Endlich die Diagnose (ein)gestehen
Verfasst: 8. Nov 2023, 18:54
Liebe Mitglieder,
ich bin neu hier im Forum, weil ich vor einer neuen, persönlichen Herausforderung stehe: mir meine Krankheit einzugestehen.
Soweit ich mich erinnern kann, bin ich depressiv, seit ich neun Jahre alt bin (was sich seit damals in sozialem Rückzug, SVV, verschiedenen Essstörungen, Schlafproblemen, Grübeleien, Gedankenkarussell, einer ständig wiederkehrenden inneren Abwärtsspirale äußerte). Meine Mitschüler*innen mobbten mich, meine Lehrer*innen gaben mir im Verhalten schlechte Noten, weil ich schüchtern war. Ein weiteres Problem sahen sie darin allerdings nicht, obwohl ich im Kunstunterricht mal ein Bild von einem Messer zeichnete und mein Körper etliche Spuren aufwies. Meine Eltern stellten ebenfalls nicht fest, dass mit mir etwas nicht stimmte, sie waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt (eigene psychische Probleme, die sie sich ebenfalls nicht oder erst spät eingestanden). Ich hätte mit ihnen auch gar nicht darüber sprechen können, weil ich mir Vorwürfe gemacht hätte, wenn ich sie dadurch, dass es mir selbst schlecht ging, als schlechte Eltern hingestellt hätte. Ich lebte also immer vor mich hin, glücklich war ich selten. Ich suchte mir ein Ventil, Musik und später kreatives Schreiben. Dieses hat mich glaube ich bis heute (bin inzwischen dreißig) aufrechtgehalten.
Mit 24 fand ich auf einmal morgens nicht mehr die Kraft, aufzustehen. Notgedrungen suchte ich meinen Hausarzt auf, der mich jedoch nicht ernst nahm. Wohl, weil ich ihn anlächelte und ziemlich sachlich über meine Symptome berichtete. Ich hatte irgendwie im Laufe meines Lebens gelernt, immer die Starke zu markieren, mit allen Problemen allein zurechtkommen zu müssen (anderen geht es ja viel schlechter ...). Da mir Johanniskraut und eine Woche Krankschreibung nichts nützten, besuchte ich einen weiteren Hausarzt. Dabei ließ ich den Kopf wohl etwas mehr hängen, ich bekam Escitalopram und eine Überweisung für Psychotherapie (Diagnose: schwere Depression). Ich rief in der Praxis für Psychotherapie an. Nach 6 Wochen sollte ich mich erneut melden, ob noch Bedarf bestehe (weil Plätze knapp sind). Das tat ich nicht. Ich bekam zu diesem Zeitpunkt nur das Allernötigste auf die Reihe und vergaß den Anruftag. Anschließend holte ich noch einige Male ein Nachfolgerezept für das Medikament, da ich aber keine Wirkung feststellte, setzte ich es wieder ab.
Ich war wieder auf mich allein gestellt. Bis heute mache ich mein Hobby weiter, mache Yoga, absolviere ab und zu mal Online-Coachings zu Themen wie Gaslighting, Grenzen-Setzen ..., habe meine sozialen Kontakte aufs Wesentliche reduziert (meinen Freund, zwei Katzen und drei Freundschaften, die mir wirklich viel bedeuten) und mache einen für mich sinngebenden Job.
Aber bei all dem zeigt mein Körper noch immer Symptome wie Schlaflosigkeit, Konzentrationsstörungen (z.B. extreme Vergesslichkeit), gelegentliche Essstörungen (die ich mit viel Disziplin in den Griff kriege), Lustlosigkeit, Unwillen, mit anderen zu sprechen oder zu schreiben, manchmal sogar den Wunsch nach SVV (wobei ich da seit fünf Jahren "clean" bin).
Da es mich vor einigen Monaten erneut "umgehauen" hat, was bedeutet, dass ich morgens die Füße nicht aus dem Bett bekam, habe ich mir nun grundlegende Gedanken gemacht: Ich muss mir endlich meine Krankheit eingestehen und mir die Hilfe suchen, die ich brauche.
Problem: Nach wie vor habe ich Angst, meinen Freunden und insbesondere meinem Lebenspartner zu erklären, dass ich das Gefühl habe, nicht auf meinen zwei Füßen zu stehen. Ich fürchte mich vor Vorwürfen ("Sind wir ein schlechtes Umfeld für dich?"), aber auch davor, nicht ernst genommen zu werden (gerade weil zwei meiner Freunde im Rollstuhl sitzen und eine Depression definitiv als Gejammer auf hohem Niveau ansehen würden).
Habt ihr Tipps, wie man mit diesen Ängsten umgeht und wie man endlich den Schritt schafft, eine Therapie zu beginnen?
Danke schon einmal im Voraus.
Liebe Grüße,
Anna
ich bin neu hier im Forum, weil ich vor einer neuen, persönlichen Herausforderung stehe: mir meine Krankheit einzugestehen.
Soweit ich mich erinnern kann, bin ich depressiv, seit ich neun Jahre alt bin (was sich seit damals in sozialem Rückzug, SVV, verschiedenen Essstörungen, Schlafproblemen, Grübeleien, Gedankenkarussell, einer ständig wiederkehrenden inneren Abwärtsspirale äußerte). Meine Mitschüler*innen mobbten mich, meine Lehrer*innen gaben mir im Verhalten schlechte Noten, weil ich schüchtern war. Ein weiteres Problem sahen sie darin allerdings nicht, obwohl ich im Kunstunterricht mal ein Bild von einem Messer zeichnete und mein Körper etliche Spuren aufwies. Meine Eltern stellten ebenfalls nicht fest, dass mit mir etwas nicht stimmte, sie waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt (eigene psychische Probleme, die sie sich ebenfalls nicht oder erst spät eingestanden). Ich hätte mit ihnen auch gar nicht darüber sprechen können, weil ich mir Vorwürfe gemacht hätte, wenn ich sie dadurch, dass es mir selbst schlecht ging, als schlechte Eltern hingestellt hätte. Ich lebte also immer vor mich hin, glücklich war ich selten. Ich suchte mir ein Ventil, Musik und später kreatives Schreiben. Dieses hat mich glaube ich bis heute (bin inzwischen dreißig) aufrechtgehalten.
Mit 24 fand ich auf einmal morgens nicht mehr die Kraft, aufzustehen. Notgedrungen suchte ich meinen Hausarzt auf, der mich jedoch nicht ernst nahm. Wohl, weil ich ihn anlächelte und ziemlich sachlich über meine Symptome berichtete. Ich hatte irgendwie im Laufe meines Lebens gelernt, immer die Starke zu markieren, mit allen Problemen allein zurechtkommen zu müssen (anderen geht es ja viel schlechter ...). Da mir Johanniskraut und eine Woche Krankschreibung nichts nützten, besuchte ich einen weiteren Hausarzt. Dabei ließ ich den Kopf wohl etwas mehr hängen, ich bekam Escitalopram und eine Überweisung für Psychotherapie (Diagnose: schwere Depression). Ich rief in der Praxis für Psychotherapie an. Nach 6 Wochen sollte ich mich erneut melden, ob noch Bedarf bestehe (weil Plätze knapp sind). Das tat ich nicht. Ich bekam zu diesem Zeitpunkt nur das Allernötigste auf die Reihe und vergaß den Anruftag. Anschließend holte ich noch einige Male ein Nachfolgerezept für das Medikament, da ich aber keine Wirkung feststellte, setzte ich es wieder ab.
Ich war wieder auf mich allein gestellt. Bis heute mache ich mein Hobby weiter, mache Yoga, absolviere ab und zu mal Online-Coachings zu Themen wie Gaslighting, Grenzen-Setzen ..., habe meine sozialen Kontakte aufs Wesentliche reduziert (meinen Freund, zwei Katzen und drei Freundschaften, die mir wirklich viel bedeuten) und mache einen für mich sinngebenden Job.
Aber bei all dem zeigt mein Körper noch immer Symptome wie Schlaflosigkeit, Konzentrationsstörungen (z.B. extreme Vergesslichkeit), gelegentliche Essstörungen (die ich mit viel Disziplin in den Griff kriege), Lustlosigkeit, Unwillen, mit anderen zu sprechen oder zu schreiben, manchmal sogar den Wunsch nach SVV (wobei ich da seit fünf Jahren "clean" bin).
Da es mich vor einigen Monaten erneut "umgehauen" hat, was bedeutet, dass ich morgens die Füße nicht aus dem Bett bekam, habe ich mir nun grundlegende Gedanken gemacht: Ich muss mir endlich meine Krankheit eingestehen und mir die Hilfe suchen, die ich brauche.
Problem: Nach wie vor habe ich Angst, meinen Freunden und insbesondere meinem Lebenspartner zu erklären, dass ich das Gefühl habe, nicht auf meinen zwei Füßen zu stehen. Ich fürchte mich vor Vorwürfen ("Sind wir ein schlechtes Umfeld für dich?"), aber auch davor, nicht ernst genommen zu werden (gerade weil zwei meiner Freunde im Rollstuhl sitzen und eine Depression definitiv als Gejammer auf hohem Niveau ansehen würden).
Habt ihr Tipps, wie man mit diesen Ängsten umgeht und wie man endlich den Schritt schafft, eine Therapie zu beginnen?
Danke schon einmal im Voraus.
Liebe Grüße,
Anna