Das Leben und Wirken eines Depressiven

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Hermann87
Beiträge: 3
Registriert: 13. Mär 2023, 15:55

Das Leben und Wirken eines Depressiven

Beitrag von Hermann87 »

Hallo zusammen,

mein Name ist XXX. Ich leide unter Ängsten und Depressionen seit etwa 16 Jahren. Die Krankheit hat mir das Leben immer sehr erschwert und es gab einige Moment in denen ich aufgeben wollte. Irgendwie ging es dann doch immer weiter und ich konnte im Zeitraum von 2008 - 2015 mein Studium erfolgreich abschließen. Seitdem hat sich mein Gesundheitszustand jedoch noch einmal enorm verschlechtert. Ich bin den Belastungen der Arbeitswelt nicht gewachsen und habe aufgrund meiner Depressionen bei allen 4 Arbeitgebern die ich bisher hatte meinen Job verloren. Ich habe jahrelang Psychotherapie gemacht sowie einen Aufenthalt in einer Tagesklinik und einen Rehaaufenthalt über die deutsche Rentenversicherung. Außerdem habe ich schon mindestens 6 Psychopharmaka ausprobiert, die ich aufgrund von Nebenwirkungen oder nicht vorhandener Wirkung nach entsprechender Zeit wieder abgesetzt habe. Nichts hat geholfen und mittlerweile habe ich auch die Hoffnung aufgegeben, dass sich meine Symptome irgendwann einmal bessern werden. Bei Psychatern habe ich durchweg schlechte Erfahren gemacht. Niemand wollte mich so richtig ernst nehmen und außer Rezepten für irgendeine neue Pille habe ich dort keine Unterstützung erhalten.
Ich war seit meinem Studium über sehr lange Phasen krank geschrieben, war von 2018 bis 2020 komplett zuhause und bin aktuell auch schon wieder fast ein Jahr im ALG I Bezug. Mein letztes Arbeitsverhältnis endete am 30.06.22. Mitte August endet mein Bezugszeitraum und ich weiß absolut nicht wie es weitergehen soll! Meine Frau und ich haben letztes Jahr im März eine Tochter bekommen und meine Frau hat aufgrund der Elternzeit gerade nahezu kein Einkommen. Mit dem ALG I halten wir uns aktuell noch so geradeeben über Wasser aber ab August haben wir kein Geld mehr.
Ich habe leider auch das Problem beruflich völlig unorientiert zu sein und schaffe es einfach nicht das Richtige für mich zu finden. Außerdem bin ich fest davon überzeugt, dass ich den Belastungen wieder nicht gewachsen sein werde. Ich möchte nur noch in Teilzeit arbeiten, aber dann reicht das Geld nicht ...
Weiterhin erschweren mir meine Antriebslosigkeit, meine Schlaflosigkeit, mein Grübeln und mein Reizdarm extrem den Alltag und oft passiert es, dass ein Tag einfach verstreicht ohne das ich irgendetwas geschafft habe oder überhaupt einmal das Haus verlassen habe. Oft versuche ich meine Probleme zu verdrängen aber je näher das Endes des ALG I rückt, desto schlechter geht es mir und desto mehr wächst der Druck.

Über jede Hilfe und Vorschläge was ich noch machen könnte, wäre ich sehr dankbar.
Gartenkobold
Beiträge: 2054
Registriert: 9. Jul 2020, 09:26

Re: Das Leben und Wirken eines Depressiven

Beitrag von Gartenkobold »

Hallo Hermann,

Du könntest eine berufliche Reha, LTA = Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beantragen um Dich beruflich neu zu orientieren, Deine Belastbarkeit zu steigern und um einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu finden. Als Akademiker...nun ja erwarte dann nicht zu viel von einer LTA. Es sind z.B. ganz simple Übungen in Word und Excel und die Auswahl an Jobs hinterher ist eher mäßig bzw. karriertechnisch unattraktiv, z.B. Pförtner, Hausmeister, Mitarbeiter in der Postsortierung oder im Tierheim.

LG Gartenkobold
Reziprok
Beiträge: 184
Registriert: 9. Mär 2023, 07:51

Re: Das Leben und Wirken eines Depressiven

Beitrag von Reziprok »

Hallo M.,

zunächst möchte ich Dich darauf hinweisen, dass Du aus Datenschutzgründen Deinen realen Vor- und/oder Nachnamen besser nicht auf Webseiten im Internet nennen solltest, das hattest Du leider getan. Vor allem nicht in Kombination mit sensiblen persönlichen Gesundheitsdaten, wie in diesem Fall hier.

Wenn Du Dich später einmal bei Firmen um einen Job bewirbst, dann werden diese Firmen wahrscheinlich nach Deinem Namen mit Hilfe einer Suchmaschine im Internet suchen, diesen Thread hier finden und Dir wegen dieses Threads jeweils eine Absage auf Deine Bewerbung erteilen.

Deswegen solltest Du besser Deinen Vor- und Nachnamen in dem Thread hier löschen oder abkürzen, wie ich es oben in meiner Anrede gegenüber Dir getan habe. Für das nachträgliche Bearbeiten Deiner Beiträge steht Dir dieser Bleistift-Button rechts oben in Deinen Beiträgen zur Verfügung.

Zu Deinem Post selbst:

Ich schließe mich dem Vorschlag von Gartenkobold an. Und zwar auch im Hinblick auf die mögliche Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nach dem Absolvieren einer oder mehrerer Rehamaßnahmen durch Dich. Denn die Rentenversicherung verfährt nach dem Grundsatz "Reha vor Rente".

Dieser Grundsatz bedeutet: erst wenn sich herausstellt, dass medizinische wie auch berufliche Rehamaßnahmen Dich nicht in den ersten Arbeitsmarkt integrieren können, weil Dein Gesundheitszustand Dich daran hindert, bewilligt die Rentenversicherung u. U. eine Erwerbsminderungsrente.

Ich würde deswegen wie folgt vorgehen:

1. Beantrage eine medizinische Reha bei der Deutschen Rentenversicherung.

Der Volksmund sagt dazu "Kur". Eine medizinische Reha soll Dich wieder fit machen für den ersten Arbeitsmarkt. Sie dauert mindestens 3, maximal 9 Wochen, soweit ich weiß.

Während Deines Aufenthalts in der Reha-Klinik bekommst Du so genanntes Übergangsgeld, das ist eine Sozialleistung der Rentenversicherung. Übergangsgeld ist höher als Dein ALG I. Dessen Höhe berechnet sich auf der Grundlage Deiner zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit. Für die unterschiedlichen Tätigkeiten (Berufe) bezieht sich die Rentenversicherung auf jeweils unterschiedliche, fiktive Bruttolöhne je Beruf. Meine ich jedenfalls.

Während der medizinischen Reha-Maßnahme wirst Du wahrscheinlich psychotherapeutische Einzel- und/ oder Gruppengespräche haben. Dazu andere Anwendungen, die Deiner Psyche gut tun sollen. Dazu aber auch Sport. Aber kein Hochleistungssport, sondern so Dinge wie Gymnastik, Nordic Walking u. ä.

2. Wenn sich während der medizinischen Reha bereits abzeichnet, dass sich wahrscheinlich keine Besserung Deines Gesundheitszustands einstellen wird, so dass Du Deine zuletzt ausgeübte Tätigkeit mindestens 3 Stunden täglich ausüben können wirst, wird Dir die Reha-Klinik wahrscheinlich empfehlen, schon aus der Reha-Klinik heraus einen Antrag auf LTA = Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben = berufliche Reha zu stellen. So war es jedenfalls bei mir damals.

Den Antrag auf LTA kannst Du natürlich auch nach Abschluss Deines Aufenthalts in der Reha-Klinik stellen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist hierbei, dass in dem Entlassungsbericht der Reha-Klinik steht, dass sie Dir und der Rentenversicherung gegenüber empfiehlt, an den LTA teilzunehmen. Dann wird Dir die Rentenversicherung wahrscheinlich auch die LTA bewilligen.

LTA bedeuten nicht unbedingt, dass sich aus ihnen für Dich vergleichsweise einfache Tätigkeiten wie Pförtner usw. ergeben, wie Gartenkobold schrieb.

Denn im Rahmen einer LTA könntest Du auch eine Umschulung in einen komplett anderen Beruf absolvieren. So, als ob Du eine vollwertige Ausbildung absolvieren würdest, nur nicht so lange wie eine Ausbildung, sondern wahrscheinlich 1 Jahr kürzer, also 2 Jahre lang.

In Deinem Alter (35) ist die Chance hoch, dass die Rentenversicherung Dir eine vollwertige Umschulung bewilligen würde.

Während der Zeit, in der Du die LTA in Anspruch nehmen würdest, würdest Du wieder Übergangsgeld von der Rentenversicherung bekommen.

Bringen Dich auch die LTA aus gesundheitlichen Gründen nicht in den ersten Arbeitsmarkt, solltest Du anschließend einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente stellen.

Du hast zwar bisher noch nicht so viele Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt, aber das macht eigentlich nichts. Denn die Rentenversicherung würde die Höhe Deiner Erwebsminderungsrente über eine Art Hochrechnung ermitteln: Sie würde so tun, als ob Du weiter bis zum 65. Lebensjahr gearbeitet hättest, mit dem Lohn, den Du durchschnittlich bisher bezogen hast.

Für die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente muss mensch aber zum Zeitpunkt der Antragstellung auf diese Rente rückblickend auf die 5 Jahre davor mindestens 3 Jahre lang Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Dabei werden nicht nur Zeiten als Arbeitnehmer berücksichtigt, sondern auch Zeiten, in denen mensch Krankengeld, Arbeitslosengeld I und Übergangsgeld bezogen hat. Bei diesen Lohnersatzleistungen werden nämlich auch Beiträge an die Rentenversicherung abgeführt.

Viele Grüße

Reziprok
Hermann87
Beiträge: 3
Registriert: 13. Mär 2023, 15:55

Re: Das Leben und Wirken eines Depressiven

Beitrag von Hermann87 »

Hallo,

danke für eure Antworten! Reha und LTA habe ich schon durch ... beides war völlig für den Arsch und hat mich absolut null weitergebracht! Aus der Reha wurde ich "arbeitsunfähig" entlassen. Noch eine Reha mache ich auf gar keinen Fall! Meine Tochter ist ein Jahr alt und die Trennung von Familie und Freunden ist mir damals schon schwer gefallen und war absolut kontraproduktiv. Bei LTA wurde mir nur Klötzchenschule angeboten .. also ein Jahr Zeitverschwendung, das habe ich dann abgelehnt.
Gartenkobold
Beiträge: 2054
Registriert: 9. Jul 2020, 09:26

Re: Das Leben und Wirken eines Depressiven

Beitrag von Gartenkobold »

Hallo Hermann,

und wenn Du eigene Ideen in die LTA einbringst und einen Antrag auf Wunsch- und Wahlrecht nach &8 SGB9 stellst und dann eher in einer LTA landest dir Dir etwas bringt im Vergleich zur Sonderschule? So habe ich es gemacht. Gab ausführliche Diskussionen mit dem Leistungsträger im Vorfeld, die sich hingezogen haben. Am Ende bekam ich genau die Einrichtung, die ich wollte. Ob das mir jetzt was bringt, werde ich sehen. Genug eigene Ideen in Sachen Bewerbung und Praktika bringe ich mit und die werden gerne aufgegriffen.

LG Gartenkobold
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