Depression und dann auch noch Trauer

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Monserat
Beiträge: 6
Registriert: 7. Jun 2023, 13:03

Depression und dann auch noch Trauer

Beitrag von Monserat »

Ich leide seit einigen Jahren unter Depressionen, habe da auch schon einiges an Medis *durch* (derzeit Elontril und Quetiapin) und bekomme befristete EMR (immer wieder verlängert).
Mein Mann gab mir immer Sicherheit und auch eine gewisse Gelassenheit - mit ihm an der Seite konnte ich gut leben mit der Depression.
Dann verstarb mein Mann im November 22 mit 63 Jahren. Zwischen Diagnose und seinem Tod lagen noch nicht einmal 4 Wochen. Diese 4 Wochen *spuken* immer noch in meinem Kopf herum - hätte ich noch etwas tun können für ihn ? Hätte ich darauf bestehen sollen, dass er früher zum Arzt geht ? Hätten wir beide die kurze gemeinsame Zeit nicht noch besser nutzen sollen ?
Dieses Trauerjahr verging für mich unheimlich schnell, ich trauere jetzt noch mehr als zu Anfang (da habe ich einfach *funktioniert*) und mein Umfeld macht (vorsichtig) Bemerkungen wie : langsam müsste es doch besser werden ..........

Da ich Patientin in einer psych. Instituts-Ambulanz bin, konnte mir mein Psychiater recht schnell einen Termin bei einer internen Psychologin geben. Bisher war ich zweimal bei ihr und natürlich *tut sich noch nicht wirklich was*.
Ich frage mich halt jetzt : was ist die (chronische) Depression und was ist die Trauer ? Ich stelle auch besorgt fest, dass ich Ängste entwickle. Ängste vor Dingen oder Menschen, die mir bisher noch nie etwas ausmachten. Wird es irgendwann mal besser ?

LG Monserat
Senif
Beiträge: 1220
Registriert: 23. Jul 2023, 21:42

Re: Depression und dann auch noch Trauer

Beitrag von Senif »

Hallo Monserat,

mein Beileid wegen deinem Mann.
Die Trennung von Trauergefühlen der Depression und Trauerreaktion ist sicher nicht einfach. Ich könnte mir schon vorstellen, dass nach einem Jahr sicher auch die Depression dazu beiträgt, dass die Verarbeitung der Ereignisse nicht funktioniert oder nicht so schnell funktioniert.
Ich habe letzten Monat mein Fellkind verloren (ist sicher kein Vergleich) - aber ich hatte danach auch Schuldgefühle. Hätte ich was anders machen können ? Habe ich Fehler gemacht ? Ich glaube, das gehört auch zum Trauerprozess dazu. Und meine Therapeutin meinte zu dem Thema, dass es für uns Menschen einfacher ist, zu sagen, man hätte noch was tun können als einfach das unausweichliche zu akzeptieren. Es gibt dann ja auch einen Schuldigen - nämlich man selbst.
Ich finde gut, dass du jetzt eine Psychologin hast, die dir zur Seite stehen kann und dich in deiner Trauer begleiten kann.
Welche Ängste sind das genau ? ich habe anfangs versucht gegen meine Ängste anzukämpfen, was gescheitert ist - sie wurden schlimmer. Ich musste sie zulassen und dann auch aushalten und mich mit mir konfrontieren. Ein sehr langer Prozess, aber ich bin wieder rausgekommen. Ja, es wird irgendwann mal besser.

LG Senif :hello:
f33
Beiträge: 53
Registriert: 7. Dez 2023, 17:05

Re: Depression und dann auch noch Trauer

Beitrag von f33 »

Hallo Monserat,

das Muster, was Senif da anspricht zur Schuldfrage bei persönlichen Verlusten, das habe ich schon anderweitig gehört und ich glaube an der Logik ist was dran. In deinem Fall denke ich jedoch, kann man eine Mitschuld komplett ausklammern.
Du kannst niemanden zu präventiven Untersuchungen zwingen - mein Paps ist da wirklich sehr genau und ihm geht es ganz gut; meine Mutter hat vieles nicht machen lassen und das hat sich später auch gerächt.
Das muss aber letztendlich jeder selbst für sich entscheiden.
Ich denke, das beste Beispiel ist die Zahnpflege. Zähne verzeihen Vernachlässigung nicht. ;)
...

Auch ich bin in der PIA und werde dort ganz gut versorgt, mit Ausnahme des Psychologen- da haben die einfach zu wenig.
Tagesklinik war nicht so meins, aber das liegt auch an meinen Ängsten.
Ängste können sehr vielseitig auftreten, da gibt es eine Menge Diagnoseschlüssel.
Bei mir hat sich das mit den Ängsten etwas gelegt, meine Depression bin ich aber nie los geworden. Entgegen den Betroffenen, oder Ärzten, die von "Episoden" reden, sind meine Symptome chronisch. Ohne AD komme ich gar nicht mehr aus, bin aber gut eingestellt.

Ich persönlich würde die Prozesse/Begriffe: "Trauerbewältigung" und "Depression" trennen, darum gibt es für beide auch verschiedene Behandlungen.
Ich denke mal die Trauer geht vorbei, wenn man den Alltag und die damit verbundenen Kontakte wieder uneingeschränkt zulässt und sich selber ein paar Highlights(Urlaub, Reha, etc.) gönnt.

Das Leben ist kurz und die Zeit kannst du nicht zurück drehen.
Liebe Grüße f33
Bibutz
Beiträge: 88
Registriert: 17. Okt 2023, 13:03

Re: Depression und dann auch noch Trauer

Beitrag von Bibutz »

Liebe Monserat,

Ich würde das Wort „Trauerjahr“ aus dem Wortschatz entfernen.

Denn Trauer dauert so lange wie es dauert und ist zeitlich nicht messbar.

Als vor 5 Jahren ein sehr wichtiger Mensch in meinem Leben gestorben ist, war ich vor Kummer fast wie gelähmt. Das hat über zwei Jahre angehalten. Und es gab wenig Verständnis dafür. Ich hatte aber einen tollen Hauarzt, der mir erklärte, dass nie ein anderer Mensch deine Gefühle fühlen kann, den er steckt ja nicht in dir. Also kann auch kein Mensch darüber urteilen, wie du dich fühlen sollst.

Er war schließlich dein Mann und ich gehe davon aus, dass nicht erst seit einer Woche, sondern vielleicht die größte Zeit deines Lebens? Wieso soll es dann in einem Jahr plötzlich wieder gut sein? Das ist doch sehr anmaßend von der Gesellschaft sowas zu verlangen. Du brauchst die Zeit, die du eben brauchst. Egal wie lange es dauert. Es gibt mehrere Phasen der Trauer, die darf man ausleben und ich denke es ist auch wichtig, diese zuzulassen. Lass dir Zeit.
Trauer ist keine Depression und Depression ist keine Trauer, da bin ich ganz f33s Meinung. Das sollte man getrennt behandeln.

Bei mir war es „nur“ ein Freund, aber auch jetzt, nach 5 Jahren, werde ich manchmal traurig und vermisse ihn sehr in manchen Situationen. Ich habe es auch noch nicht geschafft seine Kontaktdaten aus meiner Liste zu löschen. Das werde ich dann machen, wenn ICH soweit bin und nicht weil andere das sagen.

Ich wünsche dir alles erdenklich Liebe und viel Kraft
Lavendel64
Beiträge: 543
Registriert: 27. Dez 2017, 14:44

Re: Depression und dann auch noch Trauer

Beitrag von Lavendel64 »

Liebe Monserat,
auch von mir mein herzliches Beileid. Es muss schlimm sein, den Menschen zu verlieren, der einem mit am meisten (vielleicht sogar am meisten) bedeutet hat, den Fels in der Brandung, den Menschen, dem man uneingeschränkt vertraute und der immer da war.

Ich erlebe das gerade hautnah bei meiner langjährigen Freundin, deren Mann im Mai verstarb. Ich erlebte sie immer als emotional stabilen Menschen, sie hat ihre Mutter jahrelang gepflegt und nebenbei gearbeitet, trotz einer schweren chronischen Krankheit. Erst jetzt sieht man, wie viel Kraft ihr Mann ihr gegeben hat. Das fehlt. Die Trauer ist immens und alltäglich. Das Umfeld akzeptiert die Trauer für eine gewisse Zeit, dann beginnt die Ungeduld und Sprüche wie "nun ist aber mal gut", die wenig hilfreich sind. Ja, es ist auch für Freunde und Bekannte schwer auszuhalten, wenn ein Mensch, den man gern hat, so tief in der Trauer steckt, so verzweifelt ist und man letztlich so wenig helfen kann. Nur dasein, zuhören, vielleicht mal einige Stunden ablenken.
Mit der Zusatzdiagnose Depression werden sich vermutlich die Symptome vermischen. Der halt fehlt. Viele Menschen können es nicht nachfühlen, weil sie noch nicht in der Situation waren, die Empathie in dieser Form nicht vorhanden ist oder sie generell gar nicht in die Lage kommen werden (weil z.B. kein Partner da ist). Hinzu kommt, man möchte ja selber, dass es besser wird, dass diese unerträgliche Qual ein Ende hat und wieder Lebensfreude herrscht. Gerade an Weihnachten ist es besonders schwierig, da möchte niemand mit Trauer "behelligt" werden.

Der Satz, den ich in der schweren Depression oft von meinem Mann hörte, fiel hier auch schon "Es dauert, solange es dauert", das einzige, was du selber tun kannst, ist, an der Akzeptanz zu arbeiten. Bleibt die Frage: "Wie geht das?" Sie wird kommen - von selber. Irgendwann.

Es gibt auch Trauerrunden - als mein Vater verstarb, war ich mit meiner Mutter dort und wir beide empfanden es als sehr hilfreich. Dort wird man in der Trauer angenommen und es ist gleichgültig, ob man 1, 2 oder 10 Jahre dort teilnimmt. Ich habe dort gesehen und gelernt, wie unterschiedlich Trauer sein kann.

Du wirst deinen persönlichen Weg finden. Lass dir nichts einreden und vergiss den Begriff "Trauerjahr".

Liebe Grüße
Lavendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
Monserat
Beiträge: 6
Registriert: 7. Jun 2023, 13:03

Re: Depression und dann auch noch Trauer

Beitrag von Monserat »

Bibutz hat geschrieben: 23. Dez 2023, 10:40 Er war schließlich dein Mann und ich gehe davon aus, dass nicht erst seit einer Woche, sondern vielleicht die größte Zeit deines Lebens?
Oh ja, man kann sagen : er war die Liebe meines Lebens ! Wir waren eine Teenagerliebe und waren 47 Jahre zusammen, davon 40 verheiratet. Er war also die größte Zeit meines Lebens an meiner Seite, gab mir Sicherheit. Und da er ein *hoffnungsloser* Optimist war, gab er mir auch immer Zuversicht - er hatte immer einen Plan B ;)
Wie soll man über so jemanden jemals hinwegkommen ?
Lavendel64 hat geschrieben: 25. Dez 2023, 05:42 Es muss schlimm sein, den Menschen zu verlieren, der einem mit am meisten (vielleicht sogar am meisten) bedeutet hat, den Fels in der Brandung, den Menschen, dem man uneingeschränkt vertraute und der immer da war.

Mit der Zusatzdiagnose Depression werden sich vermutlich die Symptome vermischen. Der halt fehlt. Viele Menschen können es nicht nachfühlen, weil sie noch nicht in der Situation waren, die Empathie in dieser Form nicht vorhanden ist oder sie generell gar nicht in die Lage kommen werden (weil z.B. kein Partner da ist). Hinzu kommt, man möchte ja selber, dass es besser wird, dass diese unerträgliche Qual ein Ende hat und wieder Lebensfreude herrscht. Gerade an Weihnachten ist es besonders schwierig, da möchte niemand mit Trauer "behelligt" werden.
Ja, liebe Lavendel - er war IMMER für mich da und er liebte mich, so wie ich bin (ich bin sicherlich kein einfacher Mensch) Du hast Recht : der Halt fehlt. Ich fühle mich wie im freien Fall. Ich habe liebe Freunde, die sich sehr um mich bemühen. Sie können (zum Glück für sie) nicht nachempfinden, wie es ist, das Liebste zu verlieren. Bin ich mit ihnen oder mit meiner Familie zusammen, *funktioniere* ich - doch das ist verdammt anstrengend. Danach bin ich erschöpft und ausgelaugt.
Heute ist der zweite Weihnachtsfeiertag und zum Glück ist auch dieser schon fast vorbei. Die Tage waren echt schlimm und auch wenn ich selten weinen kann - am 24. habe ich fast den ganzen Tag geweint. Silvester wird noch einmal heftig - vor allem die *guten Wünsche fürs neue Jahr* - ich mag sie gar nicht hören/lesen.

LG
Lavendel64
Beiträge: 543
Registriert: 27. Dez 2017, 14:44

Re: Depression und dann auch noch Trauer

Beitrag von Lavendel64 »

Liebe Monserat, ich war eine Weile nicht online, daher habe ich nicht auf deine Antwort reagiert. Sorry dafür. Wir waren für einige Tage auf einer Hallig, völlig abseits und abgetrennt vom hektischen Leben, nur mein Mann und unser Hund. Morgen beginnt wieder der Alltag, für mich das neue Jahr, von dem ich hoffe, dass es besser wird als das vergangene. Ich denke, genau das kann ich dir auch wünschen, ohne dass es nervt.

Ich kann das Gefühl nicht nachempfinden - ich war noch nie in der Lage, den langjährigen Partner verloren zu haben. Ich nehme das aus dem Umfeld wahr, bei meiner Mutter (nach über 50 Jahren Ehe) , bei meiner Freundin (nach knapp 30 Jahren) und mir wird angst und bange. Ich bin voller Bewunderung für die Menschen, die einen derartigen Verlust ertragen (müssen) und irgendwie weiter existieren (von leben mag ich in dem Zusammenhang nicht reden). Ein "es wird besser" hilft in dem Moment auch nicht, kleine Schritte, eines nach dem anderen. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem einem der Papierkram über den Kopf wächst.

Ich hoffe, dass du den Jahreswechsel irgendwie hinter dich bringen konntest un ddass das neue Jahr dich Stück für Stück in ein anderes, neues Leben führt. Ein LEben mit Lichtblicken, Erinnerungen und auch Tränen.
Liebe Grüße
LAvendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
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