Lange Warten für Therapie - Lieber privat bezahlen?

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Basti_Grinsekatze
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Registriert: 12. Jul 2023, 16:51

Lange Warten für Therapie - Lieber privat bezahlen?

Beitrag von Basti_Grinsekatze »

Hallo an euch alle,

Ich warte nun schon seit mehreren Monaten auf eine Therapiesitzung, die von meiner Krankenkasse bezahlt wird, und es sieht so aus, als würde das noch eine Weile so bleiben. Meine Depressionen werden immer schlimmer und ich möchte nicht länger warten, um den Heilungsprozess zu beginnen. Ich denke darüber nach, einen Therapeuten (Psychiater, Psychologe, oder Heilpraktiker) aufzusuchen und aus eigener Tasche zu bezahlen.

Könnt ihr empfehlen, einen Therapeuten privat zu bezahlen?

Freundliche Grüße!
Schlumpffine
Beiträge: 376
Registriert: 3. Mai 2020, 18:29

Re: Lange Warten für Therapie - Lieber privat bezahlen?

Beitrag von Schlumpffine »

Hallo Basti_Grinsekatz,
das ist eine schwer zu beantwortende Frage.
Auch wenn es viele nicht gerne hören- ein/e Psychotherapeut*tin oder Therapie ist keine Lösung. Sinn und Zweck einer Therapie ist es, Hilfe zur Selbsthilfe zu generieren.
Auch ein Therapeut kann nur eine Hilfestellung bieten- ist selber aber keine Lösung.
Wenn Du gewillt bist, an dir selber intensiv zu arbeiten,deine Glaubenssätze zu hinterfragen und Schritte zur eigenen Veränderung anzunehmen und sie auch umzusetzen, ist die Geldausgabe sinnvoll.
Möchtest du nur in den Arm genommen, betütelt und umsorgt werden, ist eine Therapie oder der Besuch eines Therapeuten sinnlos.
Eine psychische Erkrankung ist keine Erkrankung die Medikamentös behandelt werden kann oder durch Reden und vermeiden verschwindet.
Sicherlch kann der Leidensdruck durch den Besuch eines Therapeuten gemindert werden, aber die grundlegende Veränderung muss von dir ausgehen.
Gruß
Schlumpffine
Zuletzt geändert von Schlumpffine am 16. Jul 2023, 12:32, insgesamt 1-mal geändert.
Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Konfuzius
Worte haben die Macht zu zerstören und zu heilen. Wenn Worte sowohl wahr als auch freundlich sind, können sie unsere Welt verändern. “~ Buddha
DieNeue
Beiträge: 5349
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Re: Lange Warten für Therapie - Lieber privat bezahlen?

Beitrag von DieNeue »

Hallo Basti_Grinsekatze,

ich habe mal eine Therapie bei einer Heilpraktikerin für Psychotherapie gemacht. Die Therapie war sehr hilfreich, aber irgendwann bin ich finanziell echt an die Grenzen gestoßen, weil sie länger dauerte als gedacht. Das muss man halt mitbeachten, dass das ja erstmal eine Geschichte mit offenem Ende ist, anders als bei der Kasse.
Das Ding ist auch, dass man in der Therapie auch eine Beziehung und Vertrauen zum Therapeuten aufbaut und es dann einem vielleicht nicht mehr so leicht fällt zu jemandem von der Kasse zu wechseln, weil man schon mitten in der Therapie steckt.
Alternativ gibt es noch den Sozialpsychiatrischen Dienst. Die bieten zwar keine Therapie, aber unterstützende Gespräche, die man auch als Überbrückung bis zur Therapie nutzen kann.

Einen Psychiater kannst du zusätzlich zu einem Therapeuten aufsuchen, denn der bietet in der Regel keine Therapie an, sondern kümmert sich um die Medikamente (außer er hat noch eine Ausbildung als Therapeut oder lässt so irgendwelche therapeutischen Inhalte ins Gespräch einfließen.)

Bei Heilpraktikern muss man sich genau anschauen, wie die Leute arbeiten, denn es gibt wohl keine genauen Vorgaben. Manche sind da sehr esoterisch drauf (hatte ich aber bei Psychologen von der Uni auch schon). Meine war dagegen sehr bodenständig.

Liebe Grüße,
DieNeue
Basti_Grinsekatze
Beiträge: 8
Registriert: 12. Jul 2023, 16:51

Re: Lange Warten für Therapie - Lieber privat bezahlen?

Beitrag von Basti_Grinsekatze »

Hallo DieNeue,

vielen Dank für deine Antwort! Den Sozialpsychiatrischen Dienst zur Überbrückung hatte ich noch nicht auf dem Schirm, das ist eine spannende Info! Bei privat bezahlten Therapeuten, egal ob Psychologe, Psychiater oder Heilpraktiker, kann man sich selbst aussuchen wie viele Sessions man macht/ man bezahlt bis man sich mental stark genug fühlt ohne deren Hilfestellung. Bei kassenbezahlten Therapeuten gibt es eine vorgeschrieben Sessionanzahl aber meiner Meinung nach bedeutet das nicht zwangsläufig, dass man am Ende dieser Anzahl ohne deren Hilfestellung auskommt. Wie Schlumpffine angeschnitten hat, bei Depressionen ist es schwer zu kalkulieren wann man selbst genug Selbsthilfe-Tool aufgebaut hat um ohne Therapeut mit der Depression umgehen zu können.

Auf was genau hast du geachtet als du deine Heilpraktikerin für Psychologie ausgesucht hast? Weshalb hast du dich für sie entschieden und nicht für eine Alternative?

Liebe Grüße,
Basti_Grinsekatze
Basti_Grinsekatze
Beiträge: 8
Registriert: 12. Jul 2023, 16:51

Re: Lange Warten für Therapie - Lieber privat bezahlen?

Beitrag von Basti_Grinsekatze »

Hallo Schlumpffine,

Danke für die informierenden Worte! Sehe das ähnlich. Mir ist bewusst das Therapeuten mich unterstützen können für mich funktionierende Selbsthilfetools zu erlernen um mit der Depression umgehenzukönnen.

Meine Frage war mehr darauf bezogen, was hat dich dazu bewegt einen privat bezahlten Therapeuten aufzusuchen und wurden deine Erwartungen erfüllt? Beziehungsweise, falls zutreffend, was hat dich dazu bewegt einen privat bezahlten Therapeuten nicht aufzusuchen?

Liebe Grüße,
Basti_Grinsekatze
Schlumpffine
Beiträge: 376
Registriert: 3. Mai 2020, 18:29

Re: Lange Warten für Therapie - Lieber privat bezahlen?

Beitrag von Schlumpffine »

Hallo Basti_Grinsekatze,
zu Deinen Fragen:
was hat dich dazu bewegt einen privat bezahlten Therapeuten nicht aufzusuchen?
Meine Erfahrung ist folgende- In der Reha/Klinik traf ich auf viele Therapeuten ,die sehr engagiert waren und sehr viel Theoriewissen besaßen, dieses aber nicht in der Praxis im Sinne des Patieneten zielgerichtet umsetzen konnten/wollten. Der Leidtragende war der Patient.
Auch in der Klinik waren "äußere Beeinflussungen" und Restriktionen(Vorgaben) der GKV und der DRV spürbar.
Diese Vorgaben limitierten die Möglichkeiten der Therapeuten und sie blieben hinter ihren Möglichkeiten zurück.
Bei einem privat bezahlten Therapeuten kann man die jeweilig beiderseitig bestehenden Möglichkeiten besprechen, ausloten und dann zielgerichtet und konsequent abarbeiten. Limitierend sind hier natürlich der Ausbildungsstand des Therapeuten und die Fähihgkeit des Patienten Veränderungen schnell und zielgerichtet zu erlernen,generieren und umzusetzen. Aber das ist in meinen Augen meist ein Kommnunikationsproblem zwischen Therapeut/Patient.Der gute Schulz von Thun läßt grüßen. Wenn du also einen Therapeuten findest , der auf deiner Wellenlänge "tickt", ist die die Ausgabe sinnvoll. Leider ergibt sich das erst nach ein paar Sessions. Bei 3 Stunden sind das ca. 300 €.
Ich konnte mich hoffentlich klarer Ausdrücken.
Gruß
Schlumpffine
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Schlumpffine
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Re: Lange Warten für Therapie - Lieber privat bezahlen?

Beitrag von Schlumpffine »

Nachtrag:

Hallo Basti_Grinsekatze,
nach meiner persönlichen Erfahrung ist die Beziehung zwischen Therapeut und Patient immer schwerer und belastender, je mehr der Patient ein Potentenzial an Wissen und Veränderung annimmt und auch umsetzt. Je geringer der "Wissensabstand", desto schwerer sind die Fragen des Patienten zielgerichtet vom Therapeuten zu beantworten. Eine Konfliktspirale könnte sich aufbauen,wenn der Patient sich Fachwissen angelesen hat, welche nahe dem Wissen des Therapeuten ist bzw. dessen Wissen übertrifft. Denn auch Therapeuten sind Menschen, die ihr Wissen erlernt und nicht geschenkt bekommen haben. Was manche Therapeuten aber - leider- vergessen, ist die Tatsache, Wissen kann sich jeder- der gewillt ist zu lernen- erarbeiten. Dazu benötigt man keine UNi,die, wie ich zugebe, aber recht hilfreich ist.

Ich kann d.h. die ursprünglliche Frage des Threats nur so beantworten:
Fachlich Kompentente Personen findet man meist in Führungspositionen

gruß
Schlumpffine
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Highlight
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Registriert: 5. Jan 2023, 22:30

Re: Lange Warten für Therapie - Lieber privat bezahlen?

Beitrag von Highlight »

Ich habe schon als Privatversicherter als auch Kassenpatient Therapie gehabt. Ich finde nicht zwingend private Therapeuten besser. Man muss sich da einfach durchprobieren, was natürlich als Kassenpatient und den Wartezeiten wirklich schwer ist. Grundsätzlich würde ich immer nur zu einem ausgebildeten (psychologischer Psychotherapeut) Therapeuten gehen und nicht zu einem Heilpraktier, der vielleicht nur eine kurze Weiterbildung gemacht hat.

Hast du schon mal überlegt in eine Akutklinik zu gehen? Damit könntest du vielleicht auch eine gewisse Zeit überbrücken.
MissMikse
Beiträge: 466
Registriert: 14. Mär 2023, 20:07

Re: Lange Warten für Therapie - Lieber privat bezahlen?

Beitrag von MissMikse »

Hallo,

ich war zuletzt bei einer Heilpraktikerin für Psychotherapie. Ich hatte weder die Kraft noch den Nerv wieder auf die Suche nach einem von der KK bezahlten Therapieplatz zu gehen. Mein Ex-Therapeut wollte mich nicht nochmal betreuen. Ich hing also in der Luft. Brauchte aber dringend Hilfe.

Ich hab dann einfach mal ein wenig gestöbert, mir die Webseiten der Therapeuten angeschaut und ob ich mich da angesprochen fühle. Via Facebook bin ich dann durch Zufall auf diese Heilpraktikerin und ihren Mann gestoßen, die beide zusätzlich eine Ausbildung zum Therapeuten haben und überwiegend Gestalt- und Gesprächstherapie anbieten.
1. Unschlagbares Argument: ich bekam innerhalb weniger Tage einen Termin und damit Hilfe in einer akuten Situation.
2. Ich kann selbst entscheiden, wie oft ich komme, wie lange die Sitzung gehen soll oder woran ich arbeiten möchte.

Da ich schon ein paar Therapeuten kennen gelernt hab, hab ich da glaub ich mittlerweile ein ganz gutes Bauchgefühl, ob das passt oder nicht - und bei dieser Dame passte es direkt von der ersten Sitzung an. Sie gibt keine Ratschläge, sondern lässt mich schlussendlich die Lösungen selbst heraus finden, zeigt mir aber, wie ich da hin komme. Sie ist geduldig, aber auch an den entscheidenden Stellen hartnäckig, wenn sie merkt, dass da grade ein wichtiger Punkt ist, an dem es sich lohnt dran zu bleiben. Sie ist selbst ein Mensch, der mit beiden Beinen im Leben steht und auch Probleme hat und geht regelmäßig zu Fortbildungen, bei denen sie sich selbst "therapieren" lässt, um zu erfahren, wie sich diese oder jene Methode als Patient anfühlt.

Also mir hätte nix besseres passieren können und es war für mich jeden Cent wert, den ich bezahlt habe. (Das waren 80 - 110 Euro für 60 - 90 Minuten. Plus die Fahrkosten halt.)
Suchende2
Beiträge: 1211
Registriert: 29. Sep 2020, 08:05

Re: Lange Warten für Therapie - Lieber privat bezahlen?

Beitrag von Suchende2 »

Basti_Grinsekatze hat geschrieben: 13. Jul 2023, 17:35
Könnt ihr empfehlen, einen Therapeuten privat zu bezahlen?
Hallo Basti_Grinsekatze,

Ja!
Allerdings liegt bei mir der Fall etwas anders.
Ich habe über die Krankenkasse eine tiefenpsychologische Therapie.
Als Ergänzung dazu gehe ich manchmal zu meiner Kreativtherapeutin aus der Akutklinik.

Die Kreativtherapeutin hat einen anderen Zugang zu mir und ist eine tolle Ergänzung.
Desweiteren wird sie mein "Notanker" werden. Meine Therapeutin geht nach meiner Therapie in Rente, so daß ich dann für den akuten Fall keinen Therapeuten habe, auf den ich zurückgreifen kann.

Die Entscheidung fiel mir leicht, da ich die arbeitsweise der Kreativtherapeutin bereits kannte und durch eine Erfahrung in der Klinik auch sehr großes Vertrauen habe.

Alles Gute,
Suchende
MissMikse
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Registriert: 14. Mär 2023, 20:07

Re: Lange Warten für Therapie - Lieber privat bezahlen?

Beitrag von MissMikse »

IchWirErSieEs,

ich habe keine "Werbung" gemacht für Heilpraktiker. Ich habe lediglich meine Erfahrung geschildert. Und zu beurteilen, ob mir etwas gut tut oder nicht und ob ich mir das leisten kann oder will oder auch nicht, das überlass bitte mir. Und selbst wenn ich mich dafür in Schulden stürzen würde, dann ist das meine Sache, wenn es mir das wert ist.

Ich war schon bei ausgebildeten Therapeuten in Behandlung, die mir in zig Sitzungen nicht halb so viel geholfen haben, wie diese Heilpraktikerin. Und das ist meine ganz persönliche Erfahrung. Und für mich hat sich dieser Weg deswegen gelohnt.

Und wenn du meinen ganzen Post aufmerksam gelesen hast, dann habe ich geschrieben, dass diese Heilpraktikerin Ausbildungen hat bzw. regelmäßig Fortbildungen besucht, was vermutlich mancher Therapeut seit Abschluss seines Studiums nicht mehr getan hat, wenn ich mir so anschaue, was da draussen so rum läuft.

Pauschale Werbung für Heilpraktiker ist nicht ok. Aber eine pauschale Verdammung ebenso wenig. Welcher Weg für jemanden der richtige ist, muss jeder selbst entscheiden.
MissMikse
Beiträge: 466
Registriert: 14. Mär 2023, 20:07

Re: Lange Warten für Therapie - Lieber privat bezahlen?

Beitrag von MissMikse »

Ich suche keinen Streit, aber ich empfand deinen Beitrag als pauschalen Angriff auf Heilpraktiker und auch auf mich als Person, die deren Dienste in Anspruch genommen hat.
Und die Aussage, dass sowas nur für "wohlhabende Personen" möglich ist, ist eine Beurteilung, die dir meiner Meinung nach nicht zusteht. Denn ich bin z.B. alles andere als wohlhabend und musste mir das Geld hart zusammen sparen. Und ich hätte im Zweifelsfall tatsächlich lieber Schulden gemacht um Hilfe zu bekommen, als auf einen Therapieplatz zu warten.

Und wie du sagst, es ist ein Diskussionsforum und ich habe hier meine persönliche Erfahrung geteilt. Dass du so rabiat dagegen angehst und mir mehr oder weniger unterstellst, Werbung für Heilpraktiker zu machen, fand ich unangebracht, zumindest in dem Ton, in dem du es getan hast. Das geht auch anders und ohne, dass man anderen auf die Füße tritt.
Anne Blume
Moderator
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Registriert: 7. Dez 2006, 13:25

Re: Lange Warten für Therapie - Lieber privat bezahlen?

Beitrag von Anne Blume »

Hallo in die Runde,

ich möchte an dieser Stelle auf das letzte Deutschlandbarometer Depression der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention verweisen, zum Thema "Behandlungswege der Depression". Zugrunde liegt eine repräsentative Bevölkerungsumfrage. https://www.deutsche-depressionshilfe.d ... depression In den Ergebnissen spiegeln sich auch die Erfahrungen wieder, die Sie hier in diesem Thread teilen.
Wichtig ist mir hier ebenfalls der Hinweis auf die Nationale Versorgungsleitlinie Depression, in der Sie umfangreiche Informationen zur Behandlung der Depression nachlesen können. Und (bezugnehmend auf die vorangegangene Diskussion) hier können Sie ebenfalls nachlesen, für welche Behandlungsverfahren es Wirknachweise gibt (=welche Therapien evidenzbasiert sind). https://www.leitlinien.de/themen/depression

Herzliche Grüße
Anne Blume
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