Trennung, aber irgendwie doch keine Trennung

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elisa99
Beiträge: 2
Registriert: 28. Okt 2023, 06:51

Trennung, aber irgendwie doch keine Trennung

Beitrag von elisa99 »

Hey zusammen,
ich habe schon mal einen Beitrag gepostet, nun ist es so weit, dass mein Freund, der immer mehr in eine Depression fällt, sich von mir trennen wollte. Er meinte, er wäre so in einem Loch, immer wieder und es würde ihn immer weiter mit hinunter ziehen, weil er sieht, wie er mich damit belastet und das hält er nicht mehr aus. Dann will er es lieber alleine machen, anstatt mich mit runter zu ziehen.
Nach einer Nacht drüber schlafen, habe ich bemerkt, wie sehr er mit dieser Entscheidung zu kämpfen hatte. Ich habe ihn noch nie so weinen gesehen... Irgendwie hat mich das sogar fast ein bisschen erleichtert, weil er bisher immer so extrem versucht hat, seine Gefühle zu unterdrücken.

Nun habe ich ihm angeboten, dass ich ihm Zeit gebe, er sich Zeit nehmen soll, aber wenn er mich eigentlich nicht verlieren möchte, sich sicher sein kann, dass ich nicht einfach weg bin. Dass er sich jederzeit melden kann, wenn er mich braucht, wenn er reden möchte, wenn er Ablenkung möchte, was auch immer. Und auch als ich gefragt habe, ob ich ihm nicht von mir aus schreiben sollte, klang das nicht richtig für ihn. Und so habe ich angeboten, dass ich ihm alle paar Tage schreibe und er sich darauf melden kann, wann er Energie dazu hat.

Ich finde das eine ziemlich gute Lösung. Für mich ist es natürlich aber ein bisschen schwierig. Sollte ich mir zu meinem eigenen Schutz denn trotzdem Gedanken machen, ob er uns noch zusammen sieht? Oder macht er sich vielleicht gar keine Gedanken darüber?
Ich habe auch mit ein paar wenigen Unsicherheiten zu kämpfen gehabt. Ich habe sie zwar jetzt mittlerweile ziemlich gut im Griff, denn auch ich ging zu einer Psychologin, was mir sehr geholfen hat. Aber diese Situation ist da natürlich immer wieder eine grosse Challenge für mich und tolles Futter für meinen inneren Kritiker.
Ich habe nämlich Angst, nur warm gehalten zu werden (unter anderem), da das schon einige Typen, aber auch Freunde, mit mir gemacht haben. Ich hatte leider nicht mit vielen das Vergnügen, das Gefühl zu haben, eine Priorität zu sein. Immer sobald jemand "Besseres" kam, wurde ich ersetzt. Und klar, einerseits kann ich rational denken, aber auch nicht immer. Somit suche ich vielleicht hier ein paar Worte von jemandem, der Erfahrungen mit Depressionen hatte. Dass ich nicht nur warm gehalten werde, sondern er einfach gerade nicht schafft einzuordnen, was er möchte. Vielleicht denkt er sogar selbst, er hätte mich gar nicht verdient?

Vielen Dank schon einmal für die Antworten :)
DieNeue
Beiträge: 5339
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Trennung, aber irgendwie doch keine Trennung

Beitrag von DieNeue »

Hallo Elisa,
elisa99 hat geschrieben: 3. Nov 2023, 19:58 Er meinte, er wäre so in einem Loch, immer wieder und es würde ihn immer weiter mit hinunter ziehen, weil er sieht, wie er mich damit belastet und das hält er nicht mehr aus. Dann will er es lieber alleine machen, anstatt mich mit runter zu ziehen.
Nach einer Nacht drüber schlafen, habe ich bemerkt, wie sehr er mit dieser Entscheidung zu kämpfen hatte. Ich habe ihn noch nie so weinen gesehen...
[...]Sollte ich mir zu meinem eigenen Schutz denn trotzdem Gedanken machen, ob er uns noch zusammen sieht? Oder macht er sich vielleicht gar keine Gedanken darüber?
Also wirklich Sinn macht es nicht, wenn du dir denkst, was er sich vielleicht denkt ;) Solange man da nicht drüber redet, weiß man ja nicht, was der andere denkt und dann denkt man sich oft alles mögliche zusammen.
Aber von dem, was du geschrieben hast, scheint er sich viele Gedanken über eure Beziehung gemacht zu haben und es fiel ihm ja sichtlich schwer das zu entscheiden und es dir zu sagen. Für mich klingt das nicht nach Warmhalten. Er wollte dich ursprünglich ja auch nicht warmhalten, sondern Schluss machen, um dich nicht zu belasten - eigentlich das Gegenteil von Warmhalten. Wollte er dich warmhalten, hätte er ja gar nicht sagen müssen, dass er sich trennen möchte.
Ich finde, eure Lösung klingt gut. Es ist natürlich jetzt ein unsicherer Zustand, weswegen deine Befürchtungen hochkommen.
Aber im Leben muss man manchmal Schritte gehen, ohne zu wissen, was der nächste Schritt ist und wie das alles ausgeht. Es ist ein Wagnis, aber es kann sich auch auszahlen.

Wichtig ist, denke ich, dass du wirklich für dich einen Weg findest, mit den durch die Krankheit veränderten Bedingungen in der Beziehung klarzukommen, so dass es für dich tatsächlich nicht zu belastend ist. Das tut dir gut und auch für deinen Freund ist es entspannender zu wissen, dass dich nicht alles gleich umhaut.
Ich bin selbst von Depressionen betroffen, aber auch Angehörige, und es ist schon wirklich nicht leicht, wenn man merkt, man belastet die anderen. Man kann sich da auch etwas "reinsteigern", wenn man sich selbst für so schlecht hält bzw. einen die Depression selbst so belastet. Genauso kenne ich es auch, dass ich auch manchmal keinen Bock habe, schon wieder auf jemanden Rücksicht zu nehmen.
Von daher ist es gut mal offen darüber zu reden, was den anderen denn eigentlich wirklich konkret belastet und was vielleicht auch nicht. Manche falschen Vorstellungen kann man dann evtl. auch beiseite räumen. Dass die Krankheit die Beziehung belastet ist Fakt, aber wenn jeder versucht, dem anderen etwas entgegenzukommen, kann es die Situation auf jeden Fall besser handelbar machen.
Man muss ein bisschen versuchen Dinge nicht zu sehr persönlich zu nehmen, auch der depressive Partner, wenn der Angehörige z.B. mal sagt, dass er jetzt mal nicht über Probleme reden will, weil es ihn zu sehr schlaucht. Wenn man darüber gesprochen und verstanden hat, dass das eigene Verhalten und Setzen von Grenzen keine persönliche Ablehnung ist, dann kann man auch besser damit umgehen, auch wenn man im ersten Moment ganz schön schlucken muss. Aber man muss auch lernen, andere Menschen mit der Depression nicht permanent zu überfordern. Das ist ein Lernprozess und geht nicht von heute auf morgen, ist aber nicht unmöglich. Bei mir sieht das z.B. so aus:
Ich muss/will akzeptieren, dass meine Eltern abends vor dem Schlafen gehen keine Problemgespräche mehr führen möchten, weil sie dann nicht schlafen können. Das nervt mich manchmal, weil ich da manchmal schon Redebedarf habe. Andererseits sind sie im Notfall trotzdem bereit zuzuhören und beharren nicht stur darauf. Aber ich rufe z.B. abends nicht gedankenlos an, sondern versuche erst, das Problem auch irgendwie anders zu lösen.
Deshalb finde ich es auch wichtig, dass man neben dem Partner auch noch jemand anderen zum Reden hat, am besten eine neutrale Person, wie eine Therapeutin oder einen Berater, oder einen Freund, den man notfalls auch zu Unzeiten anrufen kann.
Wenn man zum ersten Mal akut in einer Depression steckt, ist es wahrscheinlich schwierig, das auseinanderzudividieren, wo man jetzt andere wirklich belastet und wo nicht und man reagiert extrem sensibel. Aber es ist wirklich etwas, wo man (gemeinsam) Fortschritte machen kann, wenn man sich (gemeinsam) darum bemüht.

Ich hoffe, ich konnte dir ein bisschen weiterhelfen.

Liebe Grüße,
DieNeue
Grateful1
Beiträge: 9
Registriert: 17. Okt 2023, 08:07

Re: Trennung, aber irgendwie doch keine Trennung

Beitrag von Grateful1 »

Hallo Elisa,

Ich kenne deine Situation sehr gut und stecke vermutlich in einer ähnlichen. Ich muss sagen mir geht es verdammt besch.... damit, also Hut ab, dass du damit augenscheinlich so gut zurecht kommst und noch dein bestes machst, dir Hilfe holst usw..

Grundsätzlich würde ich sagen sind Ängste ja erstmal gut. Sie sind ja dazu da um uns oder etwas was uns wichtig ist zu schützen. In dem Fall dich und deine Beziehung. Da deine Ängste nicht unbegründet sind und du auch nun in der Beziehung Anzeichen siehst verlassen zu werden, ist es klar dass die hochkommen. Ich glaube da gibt es (leider) kein Patentrezept, und ich wünschte ich könnte dir sagen ob die Beziehung wieder wird oder eben nicht, das kann ich aber leider nicht. Menschen sind unkontrollierbare Wesen und so eine Erkrankung bringt nochmal mehr Unruhe rein, weil vieles auch nicht mehr so ist wie vorher. Durch deinen inneren Kritiker versucht dein Unterbewusstsein vermutlich "Kontrolle" über die Situation zu erhalten. Denn du kannst dein Verhalten und dein sein kontrollieren, wenn es nur an dir liegt, dann könntest du dich verändern und das gewünschte Ziel wäre wieder nahbarer. "Wenn ich nur xy gemacht hätte.. wenn ich mich jetzt besser, dann weiß er wieder klarer...." - Nein. So funktioniert das (leider) nicht. Du bist gut so wie du bist und ich bin mir sicher dass du so gut gehandelt hast wie du konntest und das ist genug! Zu einer Beziehung gehören immer zwei Personen, nur zwei Personen können eine Dynamik entstehen lassen und aufrecht erhalten und/oder bessern. Ich finde deine/eure Zwischenlösung super, vernünftig und freue mich wenn das so für euch funktioniert. Für den Moment ist es glaub ich wichtig anzuerkennen, dass man Ängste hat, und dass man diese nicht durch etwas los wird was man selbst alleine in der Hand hat. Kontrollverlust, Hilflosigkeit, Verzweiflung.. das ist alles super schei... aber es ist da, und es hat eine Berechtigung da zu sein. Auch wenn es verdammt schwierig ist - für mich zumindest. Die einzige Kontrolle die wir ganz allein über die Situation haben ist glaub ich die sich abzuwenden, wobei ich herauslese dass du es nicht möchtest, oder eben wie wir mit unseren Ängsten umgehen. Also ja, ich halte es für berechtigt Ängste zu haben. Wichtig ist was man daraus macht. Zwischen Beachtung schenken und sich nicht zu stark reinsteigern ist es ein schmaler grad. Ich weiß leider selbst nicht wie man da die Waage hält, mein Unterbewusstsein sucht sich schon Gründe und Anzeichen warum meine Partnerin mich verlassen wird. Dass sie aber auch irgendwie festhält, weil der Kontakt ja noch garnicht ganz weg ist, das kann ich kaum noch wahrnehmen weil ich so eine angst hab. Ich glaube es ist nicht verkehrt sich "zu wappnen", aber man sollte auch nicht alles auf eine Karte setzen. So eine Depression kann alles ganz schön ins Wanken bringen, Beziehungen eben auch. Ich mein das "normalste" der Welt, und zwar das (Über)leben ist da nicht mehr sicher.. Wie kann es dann die Beziehung sein?

Meine Freundin hat z.B. die Gedanken die du bei deinem Freund vermutest. Sie sagt ich hätte jemanden besseren verdient, jemand beständigen usw.. und sie will ja nur das beste für mich, sie wäre es nicht usw. - aber ich sage ganz klar: Es ist meine Entscheidung. Wenn Sie denkt sie möchte eine andere Partnerin, okay. Aber nur weil sie denkt ich bräuchte etwas "besseres" kann sie nicht für mich darüber entscheiden und das so auf mich schieben. Also ich darf ja noch wohl selbst entscheiden was "gut" für mich ist und was nicht, das ist meine Verantwortung. Wenn sie das sagt weil sie nicht aus ihren "nicht gut genug" Gefühlen heraus kommt, und das nicht mehr fühlen möchte. Hat sie zwei Möglichkeiten: An ihrem Selbstwertgefühl arbeiten, oder flüchten und die beziehung beenden. Ich sollte für mich schauen, sie für sich. Und da kann man auch positiv einlenken wie man will, bei meiner Freundin kommt nicht an, dass sie das beste für mich ist. Sie muss es selbst akzeptieren lernen, dass ich so denke.

Liebe "DieNeue",
Danke dass du dich als Betroffene in das Angehörigenforum wagst. Es ist bestimmt manchmal schwierig zu lesen wie andere denken und fühlen. Vieles wird hier ja auch aus/in der Emotion von Angehörigen geschrieben, das ist bestimmt nicht einfach. Danke für deine Sichtweise, auch mir hat es weiter geholfen.


Liebe Grüße ihr Lieben!
Und fühlt euch gedrückt - wenn ihr möchtet! :)
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