Partner verlässt mich weil ich Depressionen habe

[Jasmin24]

Hallo zusammen,

ich bin noch ziemlich neu hier.
Ich wollte mal wissen ob jemand vielleicht schon die selbe Erfahrung gemacht hat. Bei mir wurde im März eine schwere Depression festgestellt, nachdem ich im Dezember ein Suizidversuch hinter mir hatte.
Mein Partner gab sich direkt die Schuld dafür und hat mich nach langem hinhalten nun endgültig verlassen mit der Begründung er kommt absolut nicht klar mit meiner Krankheit und war auch ziemlich fertig nach meiner Diagnose im März. Nun fühle ich mich in meinen Fortschritten wieder ziemlich zurückgeworfen und laufe momentan komplett durch das leere und habe Angst das alles wieder schlimmer wird. Ich komme nämlich mit dieser Trennung überhaupt nicht klar.
Hat jemand schon Erfahrungen mit so einer Situation machen müssen und wenn ja wie seid ihr damit umgegangen?

[Attila2009]

Hallo Jasmin,
Verlassenwerden ist immer ganz bitter, in Deiner Situation einmal mehr. Trotzdem muss man respektieren, dass ein anderer es nicht schafft, mir Dir und Deiner Erkrankung zu leben. Ich lebe seit 36 Jahren mit meinem kranken Mann zusammen (er hat eine sehr seltene Immunerkrankung, mit einem facettenreichen Leiden). Ich wusste vom ersten Tag davon, verstand aber erst im Laufe der Jahre, nach vielen krankheitsbedingten Schüben, was es bedeutet, einen solchen Partner zu haben. Es hat mich einige Male an meine psychischen Grenzen gebracht, aber ein Aufgeben/ Verlassen gab es bis heute für mich nicht. Doch ich glaube, nicht jeder kann mit einer Krankheit des Partner langfristig leben und umgehen, dann es erfordert ein hohes Maß an Toleranz. Der eine kann es, ein anderer nicht. Und das muss man nicht verstehen, sondern respektieren und loslassen, so schwer es auch fällt. Ich setze in meinen Mann nicht die Erwartung, an meiner Seite zu bleiben, sollte ich schwer krank werden; den Anspruch hab ich nie gestellt. Meine ersten schweren Depressionen hatte ich vor gut 20 Jahren und war damals in ambulanter Therapie. In 2,5 Jahren habe ich eine komplette Psychoanalyse durchlaufen, in 260 Sitzungen. Das war sicher für ihn nicht einfach. Wirklich verstanden hat er es erst, als er Ende 2011 selbst wegen eines Burnouts 3 Monate in einer Psychosomatischen Klinik war.
Ich denke, die Prüfung einer Beziehung und Liebe erlebt man erst in kritischen Zeiten - hier zeigt sich, ob es passt. Zusammen lachen ist einfach, gemeinsam weinen und sich auch schweigend zu verstehen, ist herausfordernd. Nach Deinem Erlebnis im letzten Dezember war die Trennung vielleicht auch eine logische Konsequenz. Sieh sie als Chance für einen Neubeginn in einem Leben mit Dir! Es schmerzt, tut weh und zerreißt einem das Herz. Aber es eröffnet Dir auch eine neue Sichtweise auf Dich selbst. Du darfst traurig sein, ein wichtiger Prozess um alles auch abzuschließen. Aber ein Partner, der nur aus Schuldgefühl an Deiner Seite bleibt, ist ein schlechtes Fundament für eine Beziehung.
Du magst im Moment vor Chaos nicht mehr Dein Leben finden, aber es ist da! Gib Dir ein bisschen Zeit und lerne Dich neu kennen.
Viele Grüße Attila

[Jasmin24]

Hallo Attila,

vielen lieben Dank für deine Worte.
Ich muss vielleicht das ein oder andere noch ergänzen.
Er ist 3 Jahre jünger als ich und sehe behütet aufgewachsen… musste sich noch nie wirklich mir solchen Sachen auseinandersetzen. Wir hatten vereinbart nach etwas Zeit und Abstand uns nochmal zu einem Gespräch zu treffen.. Nach 5 1/2 Wochen (unter therapeutischen Rat) habe ich mich das erste mal nach Kontaktstille wieder gemeldet. Erst meinte er ja können nochmal reden, danach hat er innerhalb von 2 Stunden seine Meinung komplett geändert. Er wolle nicht mehr reden es gibt nichts mehr zu reden… und all das per WhatsApp… er ist leider zu feige mir das persönlich mitzuteilen. Und das ist das Problem womit ich leider im Moment sehr zu kämpfen habe… ich wurde mehr oder minder von jetzt auf gleich sehr fallen gelassen… ich wollte ihn nicht unter emotionalen Druck halten und kann mir sehr gut vorstellen das es für einen Partner der damit nie Berührungspunkte hatte nicht unbedingt klar kommt… aber eine persönliche Erklärung hätte ich mir gewünscht…

[DieNeue]

Hallo,

hier geht's ja nicht nur um die Krankheit an sich, sondern auch um einen Suizidversuch. Das ist nochmal ne Nummer krasser und ich finde, da kann man auch niemandem vorwerfen, dass er nicht damit klarkommt.

Ich finde es ehrlich gesagt nicht ganz fair ihm vorzuwerfen, dass er dir alles nicht persönlich sagt und dich so plötzlich fallen lässt, auch wenn ich sowas generell auch nicht gut finde. Aber ich gehe mal davon aus, dass du ihm bei deinem Suizidversuch auch nicht vorher persönlich Bescheid gesagt hast und ihm alles erklärt hast, damit er damit besser klarkommt.
Dein Partner wäre auch von heute auf morgen ohne dich und ohne Erklärung dagestanden. Hast du da mal drüber nachgedacht, was dein Verhalten bei anderen auslöst?
Ein Suizid oder auch nur der Versuch haut jeden Angehörigen aus der Bahn, egal, ob er sich vorher schon mal mit Depressionen auseinandersetzen musste oder nicht.

Das ist jetzt wahrscheinlich nicht das, was du hören willst, aber vielleicht hilft ja mal ein Perspektiveechsel. Bei euch ist keiner besser oder schlechter als der andere.

Liebe Grüße,
DieNeue

[Jasmin24]

Hallo DieNeue,

Ich gebe ihm in diesem Bezug keinerlei schuld. Und sage auch nicht das er ein schlechter Mensch ist. Ich kann sehr gut nachvollziehen wie es für einen Menschen ist der plötzlich mit einem drohenden Suizidversuch konfrontiert wird (direktes Familienumfeld), bevor ich erkrankte. Für mich ist momentan nur so schwer zu verstehen warum er mich erst hinhält und dann plötzlich abblockt… wie gesagt ich stelle ihm nicht als schlechten Mensch hin und finde es auch gut, dass du mir mal die andere Perspektive aufzeigen willst.

[DieNeue]

Hallo,

doch, ich finde schon, dass du ihn als schlechten Mensch hinstellt. Immerhin ist er zu "feige" mit dir zu reden. Sowas ist doch abwertend.
Ich weiß nicht, was du noch von ihm wissen willst.
Du hast doch die Antwort von ihm bekommen: Er kommt nicht mit deiner Krankheit klar. Das kann eben auch beinhalten, dass es ihm schwerfällt sich von dir zu trennen, was für dich dann nach "hinhalten" aussieht. Genauso kann es beinhalten, dass man eigentlich bereit ist zu reden und dann nach der Zusage stellt man sich das Gespräch vor und ist plötzlich doch überfordert. Dann zieht man eben Grenzen.
Kannst du nicht nachvollziehen, dass es schwierig ist, sich von jemandem zu trennen, der suizidgefährdet war/ist und unter einer Krankheit leidet? Da bleiben viele erstmal in der Beziehung, obwohl sie eigentlich nicht mehr können oder wollen. Solche Überlegungen, ob man mit einer kranken Partnerin zusammenbleiben will, stellt man auch eher für sich an und nicht zusammen mit der Partnerin.

Hast du ihm eigentlich mal gesagt, dass es wichtig für dich wäre das alles zu wissen?

Liebe Grüße,
DieNeue

[Jasmin24]

Für mich fühlt es eben sich so an als ob er zu feige dazu ist…

Er gibt mir ja keinerlei Möglichkeit ihm das zu sagen, da er total abblockt.

[Jasmin24]

@DieNeue ich weiß nicht welche Erfahrung du schon mit Depressionen machen musstest, was mich auch nichts angeht.. aber sei dir bitte bewusst, dass ich mir wegen dieser ganzen Sache schon genug Vorwürfe mache. Wie warum hab ich nicht auf ihn gehört oder sonstiges… ich habe ihn gegenüber mehr als Schuldgefühle.. leider vermittelst du mir aktuell lediglich das Gefühl als sei ich hier ein absolut schlechter Mensch… ich wollte lediglich wissen ob jmd schon Erfahrungen mit so einer Situation machen musste und wie man am besten damit umgeht. Ich bin um jeden Rat und auch Kritik dankbar aber um ehrlich zu sein ziehen mich deine „Ratschläge“ eher runter als das sie mir weiterhelfen. Sorry ich bin nur ehrlich!

[Suchende2]

Hallo Jasmin,

Dein Ex-Partner kann zur Zeit nicht mit Dir reden. Dir ist aber ein klärender Abschied wichtig. Kannst Du für Dich ein Abschiedsritual finden?
Da ich Dich nicht kenne, weiß ich nicht, was das richtige für Dich wäre.
Zum Beispiel einen Brief schreiben und diesen abschicken (ohne Erwartung einer Antwort), verbrennen, vergraben, ....

Mein Mann würde nach einem Suizidversuch meinerseits ähnlich reagieren, wie Dein Partner.
Das Grundvertrauen wäre komplett zerstört und für ihn wäre keine gemeinsame Basis mehr da, wenn er mir nicht mehr trauen kann, daß ich noch lebe, wenn er mich alleine lässt.
Es könnte sein, daß er auf einen Gesprächswunsch meinerseits im ersten Moment eingeht, aber kurz darauf feststellt, daß er es nicht kann und dann wieder absagt.
Das wäre für mich schrecklich, aber für ihn in dem Moment der richtige Weg, um sich selbst zu schützen.
Genauso muß Dein Partner sich schützen. Er ist für sich verantwortlich.
Das ist für Dich eine zusätzliche Belastung, aber ihn kannst Du nicht ändern.

Ich habe die Beiträge von DieNeue nicht so aufgefasst, als würde sie Dir vermitteln wollen daß Du ein absolut schlechter Mensch bist.

Alles Gute,
Suchende

[DieNeue]

Hallo Jasmin,

tut mir leid, wenn das so rüberkam. Ich habe selber seit 15 Jahren Depressionen und habe auch mehrere Angehörige mit psychischen Erkrankungen. Ich war auch schon auf mehreren Beerdigungen von Leuten, die sich das Leben genommen haben. Eine gute Freundin wollte sich mal auf einer Freizeit, auf der wir gemeinsam waren, das Leben nehmen, wurde aber noch rechtzeitig gefunden. Das Erlebnis ist jetzt fast 20 Jahre her und ich frage mich manchmal immer noch, ob wir damit richtig umgegangen sind.

Ich wollte nicht sagen, dass du ein schlechter Mensch bist. Für mich kam allerdings überhaupt nicht rüber, dass du dich irgendwie in deinen Partner reinversetzen kannst. Für mich kam hier eher rüber, dass die Trennung so schlimm ist, weil dein Partner so fies ist und dich hinhält und nicht mal in der Lage ist, mit dir zu reden. Außerdem ist er ja jünger und so behütet aufgewachsen. Als wäre das der Grund, warum er nicht mit dem Suizidversuch eines anderen Menschen klarkommt. Als wäre es leichter, wenn man das schon paar mal mitgemacht hat.
Deswegen wollte ich dir die andere Perspektive aufzeigen.

Auch wenn ich massenweise Erfahrungen mit Depressionen habe, kann ich das Verhalten deines Freundes total nachvollziehen. Ich habe mich damals auch sehr um meine Freundin gekümmert, ich war die erste, der sie ziemlich heftige Erlebnisse anvertraut hat. Es war für mich auch selbstverständlich zuzuhören und für sie da zu sein (und vielleicht auch naiv). Die meisten der anderen Leute haben die Verantwortung an die Freizeitleitung abgegeben und sich zurückgezogen, weil sie nicht wussten, wie sie damit umgehen sollten.
Auch ich würde nie wieder ständig die Verantwortung haben wollen, ob ich jemanden alleine lassen kann oder nicht und ich möchte die Person auch nie tot auffinden müssen, wovor ich dann ständig Angst hätte. Ich weiß nicht, ob ich sowas auf Dauer bei meinem Partner ertragen könnte.

Ich weiß auch, wie es ist, wenn Freunde ohne Erklärung den Kontakt abbrechen. Das macht den Abschied und das Loslassen immens schwieriger als es eh schon wäre. In meinem Fall habe ich die Sache erstmal auf sich beruhen lassen und 1,5 Jahre später per Email nachgefragt. Ich hab eine abgeklärte Antwort bekommen. Mir ist ein Fels vom Herz gefallen, als endlich klar war, dass ich nochmal bei ihr nachfrage, ganz unabhängig davon, ob eine Antwort kommt oder nicht. Allein immer die Frage, was ich am besten machen soll, war belastender als gedacht.

Vielleicht kannst du die Sache auch erstmal eine Zeit lang auf sich beruhen lassen und später mal einen Brief oder eine Mail schreiben. Vielleicht kannst er dir dann antworten. Aber im Moment ist dein Freund wahrscheinlich auch nur total überfordert.

Ich hoffe, es kam besser rüber, was ich meine. Ansonsten kann ich mich hier auch gerne raushalten.

Liebe Grüße,
DieNeue

[Attila2009]

Hallo zusammen,
ein Suizid und oder eben der Versuch ist ein ganz einschneidendes Erlebnis. Am Ende ist es vielleicht eine ganz unwesentliche Sache, die diese Aktion in Gang bringt. Und es ist ein Schock für alle Nahesehenden, keine Frage! Plötzlich muss man sich dann vielleicht eben auch als Angehöriger und/ oder Partner mit einer sehr unbequemen Wahrheit auseinandersetzen. Und das sicher nicht per WhatsApp! Auch eine Trennung geht m.E. so mal gar nicht!
Gerade mit so einer Vorgeschichte muss man klar und offen von Angesicht zu Angesicht drüber reden. Als verlassener Partner möchte man schon wissen warum. Wie ich schon sagte, es gibt Menschen, die können mit einem kranken Partner leben und umgehen, andere nicht. Das muss aber eben auch klar gesagt werden, damit man das am Ende auch akzeptieren kann. Ich denke, hier geht es vor allen Dingen um die Form der Trennung, die verstört und auf mich persönlich auch ‚unreif‘ wirkt.
Als ich 13 war, hat mein Großvater Suizid begangen. Wir sind in der Familie damit sehr offen umgegangen, es wurde darüber gesprochen, es war kein Tabuthema. Natürlich sind Fragen offen geblieben, aber wir konnten am Ende irgendwie damit umgehen. Auch so eine Entscheidung muss man am Ende respektieren, auch wenn man es nicht unbedingt versteht.
Und das habe ich am Ende meiner Psychoanalyse für mich begriffen, nicht alles verstehen zu müssen, sondern manche Dinge im Leben ohne Wertung zu akzeptieren.
LG Attila

[hopstobs]

Ich glaube nicht, dass es hilft, die Liebe zu romantisieren und denen die sich für eine Trennung entscheiden eine Charakterschwäche zu unterstellen. Es macht das Leid und Aufopferungsbereitschaft derer klein, die es versucht, aber nicht geschafft haben, weil sie drohen selbst daran zugrunde zu gehen.