Umgang mit Zwängen

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Felix_90
Beiträge: 9
Registriert: 23. Aug 2023, 09:48

Umgang mit Zwängen

Beitrag von Felix_90 »

Hallo zusammen,

ich habe die Suchfunktion genutzt aber irgendwie keine passende Antwort gefunden. Daher starte ich jetzt diesen neuen Thread.

Ich befinde mich seit 4 Monaten (ausgelöst durch eine Trennung) in einer depressiven Phase.
Insbesondere am Arbeitsplatz habe ich diese innere Unruhe und gehe ständig irgendwelchen Zwängen nach (aufstehen und rum laufen, Zigarette rauchen (viel zu viele), ständiger Griff zum Handy um vielleicht irgendwelche neuen Erkenntnisse zu gewinnen, usw. usw.)

Wie gehe ich damit am besten um? Einfach aushalten und abwarten bis der Drang nachlässt? Danke !
Müllem063
Beiträge: 43
Registriert: 24. Aug 2023, 11:05

Re: Umgang mit Zwängen

Beitrag von Müllem063 »

Hey Felix,
Erstmal willkommen und danke für deinen Beitrag.

Ist die innere Unruhe einfach da oder wird sie durch etwas konkretes ausgelöst? Also ein konkretes Bild im Kopf oder Ähnliches?
Ist es deine erste depressive Phase?

Ich habe ähnliche Tendenzen und merke auch immer nach Tageszeit eine Besserung. Zudem bin ich aktuell krankgeschrieben. Kann aber gut nachvollziehen, was du meinst und der Impuls zum Handy zu greifen für den Erkenntnisgewinnung ist auch bei mir noch sehr oft da.

Ich klinke mich hier mal ein, da ich auch Interesse an Tools hätte, die helfen. Sorry, dass ich nicht direkt etwas beisteuern kann.
MissMikse
Beiträge: 466
Registriert: 14. Mär 2023, 20:07

Re: Umgang mit Zwängen

Beitrag von MissMikse »

Hallo Felix und Müllem,

mit Zwängen hab ich auch zu kämpfen - aber es wird langsam besser bei mir.
Ich kämpfe vor allem mit einem Kontrollzwang in Kombination mit Perfektionismus. Das führt z.B. dazu, dass ich noch 3 mal an der Autotür rüttle, ob ich auch wirklich abgeschlossen hab. Oder die Knöpfe am Herd kontrolliere bevor ich das Haus verlasse, obwohl der heute heute noch gar nicht benutzt wurde. Ich tu mich aber auch wahnsinnig schwer damit, Dinge weg zu werfen, ohne sie ausführlich (und leider teils mehrfach) zu kontrollieren, ob sie auch wirklich weg können und ob sie im richtigen Müllbehälter sind. Papiere sind ganz schlimm. Wenn ich mal was abgeheftet hab, kontrolliere ich immer wieder die Ordner und teste mich selbst, ob ich alles so finde, wie ich mir das vorstelle oder ob irgendwas noch nicht optimal abgeheftet ist.

Was mir hilft sind 3 Dinge:

1. dem Impuls nicht gleich nachgeben, sondern kurz inne halten - und dann was anderes machen stattdessen. Also z.B. auf der Arbeit, Felix: du willst zum Handy greifen, tust es nicht, atmest kurz durch - und arbeitest dann weiter. Oder lass das Handy einfach in der Tasche oder auch mal einen Tag zu Hause, damit du gar nicht erst in Versuchung kommst. Bei uns gibt es auch Schließfächer. Vielleicht kannst du das Handy irgendwohin weg packen.

2. das was ich tue, ganz bewusst und voll konzentriert machen. Der Griff zum Handy z.B. passiert in der Regel eher unbewusst, spontan, aus einem Impuls heraus statt ganz bewusst zu einem bestimmten Zweck. Ich hab bei meinem Handy auch fast alle Push-Nachrichten ausgestellt, damit ich nicht dauernd in Versuchung gerate, bei jedem Klingeln oder Vibrieren nachschauen zu "müssen", was ankam.

3. mich fragen, warum ich das tue, was es mir bringt, ob es sinnvoll ist usw. Also rein rational und völlig emotionslos analysieren. Gegenargumente finden für mein bisheriges Verhalten.
Kleines Beispiel von mir in Bezug auf das Abheften der Papiere: es gibt z.B. einiges, was ich alphabetisch abheften möchte. So weit, so gut. Aber natürlich soll es auch innerhalb des jeweiligen Buchstabens alphabetisch sein. Auch ok. Weil es aber schlicht eine unglaubliche Menge ist (ca. 20 Ordner oder so), wollte ich erst mal ALLE Papiere alphabetisch sortieren und hätte dann bis zu 26 Stapel hier liegen. Um dann Stapel für Stapel zu sortieren und abzuheften. Jetzt gibt es aber auch Papiere, die keine Überschrift haben und von daher nicht ins alphabetische System passen. Was mach ich damit? Und so lange diese Detailfragen nicht geklärt sind und ich mal ein halbes Jahr Urlaub hab um ALLE Papiere zu sortieren und abzuheften, liegt das Zeug kreuz und quer in Stapeln rum. Wenn ich was brauche, bin ich stundenlang mit Suchen beschäftigt.
Gegenargument: ich mach es Stück für Stück. Und wenn ich heute nur eine Sache abhefte, ist das auch ok. Und ich muss es nicht gleich innerhalb des Buchstabens alphabetisch machen - das kann ich später immer noch, wenn erst mal alles in den Ordnern ist. Aber bis dahin brauche ich wesentlich weniger Suchzeit, wenn ich z.B. bei Buchstabe D was suche, weil D nur 2 Ordner sind - und nicht das Volumen von 20 Ordnern durchsucht werden muss. Ausserdem wird alles, was nicht eindeutig ist, in einen extra Ordner abgeheftet. So verschwinden die Schachteln, die aktuell Platz weg nehmen, die bisher leeren Ordner werden endlich genutzt und die Suchzeit verkürzt sich deutlich. Und das alles schließt ja nicht aus, dass ich das System später noch verfeinere.
Mit diesem Argument konnte ich mein Hirn überreden, meinen Zwang mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten und zu hinterfragen. Da die "perfekte Endlösung" nicht ausgeschlossen ist bei dieser Vorgehensweise, war mein Hirn damit zufrieden. ;)


Welche "Erkenntnisse" soll euch der Griff zum Handy denn bringen? Was meint ihr mit "Erkenntnisse"? Habt ihr das mal hinterfragt?

Guter Thread jedenfalls! Danke Felix!
Felix_90
Beiträge: 9
Registriert: 23. Aug 2023, 09:48

Re: Umgang mit Zwängen

Beitrag von Felix_90 »

MissMikse hat geschrieben: 30. Aug 2023, 11:03
Welche "Erkenntnisse" soll euch der Griff zum Handy denn bringen? Was meint ihr mit "Erkenntnisse"? Habt ihr das mal hinterfragt?

Guter Thread jedenfalls! Danke Felix!
Tja, das ist eine gute Frage. Vermutlich versuche ich irgendwie eine Kontrolle zu gewinnen über meine Emotionen und meine Gefühlslage. Vielleicht hoffe ich auf irgendeine Nachricht, die mein Leben verändert oder mich auf einen Schlag heilen kann (völlig irrational, ich weiss)
MissMikse
Beiträge: 466
Registriert: 14. Mär 2023, 20:07

Re: Umgang mit Zwängen

Beitrag von MissMikse »

Kontrolle über Gedanken und Gefühle wirst du nicht erlangen, indem du dich mit noch mehr Input belädst, sondern wenn du zur Ruhe kommst. Das wäre in dem Fall vielleicht die andere Perspektive. ;)

Ich hab vor Kurzem gelesen: das, was wir suchen, finden wir immer in uns selbst.
Wenn du also Heilung suchst, dann such sie bei dir und nicht im Aussen. Klar kannst du duzende Bücher lesen, Podcasts hören, oder dir hier im Forum Tipps holen. Aber deinen individuellen Weg zur Lösung deiner Probleme (und somit zu deiner Heilung), den musst du ganz alleine finden. Heißt: was tut dir gut? Was tut dir nicht gut? Wenn dir zu viel Rauchen nicht gut tut, dann ersetz es mit etwas anderem, was dir gut tut. Reduziere es nach und nach usw. Finde Strategien, die für dich gut umsetzbar sind und die dich der Lösung Schritt für Schritt näher bringen.
Felix_90
Beiträge: 9
Registriert: 23. Aug 2023, 09:48

Re: Umgang mit Zwängen

Beitrag von Felix_90 »

MissMikse hat geschrieben: 30. Aug 2023, 11:22 Kontrolle über Gedanken und Gefühle wirst du nicht erlangen, indem du dich mit noch mehr Input belädst, sondern wenn du zur Ruhe kommst. Das wäre in dem Fall vielleicht die andere Perspektive. ;)

Ich hab vor Kurzem gelesen: das, was wir suchen, finden wir immer in uns selbst.
Wenn du also Heilung suchst, dann such sie bei dir und nicht im Aussen. Klar kannst du duzende Bücher lesen, Podcasts hören, oder dir hier im Forum Tipps holen. Aber deinen individuellen Weg zur Lösung deiner Probleme (und somit zu deiner Heilung), den musst du ganz alleine finden. Heißt: was tut dir gut? Was tut dir nicht gut? Wenn dir zu viel Rauchen nicht gut tut, dann ersetz es mit etwas anderem, was dir gut tut. Reduziere es nach und nach usw. Finde Strategien, die für dich gut umsetzbar sind und die dich der Lösung Schritt für Schritt näher bringen.
Danke, das ist ein guter Beitrag!
Ich habe festgestellt, dass mir Entspannungstechniken sehr helfen! Also in der Mittagspause mal auch mal hinlegen und eine Atemtechnik anwenden. Danach gehts es mir oft viel besser!
Sagt das irgendwas über mich aus? 😅
Seide
Beiträge: 1638
Registriert: 4. Apr 2015, 12:49

Re: Umgang mit Zwängen

Beitrag von Seide »

Das Thema Zwänge betrifft mich auch.
Ich habe schon viele Jahre einen Waschzwang. Ich wasche meine Wäsche zu oft.
Inzwischen habe ich deshalb monatlich eine Stromrechnung von 100,- €
Ich mache Therapien , lese Bücher ,
war deshalb schon mehrmals in psychosomatischen Kliniken.
Hätte ich jetzt besser einen eigenen Thread eröffnen sollen ?
MissMikse
Beiträge: 466
Registriert: 14. Mär 2023, 20:07

Re: Umgang mit Zwängen

Beitrag von MissMikse »

Liebe Seide,

du bist hier schon richtig.

Magst du mal erzählen, warum du so oft wäschst? Nur kurz getragene Kleidung oder auch das aus dem Schrank? Wie genau sieht das aus? Was geht dir durch den Kopf, weil du meinst, du müsstest die Sachen waschen?

Ich mag es z.B. nicht, wenn gewaschene Sachen zu lange rumliegen und ich dann denke, das ist eingestaubt und damit im Endeffekt "dreckig". Dann wasche ich es auch nochmal.

Durch Ausmisten im Schrank soll jetzt endlich genug Platz her, damit ich die saubere Wäsche im Schrank verstauen kann.
Seide
Beiträge: 1638
Registriert: 4. Apr 2015, 12:49

Re: Umgang mit Zwängen

Beitrag von Seide »

Hallo,
getragene Klamotten kann ich nicht mehr in den Kleiderschrank hängen.
Ich hänge sie im Bad auf. Wenn dann zuviele im Bad hängen, wasche ich alles.

Ich kann nur frisch geduscht in meinem Bett schlafen.
Wenn ich keine Lust oder Zeit habe zum Duschen , schlafe ich im Wohnzimmer auf dem Sofa.

Niemand darf meine Wäsche zusammen legen.
Wenn ich im Garten meine Wäsche trockne, sicher ich mich vorher ab , daß an diesem Tag der Rasen nicht gemäht wird. Oder , daß meine Nachbarin keine Wäsche auf hängt. Obwohl genug Wäscheleinen für uns vorhanden sind.

Wenn ich im Bus fahre, und meinen Kopf anlehne , dusche ich sofort sobald ich nach Hause komme.

In meinem Bett darf nur ich liegen und schlafen. Auch meine überaus geliebten Enkeltöchter nicht.

Ich empfange ganz selten Besuch.

Ich habe große Angst vor Keimen und Bakterien.

Widersprüchlich ist, daß ich Bücher aus der Stadtbücherei. Aber ich wische sie ab und ich kann sie nicht im Bett lesen.

Und - und - und -
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