Dauerschleife schwere Depression - Diagnosefehler?

Amnesiac
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Dauerschleife schwere Depression - Diagnosefehler?

Beitrag von Amnesiac »

Guten Morgen Ihr Lieben,

ich weiß langsam nicht mehr weiter. Deswegen muss ich mir mal meine derzeitige Verzweifllung von der Seele schreiben. Seit 1999 kämpfe ich mit dem Thema Depression; mehr oder weniger gut händelbar, bis auf wenige Ausreißer. Jedoch werden die auftretenden Episoden zunehmend schlimmer.

Vier Jahre! Seit nunmehr vier Jahren umklammert mich nun mittlerweile dieses Depressions-Monster erneut wieder und verleidet mir alles. Und es scheint für mich kein Entkommen zu geben. Es beginnt immer wieder alles von vorn. Ich drehe mich im Kreis. Die letzte akute Phase begann im Frühjahr 2020 mit der Diagnosestellung: schwere depressive Episode, begleitet von allem Zipp und Zapp wie Angst- und Panikstörung, Disthymie und vielen psychosomatischen Schmerzzuständen im ganzen Körper. Ich gehe zu Ärzten (soweit dies noch möglich ist ) und habe das Gefühl, mit meinen Beschwerden mittlerweile nicht mehr ernst genommen zu werden. Nun gesellt sich noch ein entzückender Bandscheibenvorfall in der HWS dazu, der meinen ganzen linken Arm außer Gefecht setzt. Entweder taub oder reißende Schmerzen (Zervikobrachialgie) und ich kann teilweise meine Finger nicht mehr bewegen. Aussage des Arztes: "die Position des Bandscheibenvorfalls passt aber nicht zu den von Ihnen genannten Lähmungserscheinungen. Gehen Sie damit mal zu einem Schmerztherapeuten." Haha, lustig! Stellt eine Überweisung mit Dringlichkeitscode aus, damit er mich vom Hof hat. In ganz Hamburg kriegt man keinen Termin bei einem Schmerztherapeuten und die Rufnummer der KV 116 117 ist hier in Hamburg offensichtlich nicht besetzt. Ich gebe auf.

Aber zurück zum Thema:

Im September 22 habe ich wieder angefangen zu arbeiten, noch in völlig instabilem Zustand. Aber ich wollte es nicht unversucht lassen; ich will ja arbeiten. Der Gedanke, mich beim Arbeitsamt melden zu müssen, war für mich nicht erträglich, aber mein Krankengeldanspruch lief damals aus.
Vielleicht war das ein Fehler, zu früh, ich weiß es gerade nicht.

12 hinter mir liegende Horror-Monate auf der Arbeit haben mir nun mehr als deutlich gemacht, was ich alles nicht kann. Ich merke ganz deutlich, dass ich anders bin als meine Kollegen. Ich denke auch ganz anders als die. Das kann ich gut wahrnehmen. Mal etwas im Detail, was mir an mir auffällt:
  • Gestörte Konzentrationsfähigkeit: ich schaffe es nicht, den Fokus zu behalten und mal dauerhaft an einer Sache zu bleiben. Nach max. 10 Minuten ist eigentlich Ende. Ich kann mich auch 10 Minuten auf's Bett legen und mich vom Fernseher berieseln lassen (der Handlung folge ich eh nicht). Aber nach 10 Minuten kommt ein Impuls, der mich zwingt wieder aufzustehen und (da ich mit mir sonst nichts anfangen kann) gehe ich in meiner Not nach draußen eine Zigarette rauchen.
  • In täglich stattfindenden Teams-Runden merke ich, dass ich der dortigen Diskussion gar nicht folgen kann. Stattdessen mache ich dann während der Sitzung etwas anderes, z. B. meine Mails checken. Im Nachgang weiß ich dann natürlich nicht, was besprochen wurde.
  • Reduzierte Aufmerksamkeit: alles lenkt mich ab. alles. Selbst das Ticken einer Uhr an der Wand oder ein telefonierender Kollege. Deswegen suche ich mir - soweit möglich - ein Büro, in dem sonst keiner sitzt.
  • Niedriges Selbstwertgefühl: meine Wahrnehmung derzeit ist: meine Kollegen können ziemlich alles, ich dagegen kann nichts (dabei weiß ich eigentlich, dass ich viel kann; ich bewege mich auf einer ganz anderen Detail-Ebene).
  • Prokratination ist mein zweiter Vorname: ich nutze - in wirklich extremer Ausprägung - jede Gelegenheit, Dinge nicht angehen zu müssen und schiebe auf bis zum letzten Drücker. Meist gehe ich in meiner Not lieber eine Zigarette rauchen oder einen Kaffee holen. Und selbst dann fällt mir noch was anderes ein, was ich tun könnte, damit ich nicht anfangen muss.
  • Ich kann keine Entscheidungen treffen. Beispielsweise bestelle ich Dinge im Internet und das Paket liegt dann wochenlang da, bis ich entschieden habe, ob ich es behalte oder zurückschicke. Und bis dahin ändert sich meine Meinung nahezu täglich.
  • Meine Kraft/Energie reicht nicht für einen Tag. Ich kann mich um 6 nur noch tot in's Bett legen und schaffe eigentlich sonst nichts mehr. Tägliche Routinen (Spülmaschine ausräumen) widern mich an.
  • Dementsprechend sieht es auch im Haus aus: Chaos, Unordnung wo ich hinblicke, Und ich schaffe es nicht, das anzugehen. Dieser Zustand vermittelt mir selbst noch mehr das Gefühl der eigenen Inkompetenz. Die Situation im Haus ist mir selbst extrem peinlich. Ich nehme es wahr, aber ich kann es nicht ändern. Ich mag niemanden mehr rein lassen. Ich weiß aber, dass im November der Schornsteinfeger kommt und in jeden Raum will wegen der Feuermelder. Das erzeugt bei mir Druck.
  • Ich bin perfektionistisch und möchte immer das Beste leisten. Hoher Anspruch an ich selbst... und ich versage gerade völlig damit.
  • Sensibilität: ich nehme viele Dinge wahr, die andere gar nicht registrieren.
  • Ich zeige ein ausgeprägtes Rückzugsverhalten. Menschen sind mir zu viel, Nähe kann ich auch nicht ertragen.
...

So, Punkt an dieser Stelle.

Wenn ich mir das nun alles in Gänze so betrachte, dann entsteht bei mir im Kopf gerade eine Vermutung: sind das nicht alles konkrete Symptome von AD(H)S? Warum hat das noch niemand gecheckt? Mein Leidensweg besteht schon so lange. Womöglich sind Depression und Angst-/Panikstörung nur begleitende Komorbitäten einer ADHS-Symptomatik?

Die Ärztin im Krankenhaus hat mir als weitergehende ambulante Therapie „tiefenpsychologisch“ empfohlen. Nach 60 Sitzungen habe ich diese Therapie nun beendet. Sie bringt mich nicht mehr weiter. Ich denke, ich wäre in einer kognitiven Verhaltenstherapie besser aufgehoben gewesen. Da hätte man solche Verhaltensauffälligkeiten angehen können. Es war der falsche Weg - wieder einmal. Und meine Worte wurden ignoriert.

Im Gesamtüberblick würde alles so gut zu ADHS zusammenpassen und es würde auch endlich einen Sinn ergeben.

Nun kenne ich mich mit den Themen Depression und Angst gut aus, aber nicht mit ADHS. Haltest ihr den Gedanken für abwegig? Gibt es hier Betroffene, die mir etwas mehr dazu sagen können? Ich habe in meinem Leben schon so viele Antidepressiva "gefressen", da käme es nun auf einen Versuch mit Ritalin nicht an.

Liebe Grüße an Euch! Haltet durch! :hello:
Zuletzt geändert von Amnesiac am 15. Okt 2023, 10:05, insgesamt 7-mal geändert.
LG
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Jürgen_A
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Re: Dauerschleife schwere Depression - Fehldiagnostik?

Beitrag von Jürgen_A »

Hallo Amnesiac,

Komorbidität ist ein ewiges Thema. Ich hatte gestern eine ähnliche Unterhaltung mit jemandem, den ich aus der Klinik kenne. Behandlung auf Depression, beharren auf der "Diagnose", ADHS wird leider selten, gerade bei Erwachsenen, diagnostiziert. Ähnlich wie bei der Hypomanie sind die Tests ausgelegt auf extreme Verhaltensweisen - "wenn wir nicht völlig ausrasten oder gleich um die Lampe kreisen" - abgeschwächte, quälende Symptome werden ignoriert.
Du scheinst sehr tief in dem Dilemma zu stecken. Komorbidität wird ungern behandelt, leider ist das an der Tagesordnung. Ich habe eine Klinik gefunden, die ich bald zum dritten Mal aufsuche, die etwas bemühter ist, jedenfalls bei mir, den Dingen auf den Grund zu gehen.
Deine momentane Lage ist sehr komplex, ein Klinikaufenthalt wäre vielleicht gut für dich.
Versuche, einen Arzt zu finden, es muss kein Psychiater oder Psychologe sein, der deine Argumente ernst nimmt. Bei mir war und ist es tatsächlich mein Hausarzt, der sich bemüht, mit der Klinik im Dialog zu bleiben.

Ob Ritalin das Mittel der Wahl wird, weiß ich nicht. Fest steht, dass sich viele diese Fragen zu ADHS stellen und meist keine befriedigende Antwort bekommen.
Alles Gute dir von hier, bleibe am Ball, stecke nicht auf.
LG Jürgen
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Amnesiac
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Re: Dauerschleife schwere Depression - Fehldiagnostik?

Beitrag von Amnesiac »

Hallo Jürgen, ich habe bereits 12 Wochen Klinikaufenthalt hinter mir und wurde dort entlassen mit einer völligen Fehleinschätzung meiner Situation. Ich schaffe es offensichtlich nicht, denen begreiflich zu machen, was Sache ist. Es festigt sich bei mir der Eindruck, dass viel nach dem persönlichen Auftreten beurteilt wird - trotz ausgesprochener Worte - und wenn du nicht völlig verwahrlost und abgeranzt dort ankommst, dann glaubt man dir deine Worte eh nicht. Macht sich keiner die Mühe, hinter deine Fassade blicken zu wollen. Das ergäbe womöglich ein Bild, welches nicht zu deiner äußeren Fassade und zu deinem Auftreten passt.
Ich kann das sowieso nicht: meine Mimik der Stimmungslage anpassen. Liegt wohl an meiner emotionslosen Erziehung.

Nun steht mir ein Reha-Aufenthalt bevor. Ich denke, dort wird es mir genauso ergehen: Patient kann sich noch aus eigener Kraft eine Hose anziehen? Dann kann es ja so schlimm nicht sein!

Schwer einen Arzt zu finden, der einem überhaupt mal zuhört und einem das Gefühl gibt, verstanden zu werden. Es geht alles nur noch nach dem Prinzip der Gewinnoptimierung. Der Patient an sich ist längst aus dem Fokus gerückt.

Hier gibt es Anlaufstellen für ADHS bei Erwachsenen, Universitätsklinikum Eppendorf z.B. Jedoch ist der Zugang extrem erschwert, überlaufen und du brauchst einen Zuweiser.
Zuletzt geändert von Amnesiac am 14. Okt 2023, 12:00, insgesamt 1-mal geändert.
LG
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Jürgen_A
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Re: Dauerschleife schwere Depression - Fehldiagnostik?

Beitrag von Jürgen_A »

Dieser Eindruck kann entstehen. Es hat tatsächlich mit dem Auftreten einer Person zu tun. Hier bleibt leider nur die Möglichkeit, an sich selbst und seinem Auftreten zu arbeiten. Man darf nicht zum Schauspieler werden. Es muss authentisch sein. Mit der Erkenntnis, dass alles heute gewinnorientiert ist, kommen wir nicht weiter. Das Klagen darüber hilft nicht. Ich selbst bin seit über 30 Jahren in der Depressionsschleife. Die Fortschritte halten sich in Grenzen, sind aber spürbar.
Wir sind uns selbst verpflichtet, nicht aufzugeben und weiter zu suchen.
Warst du mal in einer Selbsthilfegruppe?
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Bittermandel
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Re: Dauerschleife schwere Depression - Fehldiagnostik?

Beitrag von Bittermandel »

Hallo Amnesiac

Ich habe gleich an ADHS gedacht bei deinem Bericht. Ich würde mir einen Facharzt suchen der auf ADHS bei Erwachsenen spezialisiert ist. Meine Schwester und ich haben einen Arzt gefunden und im November einen Termin.

Liebe Grüße Bittermandel
Amnesiac
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Re: Dauerschleife schwere Depression - Fehldiagnostik?

Beitrag von Amnesiac »

Hallo Jürgen, Selbsthilfegruppe direkt nicht, aber ich habe natürlich umfangreichende Erfahrungen in Gruppentherapie. Mit gemischtem Erfolg. Letzte Therapierunde im Krhs. bestand altersbedingt aus Menschen, die überwiegend in Rente wollten. Und ich dagegen wollte arbeiten können. Somit wenig gemeinsame Ziele und Austauschthemen. Aber vielleicht wird mein Ziel sich auch bald ändern: in meinem Zustand kann ich meinem anspruchsvollen Job im unteren Management eines großen Unternehmens nicht mehr Gerecht werden. Und ja, das fällt auf...es fällt auf, wenn du auf der Arbeit eine Panikattacke hast und körperlich und geistig wie gelähmt da stehst.

Mir graut es jetzt vor der bevorstehenden Einschätzung in der Reha.

Meine Fassade ist jahrzehntelang antrainiert, da ich mit Depressionen immer arbeiten war. Immer. Ich war noch nie einen Tag arbeitslos in meinem Leben. Und im beruflichen Umfeld will niemand meine echte "Fresse" sehen...da hast du zu funktionieren, wenn du da bist. Es nähme eh keiner Rücksicht auf dich in diesem Haifischbecken.

Umso schwerer bis unmöglich für mich, diese Fassade im geeigneten Rahmen nun ablegen zu können. Ich bekomme es von meiner Therapeutin gespiegelt, dass meine Mimik und mein Auftreten nicht zu meinen Worten passen und ich kann es selbst auch erkennen. Aber ich weiß gar nicht, wie man das macht. Dadurch, dass ich keine Emotion wahrnehmen kann, funktioniert auch der passende Gesichtsausdruck nicht. Glaub mir, es ist echt übel!
Zuletzt geändert von Amnesiac am 15. Okt 2023, 09:43, insgesamt 1-mal geändert.
LG
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Lavendel64
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Re: Dauerschleife schwere Depression - Fehldiagnostik?

Beitrag von Lavendel64 »

Hallo,
Hypersensibilität kam mir so in den Sinn. Ein Familienmitglied hat mit schwerer Depression zu tun, war in der Klinik und dort wurde die Diagnose Hypersensibilität zusätzlich gestellt. Die Punkte stimmen mit vielem überein, was Du beschreibst. Wobei ich Lärmempfindlichkeit auch aus meiner Zeit mit einer mittelschweren Depression kenne. Das hat sich völlig gegeben.

Ich würde vielleicht mal eine Klinikambulanz einer psychiatrischen Klinik kontaktieren.

LG Lavendel
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SonneundDunkenheit
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Re: Dauerschleife schwere Depression - Fehldiagnostik?

Beitrag von SonneundDunkenheit »

Hallo Amnesiac,

zunächst Hut ab, dass du noch arbeitsfähig bist.

Vieles von dem was du beschreibst, passt zu einer ADHS, aber auch zur Depression....
Ich selbst habe die Diagnose ist nach einem aufwendigen Testverfahren mit 52 Jahren erhalten und zwar zusätzlich zur chronischen Depression und einer komplexen PTBS. Mein Sohn hat auch eine ADHS und meine Psychiaterin ist da sehr hellhörig geworden. Ich wohne in einer Universitätsstadt mit einer ADHS Ambulanz. Mit einer Überweisung der Psychiaterin bin ich auf eine Warteliste gekommen und hatte nach 1,5 Jahren !!! den ersten Termin, weitere folgten. Für ein fundierte ADHS Diagnose gibt es sehr harte Kriterien und es muss nachweislich bereits Auffälligkeiten im Kindesalter gegeben haben.
Versuch doch dich in deiner Gegend nach Behandlern zu informieren und erfrage dann was es braucht um eine Diagnostik zu erwirken und überlege dir im Vorfeld was du dir von der Diagnose erwartet.
Ich habe mich 52 Jahre ohne Diagnose durchs Leben "geschlagen". Gearbeitet auf einem hohen Niveau und auch Nutzen aus den Symptomen der ADHS gewonnen (ich konnte mehrere Gespräche gleichzeitig inhaltlich erfassen natürlich mit der Kehrseite der Reizüberflutung).
Jetzt bin gerade auf Zeit verberentet und da hilft natürlich jede gesicherte Diagnose. Außerdem habe ich viele Stunden meiner tiefenpsychologisch ausgerichteten Therapeutin genutzt, um zu schauen warum ich agiere wie ich agiere und welchen Anteil die ADHS daran haben könnte.
Wenn du noch Fragen hast, dann gerne als PN.
Liebe Grüße von SonneundDunkelheit
SonneundDunkenheit
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Re: Dauerschleife schwere Depression - Fehldiagnostik?

Beitrag von SonneundDunkenheit »

Hallo Amnesiac,

habe gerade erst die aktuellen Einträge gelesen. Saß zu lange an meiner Antwort. Meine Konzentration ist halt nicht die Beste im Moment.

Versuch den Zugang zu dem ADHS Zentrum zu "erwirken" und ja du brauchst zunächst jemanden der dich ernst nimmt und unterstützt.

Ich profitiere nicht von klassischen Antidepressiva und nehme auch fast keine mehr. Ich habe aber in meinen letzten Arbeitsmonaten von einem ADHS Medikament profitiert (Ritalin war es nicht, aber so was ähnliches). Verschrieben hat es mir zunächst meine Psychiaterin mit der Verdachtsdiagnose ADHS. Das hat mich noch für eine kurze Zeit arbeitsfähig gehalten, aber der Preis war recht hoch.
Wie alt bist du eigentlich, wenn ich fragen darf?
Liebe Grüße
Reziprok
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Re: Dauerschleife schwere Depression - Fehldiagnostik?

Beitrag von Reziprok »

Hi Amnesiac,

mir kam gerade das Asperger-Syndrom in den Sinn:
Beeinträchtigt ist häufig die Fähigkeit, nonverbale Kommunikationsformen (Gestik, Mimik, Blickkontakt) bei anderen Personen zu erkennen, diese auszuwerten (zu mentalisieren) oder sie selbst auszusenden.[1][2] Das Kontakt- und Kommunikationsverhalten von Personen mit Asperger-Autismus kann dadurch merkwürdig und ungeschickt erscheinen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Asperger-Syndrom

Das passt doch irgendwie zu Dir, jedenfalls mindestens teilweise, oder? Denn Du schreibst über Dich:
Amnesiac hat geschrieben:Dadurch, dass ich keine Emotion wahrnehmen kann, funktioniert auch der passende Gesichtsausdruck nicht.
Amnesiac hat geschrieben:Ich kann das sowieso nicht: meine Mimik der Stimmungslage anpassen.


Viele Grüße

Reziprok
Amnesiac
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Re: Dauerschleife schwere Depression - Fehldiagnostik?

Beitrag von Amnesiac »

Liebe Bittermandel,

das Thema ADHS ist für mich gerade noch komplett neu. Ich habe mich noch nicht wirklich damit auseinander gesetzt. Was ich jedoch sagen kann: ich finde mich in Erfahrungsberichten eigentlich sofort wieder. Das vermittelt einem gerade das Gefühl, da könnte etwas ein, was endlich zur Klärung der fraglichen Gesundheitslage beitragen könnte. Ich bleibe da mal dran. Meine spitzenmäßige Ergotherapeutin hatte es in den Raum geworfen, als ich mal wieder fragte, warum ich deutlich spürbar anders ticke als andere Menschen. Nun "wurschdel" ich mich mal durch diese Thematik.

Eine Fähigkeit passt jedoch nicht zum Thema AHDS: ich war immer in der Lage, relativ komplexe technische oder prozessuale Sachverhalte einfach zu durchdringen und aufzulösen. Da, wo andere anfingen, mit den Augen zu rollen, war es für mich die "gib mir mal 2 Minuten, dann schüttel ich es aus dem Ärmel"- Nummer.
Das kann ich heute auch noch, aber nur bedingt - mir fehlt dafür auch die Energie. Aber ADHS bekommt man ja nun nicht im Erwachsenenalter, das hätte man ja aus der Kindheit mitgebracht?

Wenn du magst, dann berichte mir mal im Nachgang zu dem Termin, gerne auch per PN, wenn du nicht öffentlich möchtest. Mir würde das helfen.

Viele Grüße
A.
Zuletzt geändert von Amnesiac am 14. Okt 2023, 13:27, insgesamt 1-mal geändert.
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Amnesiac
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Re: Dauerschleife schwere Depression - Fehldiagnostik?

Beitrag von Amnesiac »

Reziprok hat geschrieben: 14. Okt 2023, 12:50 Hi Amnesiac,

mir kam gerade das Asperger-Syndrom in den Sinn...
Danke! Habe ich tatsächlich mit meiner Ergotherapeutin auch schon diskutiert, aber ich glaube, das ist es nicht. Ich kann z.B. überaus gut die Mimik der anderen auslesen....und meistens wirklich treffend. Das spricht ja manchmal ungesagte Bände, mehr als deren Worte. Nur mit meiner eigenen Mimik hapert's deutlich...aber das ist Training, glaube ich...und stammt aus tiefster Kindheit.
Zuletzt geändert von Amnesiac am 14. Okt 2023, 13:29, insgesamt 2-mal geändert.
LG
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SonneundDunkenheit
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Re: Dauerschleife schwere Depression - Fehldiagnostik?

Beitrag von SonneundDunkenheit »

Hallo Amnesiac,

ein ADHS' ler "darf"/ kann auch überdurchschnittlich intelligent sein und dann kann er eben trotz ADHS komplexe Sachverhalte erfassen und lösen und das in einer hohen Qualität. Ich habe 25 Jahre in einem komplexen Arbeitsfeld sehr gute Leistungen erbringen können trotz oder mit ADHS. Das eine schließt das andere nicht aus.
Liebe Grüße
Amnesiac
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Re: Dauerschleife schwere Depression - Fehldiagnostik?

Beitrag von Amnesiac »

SonneundDunkenheit hat geschrieben: 14. Okt 2023, 12:37
Wie alt bist du eigentlich, wenn ich fragen darf?
Liebe Grüße
Ich werde nun bald 56....und kenne in meinem gesamten Erwerbsleben nur einen einzigen Arbeitgeber - nach dem Abitur. Deswegen genieße ich auch Kündigungsschutz (und mit GdB 40 eine Gleichstellung). Man wird mich also nicht so einfach los. Und nach so langer Betriebszugehörigkeit kann man ja auch mal was für den AN tun, wenn dieser schwächelt. Es ist trotzdem ein sehr schwerer Kampf... wenn du auf der Arbeit bist, bist du mit 150% da und nicht mit 45.

SonneundDunkenheit hat geschrieben: 14. Okt 2023, 12:37 Hallo Amnesiac,

zunächst Hut ab, dass du noch arbeitsfähig bist.

Bin ich nicht wirklich, liebe SonneundDunkelheit. Ich halte nur sehr verbissen daran fest; ich hätte längst die Reißleine ziehen müssen. Meine Arbeit war immer meine Existenzberechtigung und ich habe mich selbst darüber definiert. Alles andere an Selbstwert hat mir die Depression ja genommen...also: Arbeit! Darüber erhielt ich meine Bestätigung von außen. Ich habe keine Ahnung, was von mir übrig bleibt, wenn die Arbeit nicht mehr ist.

Immer, wenn ich Urlaub habe, falle ich die erste Woche des Urlaubs in ein echtes Depressionsloch. Das sagt ja schon viel.

Grüße
A.
Zuletzt geändert von Amnesiac am 14. Okt 2023, 13:54, insgesamt 2-mal geändert.
LG
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SonneundDunkenheit
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Re: Dauerschleife schwere Depression - Fehldiagnostik?

Beitrag von SonneundDunkenheit »

Hallo Amnesiac,
ich glaube wir haben eine Menge Gemeinsamkeiten und ich habe auch mein Leben lang seit Studienende bei ein und demselben Arbeitgeber gearbeitet und Arbeit war neben meiner Familie das wichtigste für mich. Bis zu meinem 50. Geburtstag habe ich zudem einen riesigen Bogen um das Fachgebiet Psychiatrie/ Psychotherapie gemacht (ich wollte nicht sehen, nicht fühlen...) und der Weg zum Rentenantrag stellen war hart... mittlerweile kann ich sagen, es geht auch ohne Arbeit. Ich bin trotzdem ein Mensch mit Lebensberechtigung. Ich habe eine wirklich tolle Therapeutin an meiner Seite, die meine Selbstzweifel immer wieder relativiert. Aber es war ein langwieriger Prozess voller Selbsterkenntnissen (mein Arbeitsverhältnis ruht momentan, ich kann also zurück, wenn ich wieder arbeitsfähig werden sollte...das beruhigt).
Ich habe übrigens einen gdb von 90 (bis Anfang diesen Jahres waren 60), da mich zusätzlich körperliche Erkrankungen ein Leben lang begleiten. Trotzdem habe ich Vollzeit gearbeitet.
Liebe Grüße
Amnesiac
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Re: Dauerschleife schwere Depression - Fehldiagnostik?

Beitrag von Amnesiac »

Siehste, wir beißen uns halt fest :lol: Ich denke, du kannst da einiges nachvollziehen.

Gegen die Festlegung meines GdB hätte ich Klage einreichen müssen, jedoch fand das alles im Hoch-Akutzustand der Depression statt und mir fehlte dazu einfach das Hirn und die Kraft.

So hatte ich z.B. eine Teil-Amnesie: alles zum Thema “Arbeit” war bei mir im Kopf weg! Ausgeblendet! Entsorgt! War vielleicht auch gut so, weil es war in dem Moment einfach zu viel. Nun kommt es aber so langsam wieder….
Mir war bis dahin gar nicht bewusst, dass das geht: Teilbereiche des Lebens komplett vom Hirn auszublenden. :roll:


Ich rauche. Ich rauche auch zu viel. Rauchen hat sich bei mir zum existenziellen Teil der Vermeidungsstrategie etabliert. Wenn ich rauchen gehe, kann ich weiter Dinge aufschieben. Aber: durch die Aufnahme von Nikotin wird der Botenstoff Dopamin freigesetzt. Dieser aktiviert in unserem Gehirn das Belohnungszentrum. Menschen mit ADHS haben oft niedrigere Dopaminspiegel oder eine verminderte Aktivität in den dopaminergen Signalwegen des Gehirns.
Ich muss also sogar rauchen, sonst sterbe ich! :lol:
LG
Amnesiac (der Name ist Programm)

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Bittermandel
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Re: Dauerschleife schwere Depression - Fehldiagnostik?

Beitrag von Bittermandel »

Hallo Amnesiac

Ich werde berichten und diese Liste an Symptomen muss nicht zu 100% passen und trotzdem hat man ADHS. Meine Schwester hat mich drauf gebracht und sie hat auch einige Symptome die natürlich bei mir auch zur Depression passen. Ich und meine Schwester waren schon als Kinder anders. Die Schule hat mich komplett überfordert und damals war ADHS kein Thema. Und bei Frauen fehlt oft die Hyperaktivität. Eher das Gegenteil nämlich mangelnde Energie. Und Menschen mit ADHS neigen häufiger zu Depressionen. Ich merke das an meinem Gehirn wenn ich das Neuroleptikum ausschleichen will. Ich spüre förmlich wie mein Gehirn hyperaktiv wird. Sehr unangenehm und ich kann dann nicht mehr abschalten. Leider macht das Neuroleptikum dick ansonsten vertrage ich es sehr gut. Ich rauche auch und nicht wenig. Mich beruhigt das. Nur möchte ich nicht noch ein Medikament dazu bekommen. Ich möchte das Neuroleptikum laaangsam und noch langsamer ausschleichen.

Liebe Grüße Bittermandel
Suchende2
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Re: Dauerschleife schwere Depression - Fehldiagnostik?

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Amnesiac,

bleibe dran, ich habe in Hamburg über die 116/117 meine Psychiaterin mit einem Dringlichkeitscode bekommen und die ist sogar sehr wohnortnah!
Ich habe es auch einige Male versucht, weiß aber nicht mehr, zu welcher Zeit ich es geschafft habe durchzukommen.

Ich bin seit Frühjahr 2020 durchgehend in der Depression (keinen Tag ohne!) und habe es inzwischen von der schweren zur mittelschweren Episode geschafft und bin hoffentlich gerade auf dem Weg zur leichten Episode. Und auch bei mir scheint eine andere Diagnose der Grund dafür zu sein.
Die Akutklinik und Reha wollten davon nichts hören, dafür funktioniere ich einfach zu gut.
Irgendwann habe ich mich getraut, meiner Psychiaterin davon zu erzählen und diese hat mir nach einem längeren Gespräch und Zusatzinformationen eine Überweisung ausgestellt. Ich habe es deutschlandweit auf 3 Wartelisten mit sehr langen Wartezeiten geschafft.
Nun bin ich endlich in der Diagnostik.

Halte durch, auch wenn der Weg zur Diagnostik sehr lang ist.

Alles Gute,
Suchende
Bittermandel
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Re: Dauerschleife schwere Depression - Fehldiagnostik?

Beitrag von Bittermandel »

Hallo Amnesiac

Das mit dem fehlenden Dopamin hat meine Schwester recherchiert und mich beunruhigt das, weil mein Neuroleptikum das Dopamin bremst. Der Arzt in der Klinik meinte damals es schirmt das Gehirn ab. Ich merke sofort wenn ich das Medikament vergessen habe was Gott sei Dank nur einmal in der langen Zeit vorkam. Mir ging es ausgesprochen gut ich hätte nachts tanzen können und ich hatte absolut keinen Hunger. Ich habe das Medikament bekommen damit ich wieder Hunger habe. In der Depression ist mein Hunger nämlich wie weggeblasen und ich ernähre mich von Schokolade. Das war eine ganz schlimme Zeit und ich bin freiwillig in die Klinik gegangen. Die haben mich wieder auf die Beine gebracht, aber die Depression ist chronisch die Ursachen unbekannt. Deshalb der Gang zum Facharzt für ADHS bei Erwachsenen.

Liebe Grüße Bittermandel
Amnesiac
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Re: Dauerschleife schwere Depression - Fehldiagnostik?

Beitrag von Amnesiac »

Bittermandel hat geschrieben: 14. Okt 2023, 18:58 Hallo Amnesiac

Das mit dem fehlenden Dopamin hat meine Schwester recherchiert und mich beunruhigt das, weil mein Neuroleptikum das Dopamin bremst.

Liebe Grüße Bittermandel
Guten Morgen, ich habe davon auch nur im Internet gelesen. Soll denn bei dir das Dopamin gezielt gebremst werden? Das würde ja bedeuten, du hast zu viel davon?

Meine Nacht war wieder kurz, ab 1 Uhr war ich wach, weil mich die Gedanken an meine Arbeitsplatzsituation nicht loslassen. Und mir graut schon vor morgen, mein Terminkalender ist voll.

Frage: warum beschäftigt man sich bei ADHS-Test mit den Schulzeugnissen der Grundschule? Was hofft man denn darin zu finden? Schlechte Noten, die einen Hinweis geben? Bemerkungen wie „ Zappelphilipp“, „stört die Klasse“? Bei mir wird da definitiv nichts zu finden sein. Ich kam sogar schon mit 5 Jahren in die Grundschule, weil ich lt. Test schon bereit war. Habe auch nie ein Schuljahr wiederholen müssen oder so….
Ich such jetzt aber interessehalber mal meine Zeugnisse raus….
LG
Amnesiac (der Name ist Programm)

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Bittermandel
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Re: Dauerschleife schwere Depression - Diagnosefehler?

Beitrag von Bittermandel »

Hallo Amnesiac

Nein das Olanzapin wurde mir in der Klinik gegeben damit ich wieder essen kann. Das Olanzapin auf das Dopamin wirkt habe ich erst später erfahren. In der Klinik wurden wir nicht aufgeklärt wie Neuroleptika wirken und wie schwierig das Absetzen ist. Ich war nur froh über die Hilfe die ich bekommen habe. Ob ich zuviel Dopamin habe weiß ich nicht und ich habe keine Ahnung ob man das an Laborwerten messen kann. Ich habe wenn ich das Olanzapin ausschleichen will zuviel Dopamin das brandet quasi ungebremst auf die Rezeptoren. Also muss ich ganz langsam ausschleichen. Wenn ich das richtig recherchiert habe dann werden durchaus bei ADHS manchmal Neuroleptika verordnet. Na besten Dank das möchte ich nicht mehr.

Und von meinen Schulzeugnissen ist nichts mehr vorhanden. Bei den Testbögen wollen die halt alles wissen. Mir hat die Schule nicht gut getan. Ich war zu ruhig und teilweise konnte ich mich nicht konzentrieren. Aber das hat niemanden interessiert und ich würde so durchgeschleift. Nur die 10 Klasse reine Mädchenklasse da hatte ich Spaß und Erfolg. Die Jungs gingen mir gewaltig auf die Nerven.

Liebe Grüße Bittermandel
Amnesiac
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Re: Dauerschleife schwere Depression - Diagnosefehler?

Beitrag von Amnesiac »

Also, ich finde ja gerade alles….nur nicht das Heftchen mit meinen Grundschulzeugnissen. Hab gerade mal meine Schwester angetickert, ob es vielleicht zuhause liegt! Eine Kopie aus Klasse 4 habe ich gefunden, und da steht drauf „versetzt“. Sonst nix. :lol:
Ah ja…und Betragen und Mitarbeit: gut!

Ich hab mir gerade mal ne Pregabalin reingeschmissen (als Bedarfsmedikament). Meine Schmerzen im Arm und in den Händen machen mich gerade wahnsinnig. Mal sehen, was passiert…je nach Tagesform haut mich das Zeug aus den Socken. Notfalls verbringe ich den Rest des Tages auch im Bett.

Wer macht jetzt den Saustall von meiner Suchaktion wieder weg? :roll:
LG
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SonneundDunkenheit
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Re: Dauerschleife schwere Depression - Diagnosefehler?

Beitrag von SonneundDunkenheit »

Eine ADHS Diagnose erhält man als Erwachsener nur, wenn man aus der Retrospektive heraus sicher sagen kann, dass die Symptome im Kindesalter begonnen haben und dafür werden eben u.a. Grundschulzeugnisse herangezogen. Was sollen sie sonst auch nehmen. Manchmal gibt es auch Fragebögen für die Eltern, aber um die auszufüllen bräuchte es diesbezüglich Kontakt und Mitarbeitswille....
Auf den Zeugnissen spielen die Worturteile und die Noten Betragen, Ordnung, Fleiß und Mitarbeit eine Rolle. Außerdem wird geschaut ob gravierende Leistungenunterschiede zwischen den einzelnen Fächern gibt. Ich konnte auch erst die Zeugnisse ab Klasse 5 liefern, aber die haben zwischen den Zeilen einiges hergegeben. Außerdem hatte ich als Mädchen in Betragen die Note 3...das war eher untypisch. In der Diagnostik wird sehr sehr viel Biographisches abgefragt. Ich empfand sie als sehr anstrengenden, aber gleichzeitig war der Behandler sehr zugewandt und feinfühlig. Ich bin im Nachgang froh mich dem gestellt zu haben. Es erklärt vieles.
Allen einen schönen Sonntag
MaWe
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Re: Dauerschleife schwere Depression - Diagnosefehler?

Beitrag von MaWe »

Hallo Amnesiac,

dass man als Erwachsener die Diagnose "ADHS" normalerweise nur bekommt, wenn die Symptome schon im Kindesalter vorhanden waren, stimmt. Zeugnisse würde ich nicht dazu benutzen (bin selber Psychologe und Betroffener), man befragt vor allem den Patienten, denn der kann ja sagen, ob er "Zappelphilipp" und unaufmerksam war usw. Ist das nicht der Fall, wie du schreibst, hast du vermutlich eher keine ADHS. Dazu kommt, dass Depressionen ja als wichtige und häufige Symptome gerade auch Konzentrations- und Aufmerksamkeitprobleme zeigen. Während einer schweren Depression, wie du sie anscheinend hast, wird man sinnvollerweise keine Tests auf ADHS durchführen, denn man wüßte ja nicht, ob auftretende Konzentrationsschwächen von der Depression oder einer ADHS kämen. Du solltest also einigermaßen gesund sein, bevor eine ADHS sicher diagnostiziert werden könnte, würde ich sagen. Bei den Tests misst man die Konzentrationsfähigkeit einerseits und die allgemeine Intelligenz andererseits, und wenn die Intelligenz deutlich höher ist als die Konzentrationsfähigkeit, erhärtet das einen Verdacht auf ADHS. Aber wie gesagt: wenn du ausschließen kannst, dass du im Kindesalter die typischen ADHS-Symptome hattest (insbesondere die Hyperaktivität, also das "Zappelphilipp"-Syndrom), würde ich nicht davon ausgehen, dass du eine ADHS des Erwachsenenalters hast, sondern dass deine starken kognitiven Probleme ein Symptom der Depression sind.

Ich hoffe, ich konnte etwas weiterhelfen,
MaWe
Nico Niedermeier
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Re: Dauerschleife schwere Depression - Diagnosefehler?

Beitrag von Nico Niedermeier »

Dem kann die Moderation nur zustimmen. Unserer Erfahrung nach wird ADHS nicht zu selten diagnostiziert sondern gegenwärtig geradezu inflationär.
Das liegt auch daran, dass die Tests so ausgelegt sind, dass eine große Gruppe von Menschen mit psychischen Problemen auch/und "gerade" bei ADHS Tests scoren wird, obwohl sie bei Durchsicht der Kriterien kein ADHS haben. Z.B. 90% (!!) aller Borderline-Störungen scoren bei ADHS Tests. Die Betroffenen haben dann aber kein ADHS, es sind lediglich die Tests, die Symptome abfragen die bei einer Vielzahl von psychischen Problemen auftreten. Deshalb: Symptome im Kindesalter (inklusive Dokumentation in Zeugnissen) sind unabdingbar. UND: Die Therapie ist primär medikamentös, im Gegensatz zum Kindes- und Jugendalter gibt es nur Wirksamkeitsnachweise von kurzen primär psychoedukativen Verhaltenstherapieprogrammen mit maximal 18 Stunden, fast alle in der Gruppe.
Beste Grüße
Die Moderation
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