Raus aus der Depression.

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Didi36
Beiträge: 3
Registriert: 22. Mär 2023, 10:28

Raus aus der Depression.

Beitrag von Didi36 »

Hallo alle zusammen,

kurz zu mir: ich bin Didi, 38 Jahre alt und bin als Notfallsanitäter tätig.

Meine Depression habe ich das erst mal wahrgenommen, so um 2014/2015. Nach und nach wahr der Tag gekommen, wo es immer stiller wurde. Ich habe mich immer öfter zurück gezogen, bei Freunden, bei der Arbeit. Ja, sogar vom Leben selbst.
Es gab immer öfter, bis es dauerhaft wurde, den Zustand von müde und erschöpft, ich konnte gleichzeitig aber nicht gut oder gar nicht schlafen. Habe oft dagesessen und die Decke angestarrt. Selbst, wenn ich den Tag wenig unternommen habe, war ich einfach erschöpft und kaputt.
Es überforderten mich maßlos die kleinsten Dinge, am meisten Abends. Gerade, wenn man alleine zu Hause war, man ist dann sehr oft in ein Loch gefallen, das Gedankenkarussell rotiere Tag ein Tag aus zu dem hat sich oft eine Angst ausgebreitet.
Ich schaffte es fast gar nicht, einfach zur Ruhe zu kommen. Die Gedanken sind so einnehmend gewesen, dass man nicht abschalten konnte. Ich hatte das Gefühl mich selbst verloren zu haben und überhaupt keinen Halt mehr zu finden. Mir wurde nahe zu alles gleichgültig, ich fühlte einfach nichts mehr, alles wurde egal im Leben, nichts mehr hat mir Freude im Leben bereitet.
Jeden Morgen, als man wach wurde, hatte man diese grauen Wolken im Kopf, hatte man diese innere Leere, das Gefühl, der vermeintlichen Hoffnungslosigkeit.
Ich habe eine sehr lange Zeit nicht verstanden, was mit mir passiert. Mir ging es jeden Tag schlecht oder gar sehr schlecht und das durchgehend über Monate. Es wurde ein Dauerzustand, bis es sich für mich „normal“ anfühlte. Ich habe gedacht, das muss dann eben so sein, dann ist das meine neue Baseline. All dieses, fand in mir drinnen statt.
Anfang 2018:
Es kam der Punkt in meinem Leben, an dem ich glaubte, es geht jetzt gar nicht weiter, ein Punkt, an dem ich keinen Ausweg mehr sah, der Käfig im Kopf wurde immer kleiner und das Atmen wurde mehr und mehr zu einem Überlebenskampf und das Zittern in der Brust nahm überhand, so, dass ich nicht mehr klar denken und handeln konnte.
Das ist der Moment gewesen, in dem mein Monatelanges nach Außenhin "alles gut" Kartenhaus in sich zusammengefallen ist. Das war der absolute Tiefpunkt.
Es folgte der Gang zum Arzt. Und die Diagnose: Mittelschwere bis schwere Depression. „Aha“ dachte ich. „Und jetzt?“

Keine Gefühle spüren, nicht weinen oder lachen können, als ob der Körper und Geist nicht nur vergessen hätten, wie diese Handlungen eingeleitet würden, sondern auch, was diese Gesten eigentlich bedeuten.
Viele von uns haben von Kindheit an gelernt, dass wir es verstecken oder lieber überspielen sollten, wenn uns etwas kränkt, stört oder sorgt. Das trifft sehr häufig zu, wenn wir es mit einer komplexen Familiensituation oder einem stressigen Arbeitsumfeld zu tun haben.

Bei uns, die eine Depression bekommen haben, ist es oft so, dass eine komplizierte Vergangenheit oder ein ungelöstes erlebte Traumatisches Ereignis, auch Hormonelles Ungleichgewicht oder Veranlagung in der Familie, diese hochgradig emotionale Erkrankung auslösen kann.
Wir vergessen, wie wir unsere Sorgen, Ängste oder Bedauern auslagern können, und unser Hirn beginnt, taub zu werden. Ein ähnliches Phänomen ist für den klassischen geistigen Nebel verantwortlich, durch den wir nur langsam auf unsere Umwelt reagieren und der unsere Aufmerksamkeit, unsere Konzentration und unser Gedächtnis stark einschränkt. Das ist vielleicht ein Grund, warum wir während der Depression nichts spüren.

Als erstes muss man verstehen, dass unser Gehirn nicht wie ein PC oder Rechner funktioniert, egal, wie oft andere das wiederholen, es stimmt so einfach nicht. Wir sind keine Roboter. Tatsächlich wird unser Gehirn von Gefühlen beherrscht. Nur, wenn wir verstehen, wie Gefühle funktionieren, wie wir mit ihnen umgehen und wie man sie beeinflussen kann, beginnen wir den Weg aus dem Gefängnis der Depression zu entkommen. In dem Moment, in dem wir beginnen, unsere Wut, Zorn, unsere Ängste und unsere Sorgen loszulassen, das akzeptieren und das annehmen dieser Erkrankung, erst dann beschreiten wir auch den Weg zur Heilung. Daher ist der Gang zum Arzt und eine Therapie so wichtig! Nur diese bringt uns wieder zurück in unser Leben, auf unseren Weg, den wir verlassen haben.
Diese Depression macht kein anderen Menschen aus uns, dennoch gab es
Freunde und auch einige andere nahstehende Menschen, die sich abgewandt haben. Heute habe ich verstanden warum. Ich hatte mich verändert, viele haben mich nicht wieder erkannt. Für Menschen, die es nie erfahren haben, können es zum Teil gar nicht oder nur sehr, sehr schwer nachvollziehen und wir können dieses Veränderung oder auch unser Verhalten nicht erklären, zumindest am Anfang nicht. Wir müssen es erst selber verstanden haben, damit wir es erklären können. Ich bin den Menschen, die sich abgewandt haben, in keiner Weise böse, im Gegenteil, sie tun mir leid, dass sie darunter vielleicht auch gelitten haben.

Anfang 2020:
Es wurde wieder besser, der Vorhang hatte sich etwas gelichtet. Ja, man konnte am Horizont wieder etwas Licht erkennen. Die grauen Wolken, alle negativen Gedanken und auch der Nebel waren dabei sich aufzulösen.
Heute, im Jahre 2022 geht es mir wieder sehr, sehr gut. Ich habe es überstanden und habe den Weg in mein Leben zurück gefunden, die Lebensfreude ist wieder zurück gekehrt und mir geht’s besser als je zuvor. Diese Erkrankung ist leider immer noch ein Tabuthema in der Öffentlichkeit, sie wird
sehr oft noch Stigmatisiert und als „Schwäche“ ausgelegt, was sie absolut nicht ist! Viele von uns können deshalb auch nicht den Mut aufbringen, darüber zu sprechen. Ich habe mich dazu entschieden, dies öffentlich zu machen zu zeigen, dass wir nicht alleine damit sind.
Es kann jeden treffen und es ist eine, wenn nicht sogar die Volkskrankheit Nr.1
Drüber reden hilft, es gibt Hilfen und man kommt da wieder raus.
Daher ist der Gang zum Arzt und eine Psychotherapie so wichtig. Es braucht seine Zeit, es gibt Rückschläge aber eins kann ich allen versprechen, am Ende wird wieder alles gut, am Ende ist wieder Licht am Horizont und das Leben wieder Lebenswert.

Das wollte ich einfach mal teilen. Ein kleine Geschichte von mir über meine Depressionen. Heute rede ich sehr offen darüber Privat und in der Öffentlichkeit, auch in meinem Rettungsdienstunternhemen und mit Kolleginnen und Kollegen. Den es gibt den Weg aus der Depression.
SaurerApfel
Beiträge: 5
Registriert: 15. Feb 2024, 17:20

Re: Raus aus der Depression.

Beitrag von SaurerApfel »

Vielen Dank, auch wenn dein Beitrag schon etwas älter ist. Das gibt mir Hoffnung ✨️
Franzi_2
Beiträge: 13
Registriert: 8. Jan 2024, 22:21

Re: Raus aus der Depression.

Beitrag von Franzi_2 »

Lieber Didi,
Auch von mir vielen Dank für das Teilen deiner Geschichte. Ich stecke noch mitten drin. Das ganz tiefe Tal ist hoffentlich überwunden, aber noch komme ich nicht vollends raus. Dauert aber wohl auch noch eine Weile.
Aber es tut so so so gut zu lesen, dass es schaffbar ist, dass man da wieder rauskommt, dass es wieder ein „normales“ Leben geben wird. Ich kann es mir (noch) nur seeehr selten vorstellen, dass das wirklich möglich ist.

Danke!
Hansi77
Beiträge: 22
Registriert: 6. Dez 2023, 17:08

Re: Raus aus der Depression.

Beitrag von Hansi77 »

Hallo Didi,

lieben Dank für deine Geschichte die macht auf jeden Fall Mut! Mir geht es im Moment so wie meiner Vorredner in Franzi_2. Das ganz tiefe Tal scheine ich geschafft zu haben, aber es sind immer noch regelmäßig dunkle Tage vorhanden. Auch bei mir wird es sicherlich noch eine Weile dauern. Ich freue mich schon riesig darauf wenn ich endlich wieder leben darf!

Lg
Didi36
Beiträge: 3
Registriert: 22. Mär 2023, 10:28

Re: Raus aus der Depression.

Beitrag von Didi36 »

SaurerApfel hat geschrieben: 16. Feb 2024, 18:29 Vielen Dank, auch wenn dein Beitrag schon etwas älter ist. Das gibt mir Hoffnung ✨️
M

Hallo, schön zu hören, dass es Ihnen Hoffnung gibt. Sie werden da auch rauskommen. Dran bleiben zahlt sich aus.
Frau Bernstein
Beiträge: 1
Registriert: 10. Jan 2024, 22:50

Re: Raus aus der Depression.

Beitrag von Frau Bernstein »

Hallo Didi,
auch mir gibt deine Geschichte viel Hoffnung, vielen Dank für's Teilen!!!
Liebe Grüße
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