wobei es natürlich immer auch an einem selbst liegt. Eigentlich findet in der Klinik ja auch nur das Leben statt, wie Außerhalb auch, nur eben in einem geschützteren Raum und mit der Möglichkeit sich feedback zu holen, dass man im normalen Leben vielleicht nicht bekäme, oder einholen würde. Eine gänzlich Heilung zu Erwarten, bei einer chronisch vorhandenen Depression, würde ich persönlich eher nicht. Aber ich habe immer Erkenntnisse aus meinen voll und teilstationären Aufenthalten mitgenommen. Die wichtigsten waren die, die ich über mich selbst erlangen konnte.

Wie auch immer Du Dich entscheidest, ich wünsch Dir dafür alles Gute und dass es für Dich das richtige ist.
Ephemera
Beiträge: 78
Registriert: 10. Jan 2022, 19:31

Re: Tagesklinik - Hilfe bei Entscheidung

Beitrag von Ephemera »

Vielen Dank für die nette Antwort.

Diese Entscheidung überfordert mich massiv.
Zum Glück kann ich heute Abend mit meiner Therapeutin telefonieren und dabei hoffentlich etwas Ordnung in meine widersprüchlichen Gedanken und Gefühle bringen.

Denn gerade habe ich das Gefühl, dass es mich zerreißt.
Zwei Anteile mit völlig gegensätzlichen Ansichten versuchen sich durchzusetzen…
Ich hatte gestern Nachmittag vielleicht eine kleine Panikattacke… plötzliches Schwitzen. Zittern überall. Herzrasen. Es fühlte sich wie eine körperliche Notlage an. Würde nicht ein Teil von mir die Aussicht plötzlich tot umzufallen als relativ angenehm empfinden, hätte es mir große Angst gemacht.
So konnte ich es beobachten und abwarten - und nach 10 oder 15 Minuten hörte es wieder auf.
Ich habe meinen Psychiater um ein Telefonat heute gebeten, aber habe bislang nichts von ihm gehört. So schlimm war es eigentlich nicht… Aber ich hatte sowas noch nie.

Es ist anstrengend gerade. Auch weil ich es in der echten Welt nicht schaffe, mit jemandem darüber zu sprechen. Sozialangst ist echt scheiße, wenn man eine Freundin bräuchte… einfach jemanden, dem man sich öffnen oder mitteilen kann.

Bis zu meinem nächsten Termin am 13. Februar soll ich mit eine Meinung bilden.
Ich werde dann auch nochmal wegen der Medikamente fragen. Ich meine mal irgendwo gelesen zu haben, dass MAO-Hemmer bei chronischer Depression bzw. Dysthymie häufiger wirksam sind als die anderen Wirkstoffklassen. Und dass auch Bupropion und Buspiron sich anbieten für therapieresistente Depressionen.
Vielleicht können wir das doch nochmal probieren - vielleicht, wenn ich während der Umstellung in der Tagesklinik bin und somit „sicher“ und unter Beobachtung…
Nachtmensch
Beiträge: 615
Registriert: 30. Dez 2020, 06:39

Re: Tagesklinik - Hilfe bei Entscheidung

Beitrag von Nachtmensch »

Hallo Ephemera,

Für eine Umstellung von Medikamenten bietet sich der Aufenthalt in einer Klinik meiner Meinung nach in jedem Fall an. Die Möglichkeiten eines Feedbacks sind jedenfalls dort sicher besser gegeben, als gegebenenfalls zu versuchen, einen Arzt zu konsultieren. Das „mit jemandem sprechen“ gelang mir in meinen Klinikaufenthalten meistens recht gut, allerdings war der Anfang doch schon auch schwierig.

Einen Versuch, denke ich, ist es immer wert. Und auch abbrechen ist ohne besondere Konsequenzen seitens der Krankenkasse beispielsweise,jederzeit möglich, auch gegen ärztlichen Rat.
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